TE Vfgh Erkenntnis 2018/6/27 G28/2018

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Veröffentlicht am 27.06.2018
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Index

25/01 Strafprozess

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18, Art83 Abs2, Art90 Abs2, Art90a, Art91 Abs2
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
StPO §334, §341 Abs1
EMRK Art5, Art6, Art10
EMRK 7.ZP Art2, Art4
StGG Art2, Art13
PersFrSchG 1988 Art5

Leitsatz

Abweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der StPO betreffend die Verweisung einer Strafsache an ein anderes Geschworenengericht durch den OGH aufgrund eines Aussetzungsbeschlusses; Beteiligung des Volkes an der Rechtsprechung auch im Fall einer Aussetzung gewahrt; kein Entzug des gesetzlichen Richters durch Delegation der Strafsache an ein anderes Geschworenengericht; fehlende Begründung der Aussetzungsentscheidung kein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren; keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Ausschluss eines Rechtsbehelfs zur Bekämpfung des Aussetzungsbeschlusses; kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot mangels Vorliegens eines abgeschlossenen Strafverfahrens; Wahrspruch der Geschworenen nicht vom Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit umfasst

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, "§334 StPO zur Gänze" und "in §341 Abs1 StPO die Wortfolge 'oder den Beschluss auf Aussetzung der Entscheidung (§334), diesen ohne Begründung' als verfassungswidrig aufzuheben".

II.      Rechtslage

Die §§334 und 341 der Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl 631/1975, idF BGBl 526/1993, lauten (die angefochtenen Bestimmungen bzw. die angefochtene Wortfolge sind hervorgehoben):

"9. Weiteres Verfahren bis zur gemeinsamen Beratung über die Strafe

§334. (1) Ist der Schwurgerichtshof einstimmig der Ansicht, daß sich die Geschworenen bei ihrem Ausspruch in der Hauptsache geirrt haben, so beschließt er – ohne einen darauf abzielenden Antrag zuzulassen –, daß die Entscheidung ausgesetzt und die Sache dem Obersten Gerichtshofe vorgelegt werde. Betrifft der Irrtum der Geschworenen nur den Ausspruch über einen von mehreren Angeklagten oder den Ausspruch über einzelne von mehreren Anklagepunkten und bestehen gegen die gesonderte Verhandlung und Entscheidung keine Bedenken, so hat sich die Aussetzung der Entscheidung auf diesen Angeklagten oder diesen Anklagepunkt zu beschränken und bleibt ohne Einfluß auf die übrigen. Ist die Entscheidung über einen oder mehrere denselben Angeklagten betreffende Anklagepunkte ausgesetzt worden, so sind die Bestimmungen des §264 dem Sinne nach anzuwenden.

(2) Der Oberste Gerichtshof verweist die Sache vor ein anderes Geschworenengericht desselben oder eines anderen Sprengels, wenn aber nur noch über eine strafbare Handlung zu entscheiden ist, die für sich allein nicht vor das Geschworenengericht gehört, an das von ihm zu bezeichnende sachlich zuständige Gericht.

(3) Bei der wiederholten Verhandlung darf keiner der Richter den Vorsitz führen und keiner der Geschworenen zugelassen werden, die an der ersten Verhandlung teilgenommen haben.

(4) Stimmt der Wahrspruch des zweiten Geschworenengerichtes mit dem des ersten überein, so ist er dem Urteile zugrunde zu legen.

[…]

§341. (1) Der Vorsitzende verkündet sodann in der öffentlichen Gerichtssitzung in Gegenwart des Anklägers, des Angeklagten (§§234, 269) und des Verteidigers das Urteil samt den wesentlichen Gründen oder den Beschluß auf Aussetzung der Entscheidung (§334), diesen ohne Begründung.

(2) Anschließend belehrt der Vorsitzende den Angeklagten über die ihm zustehenden Rechtsmittel."

III.    Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1.    Mit Anklageschrift vom 18. Mai 2017 legte die Staatsanwaltschaft Graz dem Antragsteller die Verbrechen des versuchten Mordes gemäß §15 Abs1 iVm §75 StGB und der (teilweise versuchten) Brandstiftung gemäß §169 Abs1 StGB sowie – nach Einbeziehung eines von der Staatsanwaltschaft Leoben erhobenen Strafantrages – das Vergehen der Sachbeschädigung gemäß §125 StGB zur Last.

1.2.    Mit Urteil vom 22. September 2017, 11 Hv 52/17h, befand das Landesgericht für Strafsachen Graz den Antragsteller des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß §125 StGB für schuldig und verhängte über ihn eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von vier Monaten, sprach ihn aber hinsichtlich des Vorwurfs der (teilweise versuchten) Brandstiftung gemäß (§15 Abs1 StGB iVm) §169 Abs1 StGB frei. Gleichzeitig beschloss der Schwurgerichtshof, die Entscheidung der Geschworenen zum Vorwurf des versuchten Mordes auszusetzen und die Sache dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.

1.3.    Die vom Antragsteller gegen den Beschluss vom 22. September 2017 auf (Teil-)Aussetzung der Entscheidung der Geschworenen gemäß §87 StPO erhobene Beschwerde wies das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 9. November 2017 als unzulässig zurück, zumal gegen einen Beschluss iSd §334 Abs1 StPO kein Rechtsmittel vorgesehen sei. Den aus Anlass dieser Beschwerde gestellten Parteiantrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG wies der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 13. Dezember 2017, G251/2017, als unzulässig zurück, weil der Antrag nicht aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels eingebracht worden sei.

1.4.    Mit Beschluss vom 20. Oktober 2017, 15 Ns 78/17i-4, verwies der Oberste Gerichtshof die Strafsache gemäß §334 Abs2 StPO hinsichtlich des Vorwurfs des versuchten Mordes an ein anderes Geschworenengericht des Landesgerichtes für Strafsachen Graz. Dieses befand den Antragsteller mit Urteil vom 21. Dezember 2017, 5 Hv 46/17g, des versuchten Mordes gemäß §15 Abs1 iVm §75 StGB sowie der Sachbeschädigung gemäß §125 StGB für schuldig, verhängte über ihn eine zusätzliche Freiheitsstrafe im Ausmaß von neun Jahren und acht Monaten und verfügte seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.

1.5.    Gegen dieses Urteil erhob der Antragsteller Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung und Beschwerde und stellte den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag.

2.       Der Antragsteller legt die Bedenken, die ihn zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, wie folgt dar:

2.1.    Art91 Abs2 B-VG weise die Entscheidung über die Schuld des Angeklagten ausschließlich den Geschworenen zu, ohne dass den Berufsrichtern des Schwurgerichtshofes ein wie auch immer geartetes Mitspracherecht zukäme. Das Institut der Aussetzung gemäß §334 Abs1 StPO stehe in Widerspruch zu diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben. Es werde nämlich den Berufsrichtern ermöglicht, dadurch in den Wahrspruch der Geschworenen einzugreifen, indem sie die darin enthaltene Schuldfrage kontrollieren bzw. selbst beurteilen könnten. Hiebei sei es nicht von Relevanz, ob die Aussetzung das Urteil oder den Wahrspruch betreffe, denn in jedem Fall führe der aktiv-kontrollierende Eingriff durch die Berufsrichter zu einer Nichtumsetzung des Wahrspruches. Auch die Einbindung des Obersten Gerichtshofes ändere nichts an der Verfassungswidrigkeit der Bestimmung über die Aussetzung des Verfahrens.

