TE OGH 2018/6/28 6Ob101/18y

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Veröffentlicht am 28.06.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. G***** R*****, 2. Mag. E***** R*****, ebendort, beide vertreten durch Gabler Gibel & Ortner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. Mag. W***** S*****, vertreten durch Dr. Michael Meyenburg M.C.J., Rechtsanwalt in Wien, wegen 31.072,13 EUR sA und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. März 2018, GZ 11 R 3/18v-73, womit über Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 31. Oktober 2017, GZ 22 Cg 137/13y-68, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger erwarben vom Beklagten im Jahr 2009 die Wohnung Nr 18 im Haus *****. Das Haus wurde im Jahr 1910 errichtet. Der Beklagte war bis zum Jahr 1984 Alleineigentümer der Liegenschaft. Zu diesem Zeitpunkt begründete er dort Wohnungseigentum, wobei er sich zunächst sämtliche Anteile selbst einräumte und die Wohnungen schließlich sukzessive bis zum Jahr 2011 abverkaufte. In der Eigentümerversammlung vom 21. 5. 2013 stellte sich heraus, dass in dem Haus möglicherweise zahlreiche Erhaltungsarbeiten mit Gesamtkosten von ca 555.000 EUR durchzuführen sein werden. Den Klägern wurde anlässlich des Kaufs der Wohnung Nr 18 kein Gutachten über den Zustand des Hauses gemäß § 37 Abs 4 WEG übergeben.

Die Kläger begehren die Zahlung von 31.072,13 EUR sA sowie die Feststellung, dass der Beklagte für sämtliche darüber hinausgehende Gewährleistungsansprüche gemäß § 37 Abs 4 WEG hafte, die den Klägern aus dem Kaufvertrag vom 27. 8. 2009 erwachsen, in eventu, dass zwischen den Klägern und dem Beklagten festgestellt werde, dass der Beklagte dem Grunde nach für sämtliche Gewährleistungsansprüche gemäß § 37 Abs 4 WEG hafte, die den Klägern aus dem Kaufvertrag vom 27. 8. 2009 erwachsen.

Zum bisherigen Verfahrensgang kann auf die Entscheidung des erkennenden Senats 6 Ob 56/16b verwiesen werden.

Im zweiten Rechtsgang erkannte das Erstgericht mit Zwischenurteil das Leistungsbegehren für dem Grunde nach zu Recht bestehend.

Dabei ging es im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Der alterstypische Zustand des Hauses war den Klägern bekannt. Sie wussten jedoch nicht, dass Erhaltungsarbeiten anstehen, die erhebliche, mit einer gesamten monatlichen Rücklagendotierung von 893,40 EUR (auch nicht des Doppelten) in einem längeren Zeitraum nicht abzudeckende Kosten verursachen.

Die Elektroleitungen entsprechen „nicht dem derzeitigen Stand“; die Instandsetzung würde Kosten von 65.000 EUR verursachen. Gleiches gelte für die Gasleitungen; dies erfordere weitere 80.000 EUR. Die Erneuerung der Wasserleitung würde 110.000 EUR und im Anschluss erforderliche Malerarbeiten würden 30.000 EUR kosten. Die Beseitigung der aufsteigenden Feuchtigkeit im Bereich des Kellergeschosses und im Erdgeschoss würde samt Nebenarbeiten 100.000 EUR kosten. Die notwendige Dacherneuerung würde Kosten von rund 200.000 EUR verursachen.

Der Zustand der Wasserleitungen – außer im Keller – ist altersentsprechend; die bei Gebrechen auftretenden Schäden sind üblicherweise von einer Versicherung gedeckt. Bei den Elektro- und Gasleitungen bestand im Jahr 2009 kein Erhaltungsbedarf. Das Dach ist am Ende seiner Lebensdauer angelangt und muss erneuert werden.

Das Stiegenhaus wurde schon sehr lange nicht mehr ausgemalt und weist umfangreiche Rissbildungen auf. Außerdem besteht Reparaturbedarf an der Fassade.

