TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/11 98/20/0257

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Veröffentlicht am 11.11.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §32 Abs1;
AsylG 1997 §38 Abs5;
AsylG 1997 §4 Abs2;
AsylG 1997 §4 Abs3;
AVG §37;
AVG §63 Abs5;
AVG §71 Abs1 Z1;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;
VwGG §26 Abs1 Z4;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/20/0258 99/20/0234 99/20/0235

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, 1.) über den Antrag des Bundesministers für Inneres auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der (zu den hg. Zlen. 98/20/0257, 0258 protokollierten) Beschwerde gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. April 1998, Zl. 202.380/0-VI/18/98, und vom 2. April 1998, Zl. 202.380/1-VI/18/98, (mitbeteiligte Partei: N (auch NB) A (auch NB) in Wien, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 2), betreffend Asylgewährung, sowie 2.) über diese Beschwerde des Bundesministers für Inneres

(hg. Zlen. 98/20/0257, 0258) gegen diese Bescheide

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben.

II. zu Recht erkannt:

1. Die Beschwerde wird insoweit, als sie sich gegen den zur hg. Zl. 98/20/0257 angefochtenen Bescheid vom 1. April 1998 richtet, als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Der zur hg. Zl. 98/20/0258 angefochtene Bescheid vom 2. April 1998 wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste am 20. Februar 1998 unter Umgehung der Grenzkontrolle von der Slowakei kommend in das Bundesgebiet ein und beantragte am 24. Februar 1998 die Gewährung von Asyl. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 26. Februar 1998 gemäß § 4 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) als unzulässig zurück, weil der Mitbeteiligte in der Slowakei Schutz vor Verfolgung finden könne. Das Bundesasylamt ging davon aus, dass die Slowakei am 1. Jänner 1993 die Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) und am 18. März 1992 die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) ratifiziert sowie eine Erklärung nach Art. 25 MRK abgegeben habe. In der Slowakei bestehe gesetzlich ein Asylverfahren nach den Grundsätzen der FlKonv, welches den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der FlKonv übernommen habe. Eine Refoulement-Prüfung im Sinne des Art. 33 FlKonv sei innerstaatlich verankert. Da der Mitbeteiligte weder behauptet habe, er sei in der Slowakei unmittelbar bedroht, noch die Behörde eine die "Regelvermutung des § 4 Abs. 3 AsylG 1997 erschütternde Feststellung" habe treffen können, lägen die Voraussetzungen der Zurückweisung des Asylantrages gemäß § 4 AsylG vor.

Gegen diesen Bescheid, der dem in Schubhaft befindlichen Mitbeteiligten am 26. Februar 1998 zugestellt wurde, erhob dieser am 12. März 1998 die mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der zweitägigen Berufungsfrist des § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG i.d.F. vor der Kundmachung BGBl. I Nr. 106/1998 verbundene Berufung.

Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründete der Mitbeteiligte im Wesentlichen damit, dass ihm der Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. Februar 1998 im Polizeigefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Wien ausgehändigt worden sei. Er sei der deutschen Sprache nicht mächtig, ein Dolmetscher sei dieser Amtshandlung nicht beigezogen worden. Da der arabischen Rechtsmittelbelehrung keine übersetzte Begründung angeschlossen gewesen sei, sei dem Mitbeteiligten die inhaltliche Begründung der "Ablehnung" nicht bewusst gewesen. Er sei deshalb selbst nicht in der Lage gewesen, das Rechtsmittel der Berufung einzubringen. Er beherrsche keine andere Sprache und habe weder einen Dolmetscher noch einen Rechtsbeistand zur Verfügung gehabt. Er habe sich wiederholt um einen Rechtsbeistand bemüht, einen solchen allerdings erst anlässlich des ersten Schubhaftbesuches durch die Caritas am 10. März 1998, somit nach Verstreichen der Berufungsfrist erhalten können. Mangels Aufliegens der österreichischen Rechtsvorschriften in einer ihm verständlichen Sprache und angesichts der Einschränkung seiner persönlichen Freiheit in der Schubhaft sei er vor unüberwindliche Hindernisse gestellt gewesen, die zweitägige Berufungsfrist einzuhalten.