2.2.    In diesem Zusammenhang müsse auch berücksichtigt werden, dass die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes relativ niedrige Anforderungen an die berufsrichterliche Aussetzung stelle und diese gemäß §341 Abs1 StPO nicht begründet werden müsse. Für die Annahme eines Irrtums der Geschworenen genüge bereits die gemeinsame, nicht näher begründete Auffassung der drei Berufsrichter des Schwurgerichtshofes, dass sie die Schuldfrage anders beurteilt hätten als die Geschworenen. Wenn der einfache Gesetzgeber eine derart leichte Aushebelung des Wahrspruches ermögliche, lasse er unberücksichtigt, dass eine andere Meinung der Berufsrichter noch nicht mit einem Irrtum der Geschworenen gleichzusetzen sei, gelte im Strafprozess doch das Prinzip der freien richterlichen Beweiswürdigung (§258 StPO) bzw. für Geschworene die Notwendigkeit einer gewissenhaften Überzeugung (§325 StPO).

2.3.    Es sei wohl insbesondere dann verstärkt von einer Richtigkeit der Tatsachenbeurteilung auszugehen, wenn die Entscheidung von einer breiten Zustimmung der Geschworenen getragen sei. Dem zum Trotz komme eine Aussetzung durch die Berufsrichter gemäß §334 StPO allerdings sogar bei einstimmiger Entscheidung der acht Geschworenen in Betracht, womit den drei Berufsrichtern im Ergebnis eine "Sperrminorität" zugestanden werde. Hinzu komme, dass dem Angeklagten kein Rechtsmittel gegen die Aussetzung des Urteils zustehe.

2.4.    Eine Aussetzung des Geschworenenurteils durch die Berufsrichter scheine jedoch – im Hinblick auf Art7 EMRK, Art6 Abs2 EMRK, §259 Z3 StPO und Art5 EMRK – dann noch gerechtfertigt, wenn sie zum Vorteil des Angeklagten erfolge. In diesem Fall diene die Aussetzung nämlich dazu, die sofortige Verkündung einer sehr langen und – weil die Berufsrichter von der Unschuld des Angeklagten überzeugt sind – ungerecht erscheinenden Haftstrafe zu vermeiden. In historischer Perspektive habe die Aussetzung auch stets bloß im Falle eines Schuldspruches erfolgen können. Erst im Jahr 1934 sei die bis heute geltende umfassende Aussetzungsmöglichkeit etabliert worden.

2.5.    Im Weiteren verstießen die angefochtenen Bestimmungen auch gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG. Durch die Inanspruchnahme der Aussetzungsermächtigung werde dem Angeklagten nämlich eine Entscheidung durch das nach der festen Geschäftsverteilung zuständig gewordene Geschworenengericht in einer bestimmten Zusammensetzung verweigert. Gleiches gelte für die Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof, zumal dieser ohne Prüfung in der Sache, und ohne durch das Gesetz in irgendeiner Weise determiniert zu sein, ein anderes Gericht mit der Entscheidung betrauen könne. Wie schon im Hinblick auf Art91 Abs2 B-VG ließe sich die Regelung hinsichtlich Art83 Abs2 B-VG aber dann rechtfertigen, wenn sie nur zum Vorteil des Angeklagten angewandt werde.

2.6.    Sodann sei auch eine Verletzung des Art6 Abs1 EMRK, des Art5 Abs1 und 3 EMRK sowie des Art5 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit zu konstatieren, zumal durch die Aussetzung eine Entscheidung über die Stichhaltigkeit der Anklage innerhalb angemessener Frist vereitelt werde. Dies treffe insbesondere bei einer Aussetzung zum Nachteil des Angeklagten nach einem entlastenden Wahrspruch der Geschworenen zu, wäre der Angeklagte in diesem Fall doch grundsätzlich gemäß §336 StPO sofort freizusprechen. Ein in Untersuchungshaft befindlicher Angeklagter müsse diesfalls weiterhin in Untersuchungshaft bleiben. Im Übrigen sei eine Verfassungswidrigkeit (wegen Verstoßes gegen das Recht auf ein faires Verfahren) darin gelegen, dass der Oberste Gerichtshof nach seinem Gutdünken ein anderes Gericht mit der Entscheidung betrauen könne und die Aussetzungsentscheidung von den Berufsrichtern nicht begründet werden müsse.

2.7.    In der fehlenden Begründung des Aussetzungsbeschlusses liege auch ein Verstoß gegen Art7 B-VG, Art2 StGG, Art14 EMRK und ArtI des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung. Auch stelle ein Aussetzungsbeschluss bei einstimmigem Freispruch durch die Geschworenen einen klaren Willkürakt der Berufsrichter dar. Indem der Gesetzgeber solche Entscheidungen ermögliche, verletze er die genannten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte des Angeklagten. Im Gegensatz dazu könnten die Laienrichter im Schöffenverfahren den Berufsrichter in der Schuldfrage überstimmen, woraufhin der Angeklagte freizusprechen sei. Da in diesem Fall – wie auch in sonstigen Strafverfahren mit Ausnahme des Geschworenenprozesses – keine Aussetzung des Urteils vorgesehen sei, sei der Angeklagte im Geschworenenverfahren ungerechtfertigter Weise schlechter gestellt.

2.8.    Ferner verstießen die angefochtenen Bestimmungen auch gegen Art90 Abs2 und Art90a B-VG: In diesen Vorschriften lege die Verfassung fest, dass der Ankläger die Grenzen der Anklage und damit des Strafverfahrens bestimme und dem Gericht keine Legitimation zukomme, etwas zum Nachteil des Angeklagten zu beschließen, das nicht in der Anklage enthalten ist. Unter Berücksichtigung des Anklagegrundsatzes sei ersichtlich, dass eine Aussetzung zum Nachteil des Angeklagten nur dann in Betracht kommen könne, wenn dies vom Ankläger beantragt werde. Da die angefochtenen Bestimmungen dem nicht Rechnung trügen, erwiesen sie sich als verfassungswidrig.

2.9.    Außerdem widersprächen die angefochtenen Bestimmungen dem demokratischen Prinzip gemäß Art1 "und anderen Artikeln" des Bundes-Verfassungsgesetzes "und/oder" der Meinungsfreiheit gemäß Art10 EMRK und Art13 StGG "und/oder" der Unschuldsvermutung gemäß Art6 Abs2 EMRK: Die Partizipation der Geschworenen an der Gerichtsbarkeit stelle einen Ausdruck des demokratischen Prinzips dar. Wenn nun drei Berufsrichter das Abstimmungsergebnis der acht Geschworenen unterlaufen könnten, sei dieses Prinzip verletzt – umso mehr, wenn die Geschworenen einstimmig für die Unschuld des Angeklagten votiert hätten. Hiebei sei auch nicht nachvollziehbar, warum das (entlastende) Abstimmungsergebnis des ausgesetzten Verfahrens im fortgesetzten Geschworenenprozess nicht in die Erwägungen miteinbezogen werde. Das Außerachtlassen der Meinungsbildung in einem vorangegangenen Geschworenenprozess über dieselbe Sache führe gewissermaßen zu einer Zensur.