Wenn die Dachhaut gepflegt worden wäre, würde dies über einen zehnjährigen Zeitraum kumuliert netto 14.580 EUR ergeben. Für die Sicherung der Fassade sind 3.040 EUR erforderlich; die Erneuerung von 20 lfm Verputz am Sockel würde zuzüglich Baustelleneinrichtung 1.700 EUR netto kosten.

Die von der Hausverwaltung den Eigentümern mitgeteilten Kosten der „größeren Erhaltungsarbeiten“ beinhalten auch Neuherstellungen, dies insbesondere betreffend die Steigleitungen.

Der Stand der Rücklage konnte nicht festgestellt werden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach Verwerfung einer Beweisrüge und Verneinung einer geltend gemachten Aktenwidrigkeit erwog es in rechtlicher Sicht, dass vom Wohnungseigentumorganisator nur ein entsprechender Zustand zum Zeitpunkt des jeweiligen Gefahrenübergangs zu prästieren sei. Es müsse sich um Erhaltungsarbeiten am Gebäude selbst handeln, die über die laufende Instandhaltung hinausgingen. Da nach den Feststellungen des Erstgerichts jedenfalls (auch) eine derartige Erhaltungsarbeit zum Zeitpunkt 27. 8. 2009 erforderlich gewesen sei (Isolierung der Wasserleitung, schadhafter Sockelputz, Schäden im Gesimse und Attikabereich, Feuchtigkeitsschäden am Verputz im Keller- und Erdgeschossbereich, wobei letztere sich frühestens am 21. 5. 2013 manifestierten), habe der Beklagte dem Grunde nach zu haften.

Die Dacherneuerung sei hingegen nur deshalb erforderlich, weil seit dem Jahr 2009 nur notdürftige Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt worden seien und die entsprechende Dachhautpflege rechtlich bloß als laufende Instandhaltung zu qualifizieren sei.

Unbeachtlich sei, ob die in Frage stehenden Erhaltungsarbeiten durch eine allenfalls vorhandene Rücklage finanziert werden könnten, weil in weiterer Folge die (Neu-)Dotierung der Rücklage den Erwerber massiv und überraschend belasten könne.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des in § 37 Abs 4 WEG 2002 verwendeten Begriffs „größere Erhaltungsarbeiten“ fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Grundsätzlich kann die Beurteilung, ob Erhaltungsarbeiten „größer“ sind, nur nach den Umständen des Einzelfalls vorgenommen werden, sodass dem Berufungsgericht ein gewisser Spielraum zukommt und die Anrufung des Obersten Gerichtshofs nur bei einer eklatanten Ermessensüberschreitung gerechtfertigt wäre (vgl RIS-Justiz RS0044088). Da jedoch zu § 37 Abs 4 WEG 2002 („WEG“)
– wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt – bisher diesbezüglich keine Rechtsprechung vorliegt, ist die Revision trotz ihrer Einzelfallbezogenheit zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

2.1. Gemäß § 37 Abs 4 WEG haben die Wohnungseigentumsorganisatoren vor oder mit der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum an Teilen eines Hauses, dessen Baubewilligung zum Zeitpunkt der Zusage älter als 20 Jahre ist, dem Wohnungseigentumsbewerber ein Gutachten eines für den Hochbau zuständigen Ziviltechnikers oder eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Hochbauwesen über den Bauzustand der allgemeinen Teile des Hauses, insbesondere über in absehbarer Zeit (ungefähr zehn Jahre) notwendig werdende Erhaltungsarbeiten, zu übergeben. Das Gutachten darf zum Zeitpunkt der Zusage nicht älter als ein Jahr sein und ist in den Kaufvertrag über den Liegenschaftsanteil, an dem Wohnungseigentum erworben werden soll, einzubeziehen. Mit dieser Einbeziehung gilt der im Vertrag beschriebene Bauzustand als bedungene Eigenschaft im Sinne des § 922 Abs 1 ABGB; damit haftet der Wohnungseigentums-organisator bzw Verkäufer für den beschriebenen Bauzustand. Erfolgt keine Einbeziehung eines solchen Gutachtens in den Kaufvertrag, gilt ein Erhaltungszustand des Hauses als vereinbart, der in den nächsten zehn Jahren keine größeren Erhaltungsarbeiten erfordert (Feil/Friedl/Bayer, WEG § 37 Rz 22 mwN). Die Regelung des § 37 Abs 4 WEG ist vertraglich nicht abdingbar (§ 37 Abs 6 WEG). Diesbezüglich kann auf die im selben Verfahren ergangene Vorentscheidung 6 Ob 56/16b verwiesen werden.

