TE Lvwg Erkenntnis 2018/9/3 LVwG-S-1601/001-2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2018
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Entscheidungsdatum

03.09.2018

Norm

ASVG §4 Abs2
ASVG §33 Abs1
ASVG §539a
StAG §35c

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch die Richterin
HR Dr. Hagmann über die Beschwerde des Herrn A, wohnhaft in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 23. Mai 2017, Zl. ***, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), zu Recht erkannt:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.   Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 292,-- Euro zu leisten.

3.   Der Beschwerdeführer hat die Barauslagen (Gebühren der nichtamtlichen Dolmetscherin) in Höhe von 230,-- Euro zu ersetzen.

4.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 52 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 76 Abs. 1 und 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom
23. Mai 2017, Zl. ***, wurde der Beschwerdeführer wegen Übertretungen des § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) iVm § 111 Abs. 2 ASVG idgF mit zwei Geldstrafen in Höhe von je € 730,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: je 72 Stunden) bestraft. Im Schuldspruch dieses Straferkenntnisses wurde es als erwiesen angesehen, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der B LTD mit Firmensitz in *** (England), ***, welche unbeschränkt haftende Gesellschafterin der C LTD & Co KG mit Firmensitz in ***, *** ist, zwei namentlich bezeichnete Dienstnehmerinnen als Prostituierte im Betrieb in ***, ***, zumindest am 20. März 2017 beschäftigt hat, ohne die Dienstnehmerinnen als in der Krankenversicherung pflichtversicherte Personen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

In der gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen eingewendet, die Prostituierten seien selbstständig tätig. Richtig sei, dass für die Überlassung eines Zimmers in der Bar vom Barbetreiber Entgelt kassiert werde, welches sich nach der Zeit der Überlassung richte. Dieses Entgelt werde für Raummiete, Wasser, Reinigung und Reinigung der Bettwäsche kassiert. Was die Damen mit den „Freiern“ vereinbaren, wie viel sie für verschiedene Leistungen verlangen würden, sei deren Angelegenheit und habe mit dem Barbetreiber nichts zu tun. Die Damen könnten kommen und gehen wann sie wollen. Es gebe Öffnungszeiten für die Gäste, welche vorgegeben seien, wonach sich die Damen auch richten würden. Außerdem sei es unverständlich, dass ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden sei, zumal der Beschwerdeführer von der Staatsanwaltschaft *** ein Schreiben erhalten habe, in dem von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen worden sei, da kein Verdacht bestehe.

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat in Entsprechung des § 44 VwGVG eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt, in welcher durch Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der Zeugen D, E, F und G, weiters durch Einsicht in die Akten des Verfahrens, auf deren Verlesung verzichtet wurde, Beweis erhoben wurde.

4.   Feststellungen:

Anlässlich einer Kontrolle durch Organe der Finanzbehörde am 20. März 2017 wurden im Lokal in ***, ***, die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses bezeichneten Personen als Prostituierte tätig ohne entsprechende Anmeldung zur Sozialversicherung angetroffen. Der Beschwerdeführer war verantwortliches Organ der das Lokal betreibenden Gesellschaft.