Mit Bescheid vom 13. März 1998 wies das Bundesasylamt den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 AVG ab. Dies begründete das Bundesasylamt damit, dass im Polizeigefangenenhaus täglich die Möglichkeit bestehe zu telefonieren. Zu diesem Zweck sei im Polizeigefangenenhaus ein Wertkartentelefon eingerichtet, welches auf Wunsch jedes Insassen benützt werden könne. Den Insassen stünden auch jederzeit Schreibutensilien zur Verfügung. Der Mitbeteiligte sei daher nicht vor einem unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignis gestanden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte fristgerecht Berufung.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. März 1998 "gemäß § 71 AVG statt" und sprach zugleich aus, dass "der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben" werde. Inhaltlich verwies die belangte Behörde auf die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 1996, Zl. 96/01/0195, vom 27. Juli 1995, Zl. 94/19/0518, und vom 19. Oktober 1994, Zl. 93/01/1117, die sich mit der Situation von Berufungswerbern in der Schubhaft auseinander setzten. Danach stellten mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache bzw. der Rechtslage für sich allein keinen Wiedereinsetzungsgrund dar, jedoch habe die Behörde sicherzustellen, dass ein Asylwerber - auch oder gerade wegen der Einengung seiner Freiheit während der Schubhaft - den von ihm gewünschten Rechts- oder sonstigen Beistand rechtzeitig für die Erhebung einer Berufung erhalte, ohne dass ihm ständige Urgenzen zuzumuten wären. Der Asylwerber wiederum habe sich jedenfalls um die fristgerechte Erhebung der Berufung bzw. der Erlangung einer entsprechenden Hilfestellung konsequent zu bemühen.

Im vorliegenden Fall habe sich der Mitbeteiligte "im Polizeigefangenenhaus um Rechtsbeistand zumindest bemüht,

konnte jedoch vorerst über seine Rechte nicht aufgeklärt werden. Den Ausführungen des Asylwerbers, dass er sich nämlich über den Inhalt des vorliegenden Bescheides in der Schubhaft nicht bewusst war und er selbst bei Übersetzung desselben vor unüberwindlichen Hindernissen bei der Abfassung eines Rechtsmittels gestanden wäre, vermag sich die erkennende Behörde durch die plausible Argumentation nicht zu verschließen: Hierzu ist auszuführen, dass der den Asylantrag zurückweisende Bescheid vom 26. Februar 1998 in der Begründung davon ausgeht, dass der Asylwerber von der Slowakei in das Bundesgebiet eingereist ist, er in der Slowakei Schutz vor Verfolgung finden könnte und der Antrag somit infolge der Drittstaatsicherheit im Sinn des § 4 AsylG 1997 zurückzuweisen wäre.

Dem vorliegenden Akteninhalt ist zu entnehmen, dass der Asylwerber nur in äußerst geringem Umfang mit der behaupteten Drittstaatsicherheit in der Slowakei vom Bundesasylamt konfrontiert wurde. Letztlich ist dem Berufungswerber somit beizupflichten, dass ihm mangels Aufliegens der österreichischen Rechtsvorschriften in einer ihm verständlichen Sprache im Polizeigefangenenhaus das Verfassen einer den Anforderungen eines begründeten Berufungsantrages genügenden Rechtsmittels nicht möglich gewesen sein kann. Hiezu ist festzuhalten, dass ein solcher begründeter Berufungsantrag letztlich sogar auf die Rechtslage in der Slowakei, genauer auf das slowakische Flüchtlingsgesetz, hätte eingehen müssen."

Weiters sei anzumerken, dass die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf die im § 63 Abs. 5 AVG normierte Berufungsfrist von zwei Wochen Bedacht nehme. Im vorliegenden Fall hätte der Mitbeteiligte die Berufung jedoch innerhalb von zwei Tagen einbringen müssen. Gerade im Hinblick auf diese drastisch eingeschränkte Berufungsfrist müsse im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sichergestellt bleiben, dass ein Asylwerber gerade wegen der Einengung seiner Freiheit in der Schubhaft den von ihm gewünschten Rechts- oder sonstigen Beistand rechtzeitig erhalte.

Es dürfe deshalb im vorliegenden Fall kein allzu strenger Maßstab angelegt werden, weshalb "der Berufung stattzugeben" und "spruchgemäß zu entscheiden" gewesen sei.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. Februar 1998 gemäß § 32 Abs. 2 AsylG

"stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen".

In der Begründung dieses Bescheides traf die belangte Behörde aufgrund eigenständiger Ermittlungen, insbesondere durch Heranziehung von als maßgeblich angesehenen Stellungnahmen des UNHCR vom 11. Februar und 12. März 1998, zur slowakischen Rechtslage betreffend Flüchtlinge folgende Feststellungen:

"Das slowakische Flüchtlingsgesetz vom 14. November 1995 (Nr. 283/1995), in Kraft getreten am 1. Jänner 1996, sieht in Art. 4 Abs. 2 vor, dass ein Antrag auf Gewährung des Flüchtlingsstatus schriftlich oder mündlich nur innerhalb der in leg. cit. taxativ aufgezählten Fristen bei einer Polizeistation gestellt werden kann:

a.) an der Grenze zum Zeitpunkt der Einreise in die Slowakische Republik;

b.) innerhalb von 24 Stunden nach einem Grenzübertritt in die Slowakische Republik;

c.) innerhalb des Zeitraumes eines bewilligten Aufenthaltes nach legaler Einreise im Gebiet der Slowakischen Republik.

Auch ein Antrag auf Gewährung eines vorübergehenden Schutzes als de-facto Flüchtling ist an die in Art. 4 Abs. 2 festgelegten Fristen gebunden (Art. 21 slowakisches Flüchtlingsgesetz).