2.10.   Zuletzt verletze die durch die Aussetzung bewirkte Wiederholung des Strafverfahrens das Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden, gemäß Art4 7. ZPEMRK und der Ausschluss eines Rechtsmittels gegen die Aussetzung das Recht auf ein Rechtsmittel in Strafsachen gemäß Art2 7. ZPEMRK. Wiederum sei dabei zu bemerken, dass Art4 7. ZPEMRK einer Aussetzung bloß zum Vorteil des Angeklagten nicht entgegenstehe.

3. Die Bundesregierung erstattete folgende Äußerung zu den im Antrag erhobenen Bedenken:

"I.

Zur Rechtslage:

1. Mit seinem auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller aus Anlass einer gegen ein Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung und Beschwerde die Aufhebung des §334 Strafprozeßordnung 1975 – StPO, BGBl Nr 631/1975, in der Fassung des Strafprozeßänderungsgesetzes 1993, BGBl Nr 526/1993, zur Gänze und der Wortfolge 'oder den Beschluß auf Aussetzung der Entscheidung (§334), diesen ohne Begründung' in §341 Abs1 StPO, BGBl Nr 631/1975.

2. Die §§334 und 341 StPO haben folgenden Wortlaut (die angefochtenen Teile sind unterstrichen):

[…]

3. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

3.1. Die dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegende Rechtslage entspricht hinsichtlich der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Geschworenengericht, der Ausfertigung der Urteile und der Rechtsmittel gegen solche Urteile jener in den Verfahren zu G344/2016 und G89/2017. Die Bundesregierung verweist daher auf die Darstellung der Rechtslage in den in diesen Verfahren erstatteten, beiliegenden Äußerungen vom 20. Dezember 2016, GZBKA-604.690/0004-V/5/2016 und vom 22. August 2017, GZBKA-604.721/0006-V/5/2017.

Ergänzend wird zu den §§334 und 341 StPO Folgendes ausgeführt:

3.2.1. §334 StPO regelt die Aussetzung der Entscheidung im Geschworenenverfahren: Ist der Schwurgerichtshof (die drei Berufsrichter) einstimmig der Ansicht, dass sich die Geschworenen (die acht Laienrichter) bei ihrem Ausspruch in der Hauptsache geirrt haben, so beschließt er, dass die Entscheidung ausgesetzt und die Sache dem Obersten Gerichtshof vorgelegt wird (§334 Abs1 erster Satz StPO). Ein Beschluss auf Aussetzung der Entscheidung nach §334 StPO ergeht gemäß §341 Abs1 StPO ohne Begründung (vgl. Hinterhofer/Oshidari, System des österreichischen Strafverfahrens [2017] 10.35). Im Beschluss muss nur ersichtlich sein, welche Teile des Wahrspruchs von der Aussetzung betroffen sind, und es muss die Vorlage des Aktes an den Obersten Gerichtshof verfügt werden (Philipp in WK-StPO §334 Rz 12). Gegen den Aussetzungsbeschluss des Schwurgerichtshofs nach §334 StPO ist eine Beschwerde unzulässig (RIS-Justiz RS0101241).

3.2.2. Aufgrund eines Aussetzungsbeschlusses hat der Oberste Gerichtshof die Sache gemäß §334 Abs2 StPO an ein anderes Gericht zu verweisen. Er ist nicht dazu berufen, den Aussetzungsbeschluss auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen (Philipp in WK-StPO §334 Rz 14f spricht insofern von einer besonderen Delegierungsbefugnis des Obersten Gerichtshofes).

3.2.3. Vor dem verwiesenen Gericht ist die Sache neu zu verhandeln und zu entscheiden. Bei der 'wiederholten Verhandlung' nach §334 Abs3 StPO handelt es sich daher um keine fortgesetzte Verhandlung, sondern um eine neue Verhandlung. Keiner der Richter darf den Vorsitz führen und keiner der Geschworenen zugelassen werden, die an der ersten Verhandlung teilgenommen haben. Das Beweisverfahren ist von Neuem durchzuführen. Die Ergebnisse der früheren Verhandlung und der von der Aussetzung betroffene Wahrspruch sind nicht zu berücksichtigen. Es gibt kein Verbot einer reformatio in peius (Philipp in WK-StPO §334 Rz 19). Der Aussetzungsbeschluss hat für die wiederholte Verhandlung daher keine Bindungswirkung dahingehend, dass die (neuen) Geschworenen am Ende der neuen Verhandlung zu einem bestimmten (bzw. zwingend einem anderen) Ergebnis gelangen müssen.

3.2.4. Stimmt der Wahrspruch der zweiten Geschworenenbank mit dem der ersten überein, ist er dem Urteil zugrunde zu legen (§334 Abs4 StPO) und kann nicht neuerlich ausgesetzt werden (Nimmervoll, Das Strafverfahren [2017] S. 655f). Weicht der neue Wahrspruch hingegen vom vorherigen ab, kann es zu einer neuerlichen Aussetzung kommen (Hinterhofer/Oshidari, System des österreichischen Strafverfahrens [2017] 10.36).

3.3. Die Möglichkeit der Aussetzung eines geschworenengerichtlichen Wahrspruchs war – aus dem französischen Recht rezipiert – bereits in der Strafprozessordnung 1850 als Surrogat für die mangelnde Begründung des Urteils enthalten (§338 StPO 1850). Nach der damaligen Bestimmung war eine Aussetzung ausschließlich im Fall eines Irrtums zum Nachteil des Angeklagten möglich. Im Jahr 1933 wurde die Aussetzung auf den Fall eines Irrtums zum Vorteil des Angeklagten erweitert (vgl. Sadoghi, Update Geschworenengerichtsbarkeit ÖJZ2018, 257 [259] unter Verweis auf ArtI Z11 Verordnung vom 24.3.1933 und Neugebauer, Politische Justiz in Österreich 1934-1945, in Weinzierl/Stadler (Hrsg), Justiz und Zeitgeschichte I (1977) 170 ff.). Diese Ausweitung war eingeführt worden, weil die Geschworenengerichtsbarkeit nicht zuletzt wegen einer Reihe ungerechtfertigter Freisprüche durch die Geschworenen 'in argen Mißkredit geraten' war (Burgstaller, Die Aussetzung der Entscheidung im Verfahren vor den Geschworenengerichten [1968] 10; vgl. auch Sadoghi, ÖJZ2018, 259).

3.4. Die Aussetzung dient – neben dem Verbesserungs- bzw. Moniturverfahren gemäß §§332f StPO (s. dazu näher Punkt III.3.3.4. der Äußerung der Bundesregierung zu G344/2016) – der Überprüfung des Wahrspruches der Geschworenen und damit der Sicherstellung seiner Richtigkeit und dem Schutz vor willkürlichen Entscheidungen. Damit wird zudem die Reputation der Geschworenengerichtsbarkeit gewahrt (s. oben Pkt. I.3.3.).

Während das Moniturverfahren gemäß §332 Abs4 StPO auf die formale Verbesserung des Wahrspruches (wenn dieser undeutlich, unvollständig oder sich widersprechend ist) abzielt, setzt die in §334 StPO geregelte Aussetzung einen formell einwandfreien Wahrspruch der Geschworenen voraus. Die Möglichkeit der Aussetzung zielt auf Entscheidungen der Geschworenen, die auf einem (materiellen) Irrtum beruhen und insofern entgegen den Vorgaben des positiven Rechts getroffen wurden. Der Irrtum kann in einer falschen Würdigung der in der Hauptverhandlung vorgeführten Beweise oder in einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung des konstatierten Sachverhalts liegen (Philipp in WK-StPO §334 Rz 1f.). Dem Schwurgerichtshof kommt insofern auch eine Rechtsschutzfunktion zu, als er – ähnlich einem Rechtsmittelgericht, aber von Amts wegen – tätig werden kann, wenn den Geschworenen Irrtümer unterlaufen sind (Hinterhofer/Oshidari, System des österreichischen Strafverfahrens [2017] 10.33).