5.   Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen sind unbestritten. Die näheren Umstände der Amtshandlung sowie der von den Dienstnehmerinnen ausgeübten Tätigkeiten ergeben sich aus dem durchgeführten Beweisverfahren. Demnach steht vom Beschwerdeführer bestätigt, im Einklang mit den als Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung getätigten Aussagen der bei der Amtshandlung angetroffenen, spruchgegenständlichen Personen fest, dass diese nicht zur Sozialversicherung gemeldet waren und Prostitutionsdienstleistungen erbracht haben. Der Beschwerdeführer selbst habe gemeinsam mit Frau H hinter der Bar gearbeitet. Die Öffnungszeiten des Lokals waren etwa von 21:00 Uhr bis 4:00 Uhr oder 6:00 Uhr in der Früh. Mitunter wurde das Lokal bereits früher geschlossen. Die Prostituierten seien angewiesen gewesen, während dieser Zeit anwesend zu sein. Die für die Prostitutionstätigkeit benützten Räumlichkeiten, die sich neben dem Barbereich befinden, seien Betriebsräumlichkeiten gewesen. Eine Reinigungsfrau habe die Bettwäsche gewechselt, gereinigt und gewaschen, Strom und Wasserkosten seien vom Lokal getragen worden. Die Prostituierten hätten im Lokal auch getanzt und (wenige) Animationstätigkeiten ausgeübt. Der Lohn für die Prostitutionsdienstleistungen sei von den Prostituierten selbst kassiert worden, teilweise aber auch von den Barbediensteten. Die Preise für die Prostitutionsdienstleistungen seien vorgegeben gewesen. Von vereinnahmten € 130,-- (Prostitutionsdienstleistungen für 1 Stunde) und € 80,-- (Prostitutionsdienstleistungen für ½ Stunde) sei ein jeweils fixer Betrag bei der Prostituierten verblieben (€ 80,-- bzw. € 50,--), der Rest fiel dem Unternehmen zu. Die von den Prostituierten vereinnahmten Beträge seien auch in der Registrierkasse erfasst worden. Sonderleistungen durften von den Prostituierten eigenständig vereinbart werden, derartige Einnahmen waren nicht an den Betrieb abzuführen. Die Prostituierten seien an den Getränken mit 20 % umsatzbeteiligt gewesen. Der Lohn sei jeden Tag in der Früh ausbezahlt worden. Wenn ein Kunde mittels Bankomat gezahlt habe, so habe sich die Auszahlung an die Prostituierte bis zum Einlangen des Betrages verschoben.

Aus dem Beweisverfahren ergibt sich somit, dass die wesentlichen Betriebsmittel für die Ausübung der Prostitution durch das Unternehmen bereitgestellt wurden, dass die Kosten für die Zimmerreinigung vom Unternehmen getragen wurden und dass die Preise für die Prostitutionsdienstleistungen vorgegeben waren sowie, dass das Entgelt für die geleisteten Prostitutionsdienste teilweise direkt, teilweise im Wege des Barbetreibers an die Prostituierten bezahlt wurde. Darüber hinaus wurden zweifellos zwar wenige, aber jedenfalls auch Animationsleistungen wie Tanzdarbietungen erbracht und waren die derart Beschäftigten am Getränkeumsatz beteiligt.

Ebenso steht unbestritten fest, dass die Beschäftigten nicht zur Sozialversicherung gemeldet waren. Ein in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer beigebrachtes, von ihm verfasstes Schreiben an die NÖ Gebietskrankenkasse vom 12.4.2015, in welchem er „den sozialen Statuts der Sexarbeiterinnen als ‚neue Selbständige‘“ beurteilt, sodass nach seinem Verständnis keine Dienstverhältnisse vorliegen würden und er deshalb offenlege, dass keine Anmeldungen zur Sozialversicherung vorgenommen würden, und er in diesem Schreiben auf verschiedene Fakten hinweist, u.a. “Keine Beteiligung der Sexarbeiterinnen an den Getränkeumsätzen“, „die Umsätze der Sexarbeiterinnen gegenüber deren Kunden sind dem Betreiber des Nachtclubs weder bekannt noch tätigt dieser ein Inkasso; ebensowenig ist er am Umsatz der Sexarbeiterinnen beteiligt“ ist ungeachtet des Umstandes, dass es ohne rechtliche Relevanz lediglich die Meinung des Verfassers an die NÖ GKK wiedergibt, allgemein formuliert und trifft in der Faktenlage – wie das Ergebnis der mündlichen Verhandlung gezeigt hat – auf die gegenständlich beschäftigten Prostituierten nicht zu.

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Beurteilung der ausgeübten Tätigkeiten als unselbständige Dienstleistungen wendet, unterliegt das Beweisergebnis der nachfolgenden rechtlichen Beurteilung.

6.   Erwägungen:

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.


Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.

Ordnungswidrig handelt, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) […] entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet. Die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von € 730,-- als Verwaltungsübertretung zu bestrafen.

§ 539a ASVG lautet (auszugsweise):

„(1) Für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (z.B. Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.

(2) Durch den Missbrauch von Formen und durch Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes können Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz, besonders die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden.

(3) Ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre.

(4) …“

Wenn sich der Beschwerdeführer gegen die rechtliche Beurteilung der Behörde wendet, wonach das Vertragsverhältnis der spruchgenannten Personen als nach dem ASVG versicherungspflichtig anzusehen ist, so ist ausgehend von diesem rechtlichen Einwand die Selbständigkeit oder Unselbständigkeit der Leistungserbringung im konkreten Fall zu prüfen.