Ein Asylwerber, der um die Gewährung des Flüchtlingsstatus angesucht hat, darf gem. Art. 4 Abs. 8 slowakisches Flüchtlingsgesetz nicht in einen Staat ausgewiesen bzw. zurückgewiesen werden, wenn er dort Gefahr liefe, Folter, unmenschlicher Behandlung oder der Todesstrafe aus Gründen der Rasse, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt zu sein. Ein Schutz vor refoulement gemäß dieser Bestimmung ist ausgeschlossen, wenn berechtigte Gründe vorliegen, dass der Betroffene eine Gefahr für die Sicherheit der Slowakischen Republik darstellt oder rechtskräftig wegen eines besonders schweren vorsätzlichen Verbrechens verurteilt worden ist.

Dem Gesetzeswortlaut entsprechend - welcher dem Unabhängigen Bundesasylsenat in englischer Übersetzung vorliegt - findet die refoulement-Schutzbestimmung des Art. 4 Abs. 8 slowakisches Flüchtlingsgesetz nur Anwendung auf jene Person, die fristgerecht iSd Art. 4 Abs. 2 leg. cit. einen Antrag auf Gewährung des Flüchtlingsstatus iSd GFK oder einen Antrag auf Gewährung des vorübergehenden Schutzes als de-facto Flüchtling gestellt haben.

In einer Stellungnahme des UNHCR vom 11.02.1998 heißt es betreffend die 24-Stunden-Frist im slowakischen Flüchtlingsgesetz und betreffend der Rückübernahme von Asylwerbern:

'UNHCR sind mehrere Fälle bekannt, in denen Asylsuchenden, die über keine Dokumente (z.B. Reisepass, Identitätsausweis, etc.) verfügten, kein Zugang zum Asylverfahren gewährt wurde. Vielfach wurde der Zugang zum Asylverfahren wegen Versäumnis der 24-Stunden-Frist verweigert.'

'Die erwähnte 24-Stunden-Frist wird von den slowakischen Behörden in der Regel dahingehend ausgelegt, dass ein Asylantrag innerhalb von 24 Stunden nach erstmaliger Einreise zu stellen ist. Auf Grund der bisherigen Erfahrungen von UNHCR ist daher nicht gewährleistet, dass ein Asylwerber, welcher in die Slowakische Republik ab- bzw. zurückgeschoben wird, Zugang zu einem Asylverfahren erhält. Insbesondere wird auch Personen, die nicht über ausreichende Dokumente verfügen, der Zugang zum Asylverfahren verweigert.'

In einer weiteren Stellungnahme vom 12.03.1998 teilte der UNHCR auf diesbezügliche Anfrage Folgendes mit:

'Gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. b des Gesetzes über Flüchtlinge Nr. 283 vom 14. November 1995 (siehe Beilage) ist ein Asylwerber verpflichtet, einen Asylantrag innerhalb von 24 Stunden nach Grenzübertritt zu stellen, außer in jenen Fällen, in denen aus schwer wiegenden Gründen ('serious obstacles') die Einhaltung der Frist nicht möglich war. Die Konsequenzen der Nichterfüllung dieses Erfordernisses werden im Gesetz über Flüchtlinge jedoch nicht weiter ausgeführt. Außerdem fehlt eine Kompetenzzuweisung, welche Behörde über das (Nicht-)Vorliegen von schwer wiegenden Gründen zu entscheiden hat.

Eine weitere Konkretisierung findet sich jedoch in der Verordnung Nr. 4 des slowakischen Innenministers vom 16. Jänner 1996 sowie in der ergänzenden Verordnung Nr. 20 vom 4. Juni 1996.

Gemäß Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 4/1996 ist die Polizei für die Feststellung der Einhaltung der 24-Stunden-Frist zuständig. Die Konsequenzen werden im Art. 2 Abs. 4 der Verordnung ausgeführt. Diese Bestimmung sagt, dass ein Fremder, der sich illegal mehr als 24 Stunden im Territorium der Slowakischen Republik aufhält und nicht innerhalb dieser Frist einen Asylantrag gestellt hat, obwohl keine schwer wiegenden Hindernisse für die Antragstellung bestanden, ausschließlich nach dem slowakischen Fremdengesetz (Gesetz über den Aufenthalt von Fremden im Territorium der Slowakischen Republik Nr. 73/1995 vom 5. April 1995) zu behandeln ist. Dies bedeutet, dass aufgrund dieser Bestimmung bei Versäumnis der 24-Stunden-Frist der Zugang zu einem Asylverfahren jedenfalls ausgeschlossen ist. Vielmehr droht einem Betroffenen in weiterer Folge eine Abschiebung, ohne dass jemals eine Prüfung des Schutzgesuches vorgenommen worden ist. Es gibt zwar auch nach dem slowakischen Flüchtlingsgesetz das Verbot des refoulement (siehe Art. 15 Abs. 2 leg. cit.), allerdings bezieht sich der Wortlaut dieser Bestimmung nur auf die direkte Abschiebung in das Herkunftsland und schützt daher nicht vor Kettenabschiebung, die sich in der Praxis als wahrscheinlicher erweisen. Auch in jenen Fällen, in denen ein Asylwerber im Rahmen der Behandlung nach dem Fremdengesetz nicht abgeschoben wird, ist eine Legalisierung des Aufenthalts bzw. eine Asylgewährung nicht mehr möglich.