3.5.1. Bei Vorliegen der Voraussetzungen ist der Schwurgerichtshof gemäß §334 Abs1 StPO verpflichtet, die Aussetzung von Amts wegen – gleichermaßen zum Vor- oder Nachteil des Angeklagten – zu beschließen. Weder dem Angeklagten noch der Staatsanwaltschaft steht ein entsprechendes Antragsrecht zu. Darauf bezogene Anträge sind daher zurückzuweisen (Philipp in WK-StPO §334 Rz 8).

3.5.2. Die Geschworenen entscheiden durch Wahrspruch über die Schuld des Angeklagten. Der Wahrspruch ist grundsätzlich dem Urteil zugrunde zu legen (§335 StPO). Dass gemäß §334 Abs1 StPO 'die Entscheidung ausgesetzt' wird, bedeutet daher, dass die Entscheidung des Geschworenengerichts 'nicht gefällt' wird, also das Urteil, das eigentlich in Folge des Wahrspruchs der Geschworenen zu ergehen hätte, unterbleibt (Fabrizy, StPO [2014]12 §314 Rz 1).

3.5.3. Der Schwurgerichtshof muss der Ansicht sein, dass die Geschworenen bei ihrem Wahrspruch 'in der Hauptsache' geirrt haben. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Geschworenen den Angeklagten irrtümlich schuldig- statt freisprechen wollen (oder umgekehrt), eines Delikts schuldig sprechen wollen, das mit strengerer oder milderer Strafe bedroht ist oder irrtümlich einen strafsatzändernden Umstand annehmen wollen. Kein Irrtum in der Hauptsache liegt dagegen bei irriger Annahme eines gleichbestraften Delikts, Verwechslung von Versuch und Vollendung oder Annahme einer falschen Täterschaftsform vor (Philipp in WK-StPO §334 Rz 4f). Die Aussetzung hat sich grundsätzlich auf jene Tat(en) zu beschränken, bei deren Beurteilung die Geschworenen geirrt haben. Es ist daher auch möglich, dass die Aussetzung nur in Ansehung einzelner angeklagter Fakten erfolgt. Eine teilweise Aussetzung hinsichtlich ein und derselben Tat (zB im Fall idealkonkurrierender strafbarer Handlungen oder bloß einzelner Qualifikationen) kommt hingegen nicht in Betracht (Philipp in WK-StPO §334 Rz 14).

3.5.4. Eine besondere Evidenz des Irrtums der Geschworenen ist nicht erforderlich, insbesondere ist die Aussetzung nicht auf Fälle 'krasser Unrichtigkeit' des Wahrspruchs beschränkt. Eine Aussetzung kommt daher auch in 'reinen Indizienprozessen' in Betracht, 'in denen sich die für und gegen den Angeklagten sprechenden Beweise ungefähr die Waage halten'. Für eine Aussetzung ist auch nicht das Vorliegen 'erheblicher Bedenken' iSd §345 Abs1 Z10a StPO erforderlich, vielmehr darf (und muss) der Schwurgerichtshof, der – stets unter Beachtung des Grundsatzes 'in dubio pro reo' (§14 StPO) selbständig beweiswürdigend – immer dann, wenn seine Mitglieder einstimmig zur Überzeugung gelangen, dass sich die Geschworenen bei ihrem Ausspruch in der Hauptsache geirrt haben, einen aus dieser Sicht verfehlten Schuld- oder Freispruch aussetzen (OGH 17.2.2010 15 Os 162/09a).

II.

Zum Anlassverfahren und zur Zulässigkeit:

1.1. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 21. Dezember 2017 wurde der Antragsteller des Verbrechens des versuchten Mordes nach den §§15, 75 StGB sowie des Vergehens der Sachbeschädigung nach §125 StGB für schuldig erkannt und zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 9 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Darüber hinaus wurde seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet. Gegen dieses Urteil erhob der Antragsteller Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung und Beschwerde und stellte unter einem den vorliegenden Parteienantrag auf Normenkontrolle.

1.2. Der Verurteilung des Antragstellers ging dem Antragsvorbringen zufolge im Wesentlichen folgender Verfahrensablauf voraus:

Die Staatsanwaltschaft Wien legte dem Antragsteller mit Anklageschrift vom 28. Mai 2017 die Verbrechen der teils versuchten, teils vollendeten Brandstiftung nach den §§(15) 269 StGB sowie das Verbrechen des versuchten Mords nach den §§15, 75 StGB zur Last. Nach Durchführung der – drei Tage dauernden – Hauptverhandlung vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz als Geschworenengericht verneinten die Geschworenen am 22. September 2017 (einstimmig) die Schuldfrage in diesen Anklagepunkten (bejaht wurde lediglich die Schuldfrage hinsichtlich eines einbezogenen Verfahrens des Bezirksgerichts Liezen, in dem der Antragsteller wegen des Vergehens der Sachbeschädigung angeklagt worden war). Daraufhin setzte der Schwurgerichtshof mit Beschluss die Entscheidung der Geschworenen (nur) hinsichtlich der verneinten Schuldfrage zum Vorwurf des versuchten Mordes aus und legte die Sache dem Obersten Gerichtshof vor, der die Sache vor ein anderes Geschworenengericht des Landesgerichts für Strafsachen Graz verwies. Nach Durchführung der neuen Hauptverhandlung vor diesem Gericht wurde der Angeklagte – nach einstimmiger Bejahung der Schuldfrage – mit Urteil vom 21. Dezember 2017 des Verbrechens des versuchten Mordes für schuldig erkannt.

2. Für die Bundesregierung sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die gegen die Zulässigkeit des Antrages und die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen sprechen würden.

III.

In der Sache:

1. Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl. zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.

2. Der Antragsteller bringt vor, dass die angefochtenen Bestimmungen gegen das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art83 Abs2 B-VG, gegen Art90 Abs2 B-VG betreffend die Mitwirkung des Volkes an der Rechtsprechung, den Anklagegrundsatz nach Art90 Abs2 B-VG und Art91a B-VG, das Recht auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK), gegen Art5 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrBVG), den Gleichheitsgrundsatz (Art7 B-VG, Art2 StGG, Art14 EMRK, ArtI BVG Rassendiskriminierung), das demokratische Prinzip (Art1 B-VG), die Unschuldsvermutung (Art6 Abs2 EMRK), die Meinungsfreiheit (Art10 EMRK), das Verbot der Doppelbestrafung (Art4 7. ZPEMRK), das Recht auf Überprüfung von Strafurteilen (Art2 7. ZPEMRK) sowie das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art5 EMRK) verstoßen.

