TE Vwgh Beschluss 1999/11/25 99/20/0215

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Veröffentlicht am 25.11.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des am 4. April 1980 geborenen AA, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie für den 12. Bezirk, dieser vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. Juni 1998, Zl. 202.689/2-II/04/98, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages gemäß § 4 AsylG 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste am 30. März 1998 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet ein und beantragte am gleichen Tag die Gewährung von Asyl. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 9. April 1998 gemäß § 4 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 (AsylG), als unzulässig zurück, weil der Beschwerdeführer in Tschechien Schutz vor Verfolgung gefunden habe. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Die belangte Behörde gab gemäß § 32 Abs. 2 AsylG der Berufung statt, behob den bekämpften Bescheid des Bundesasylamtes und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung des neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück. Auf Grund einer vom Bundesminister für Inneres gegen diesen Bescheid erhobenen Amtsbeschwerde wurde dieser Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 21. April 1998 mit hg. Erkenntnis vom 23. Juli 1999, Zlen. 99/20/0223, 98/20/0340, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 27. Mai 1998 den Asylantrag des Beschwerdeführers wiederum gemäß § 4 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. Juni 1998 wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 1 AsylG abgewiesen. Die belangte Behörde begründete dies (zusammengefasst) damit, dass im fortgesetzten Verfahren zwar das Bundesasylamt seinem bindenden Auftrag, die Praxis der geltenden Rechtsordnung in der tschechischen Republik und die tatsächliche Umsetzbarkeit des Drittlandschutzes von Amts wegen zu ermitteln und dem Asylwerber vorzuhalten, nicht nachgekommen sei, der Asylwerber jedoch im erstinstanzlichen Verfahren eine Stellungnahme des UNHCR vom 5. Mai 1998 (diese verweisend auf die vom UNHCR erstellte "Hintergrundinformation zur Situation in der tschechischen Republik im Kontext des Konzeptes sichere Drittstaaten - erste Aktualisierung - Mai 1997") vorgelegt habe. Diese vom Asylwerber selbst beigebrachte Stellungnahme lege die in der Tschechischen Republik derzeit geltende Rechtslage einschließlich ihrer tatsächlichen Anwendung in einer den Anforderungen des gegenständlichen Asylverfahrens genügenden Art und Weise dar. Auf der Grundlage dieser Stellungnahme sei nun die im Bescheid erster Instanz vertretene Rechtsauffassung, wonach für den Berufungswerber "die Möglichkeit bestehe, in der Tschechischen Republik Schutz vor Verfolgung zu finden", im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom ablehnte und die Beschwerde mit Beschluss vom 6. Mai 1999, ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig beantragte; in eventu wurde - im Hinblick auf die zwischenzeitige Behebung des Vorgängerbescheides und die damit verbundenen Rechtswirkungen - beantragt, die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Beschwerdeverfahren einzustellen, wobei der Beschwerdeführer gemäß § 58 VwGG seine Kosten selbst zu tragen habe.

Auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes erklärte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 19. Oktober 1999, er sei durch die mit der Behebung des Vorgängerbescheides verbundene Wirkung auf den angefochtenen Bescheid (Außerkrafttreten) klaglos gestellt worden, begehre jedoch den Zuspruch der Verfahrenskosten für den Fall, dass der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 58 Abs. 1 und 2 VwGG vom Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Beschwerdeführers ausgehe.

1. Zur Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde:

Die belangte Behörde bezweifelt in ihrer Gegenschrift die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde deshalb, weil im Rubrum der am 24. Juni 1999 beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde - ungeachtet der richtigen Angabe des Geburtsdatums des Beschwerdeführers mit 4. April 1980 - dieser nach wie vor als minderjährig bezeichnet werde und sich der einschreitende Rechtsvertreter nicht auf eine ihm vom Beschwerdeführer selbst erteilte Vollmacht, sondern auf diejenige, die ihm vom Amt für Jugend und Familie für den 12. Bezirk erteilt worden sei, berufe. Der Beschwerdeführer habe nun aber am 4. April 1999 das 19. Lebensjahr vollendet, sei demgemäß auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mit diesem Zeitpunkt selbst handlungs- und prozessfähig geworden (§ 25 Abs. 1 AsylG gelte jedenfalls per analogiam auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren), weshalb die gegenständliche Beschwerde nicht vom Beschwerdeführer - bzw. einem von diesem bevollmächtigten Rechtsvertreter - eingebracht worden sei; die Beschwerde sei daher als unzulässig zurückzuweisen, zumal das gänzliche Fehlen einer Berufung des einschreitenden Rechtsanwaltes auf eine ihm vom (angeblichen) Beschwerdeführer erteilte Vollmacht auch nicht mehr von § 10 Abs. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 erfasst sein könne.