Artikel 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 4/1996 wurde durch die Verordnung Nr. 20/1996 geändert. Einerseits wurden zusätzliche Entschuldigungsgründe für die Nichteinhaltung der 24-Stunden-Frist (körperliches Gebrechen, psychische Beeinträchtigung) aufgenommen. Andererseits wurden die rechtlichen Konsequenzen einer Fristversäumung sowie die Behördenzuständigkeit neu geregelt. Es bleibt weiterhin die Polizei für die Prüfung des Vorliegens von schwer wiegenden Hindernissen zuständig. Falls die Polizei die Fristversäumnis für entschuldbar hält, ist die Polizei gehalten, gem. Art. 2 Abs. 2 vorzugehen, d.h. es ist der Zugang zum normalen Asylverfahren vorgesehen. Bei gegenteiliger Entscheidung der Polizei 'hat das Büro für Migration im slowakischen Innenministerium im Rahmen eines summarischen (beschleunigten) Verfahrens den Asylantrag zu prüfen' (vgl. Art. 10 Gesetz über Flüchtlinge).

Gemäß den geänderten Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 4/1996 wird de iure keinem Asylwerber wegen Versäumnis der 24-Stunden-Frist der Zugang zum Asylverfahren verwehrt. Vielmehr hat die 24-Stunden-Frist lediglich Einfluss auf die Art des Verfahrens, d.h. normales oder beschleunigtes Verfahren.

Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass oben genannter Art. 2 Abs. 4 der Verordnung Nr. 4/1996, welcher bei Nichteinhaltung der 24-Stunden-Frist eine ausschließliche Behandlung nach dem Fremdengesetz vorsieht, weder geändert noch aufgehoben wurde. Zusätzlich wurde die Nichteinhaltung der 24-Stunden-Frist auch nicht in Art. 14 der Verordnung Nr. 4/1996, welche die Anwendungsfälle des beschleunigten Verfahrens aufzählt, als Tatbestand aufgenommen.

Dies führt zum Schluss, dass es hinsichtlich der Konsequenzen der Nichteinhaltung der 24-Stunden-Frist offenbar einen Normenwiderspruch in der Verordnung Nr. 4/1996 gibt. Art. 2 Abs. 3 verweist auf die Durchführung eines beschleunigten Asylverfahrens, während Art. 2 Abs. 4 ausschließlich ein Verfahren nach dem Fremdengesetz vorsieht.

Dieser Widerspruch hat in der Praxis zu einer erheblichen Verwirrung und Unsicherheit im Verhältnis zwischen den beteiligten Behörden geführt. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass es in diesem Zusammenhang keine einheitliche Vorgangsweise der Behörden gibt.

Bei Befragung einzelner Behördenstellen des Büros für Migration bzw. der Fremden- und Grenzpolizei gab es vielfach entgegengesetzte Erklärungen hinsichtlich der Anwendbarkeit der genannten Bestimmungen. Diese Unklarheit musste bei den betroffenen Behörden sowohl auf lokaler als auch auf regionaler und nationaler Ebene festgestellt werden, sodass die derzeitige Situation zu willkürlichen Entscheidungen führen kann. Darüber hinaus besteht in jenen Fällen, in denen aufgrund der Nichteinhaltung der 24-Stunden-Frist ausschließlich das Fremdengesetz angewendet wird und somit der Zugang zum Asylverfahren ausgeschlossen wird, keine Berufungsmöglichkeit gegen die behördliche Entscheidung.

Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen gibt es auch keine einheitliche Vorgangsweise der slowakischen Behörden bei der Anwendung des Gesetzes über Flüchtlinge auf Personen, die entweder freiwillig an der Grenze einen Asylantrag stellen oder im Wege der Zurückschiebung die slowakische Grenze passieren.

Die 24-Stunden-Frist wird von den slowakischen Behörden in der Regel dahingehend ausgelegt, dass ein Asylantrag innerhalb von 24 Stunden nach erstmaliger Einreise zu stellen ist und der Zugang zu einem Asylverfahren daher bei jeder neuerlichen Einreise ausgeschlossen ist. Generell wird der Zugang zu einem Asylverfahren jenen Personen verwehrt, die über nicht ausreichende Dokumente verfügen. Aufgrund der bisherigen Erfahrung von UNHCR ist daher prinzipiell nicht gewährleistet, dass ein Asylwerber, welcher in die Slowakische Republik ab- bzw. zurückgeschoben wird, Zugang zu einem Asylverfahren erhält.'"