Der Antragsteller hegt Bedenken nur in Bezug auf die Möglichkeit einer Aussetzung gemäß §334 ABGB zum Nachteil eines Angeklagten, d.h. wenn die Aussetzung einen freisprechenden Wahrspruch betrifft. Seiner Auffassung nach sei eine Aussetzung zum Vorteil des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt nulla poena sine lege (Art7 EMRK), der Unschuldsvermutung (Art6 Abs2 EMRK), der In dubio pro reo-Regel (§259 Z3 StPO) sowie des Rechts auf Freiheit (Art5 EMRK) 'noch sachlich vertretbar', um die sofortige Verkündung einer sehr langen, jedoch ungerecht erscheinenden Haftstrafe zu vermeiden. Hingegen sei eine Aussetzung der Entscheidung durch den Schwurgerichtshof auch zum Nachteil des Angeklagten unter denselben Bedingungen nicht gerechtfertigt.

3. Nach Auffassung der Bundesregierung ist dieses Vorbringen nicht zutreffend:

3.1. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art91 Abs2 B-VG:

3.1.1. Der Antragsteller behauptet im Wesentlichen, dass die Aussetzung durch den Schwurgerichtshof (d.h. die Berufsrichter) gemäß §334 Abs1 StPO gegen Art91 Abs2 B-VG verstoße, weil dieser die Entscheidung über die Schuld des Angeklagten alleine den Geschworenen zuweise, eine Mitsprache der Berufsrichter jedoch nicht vorgesehen sei. Durch §334 Abs1 StPO werde in den Wahrspruch der Geschworenen eingegriffen und würden die Berufsrichter zur Kontrolle der Beurteilung der Schuldfrage durch die Geschworenen auf ihre Richtigkeit legitimiert. Zudem sei der Aussetzungsbeschluss gemäß §341 Abs1 StPO nicht zu begründen und könne nicht mit einem Rechtsmittel bekämpft werden. Auch der Oberste Gerichtshof sei gemäß §334 Abs2 StPO nur zur Verweisung der Sache an ein anderes Gericht legitimiert, nicht aber zur Überprüfung der Richtigkeit des Aussetzungsbeschlusses, und zwar selbst dann, wenn er selbst zur Auffassung gelangen würde, dass die Aussetzung zu Unrecht ausgesprochen worden sei.

3.1.2. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann der Schwurgerichtshof durch die Möglichkeit der Aussetzung nach §334 Abs1 StPO keineswegs mit über die Schuld des Angeklagten entscheiden. Gemäß §334 Abs1 StPO hat der Schwurgerichtshof bei Vorliegen der Voraussetzungen lediglich den Wahrspruch der Geschworenen auszusetzen und in der Folge das Urteil nicht zu erlassen (§335 StPO). Die Aussetzungsentscheidung des Schwurgerichtshofes ist daher lediglich kassatorisch (vgl. auch Sadoghi, Update Geschworenengerichtsbarkeit ÖJZ2018 [257] 259). Er ist nicht zu einer Abänderung des Wahrspruches oder zu einer Entscheidung über Schuld- oder Nicht-Schuld des Angeklagten befugt. Die Berufsrichter substituieren somit mit der Aussetzung nicht den Wahrspruch der Geschworenen durch ihre eigene Entscheidung, sondern eröffnen nur den Weg zu einem neuen Wahrspruch (vgl. Lewisch, Abschaffung der Geschworenengerichtsbarkeit [2009] 6). Die Entscheidung über die Schuld bleibt auch im Falle einer Aussetzung allein den Geschworenen vorbehalten. Der Aussetzungsbeschluss hat für die wiederholte Verhandlung auch keine Bindungswirkung dahingehend, dass die (neuen) Geschworenen am Ende der neuen Verhandlung zu einem bestimmten (anderen) Ergebnis gelangen müssen (s. bereits oben Pkt. I.3.2.3.). Vielmehr ergibt sich aus §334 Abs4 StPO, dass auch ein gleichlautender zweiter Wahrspruch erfolgen kann. Dieser ist sodann zwingend dem Urteil zugrunde zu legen, kann also nicht neuerlich ausgesetzt werden. Der behauptete Verstoß gegen Art91 Abs2 B-VG liegt vor diesem Hintergrund nicht vor.

Der Vollständigkeit halber hält die Bundesregierung im Übrigen fest, dass auch der Umstand, dass anstelle der zuerst vorgesehenen eine andere Geschworenenbank zur Entscheidung berufen wird, nicht gegen Art91 Abs2 B-VG verstößt (Burgstaller, Die Aussetzung der Entscheidung im Verfahren vor den Geschworenengerichten [1968] 157f unter Berufung auf Walter, Verfassung und Gerichtsbarkeit [1960] 169).

3.1.3. Inwiefern das Fehlen einer Begründung des Aussetzungsbeschlusses sowie dessen Unanfechtbarkeit gegen Art91 Abs2 B-VG verstoßen sollten, vermag die Bundesregierung nicht zu erkennen und wird vom Antragsteller auch nicht näher begründet (dass die mangelnde Begründung auch nicht gegen Art6 EMRK verstößt, wird im Folgenden unter Pkt. III.3.4. dargelegt). Vielmehr würden sowohl ein Begründungserfordernis des Aussetzungsbeschlusses als auch dessen Anfechtbarkeit nach Auffassung der Bundesregierung – im Hinblick darauf, dass die Aussetzung für die wiederholte Verhandlung gerade keine inhaltliche Bindungswirkung hat, sondern vielmehr auch einen gleichlautenden Wahrspruch zulässt (vgl. §334 Abs4 StPO) – in einem Spannungsverhältnis mit Art91 Abs2 B-VG stehen, könnte doch diesfalls die Entscheidung des Schwurgerichtshofes die neuen Geschworenen in der Schuldfrage inhaltlich präjudizieren.

3.1.4. Lediglich der Vollständigkeit halber wird daher den Bedenken hinsichtlich der mangelnden Anfechtbarkeit des Aussetzungsbeschlusses entgegen gehalten, dass die Aussetzung – wie bereits dargelegt wurde – bloß kassatorische Wirkung und die Neuverhandlung der Sache zur Folge hat (in der es im Übrigen auch zu einem gleichlautenden Wahrspruch der Geschworenen kommen kann). Ein Rechtsmittel gegen die Aussetzung würde insofern bloß zu einer weiteren Verzögerung im Verfahren führen. Im Übrigen besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, gerichtlichen Rechtsschutz gegen jede gerichtliche (Teil-)Entscheidung vorzusehen. Auch nach Art6 EMRK reicht es aus, wenn in einem Verfahrensgang ein Gericht entscheidet. Art6 EMRK begründet daher keinen Anspruch auf ein Rechtsmittel gegen eine erstinstanzliche Entscheidung und damit auch keine Verpflichtung, Berufungs- oder Revisionsgerichte einzurichten (vgl. Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 [2016] §24, Rz. 63; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2009], Artikel 6 Rz. 93).

3.2. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG):

3.2.1. Zur Begründung der behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlichen Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) bringt der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass dem Angeklagten durch eine Aussetzung nach §334 Abs1 StPO eine Sachentscheidung durch das nach fester Geschäftsverteilung zuständige Geschworenengericht verweigert werde. Zudem erfolge ein Verweis durch den Obersten Gerichtshof nach §334 Abs2 StPO allein nach dessen Gutdünken und ohne Bindung an eine feste Geschäftsverteilung und ändere sich nach §334 Abs3 StPO zwingend die Zusammensetzung des Geschworenengerichts. Zudem stellte die Anwendung des 'zum Vorteil des Angeklagten entworfene[n] Aussetzungs(folgen)konzept[s] des §334 StPO' zum Nachteil des Angeklagten einen Bruch des Rechtes des Angeklagten auf seinen gesetzlichen Richter dar.