Mit diesem Vorbringen übersieht die belangte Behörde aber, dass der damals noch minderjährige Beschwerdeführer, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie für den 12. Bezirk, mit der Einbringung seiner am 30. Juni 1998 eingelangten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Erteilung der Verfahrenshilfe (auch) im Umfang der Beigebung eines Rechtsanwaltes verbunden hatte. Nach Bewilligung dieses Antrages durch den Verfassungsgerichtshof (mit Beschluss vom 1. Juli 1998) wurde schließlich (mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 9. Juli 1998) der für den Beschwerdeführer auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof einschreitende Rechtsanwalt zum Vertreter des Beschwerdeführers im Verfahrenshilfewege bestellt.

Gemäß § 61 Abs. 4 VwGG gilt eine vom Verfassungsgerichtshof bewilligte Verfahrenshilfe und die Bestellung eines Rechtsanwaltes auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren, wenn der Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass - unabhängig vom zwischenzeitigen Wegfall des gesetzlichen Vertretungsverhältnisses für den Beschwerdeführer - der als Verfahrenshelfer für den Beschwerdeführer bestellte Rechtsvertreter sowohl zur Ergänzung der abgetretenen Beschwerde als auch zur Vertretung des Beschwerdeführers vor dem Verwaltungsgerichtshof bevollmächtigt war. Daran vermag auch die irrtümlich unverändert gelassene Bezeichnung des Jugendwohlfahrtsträgers als gesetzlichen Vertreters des Beschwerdeführers im Rubrum der von diesem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Schriftsätze nichts zu ändern.

Die Beschwerde erweist sich somit als zulässig.

2. Zur Gegenstandslosigkeit der vorliegenden Beschwerde:

Wie vorhin dargestellt, hatte der Bundesminister für Inneres den im Verfahren über den Asylantrag des Beschwerdeführers ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. April 1998, mit dem der (damalige) Bescheid erster Instanz behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen worden war, in Beschwerde gezogen. Der Verwaltungsgerichtshof hob mit hg. Erkenntnis vom 23. Juli 1999, Zl. 99/20/0223, 98/20/0340, - nach Wiedereinsetzung des beschwerdeführenden Bundesministers in die versäumte Beschwerdefrist - diesen Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

Die Gestaltungswirkung dieses aufhebenden Erkenntnisses hat zur Folge, dass allen Rechtsakten, die während der Geltung des sodann aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, somit auch dem vorliegendenfalls angefochtenen Bescheid, im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde. Derartige Rechtsakte gelten infolge der Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses mit diesem dann als beseitigt, wenn sie mit dem aufgehobenen Bescheid - wie im vorliegenden Fall - in einem unlösbaren rechtlichen Zusammenhang stehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0304, mit weiteren Nachweisen). Mit Zustellung des hg. Erkenntnisses vom 23. Juli 1999, dies war am 10. September 1999, wurde auch der im vorliegenden Fall angefochtene Bescheid in unmittelbarer Weise aus dem Rechtsbestand beseitigt.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist nach Einvernahme des Beschwerdeführers die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im Besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (vgl. unter anderem den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A).

§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt, wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluss vom 9. April 1980 darlegte, z.B. auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. unter anderem die hg. Beschlüsse vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/10/0006, und vom 23. Februar 1996, Zl. 95/17/0025).

Im vorliegenden Fall ist der angefochtene Bescheid auf Grund der dargestellten Beseitigungswirkung außer Kraft getreten, sodass die vorliegende Beschwerde gegenstandslos wurde, ohne dass dies durch formelle Klaglosstellung bewirkt worden wäre. Für den Beschwerdeführer besteht - auch unter Berücksichtigung seiner Erklärung, klaglos gestellt zu sein - kein Interesse mehr an einer Sacherledigung des Verwaltungsgerichtshofes in der gegenständlichen Beschwerdesache. Die Beschwerde war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich im Hinblick auf die nicht durch formelle Klaglosstellung, sondern durch den nachträglichen Wegfall des Rechtsschutzinteresses eingetretene Gegenstandslosigkeit der Beschwerde auf § 58 Abs. 2 VwGG. Unter Zugrundelegung dieser Bestimmung ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde schon deshalb Erfolg gehabt hätte, weil sich der angefochtene Bescheid im Hinblick auf die angenommene Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers in Tschechien nicht damit befasst, ob und in welchem Umfang einem Asylwerber während des gesamten Asylverfahrens ein Bleiberecht in dem von der belangten Behörde ins Auge gefassten Drittstaat zusteht (vgl. unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 8. März 1999, Zl. 98/01/0364, sowie vom 24. März 1999, Zl. 98/01/0165). Zur Notwendigkeit, sich mit der Rechtslage eines Drittstaates zur Frage der Aufenthaltsberechtigung während des Asylverfahrens (§ 4 Abs. 2 AsylG) auseinander zu setzen, wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung der hg. Erkenntnisse vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284, sowie (Tschechien betreffend) vom 17. Juni 1999, Zl. 99/20/0098, verwiesen.

4. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshof zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 25. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999200215.X00

Im RIS seit

04.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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