Aufgrund dieser Feststellungen gelange die belangte Behörde somit zu dem Ergebnis, dass im konkreten Fall dem Mitbeteiligten

"nach einer Zurückschiebung nach § 55 FrG 1997 infolge Fristversäumnis in der Slowakei keine Möglichkeit offen stehen wird, einen Asylantrag einzubringen" bzw. es würde dem Mitbeteiligten "ein normales Asylverfahren"

nur offen stehen, falls die Behörden die Fristversäumnis für entschuldbar halten. Bei einer gegenteiligen Entscheidung der Behörden würde dem Mitbeteiligten in der Slowakei nur ein beschleunigtes Verfahren gemäß Art. 10 des Gesetzes für Flüchtlinge offen stehen. Da somit der Mitbeteiligte nicht beeinflussen könne, ob ihm in der Slowakei

"ein normales Asylverfahren offen steht bzw. ob ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt werden wird," ein solches "beschleunigtes"

Verfahren jedoch nicht dem § 4 AsylG Rechnung trage (nach den Feststellungen sei der Zugang zum Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings in der Slowakei nur ein "eingeschränkter"), treffe die Feststellung des Bundesasylamtes nicht zu.

Nach Ausweis der Verwaltungsakten wurden diese Bescheide dem Bundesasylamt am 1. bzw. 2. April 1998 per Telefax zugestellt.

Der Bundesminister für Inneres erhob dagegen am 29. Mai 1998 die zu den hg. Zlen. 98/20/0257, 0258, protokollierte Beschwerde.

Die belangte Behörde beantragte zugleich mit der Vorlage der Verwaltungsakten, die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen, hilfsweise die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Mitbeteiligte beantragte in einer fristgerecht erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Mit einem am 12. Mai 1999 überreichten, zu den hg. Zlen. 99/20/0234, 0235, protokollierten Schriftsatz beantragte der beschwerdeführende Bundesminister schließlich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung dieser Beschwerde.

I. Zum Antrag des Bundesministers für Inneres auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Der Antragsteller bringt vor, ihm sei am 29. April 1999 der zur hg. Zl. 98/20/0283 ergangene Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1999 zugestellt worden, nach dessen Begründung die Frist für die Erhebung einer Amtsbeschwerde gemäß § 38 Abs. 5 AsylG in den Fällen der Eintragung des anzufechtenden Bescheides in das "Asylwerberinformationssystem" bereits mit dieser Eintragung beginne. Hievon sei der Antragsteller bisher nicht ausgegangen, weshalb er die zu den

hg. Zlen. 98/20/0257, 0258, protokollierte Beschwerde gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. bzw. 2. April 1998, über die der Verwaltungsgerichtshof bisher nicht entschieden habe, erst am 29. Mai 1998 eingebracht habe. Der angefochtene Bescheid sei ihm vom Bundesasylamt erst am 23. April 1998 mit einem Bericht vorgelegt, allerdings von diesem schon kurze Zeit nach Zustellung an das Bundesasylamt in das "Asylwerberinformationssystem" eingetragen worden.

Dem auf diese Begründung gestützten Wiedereinsetzungsantrag war aus den im hg. Beschluss vom 17. Juni 1999, Zl. 99/20/0253, dargestellten Gründen gemäß § 46 Abs. 1 VwGG stattzugeben. Gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG wird auf den genannten Beschluss verwiesen.

II.1. Zur Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 1. April 1998 (hg. Zl. 98/20/0257) betreffend die Wiedereinsetzung des Mitbeteiligten gegen die Versäumung der Berufungsfrist:

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung "gemäß § 71 AVG stattgegeben", somit zunächst unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass sie den angefochtenen Bescheid im Sinne des gestellten Berufungsantrages abändere. Dieser Antrag lautete dahin, den "angefochtenen Bescheid, allenfalls nach Verfahrensergänzung, zu beheben und meinem Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben". Indem die belangte Behörde diesem auf eine Abänderung des Bescheides erster Instanz im Sinne einer Stattgebung des Wiedereinsetzungsantrages gerichteten Begehren unter Bezugnahme auf § 71 AVG Folge gab, brachte sie im Spruch unmissverständlich zum Ausdruck, dass sie die Wiedereinsetzung des Mitbeteiligten gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. Februar 1998 bewillige. Die weitere Wendung im Spruch, wonach "der bekämpfte Bescheid (des Bundesasylamtes) ersatzlos behoben" werde, zielte demnach lediglich dem Berufungsantrag des Mitbeteiligten folgend darauf hin, die beabsichtigte inhaltliche Abänderung des Bescheides erster Instanz im Sinne einer Stattgebung der beantragten Wiedereinsetzung hervorzuheben. Selbst wenn man aber im vorliegenden Fall von einem unklar formulierten Spruch ausginge, wäre diesfalls gemäß der ständigen hg. Judikatur auf die Begründung des Bescheides der belangten Behörde zurückzugreifen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Bescheid einer Verwaltungsbehörde als ein Ganzes zu beurteilen. Spruch und Begründung bilden eine Einheit; bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruches, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen. Hiebei ist der Spruch im Zweifel im Sinne des angewendeten Gesetzes auszulegen ("gesetzeskonforme" Bescheidauslegung; vgl. hiezu beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 13. Februar 1992, Zl. 91/13/0004, und vom 24. Oktober 1986, Zl. 84/17/0208, sowie die dort jeweils zitierten Belegstellen).