3.2.2. Gemäß Art83 Abs2 B-VG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. In Bezug auf die Gerichtsbarkeit ist sowohl das richterliche Organ iSd Art86 ff B-VG als auch der Laienrichter iSd Art91 B-VG gesetzlicher Richter iSd Art83 Abs2 B-VG (Holzinger in Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht 5. EL 2002, Art83/2, Rz 67). Diese Verfassungsnorm bindet nicht nur die Vollziehung, sondern auch die Gesetzgebung, und zwar dahingehend, dass die sachliche Zuständigkeit einer Behörde im Gesetz selbst festgelegt sein muss (VfSlg 2909/1955, 3156/1957, 6675/1972). Art18 iVm Art83 Abs2 B-VG verpflichtet den Gesetzgeber zu einer – strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden – präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit (vgl. zB VfSlg 19.991/2015 mwH).

3.2.3. Der behauptete Verstoß des §334 StPO gegen Art83 Abs2 B-VG liegt schon deshalb nicht vor, weil diese Verweisungsmöglichkeit (ebenso wie andere Verweisungsmöglichkeiten nach der StPO) von der Gesetzgebung bereits zum Zeitpunkt der Verbürgung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter in der Verfassung vorgefunden wurde (Berchtold, Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, in: Machacek/Pahr/Stadler [Hrsg.], 40 Jahre EMRK. Grund- und Menschenrechte in Österreich, Bd. 2 1992, 711 [729]) und kein Hinweis darauf besteht, dass dieses Verfahrensinstitut durch die Erlassung des Art83 Abs2 B-VG verfassungsrechtlich unzulässig werden sollte.

Abgesehen davon führen die Aussetzung und Verweisung nicht dazu, dass ein erlassenes Urteil aufgehoben und eine zusätzliche Entscheidung in der Sache getroffen wird. Vielmehr wird die (erste) Entscheidung der Geschworenen gemäß §334 Abs1 StPO ausgesetzt, es ergeht daher gar kein Urteil (s. oben Pkt. I.3.5.2.). In der Folge wird eine neue Entscheidung in der Sache gefällt, ohne dass die Geschworenen durch den Umstand der Aussetzung oder den vorherigen Wahrspruch bzw. die durchgeführte Verhandlung gebunden wären (s. oben Pkt. I.3.2.3.). §334 StPO verstößt auch insofern nicht gegen Art83 Abs2 B-VG (vgl. zur grundsätzlichen Unwiederholbarkeit von rechtskräftigen Bescheiden aufgrund von Art83 Abs2 B-VG, VfSlg 10.086/1984).

Dem Vorbringen des Antragstellers betreffend §334 Abs2 StPO wird im Übrigen entgegen gehalten, dass dieser eine (bloße) Delegierungsbefugnis des Obersten Gerichtshofes normiert (vgl. Philipp in WK-StPO §334 Rz 15), deren Voraussetzungen und Bedingungen in §334 Abs2 und 3 StPO klar geregelt sind. Aus §334 Abs2 und 3 StPO ergibt sich daher eindeutig – und im Einklang mit den oben dargelegten Anforderungen des Art83 Abs2 B-VG –, in welchen Fällen eine Verweisung zu erfolgen hat und vor welchem Gericht die Verhandlung zu wiederholen ist.

3.2.4. Mit dem Vorbringen, dass allein eine Aussetzung zum Vorteil des Angeklagten (nicht jedoch zum Nachteil des Angeklagten) sachlich gerechtfertigt sein könne, macht der Antragsteller im Ergebnis Bedenken betreffend die Vereinbarkeit der angefochtenen Bestimmung mit dem Gleichheitsgrundsatz geltend. Wie unten näher dargelegt wird (s. Pkt. III.3.5.6.), erweist sich auch dieses Bedenken als unzutreffend. Die Bundesregierung vermag auch nicht nachzuvollziehen, aus welchem Grund die Aussetzung zum Nachteil des Angeklagten einen 'Bruch' des Rechtes nach Art83 Abs2 B-VG darstellen sollte.

3.3. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Recht auf ein Verfahren innerhalb angemessener Frist (Art6 Abs1 EMRK, Art5 Abs1 und 3 EMRK sowie Art5 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit):

3.3.1. Den behaupteten Verstoß der angefochtenen Bestimmungen gegen die Rechte auf ein Verfahren innerhalb angemessener Frist nach Art6 Abs1 EMRK, Art5 Abs1 und Abs3 EMRK sowie Art5 PersFrBVG begründet der Antragsteller im Wesentlichen damit, dass wegen der Aussetzung nicht binnen angemessener Frist über die Stichhaltigkeit der Anklage entschieden werde.

3.3.2. Zwar führt eine Aussetzung gemäß §334 StPO – ebenso wie die Aufhebung eines Urteils aufgrund eines vom Angeklagten oder der Anklagebehörde erhobenen Rechtsmittels – naturgemäß zu einer Verlängerung der Gesamtdauer des Strafverfahrens. Ebenso wie die Möglichkeit, ein Rechtsmittel gegen ein Urteil zu erheben, dient aber auch die Aussetzung dazu, die Richtigkeit eines Urteils sicherzustellen und den Angeklagten vor willkürlichen Entscheidungen zu schützen (s. oben Pkt. I.3.4.). Die Möglichkeit der Aussetzung verstößt bereits im Hinblick darauf nicht gegen das Recht auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist.

3.3.3. Zudem ist auch bei Anwendung des §334 StPO sowie im nachfolgenden neuen geschworenengerichtlichen Verfahren der Beschleunigungsgrundsatz im Strafverfahren, insbesondere das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen (vgl. §9 Abs2 StPO) einzuhalten. Sollte daher ein Strafverfahren infolge einer Aussetzung gemäß §334 StPO im Einzelfall nicht binnen angemessener Frist beendet sein (wovon im Anlassverfahren keine Rede sein kann, zumal die dem vorliegenden Parteiantrag zugrundeliegende Verurteilung am 21. Dezember 2017, somit lediglich drei Monate nach der Aussetzung des ersten Wahrspruchs, erfolgt ist), könnte allenfalls ein Vollzugsmangel vorliegen, der die Verfassungsmäßigkeit des §334 StPO nicht berührt.

3.4. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Recht auf rechtliches Gehör (Art6 EMRK):

3.4.1. Nach Auffassung des Antragstellers verstoße §341 Abs1 StPO gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art6 EMRK, weil danach der Beschluss auf Aussetzung der Entscheidung ohne eine Begründung zu verkünden ist.

3.4.2. Der Umstand, dass der Aussetzungsbeschluss gemäß §341 Abs1 StPO nicht zu begründen ist, korrespondiert mit der Begründungslosigkeit des Wahrspruches nach §342 StPO (vgl. auch Lewisch, Abschaffung der Geschworenengerichtsbarkeit [2009] 16, wonach der Aussetzungsbeschluss als Korrelat zur Begründungslosigkeit des Wahrspruchs keiner inhaltlichen Begründung bedarf). Die mangelnde Begründung des Wahrspruches der Geschworenen gemäß §342 StPO verstößt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht gegen Art6 EMRK (VfGH 28.6.2016, G344/2016). Zudem führt die Aussetzung – wie bereits dargelegt wurde – zur Durchführung eines neuen Verfahrens mit neuen Geschworenen. Diese sind bei ihrem Wahrspruch weder durch den Wahrspruch der Geschworenen im ersten Verfahren, aber auch nicht durch den Umstand der Aussetzung gebunden (s. oben Pkt. I.3.2.3.). Vielmehr steht es ihnen frei, einen inhaltlich gleichlautenden Wahrspruch zu fällen (vgl. §334 Abs4 StPO). Insofern dient die Begründungslosigkeit der Aussetzung auch der Sicherstellung, dass die (neuen) Geschworenen ihre Entscheidung vollkommen unbeeinflusst fällen können. Vor diesem Hintergrund verstößt die mangelnde Begründung der Aussetzung gemäß §341 Abs1 StPO nach Auffassung der Bundesregierung nicht gegen Art6 EMRK.