2.2. Der Inhalt von Satz 3 des § 37 Abs 4 WEG ist als gesetzlich typisierte Gewährleistungspflicht zu betrachten (Kulka, Rechtsfragen bei der Anwendung des § 37 Abs 4 WEG, wobl 2012, 374 [375]). § 37 Abs 4 WEG übernimmt damit den durch die Novelle 1997 in § 23 Abs 3 Z 4 WEG 1975 eingeführten speziellen Schutzmechanismus, der bei Wohnungseigentumsbegründung im „Althaus“ den Wohnungseigentumsbewerber vor der nicht ausreichenden Berücksichtigung der anstehenden Kosten für Erhaltungsmaßnahmen bewahren soll (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 37 WEG Rz 5). Zweck der Regelung ist es, die Übervorteilung des (einzelnen) Wohnungseigentumsbewerbers, der oft rechtlich unerfahren ist und die Problematik des Wohnungseigentums an einem Gebäude, das hohen Instandsetzungsaufwand erfordert, nicht abzuschätzen vermag, zu verhindern (Dirnbacher, WEG [2010] 439).

3.1. Der Terminus „Erhaltungsarbeit“ in § 37 Abs 4 WEG ist im Sinn des § 28 Abs 1 Z 1 WEG und damit im Einklang mit § 3 Abs 1 und 2 MRG auszulegen (6 Ob 141/16b mwN). Erhaltungsarbeiten sind alle Arbeiten, die der ordnungsgemäßen Erhaltung der gemeinsamen Teile und Anlagen der Liegenschaft dienen, einschließlich baulicher Änderungen, die über den Erhaltungszweck nicht hinausgehen (vgl RIS-Justiz RS0083421). Dazu gehören beispielsweise die Behebung von Feuchtigkeitsschäden (vgl RIS-Justiz RS0083089) oder von Schimmelbefall im Kellergeschoß des Hauses (RIS-Justiz RS0083089 [T13]) ebenso wie die Behebung statischer Mängel am Gebäude (vgl RIS-Justiz RS0105675) oder die Behebung der Undichtheit einer Terrasse oder einer Gasleitung (vgl RIS-Justiz RS0112445).

3.2. Durch die Verweisung des § 28 Abs 1 Z 1 WEG auf § 3 Abs 1 MRG ist klargestellt, dass mit „Erhaltung“ eine solche „im jeweils ortsüblichen Standard“ gemeint ist, sodass zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung bestehender Anlagen noch zur Erhaltung gehören, auch wenn es sich um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt oder es dabei zu einer vollständigen Erneuerung kommt und dabei sogar Veränderungen vorgenommen werden (RIS-Justiz RS0114109). Demnach zählen etwa auch die Aufbringung eines äußeren Fassadenvollwärmeschutzes und der Einbau neuer Fenster zu den Erhaltungsarbeiten (RIS-Justiz RS0114108).