Damit entfiele aber letztlich jeglicher Zweifel, dass die Bedeutung des Abspruches im Bescheid der belangten Behörde nur im angeführten Sinne zu verstehen wäre. Die belangte Behörde hat - wie schon die Behörde erster Instanz - grundsätzlich zutreffend auf die hg. Judikatur hingewiesen, wonach weder mangelnde sprachliche Kenntnisse noch die bloße Tatsache der Schubhaftnahme für sich allein einen Verhinderungsgrund im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG bilden. Ein solcher liegt nach ständiger Judikatur nur dann vor, wenn nicht sichergestellt wäre, dass ein Schubhäftling während der Beschränkung seiner Freiheit den von ihm gewünschten Rechts- oder sonstigen Beistand rechtzeitig erhält (ohne ihm ständige Urgenzen zuzumuten) bzw. wenn ihm auch die Möglichkeit genommen wäre, trotz eines diesbezüglichen Wunsches eine Berufung verfassen und einbringen zu können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1994, Zl. 93/01/1117).

Entgegen den Ausführungen des beschwerdeführenden Bundesministers hat die belangte Behörde dahingehende Feststellungen getroffen, dass der Mitbeteiligte sich "im Polizeigefangenenhaus um Rechtsbeistand zumindest bemüht" habe, er "konnte jedoch vorerst über seine Rechte nicht aufgeklärt werden". Es sei davon auszugehen, "dass am 10. März 1998 ein erstes Beratungsgespräch durch Flüchtlingsbetreuerinnen der Caritas in der Schubhaft erfolgt ist".

Im vorliegenden Fall ist vor allem darauf Bedacht zu nehmen, dass der Mitbeteiligte die Berufung gemäß § 32 Abs. 1 AsylG in dessen ursprünglicher Fassung innerhalb von zwei Tagen erheben musste. Mit seinem Erkenntnis vom 24. Juni 1998, G 31/98, kundgemacht im BGBl. I Nr. 106/1998, hat der Verfassungsgerichtshof die in § 32 Abs. 1 erster Satz leg. cit. enthaltene Verkürzung der Berufungsfrist auf zwei Tage für die Fälle des § 4 AsylG sowohl unter dem Aspekt rechtsstaatlicher Grundsätze als auch unter dem Blickpunkt des Art. 11 Abs. 2 B-VG für verfassungswidrig erklärt und die Worte "§ 4 und" aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof führte dazu aus, es müsse bei einer für den Rechtsschutz maßgeblichen Regelung wie der über die Dauer einer Rechtsmittelfrist gewährleistet sein, dass der negativ beschiedene potentielle Rechtsschutzsuchende sein Rechtsmittel in einer Weise ausführen könne, die dem Inhalt der anzufechtenden Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht adäquat ist. Es sei davon auszugehen, dass der Asylwerber im Regelfall der deutschen Sprache nicht mächtig sei und daher schon zum rein sprachlichen Verständnis des ihm zugestellten Bescheides fremder Hilfe bedürfe, zumal - wie in dem hier vorliegenden Fall - bei einer negativen Erledigung gemäß § 4 AsylG dem Asylwerber zwar der Spruch, die Rechtsmittelbelehrung, der Hinweis nach § 61a AVG sowie eine Übersetzung des § 4 AsylG als der maßgeblichen Gesetzesbestimmung, nicht jedoch die Begründung in einer ihm verständlichen Sprache zukommen müsse. Neben dem rein sprachlichen Verständnis des Bescheides müsse dem Rechtsschutz Suchenden grundsätzlich auch das rechtliche Verständnis des Bescheides - einschließlich der rechtlichen Wertung des zur Bescheiderlassung führenden Verfahrens - möglich gemacht werden. Es müsse ihm demnach die Möglichkeit geboten werden, sich der Hilfe einer fachkundigen (wenngleich nicht notwendigerweise rechtskundigen) Person als Beistand zu bedienen. Das nach § 26 Abs. 2 AsylG dem Asylwerber zu übergebende, in einer ihm verständlichen Sprache abgefasste Merkblatt könne nur eine allgemeine Information über die Voraussetzungen der Asylgewährung bieten und vermöge daher nicht die konkrete persönliche Hilfe zu ersetzen, deren der Asylwerber als Bescheidadressat in seiner speziellen Lage regelmäßig bedürfe. Gerade in den Fällen des § 4 AsylG sei der Schwierigkeitsgrad, mit der Feststellungen bezüglich der Rechtsordnung eines ausländischen Staates unter Handhabung von Rechtsvorschriften durch dessen Behörden verbunden sein können, nicht als gering einzuschätzen, weshalb der Asylwerber gerade in einem solchen Fall der Hilfe einer bereits sachkundigen Person bedürfe (vgl. dazu im Einzelnen das zitierte Erkenntnis).