3.5. Zu den Bedenken im Hinblick im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot (Art7 B VG, Art2 StGG, Art14 EMRK und ArtI BVG-Rassendiskriminierung):

3.5.1. Der Antragsteller bringt vor, dass die Möglichkeit der Aussetzung der Entscheidung ohne jede Einschränkung und insbesondere auch dann bestehe, wenn die Geschworenen zuvor einstimmig entschieden haben. Dadurch sowie aufgrund des Umstands, dass die Aussetzung nicht begründet sein müsse, ermögliche die Bestimmung willkürliche Aussetzungen. Zudem sei eine Aussetzung nur im Geschworenengerichtsverfahren, nicht jedoch im Schöffengerichtsverfahren vorgesehen. Dies führe zu einer unsachlichen Ungleichbehandlung bzw. Diskriminierung gegenüber Angeklagten in Schöffenverfahren bzw. im Strafverfahren im Allgemeinen, zumal ein Angeklagter keine Möglichkeit habe, statt eines Verfahrens vor dem Geschworenengericht ein solches vor dem Schöffengericht zu verlangen und diesbezüglich vom Inhalt der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft abhängig sei. Schließlich macht der Antragsteller – unter dem Titel des Verstoßes gegen Art83 Abs2 B-VG – Sachlichkeitsbedenken gegen den Umstand geltend, dass eine Aussetzung nicht nur zum Vorteil, sondern auch zum Nachteil eines Angeklagten zulässig ist.

3.5.2. Der Antragsteller verweist hinsichtlich seiner Gleichheitsbedenken auch auf Art14 EMRK, stellt diesen jedoch in keinen Bezug zu einem anderen Konventionsrecht. Dem ist zunächst entgegen zu halten, dass das Diskriminierungsverbot nach Art14 EMRK schon dem Wortlaut der Bestimmung nach, wonach der 'Genuß der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten […] ohne Benachteiligung zu gewährleisten' ist, auf die Rechte der Konvention bezogen ist. In Bezug auf diese Rechte und Freiheiten ist jede Diskriminierung untersagt. Nach der Rechtsprechung des EGMR stellt Art14 EMRK somit lediglich eine Ergänzung der übrigen materiellrechtlichen Bestimmungen der EMRK und der Protokolle dazu dar. Die Bestimmung hat keine eigenständige Existenz (vgl. nur EGMR 3.12.2009, Fall Zaunegger gegen Deutschland, Appl. 22028/04, Z35 mwN sowie die Nachweise bei Grabenwarter/Pabel, EMRK6 2016, §26 Rz 2).

3.5.3. Wie bereits mehrfach dargelegt, dient gerade die Möglichkeit der Aussetzung dazu, die Richtigkeit eines Urteils sicherzustellen und den Angeklagten vor willkürlichen Entscheidungen zu schützen. Damit wird ferner der Schutz der Reputation der Geschworenengerichtsbarkeit bezweckt (vgl. oben Pkt. I.3.4.). Es geht darum, Irrtümer, die den Geschworenen unterlaufen sind, richtig zu stellen. Demgemäß ist eine Aussetzung nach dem ausdrücklichen Wortlaut des §334 Abs1 StPO nur unter der Voraussetzung zulässig, dass die Geschworenen 'bei ihrem Ausspruch in der Hauptsache geirrt haben'. Zudem hat sich die Aussetzung auf jene Tat(en) zu beschränken, bei deren Beurteilung die Geschworenen geirrt haben (s. ausf. oben Pkt. I.3.5.3.). Auch ist eine Aussetzung nur möglich, wenn sämtliche Mitglieder des Schwurgerichtshofes einstimmig der Auffassung sind, dass ein Irrtum vorliegt. Soweit der Antragsteller insofern ausführt, dass dabei (bloß) drei Berufsrichter den acht Geschworenen gegenüberstehen, genügt der Hinweis, dass den Geschworenen und dem Schwurgerichtshof im Geschworenenverfahren völlig unterschiedliche Rollen zukommen, weshalb ein derartiger Vergleich von vornherein verfehlt ist.

Zusammenfassend zeigt sich, dass die angefochtene Bestimmung im Hinblick auf diese gesetzlichen Vorgaben keineswegs (wie vom Antragsteller behauptet) 'willkürliche Aussetzungen' ermöglicht. Sollten im Einzelfall Aussetzungen nicht diesen Vorgaben entsprechen, ist dies keine Frage der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung, sondern ihrer Vollziehung.

3.5.4. Der Vergleich mit dem schöffengerichtlichen Verfahren geht bereits deshalb ins Leere, weil es sich dabei um einen völlig anderen Verfahrenstyp handelt. Das Schöffengericht besteht aus zwei Schöffen und – je nach dem angeklagten Delikt – einem (§32 Abs1 dritter Satz StPO) oder zwei Berufsrichtern (§32 Abs1a StPO). Der Schöffensenat – d.h. die beiden Schöffen und der/die Berufsrichter – entscheidet mit der Mehrheit der Stimmen sowohl über die Schuld als auch über die Strafe (§41 Abs1 erster Satz StPO). Das Geschworenengericht setzt sich aus dem Schwurgerichtshof und der Geschworenenbank zusammen. Der Schwurgerichtshof besteht aus drei Berufsrichtern, die Geschworenenbank ist mit acht Geschworenen besetzt (§32 Abs1 erster und zweiter Satz StPO). Die Entscheidung über die Schuldfrage treffen die Geschworenen alleine; im Falle einer Stimmengleichheit gibt die dem Angeklagten günstigere Meinung den Ausschlag (§331 Abs1 StPO). Über die Strafe im Falle einer Verurteilung entscheidet der Schwurgerichtshof gemeinsam mit den Geschworenen (§338 StPO). Im Unterschied zum geschworenengerichtlichen Verfahren sind die Berufsrichter somit im schöffengerichtlichen Verfahren (auch) an der Entscheidung über die Schuld des Angeklagten beteiligt. Somit ist es nach Auffassung der Bundesregierung auch gerechtfertigt, eine Aussetzung durch die Berufsrichter nur im geschworenengerichtlichen, nicht jedoch im schöffengerichtlichen Verfahren vorzusehen.

Mit strafgerichtlichen Verfahren, die allein von Berufsrichtern geführt werden, sind strafgerichtliche Verfahren mit Laienbeteiligung von vornherein nicht vergleichbar. Auch die insoweit behauptete Ungleichbehandlung erweist sich daher als unbegründet.

Im Übrigen steht es der Gesetzgebung im Rahmen ihres rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes grundsätzlich frei, sich in unterschiedlichen Verfahrensbereichen für eigenständige Ordnungssysteme zu entscheiden, die deren jeweiligen Erfordernissen und Besonderheiten Rechnung tragen, sofern die betreffenden Verfahrensgesetze in sich gleichheitskonform gestaltet sind (vgl. zB VfGH 14.3.2017, G249-250/2016 mwH). Dass die Möglichkeit der Aussetzung in sich gleichheitskonform ausgestaltet ist, wurde oben bereits dargelegt (s. oben Pkt. III.3.4.2.).