Dies entspricht auch den Intentionen des EuGH (vgl. Rechtssache C 268/99), wonach im Fall der Beurteilung der Selbständigkeit von Prostituierten anhand aller dem Gericht vorliegenden Beweiselemente zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für die Annahme erfüllt sind, dass die Prostitution von dem Dienstleistenden selbständig ausgeübt wird, nämlich nicht im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses in Bezug auf die Wahl dieser Tätigkeit, die Arbeitsbedingungen und das Entgelt, in eigener Verantwortung und gegen ein Entgelt, das ihm vollständig und unmittelbar gezahlt wird. Lediglich bei Nachweis dieser Voraussetzungen sei der Rechtsprechung des EuGH zu Folge davon auszugehen, dass die Prostitution unter die selbständig ausgeübten Erwerbstätigkeiten fällt.

Hinsichtlich Prüfung der Versicherungspflicht nach § 4 ASVG im Allgemeinen hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen, dass die vertragliche Gestaltung der Beschäftigung in die Beurteilung des Gesamtbildes derselben einzubeziehen ist, weil sie (sofern keine Anhaltspunkte für ein Scheinverhältnis bestehen) die von den Parteien in Aussicht genommenen Konturen des Beschäftigungsverhältnisses sichtbar werden lässt, die wiederum bei der Deutung von Einzelmerkmalen der Beschäftigung ein Rolle spielen können; entscheidend bleibt aber doch, ob bei der tatsächlichen (und nicht bloß bei der vereinbarten) Beschäftigung im Rahmen der Beurteilung des Gesamtbildes derselben die Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen (vgl. VwGH 2007/08/0179 mit Hinweis auf 88/08/0269). Die vertragliche Vereinbarung hat die Vermutung der Richtigkeit (in Übereinstimmung mit der Lebenswirklichkeit) für sich. Dabei kommt es auf die Bezeichnung des Verhältnisses zwischen einer Person und dem von ihr Beschäftigten durch die Vertragspartner grundsätzlich nicht an. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob der Vertrag eine eindeutige Antwort darauf, welche Art von Vertrag gewollt war, zulässt oder nicht. Im letzteren Fall kommt der tatsächlichen Durchführung der Beschäftigung für die Frage der Pflichtversicherung entscheidende Bedeutung zu.

Fallbezogen ist relevant, dass die spruchgegenständlichen Personen (Prostitutions-) Dienstleistungen erbracht haben, die in dem vom Beschwerdeführer betriebenen Unternehmen angeboten wurden. Das vom Beschwerdeführer vertretene Unternehmen hat durch die konkreten Prostitutionsdienstleistungen einen Erwerb lukriert. Dieser konnte erst durch die Tätigkeit der Dienstnehmerinnen erzielt werden.

Aus dem Umstand, dass durch die Festlegung von Öffnungszeiten und die damit einher gehende (grundsätzlich verpflichtende) Anwesenheit die Möglichkeit der Erbringung der Prostitutionsdienstleistungen eröffnet wurde, ergibt sich eine wechselseitige Abhängigkeit der Vertragspartner, sodass dadurch von einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis der Dienstleisterinnen auszugehen ist, ebenso von einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis, das regelmäßig die Folge des persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses ist.

Es ist daher in Beachtung der Gesamtumstände nicht von einer selbstständigen Ausübung der Prostitution durch die spruchgegenständlichen Personen auszugehen.

Der Beschwerdeführer hat daher für die ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen der Nichtanmeldung zur Sozialversicherung verwaltungsstrafrechtlich einzustehen.

Zum Verschulden ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer – ausgehend von der von ihm dargelegten, eigenen rechtlichen Beurteilung, die er offenkundig keiner weiteren Überprüfung durch die zuständige Behörde unterzog – die unerlaubte, weil ohne Anmeldung zur Sozialversicherung erfolgte Beschäftigung der Prostitutionsdienstleisterinnen bewusst in Kauf genommen hat, was als vorsätzliches Handeln zu werten ist.