Der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. Februar 1998 wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag zugestellt, somit vor Kundmachung des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes durch BGBl. I Nr. 106/1998, ausgegeben am 29. Juli 1998, erlassen.

Vom Verwaltungsgerichtshof, der den angefochtenen Bescheid auf Grundlage der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bestehenden Rechtslage zu prüfen hat (vgl. etwa Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 142; Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts8, Rz 1020), müsste die inzwischen aufgehobene Wortfolge im vorliegenden Fall nur dann nicht angewendet werden, wenn der Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG ausgesprochen hätte, dass die verfassungswidrige Bestimmung auch auf vor Kundmachung des Erkenntnisses verwirklichte Fälle nicht mehr anzuwenden sei. Einen derartigen Ausspruch enthält das mehrfach erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes jedoch nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat somit die Rechtslage vor Aufhebung der Wendung "§ 4 und" in § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG anzuwenden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. September 1998, Zl. 98/01/0407).

Auch wenn somit mangels Erstreckung der Anlassfallwirkung durch den Verfassungsgerichtshof dieses Erkenntnis sich nicht unmittelbar auf die Versäumung der Berufungsfrist durch den Mitbeteiligten auswirkt, womit auch dem Wiedereinsetzungsantrag nicht die gesetzliche Grundlage entzogen wird, so sind die darin ausgeführten nachteiligen Folgen der zweitägigen Berufungsfrist zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides erster Instanz auch im konkreten Fall, durch die Situation der Schubhaft noch in einem erhöhten Maße, gegeben. Vor diesem Hintergrund tragen die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen die daraus gezogene Schlussfolgerung, dem Beschwerdeführer sei es trotz ausreichender Bemühung nicht möglich gewesen, einen fachkundigen Beistand zur Ausführung eines hinreichenden Rechtsmittels innerhalb der Berufungsfrist von zwei Tagen zu erhalten, weshalb ein die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründender Umstand vorliege.

Die Beschwerde des Bundesministers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 1. April 1998 erweist sich damit als unbegründet, weshalb sie insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen ist.

Der Spruch über den Aufwandersatz an die mitbeteiligte Partei gründet sich auf die §§ 47 VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

2. Zur Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 2. April 1998 (hg. Zl. 98/20/0258):

Wie sich aus § 4 Abs. 1 AsylG ergibt, darf ein Asylantrag wegen Drittstaatsicherheit nur zurückgewiesen werden, wenn die von der Behörde vorzunehmende Prognose dahin lautet, dass der Antragsteller in dem von der Behörde in Erwägung gezogenen Drittstaat (hier: Slowakei) Schutz vor Verfolgung "finden kann". Es muss dieser Staat für den betreffenden Fremden "sicherer Drittstaat" sein. Das ist er dann, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 AsylG für den betreffenden Asylwerber erfüllt sind, wenn dieser im Drittstaat also nicht gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht ist, wenn ihm dort ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) offen steht, wenn er während dieses Verfahrens in diesem Staat zum Aufenthalt berechtigt ist und wenn er Schutz vor direkter oder indirekter Abschiebung in den Herkunftsstaat - wenn dort Gefahren nach § 57 Abs. 1 oder 2 FrG drohen - findet.

An die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 AsylG knüpft Abs. 3 der genannten Bestimmung (hier in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/1999) an. Demnach sind diese Voraussetzungen in einem Staat regelmäßig dann gegeben, wenn er die FlKonv ratifiziert und gesetzlich ein Asylverfahren entsprechend den Grundsätzen dieser Konvention eingerichtet sowie die EMRK ratifiziert und eine Erklärung nach Art. 25 EMRK abgegeben hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Juli 1998, Zl. 98/20/0175, ausgesprochen hat, kann davon ausgehend § 4 Abs. 3 AsylG nicht als Vermutung darüber gedeutet werden, dass die Rechtslage in dem in Betracht kommenden Drittstaat den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 AsylG entspreche und dass die Bedingungen, an die dessen Rechtsordnung die Schutzgewährung knüpft, im zu beurteilenden Einzelfall erfüllt seien. Gegenstand der Vermutung muss vielmehr sein, dass der Drittstaat den Schutz, den er nach seiner Rechtslage dem konkreten Asylwerber zu gewähren hat, auch tatsächlich gewährt. Ermittlungen über die Effektivität des in seiner Rechtsordnung vorgesehenen Schutzes - im Besonderen über die Beachtung der entsprechenden Rechtsvorschriften in der Praxis der Behörden und Organe des Drittstaates - sollen ohne Anhaltspunkte für die Notwendigkeit solcher Ermittlungen nicht stattzufinden haben, wenn sich der Drittstaat in der im § 4 Abs. 3 AsylG umschriebenen, spezifischen Weise rechtlich gebunden hat.