3.5.5. Schließlich trifft die Behauptung des Antragstellers, dass der Angeklagte keinerlei Möglichkeit hätte, sich gegen eine 'falsche' oder 'überzogene' Anklage (und die damit verbundene Zuweisung zum Geschworenengericht) zu wehren, nicht zu: Derartige Mängel können nämlich im Rahmen eines Einspruchs gegen die Anklageschrift gemäß den §§212 und 213 StPO geltend gemacht werden. Auch das Vorbringen, wonach eine wiederholte Hauptverhandlung nur im Geschworenenverfahren möglich sei, erweist sich im Hinblick auf neu durchzuführende Verfahren aufgrund einer erfolgreichen Nichtigkeitsbeschwerde oder bei einer Erneuerung des Strafverfahrens (§§363a ff. StPO) als unbegründet.

3.5.6. Mit seinen (im Zusammenhang mit dem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter vorgebrachten (s. oben Pkt. III.3.2.4.) Bedenken hinsichtlich der sachlichen Rechtfertigung der Aussetzungsmöglichkeit (auch) zum Nachteil eines Angeklagten, verkennt der Antragsteller aus Sicht der Bundesregierung den Zweck der Aussetzung. Wie dargelegt wurde (s. oben Pkt. I.3.4.), dient die Aussetzung insbesondere dazu, die Richtigkeit eines geschworenengerichtlichen Urteils sicherzustellen und so einerseits den Angeklagten vor willkürlichen Entscheidungen, andererseits aber auch die Reputation der Geschworenengerichtsbarkeit zu schützen. Im Hinblick darauf, dass ein Irrtum der Geschworenen in der Hauptsache sowohl zugunsten als auch zulasten eines Angeklagten vorliegen kann (was auch der Antragsteller nicht bestreitet), können diese Ziele nur dann erreicht werden, wenn Aussetzungen nicht nur zum Vorteil, sondern auch zum Nachteil eines Angeklagten zulässig sind. Im Hinblick darauf, dass nach einer Aussetzung eine neue Hauptverhandlung mit neuen Geschworenen stattfinden muss (§334 Abs3 StPO), und die neuen Geschworenen weder durch den Wahrspruch der ersten Geschworenen noch auch durch den Umstand der Aussetzung bei ihrer neuen Entscheidung gebunden sind (vgl. oben Pkt. I.3.2.3.), führt die Aussetzung auch zu keinen unverhältnismäßigen Einschränkungen der Verfahrensrechte eines Angeklagten. Die Möglichkeit einer Aussetzung auch zum Nachteil eines Angeklagten erweist sich vor diesem Hintergrund nach Auffassung der Bundesregierung als sachlich gerechtfertigt.

3.5.7. Der vom Antragsteller vorgenommene Vergleich der angefochtenen Bestimmungen mit der vor dem Jahr 1933 bestehenden Rechtslage, nach der eine Aussetzung ausschließlich zum Vorteil des Angeklagten möglich war, geht im Übrigen von vornherein ins Leere. Das Verfassungsrecht – und insbesondere der Gleichheitssatz – steht nämlich Gesetzesänderungen generell nicht entgegen. Eine geänderte Rechtslage stellt daher keinen zulässigen Maßstab für die Beurteilung der Sachlichkeit der alten Rechtslage dar oder umgekehrt. Es kommt lediglich darauf an, dass ein Gesetz in der jeweiligen Fassung für sich genommen den Anforderungen des Gleichheitssatzes entspricht (vgl. – mutatis mutandis – VfSlg 19.434/2011, wonach der Gleichheitssatz die Gesetzgebung nicht in ihrer Entscheidung über das 'Ob' einer Gesetzesänderung beschränkt, solange nur das Gesetz in der geänderten Fassung den Anforderungen des Gleichheitssatzes entspricht). Dass die angefochtene Bestimmung diesen Anforderungen entspricht, ergibt sich aus den obigen Ausführungen.

3.6. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Anklageprinzip (Art90 Abs2, Art90a B-VG):

3.6.1. Der behauptete Verstoß des §334 StPO gegen das Anklageprinzip nach Art90 Abs2 und gegen die Stellung der Staatsanwaltschaft nach Art90a B-VG wird vom Antragsteller damit begründet, dass der Schwurgerichtshof von sich aus die Aussetzung der Entscheidung selbst zum Nachteil des Angeklagten beschließen könne, ohne einen darauf abzielenden Antrag zuzulassen.

3.6.2. Die Aussetzung des Wahrspruchs der Geschworenen gemäß §334 StPO hat – entgegen der offenbaren Auffassung des Antragstellers – selbst dann, wenn sie zum Nachteil des Angeklagten erfolgt, nicht die Funktion einer (neuerlichen) Anklage. Vielmehr dient sie dazu, die Richtigkeit der Entscheidung der Geschworenen über die Schuld des Angeklagten sicherzustellen (s. oben Pkt. I.3.4.). Am Ende der – aufgrund der Aussetzung durchzuführenden – neuen Hauptverhandlung haben die Geschworenen neuerlich über die von der Staatsanwaltschaft erhobene Anklage (bzw. im Falle einer teilweisen Aussetzung über die davon betroffenen Teile) zu entscheiden. Das Anklageprinzip wird vor diesem Hintergrund von vornherein nicht eingeschränkt.

3.7. Zu den Bedenken im Hinblick auf die Meinungsfreiheit (Art10 EMRK):

3.7.1. Der Antragsteller bringt vor, dass die Nichtbeachtung des ersten Wahrspruches im neuen Verfahren die Meinungsfreiheit der Geschworenen verletze, resultiere doch die Wahrheitsfindung der Geschworenen über die ihnen gestellten Schuldfragen aus einem Meinungsbildungsprozess.

3.7.2. Selbst wenn der Wahrspruch der Geschworenen tatsächlich in den Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art10 EMRK fallen sollte, wäre deren Einschränkung durch eine Aussetzung nach §334 StPO nach Auffassung der Bundesregierung im Hinblick auf die obigen, zum Vorbringen eines Verstoßes gegen Art83 Abs2 B-VG dargelegten Erwägungen (s. Pkt. III.3.2.4.) gerechtfertigt.

3.8. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Recht auf Freiheit (Art5 EMRK):

3.8.1. Zur Behauptung einer Verletzung des Rechts auf Freiheit (Art5 EMRK) bringt der Antragsteller vor, dass der Angeklagte im Fall eines zu seinem Nachteil gefällten Aussetzungsbeschlusses – trotz eines ihn von der angeklagten Schuld entlastenden Wahrspruchs – weiterhin in Untersuchungshaft gehalten werde.

3.8.2. Auch dieses Vorbringen erweist sich als unbegründet. Wie bereits dargelegt wurde, ist die Aussetzung auch eines schuldentlastenden Wahrspruchs sachlich gerechtfertigt (s. insbesondere oben Pkt. III.3.2.4.). Die entsprechenden Erwägungen können auch auf die Frage ihrer Vereinbarkeit mit Art5 EMRK übertragen werden.

Abgesehen davon führt eine Aussetzung – entgegen der offenbaren Auffassung des An

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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