3.3. Um die dem einzelnen Wohnungseigentümer sonst eingeräumte Möglichkeit, den anderen Wohnungseigentümern eine „permanente Modernisierung“ der Liegenschaft aufzuzwingen, zu vermeiden, ist dem Erhaltungsbegriff im Kontext des § 3 Abs 1 MRG und des § 28 Abs 1 Z 1 WEG allerdings ein restriktives Verständnis zu unterlegen: Das in Frage stehende Individualrecht sollte historisch dem Einzelnen lediglich Abhilfe gegen eine ihm geradezu unzumutbare Untätigkeit der Mehrheit im Hinblick auf die Erhaltung des Hauses bieten (RIS-Justiz RS0116139 [T6]). Ein wesentliches Kriterium für die Durchsetzbarkeit der von einem Wohnungseigentümer begehrten Erhaltungsmaßnahmen ist deren Dringlichkeit (RIS-Justiz RS0116139 [T7]). Weiters muss eine Reparaturbedürftigkeit oder zumindest Schadensgeneigtheit vorliegen, um von einer „Erhaltungsarbeit“ sprechen zu können (RIS-Justiz RS0116139 [T10]).

4.1. Was den Begriff der „größeren“ Erhaltungsarbeit in § 37 Abs 4 WEG betrifft, kommt es – dem Wesen der Gewährleistung entsprechend – nur auf jene Erhaltungsarbeiten an, die bereits im Zeitpunkt des Gefahrenübergangs notwendig waren, während eine nachträgliche Verschlechterung des Zustands des Gebäudes keine Gewährleistungspflichten auslöst (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Kommentar Österreichisches Wohnrecht – WEG4 § 37 Rz 43). Durch den Begriff „größere“ Erhaltungsarbeiten wollte der Gesetzgeber eine gewisse Begrenzung der gesetzlich vertypten Einstandspflichten im Sinn einer „Bagatellgrenze“ schaffen: Demnach muss es sich um Erhaltungsarbeiten handeln, die über die laufende Instandhaltung hinausgehen (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Kommentar Österreichisches Wohnrecht – WEG4 § 37 Rz 43).

4.2. Engin-Deniz, BTVG² § 23 WEG Rz 2 führt aus, das Wort „größere“ bei „größere Erhaltungsarbeiten“ deute darauf hin, dass es wichtige Erhaltungsarbeiten sein müssten, wie beispielsweise eine Dacherneuerung oder die Neuherstellung von Versorgungsleitungen.

4.3. Call, ImmZ 1997, 343 geht unter Verweis auf § 6 Abs 2 MietenG 1922 von Arbeiten aus, die in größeren als einjährigen Abständen wiederkehren, wie beispielsweise Dacherneuerung, Neuherstellung der Versorgungsleitungen, Ausmalen des Stiegenhauses oder Generalüberholung der Heizungsanlage.

4.4. Andere Autoren schlagen eine Orientierung an § 18 MRG zur Mietzinsanhebung vor, in dem der Begriff der „größeren Erhaltungsarbeit“ ebenfalls vorkommt (Ofner in Schwimann, ABGB² § 23 WEG Rz 17). Auch dort kann diese Qualifikation aber nur nach den Umständen des Einzelfalls vorgenommen werden; eine größere Erhaltungsarbeit soll dann vorliegen, wenn die Gesamtkosten der Erhaltungsarbeit(en), welche auch die angemessenen entgangenen Habenzinsen für eigenes Kapital des Vermieters bzw die angemessenen Sollzinsen im Falle der Fremdfinanzierung sowie die erforderlichen Geldbeschaffungskosten umfassen, ein Jahreshauptmietzinsaufkommen überschreiten (Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Kommentar Österreichisches Wohnrecht – MRG³ § 18 Rz 16).

5.1. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht festgestellt, dass die Isolierung eines freiliegenden Rohres im Keller zu netto 15 EUR pro Laufmeter notwendig ist, weiters bestehen ein schadhafter Sockelputz, Schäden im Gesimse und Attikabereich sowie Feuchtigkeitsschäden am Verputz im Keller- und Erdgeschossbereich. Daneben liegen auch Kostenschätzungen von Professionisten vor, die insgesamt Beträge im sechsstelligen Bereich nennen; schließlich ist das Dach am Ende seiner Lebensdauer angelangt. Die Hausverwaltung teilte den Wohnungseigentümern bereits im Jahr 2007 mit, dass die Dotierung der Rücklage von 350 EUR auf 893,40 EUR monatlich erhöht werden müsse.