Für die Rechtsanwendung im Einzelfall bedeutet das, dass die Asylbehörden zunächst die Rechtslage im potentiellen Drittstaat zu ermitteln haben, und zwar bezogen auf die individuelle Situation des konkreten Asylwerbers. In seinem Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, es sei vorauszusetzen, dass die Asylbehörden laufend zumindest Vorkehrungen dafür träfen, dass ihnen einschlägige Informationen unverzüglich zukämen, die ihnen eine Beurteilung auch der faktischen Situation - vor allem in Staaten, die regelmäßig als "sichere Drittstaaten" in Frage kämen bzw. in Erwägung gezogen würden - erlaubten. Amtswissen, welches aufgrund der solcherart eröffneten Informationskanäle bei den Asylbehörden entstehe, vermöge die "Regelvermutung" zu erschüttern oder gar zu widerlegen. Weitere Ermittlungen seien nur dann entbehrlich, wenn nicht begründete Zweifel an der Umsetzung einer grundsätzlich als "sicher" erkannten Rechtslage auftauchten, die das gesetzliche Wahrscheinlichkeitskalkül erschütterten. Solche Zweifel müssten etwa schon dann angenommen werden, wenn der Asylwerber substanziierte Behauptungen zu relevanten Rechtsverletzungen betreffend Personen in seiner Situation aufstelle oder wenn Berichte namhafter Organisationen auf dem Gebiet des Flüchtlingswesens vorlägen, die die Effektivität der ausländischen Rechtslage in Frage stellten. Es obliege dann den Asylbehörden, ergänzende Ermittlungen zur faktischen Situation im Drittstaat einzuleiten, aufgrund derer schließlich die Prognoseentscheidung nach § 4 Abs. 1 AsylG zu treffen sei.

Im vorliegenden Fall hat nun die belangte Behörde entsprechend diesen Grundsätzen aufgrund des Berufungsvorbringens weiter gehende Ermittlungen zur Rechtslage in der Slowakei durchgeführt und, insbesondere ausgehend von den ihr vorgelegenen Stellungnahmen des UNHCR, dazu maßgebliche Feststellungen getroffen. Die belangte Behörde hat allerdings übersehen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Ergebnis solcherart angestellter Ermittlungen über die für die Anwendung des § 4 AsylG maßgebliche (allenfalls auch ohne solche Ermittlungen der Behörde bereits bekannte) ausländische Rechtslage vor deren Beurteilung den Parteien zur Kenntnis zu bringen und diesen Gelegenheit zu einer entsprechenden Äußerung zu gewähren ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0304). Im Verfahren vor der belangten Behörde ist das Bundesasylamt gemäß § 67b AVG (i.d.F. vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998) Partei, weshalb ihm vor der Heranziehung neuer Entscheidungsgrundlagen durch die belangte Behörde dazu auch das rechtliche Gehör einzuräumen gewesen wäre. Vor allem die Stellungnahmen des UNHCR vom 11. Februar und 12. März 1998 wären dem Bundesasylamt - wie in der Beschwerde des Bundesministers für Inneres zutreffend ausgeführt - vorzuhalten gewesen.

Indem der beschwerdeführende Bundesminister vorbringt, wäre das Bundesasylamt gehört worden, so hätte dieses darlegen können, dass die von der belangten Behörde herangezogene 24-Stunden-Frist zur Asylantragstellung mit der neuerlichen Einreise des Asylwerbers in die Slowakische Republik jedenfalls wieder zu laufen begonnen hätte, hat er auch die Relevanz dieses der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensfehlers dargetan. Bei diesem Ergebnis bedarf es nicht der Klärung der vom beschwerdeführenden Bundesminister weiters aufgeworfenen Frage nach der Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung in einem derartigen Fall. Der aufgezeigte Verfahrensmangel erfasst auch die im angefochtenen Bescheid überdies vertretene Auffassung, ein "beschleunigtes" Verfahren entspreche nicht dem "in § 4 normierten und intendierten Schutz im sicheren Drittstaat", weil in einem solchen Verfahren "der Zugang zum Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der GFK ein eingeschränkter" sei. Ohne detaillierte Feststellungen über die Verfahrensgrundsätze und Ziele dieses "beschleunigten" Verfahrens, die für den betroffenen Asylwerber in einem solchen Verfahren verbundene Rechtsstellung sowie die sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen lässt sich der von der belangten Behörde gezogene Schluss, ein solches Verfahren entspreche nicht den in § 4 Abs. 2 leg. cit. normierten Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach § 4 AsylG, nicht überprüfen. Zur Beantwortung der in der Amtsbeschwerde noch weiters aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Bedeutung des § 4 Abs. 3 AsylG in Beziehung zu § 4 Abs. 2 leg. cit., ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das oben bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 23. Juli 1998, Zl. 98/20/0175, zu verweisen.

Der angefochtene Bescheid vom 2. April 1998 war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 11. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998200257.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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