TE OGH 2018/6/28 6Ob90/18f

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Veröffentlicht am 28.06.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** N*****, vertreten durch Dr. Martin Brenner und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei F***** GesmbH, *****, vertreten durch Mag. Georg E. Thalhammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 31.027 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. März 2018, GZ 13 R 188/17p-39, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Das vom Kläger bei der Beklagten neu gekaufte und ihm am 4. 4. 2014 übergebene Motorrad war Gegenstand dreier Rückrufaktionen des Herstellers am 1. 8., am 11. 9. 2014 und am 11. 8. 2015. Die im Zuge der ersten Rückrufaktion überprüften Bremsschläuche wiesen keinerlei Schäden auf und waren vollkommen funktionstüchtig. Die bei der zweiten Rückrufaktion ausgewechselte Primärmanschette am Kupplungsgeberzylinder war ebenfalls mangelfrei. Schließlich waren auch die von der dritten Rückrufaktion betroffenen Federzapfenbuchsen (Satteltasche) vorhanden und in unversehrtem Zustand. Es steht auch nicht fest, ob die von der zweiten und der dritten Rückrufaktion betroffenen Konstruktionsteile vor Ablauf ihrer durchschnittlichen Lebensdauer mangelhaft geworden wären. Die Vorinstanzen verneinten deshalb das Vorliegen tatsächlicher oder latenter Mängel und stellten fest, dass (auch) die Durchführung mehrerer Rückrufaktionen eines Herstellers nicht unüblich sei, zumal diese vielfach vorbeugende Maßnahmen darstellen und routinemäßig abgewickelt werden. Das vom Kläger erworbene Motorrad sei die erste Generation nach einem Modellupdate, die drei Rückrufaktionen weder im Hinblick auf deren Häufigkeit noch angesichts der vorzunehmenden Arten ungewöhnlich oder auffällig gewesen.

Der Kläger macht primär Gewährleistungsansprüche geltend, die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

1. Ein Mangel im Sinne des Gewährleistungsrechts liegt dann vor, wenn die erbrachte Leistung qualitativ oder quantitativ hinter dem Geschuldeten, das heißt dem Vertragsinhalt, zurückbleibt (RIS-Justiz RS0018547). Der geschuldete Vertragsgegenstand wird durch die gewöhnlich vorausgesetzten oder die ausdrücklich oder stillschweigend zugesicherten Eigenschaften bestimmt (RIS-Justiz RS0018547 [T5]). Was nicht Vertragsbestandteil im Sinn des § 922 ABGB wurde, kann daher keine Gewährleistungsfolgen auslösen (RIS-Justiz RS0018547 [T1]). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war das Motorrad einwandfrei verkehrs- und betriebssicher (vgl 1 Ob 414/97g), die Vorinstanzen konnten auch sonst keinerlei tatsächliche oder latente Mängel (vgl 9 Ob 3/09w) feststellen. Freiheit von Rückrufaktionen war zwischen den Parteien nicht vereinbart; die tatsächlich durchgeführten Rückrufaktionen waren weder ungewöhnlich noch auffällig, wobei derartige Rückrufaktionen grundsätzlich nicht unüblich sind.

2. Der Kläger meint, „nach dem Auftreten von drei potentiell lebensgefährlichen Mängeln“ könne ihm nicht zugemutet werden, weiter auf die Sicherheit des Motorrads zu vertrauen. Damit geht er aber nicht vom festgestellten Sachverhalt aus: Es sind keine Mängel, schon gar keine potentiell lebensgefährlichen, am Motorrad aufgetreten.

Dass es mit anderen, tatsächlich mangelhaften Fahrzeugen zu Unfällen mit Todesfolge gekommen sein soll, weshalb der Kläger „einen qualifizierten Verlust des Vertrauens in die Kompetenz des Übergebers“ erlitten habe, vermag einen Gewährleistungsanspruch hinsichtlich des gegenständlichen mangelfreien Motorrads nicht zu begründen, abgesehen davon, dass den Feststellungen die behaupteten Unfälle mit Todesfolgen nicht zu entnehmen sind.

3. Unerheblich ist, ob dem Kläger eine Verbesserung zumutbar ist, weil es ohne Mangel nichts zu verbessern gibt. Im Übrigen kommt der vom Kläger angezogene Ausnahmetatbestand des § 932 Abs 4 letzter Satz ABGB nur dann zur Anwendung, wenn die Verbesserung aus „triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen unzumutbar ist“. Dieser Ausnahmetatbestand bezieht sich auf jene Fälle, in denen sich aus der Art des Mangels, des Zustandekommens sowie anderer Umstände eine Unfähigkeit oder Gefährlichkeit des Übergebers ergibt; einschlägig wären etwa sicherheitsrelevante Umstände wie etwa die unzulängliche Reparatur der Bremsanlage eines PKW und andere Fehler, die eine besondere Sorglosigkeit und Nachlässigkeit des Übergebers nahelegen. Unzumutbarkeit wird regelmäßig auch dann vorliegen, wenn die mangelhafte Leistung auf vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten des Übergebers beruht (Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 932 Rz 62). Welche die „in [der] Person [der Beklagten] liegenden“ Umstände dem Kläger eine Verbesserung unzumutbar machen würden, ist nicht erkennbar, zumal die Beklagte die Überprüfungen im Rahmen der Rückrufaktionen fehlerfrei durchführte.

4. Es ist schließlich auch nicht erkennbar, welche der in § 871 ABGB genannten Voraussetzungen für einen Irrtum des Klägers hier vorliegen sollten, insbesondere inwiefern ein solcher Irrtum von der Beklagten veranlasst worden sein sollte. Da die Freiheit von zukünftigen Rückrüfaktionen nicht Vertragsinhalt wurde, liegt zudem kein Geschäftsirrtum, sondern allenfalls ein unbeachtlicher Motivirrtum vor (vgl RIS-Justiz RS0014902 [insbesondere T4]).

Textnummer

E122230

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00090.18F.0628.000

Im RIS seit

31.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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