Soweit sich der Beschwerdeführer unter Hinweis auf ein näher bezeichnetes Schreiben der Staatsanwaltschaft *** vom 6. April 2017 betreffend „Verständigung vom Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens“ allfällig auf das Verbot der Doppelbestrafung beruft, ist als zutreffend festzustellen, dass in diesem Schreiben bestätigt wird, dass die Staatsanwaltschaft von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 35c StAG abgesehen hat, weil kein Anfangsverdacht (§ 1 Abs. 3 StPO) bestehe und dagegen ein Antrag auf Fortführung gemäß § 195 StPO nicht zustehe.

Diesem Vorbringen ist jedoch in rechtlicher Hinsicht die Rechtsprechung der Höchstgerichte, gestützt auf die Rechtsprechung des EuGH (vgl. Rechtssache
C-486/14) entgegenzuhalten, wonach keine rechtskräftige Entscheidung im Sinne des Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens-SDÜ iVm Art. 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vorliegt, wenn das Verfahren eingestellt wurde, ohne dass eingehende Ermittlungen durchgeführt worden sind. Aus der Rechtslage ergibt sich dazu klar, dass eine Verständigung gemäß § 35c StAG dann ergeht, wenn von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen ist. Im konkreten Fall hat die Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf die Anzeige der Finanzpolizei von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mangels Vorliegens eines Anfangsverdachtes iSd § 1 Abs. 3 StPO ausdrücklich Abstand genommen; die Sache ist daher nicht einmal in das Stadium von Ermittlungsmaßnahmen getreten (vgl. in diesem Sinne etwa auch VfGH G 129/2015, G 377/2016; Zurückweisung eines Parteiantrages mangels Legitimation, weil nicht einmal ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war). Wurden aber die wesentlichen Elemente des tatbestandserheblichen Sachverhalts im Einzelfall nicht einmal geprüft, weil kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, vermag die Sperrwirkung des Art. 4 des 7. ZPEMRK nicht entfaltet zu werden.

Zur Strafhöhe wird erwogen:

Gemäß § 19 VStG ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Für die Nichtanmeldung der spruchgegenständlichen Personen zur Sozialversicherung wurde über den Beschwerdeführer jeweils die gesetzliche Mindeststrafe verhängt. Für eine Unterschreitung des gesetzlichen Strafrahmens fanden sich weder im Rahmen der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 20 VStG noch im Hinblick auf die Bestimmungen des § 111 Abs. 2 ASVG Anhaltspunkte. Sofern die belangte Behörde das Nichtvorliegen von einschlägigen Vormerkungen als strafmildernd gewertet hat, ist diesem Umstand insofern entgegen zu treten, da nach der Rechtsprechung lediglich die absolute verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit als mildernd zu werten ist. Dem Akteninhalt zu Folge weist der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt mehrere rechtskräftige (nicht einschlägige) Vormerkungen auf, sodass davon auszugehen ist, dass keine Milderungsgründe vorliegen. Dem gegenüber ist die vorsätzliche Tatbegehung als erschwerend zu werten.

Zum Ausspruch über die Vorschreibung der Barauslagen:

Gemäß § 52 Abs. 3 VwGVG ist, wenn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Barauslagen erwachsen (§ 76 AVG), dem Bestraften der Ersatz dieser Auslagen aufzuerlegen, soweit sie nicht durch Verschulden einer anderen Person verursacht sind; der hiernach zu ersetzende Betrag ist, wenn tunlich, im Erkenntnis, sonst durch besonderen Beschluss ziffernmäßig festzusetzen. Dies gilt nicht für Gebühren, die dem Dolmetscher zustehen, der dem Beschuldigten beigestellt wurde.

§ 76 Abs. 1 und 2 AVG lauten (auszugsweise):


„(1) Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. [….]

(2) Wurde jedoch die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht, so sind die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.“

 


Die Verhandlung wurde auf Grund des Inhaltes der Beschwerde durch das Gericht angeordnet. Der Dolmetscherin für die slowakische Sprache, die nicht dem Beschuldigten beigestellt wurde, wurden mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes NÖ vom 24. August 2018 Gebühren in Höhe von € 230,-- zuerkannt. Dieser Betrag ist dem LVwG NÖ durch Auszahlung am 31. August 2018 erwachsen. Im Sinne der zitierten Bestimmungen ist dem Bestraften somit der Ersatz dieser Barauslagen vorzuschreiben.

7.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Sozialversicherungsrecht; Verwaltungsstrafe; Anmeldung; Pflichtversicherung; Dienstgeber; Doppelbestrafung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.S.1601.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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