5.2. Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage zu dem Ergebnis gelangten, dass die von Vonkilch vertretene Bagatellgrenze überschritten sei und nicht bloß laufende Instandhaltungsarbeiten durchzuführen seien, sondern „echte“ Reparaturen und Erneuerungen anstünden, so ist dies nicht zu beanstanden.

5.3. Den Argumenten der Revision ist zu erwidern, dass die Putzlockerungen in der Fassade in der ***** Straße ebenso wie die laufenden Arbeiten am Dach vom Berufungsgericht ohnehin nicht zu Lasten des Beklagten berücksichtigt wurden, da die Mängel an der Fassade in der ***** Straße erst nach der Übergabe im Jahr 2009 auftraten. Die anderen Mängel, insbesondere die mit aufsteigender Feuchtigkeit zusammenhängenden Schäden am Verputz im Keller- und Erdgeschossbereich waren jedoch schon im Jahr 2009 vorhanden.

5.4. Zur Frage der Rücklage führt Vonkilch (in Hausmann/Vonkilch, Kommentar Österreichisches Wohnrecht – WEG4 § 37 Rz 43) aus, es müsse unbeachtlich bleiben, ob die in Frage stehenden Erhaltungsarbeiten durch eine allenfalls vorhandene Rücklage finanziert werden können, da in weiterer Folge die (Neu-)Dotierung der Rücklage den Erwerber massiv und überraschend belasten kann. Ähnlich vertritt Call, ImmZ 1997, 341, auch eine „ausgeräumte“ Rücklage werde den Wohnungseigentumsbewerber zusätzlich belasten, weil er sie ja anteilig dann wieder auffüllen müsse, um dem Zweck der Rücklage zu dienen. Diese Überlegungen sind überzeugend. Dies gilt auch für das weitere Argument, dass das Vorhandensein der Rücklage nichts an der Notwendigkeit der Erhaltungsarbeiten ändert und die Rücklage nach Verbrauch der vorhandenen Gelder von den Wohnungseigentümern neu dotiert werden muss, was ebenso eine finanzielle Belastung bedeutet.

6. Soweit die Revision die Aktiv- und Passivlegitimation anspricht, wurden diese Fragen bereits mit der Vorentscheidung 6 Ob 56/16b abschließend geklärt. Der Oberste Gerichtshof trug den Vorinstanzen für das fortzusetzende Verfahren lediglich zu klären auf, ob „größere Erhaltungsarbeiten“ erforderlich seien.

7. Soweit unter Punkt 1.22 der Revision fehlende Feststellungen gerügt werden, wird nicht angegeben, welche Feststellungen konkret vermisst werden; die Verweisung auf bestimmte Stellen der Berufung ist unbeachtlich (RIS-Justiz RS0043616).

8. Die Entscheidung, ob eine Berufungsverhandlung im Einzelfall erforderlich ist, steht seit der Änderung des § 480 Abs 1 ZPO und dem Außerkrafttreten des § 492 ZPO durch das Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I 2009/52, generell im Ermessen des Berufungsgerichts (RIS-Justiz RS0127242). Dies verstößt auch nicht gegen Art 6 EMRK und den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (RIS-Justiz RS0126298). Im vorliegenden Fall macht die Revision nicht konkret geltend, was aus einer mündlichen Berufungsverhandlung zu gewinnen gewesen wäre, welche Feststellungen darin getroffen hätten werden können und was konkret zu erörtern gewesen wäre, sodass in der Ablehnung einer Berufungsverhandlung durch das Berufungsgericht im vorliegenden Fall kein vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit wahrzunehmender Ermessensfehler zu erblicken ist (vgl RIS-Justiz RS0126298 [T2]).

9. Zusammenfassend erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichts daher als frei von Rechtsirrtum, sodass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war.

10. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Textnummer

E122259

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00101.18Y.0628.000

Im RIS seit

01.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.07.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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