TE Lvwg Erkenntnis 2018/2/26 VGW-171/056/10420/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.2018
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Entscheidungsdatum

26.02.2018

Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien
24/01 Strafgesetzbuch

Norm

DO Wr 1994 §77 Abs1
DO Wr 1994 §106 Abs1
StGB §32

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Linkenhöller als Vorsitzende, die Richterin Dr. Zeller als Berichterin, die Richterin Mag. Freistätter, MBA, als Beisitzerin und die fachkundigen Laienrichter Herr MMag. Ramharter und Herr Wessely über die Beschwerde des Herrn A. B. vom 07.07.2017 gegen das Disziplinarstraferkenntnis der Disziplinarkommission der Stadt Wien vom 12.06.2017, Zl. ... nach abschließender Beratung des Senates

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG in Verbindung mit § 74a Dienstordnung 1994 – DO 1994, LGBl. für Wien Nr. 56 in der geltenden Fassung, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 106 Abs. 1 DO 1994 in Verbindung mit § 17 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

1.) Das angefochtene Disziplinarerkenntnis richtet sich gegen den Beschwerdeführer und beinhaltet folgenden Spruch:

„Die Disziplinarkommission der Stadt Wien - Senat 5 hat nach ihren Sitzungen am 14. Dezember 2016, am 24. Februar 2017 sowie am 12. April 2017 im Disziplinarverfahren gegen Herrn A. B., Aufseher in Ruhestand, Personalnummer ..., am 12. April 2017 folgenden Beschluss gefasst:

A)   Herr A. B., Dienststelle KH, P., ist schuldig gemäß dem Strafantrag vom 24.8.2016, … folgende Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben:

1.   Er hat es als Beamter des Krankenhauses (KH) und als Leiter der Organisationseinheit P. unterlassen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber ein höfliches und hilfsbereites Verhalten an den Tag zu legen und im Dienst und außer Dienst nicht alles vermieden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte, indem er

1.3. gegenüber dem arbeitskräfteüberlassenen Mitarbeiter der Firma H., Herrn M., zu einem nicht näher bestimmten im Mai 2015 gelegenen Zeitpunkt die Aussage getätigt hat, „dass er behindert sei, weil er Probleme mit seinem Fuß habe“.

1.6. gegenüber Frau N., Hausarbeiterin im KH, zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Zeitraum 16. Juli 2012 bis 9. Juli 2015, als diese Fotos ihrer Töchter herzeigte, die Aussage getätigt hat „Wow, die sind fesch, darf ich sie f…“ und gegenüber Frau N., Hausarbeiterin im KH zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Zeitraum Mai 2012 bis Juli 2015, als diese Fotos ihrer Tochter herzeigte, die Aussage getätigt hat „Du hast aber eine fesche Tochter, die könnte man auch mal f..., die hat einen geilen Arsch“,

1.8 gegenüber Frau N., Hausarbeiterin im KH, zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Zeitraum Juli 2014 bis Juli 2015 die Aussage getätigt hat „Ich f… deine Tochter“,

1.15.   in Anwesenheit von Herrn M., arbeitskräfteüberlassenem Mitarbeiter der Firma H., zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Zeitraum November 2014 bis Juli 2015 sich das Hemd hochgezogen hat und diesem gegenüber die Aussage getätigt hat „Siehst du meinen Adonis Körper“,

1.16.   Frau F., Hausarbeiterin im KH, zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Zeitraum November 2014 bis Juli 2015 verbal zu belästigen versucht hat, wobei er beispielsweise die Aussage getätigt hat, dass sein Sohn mit der Tochter von Frau F. f... könne oder, wenn er die Tochter von Frau F. heiraten würde, dann beide f... könnte,

1.19. in Anwesenheit von Frau C., Hausarbeiterin im KH, zu drei nicht näher bestimmten Zeitpunkten im Mai 2015 das Hemd in die Höhe gehoben hat, so dass man seinen Bauch sehen konnte, und zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Zeitraum 1. Juni 2014 bis Juli 2015 zu seiner Gesprächspartnerin Frau N. das Wort „f...“ ausgesprochen hat.

2.   Er hat es als Beamter des Krankenhauses (KH) und als Leiter der Organisationseinheit P. unterlassen, Mitarbeitern gegenüber ein höfliches und hilfsbereites Verhalten an den Tag zu legen, im Dienst und außer Dienst nicht alles vermieden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte und gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen, wonach es dem Beamten im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit verboten ist, andere aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit zu diskriminieren, wobei auch jede nicht unter § 18a Abs. 1 zweiter Satz DO 1994 fallende, von einem Beamten gesetzte als Erniedrigung oder Beleidigung anzusehende oder diese bezweckende Verhaltensweise, die mit dem im Abs. 1 erster Satz genannten Merkmal der ethnischen Zugehörigkeit in Zusammenhang steht, von dem davon betroffenen Bediensteten als unerwünscht angesehen wird und die Würde des Bediensteten verletzt oder dies bezweckt als Diskriminierung gilt, indem er

2.4.   Herrn J. als auch Herrn G., beides arbeitskräfteüberlassene Mitarbeiter der Firma H., zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Zeitraum von Mai 2015 bis Juli 2015, als Zigeuner bezeichnet hat.

3.   Er hat es als Beamter des Krankenhauses (KH) und als Leiter der Organisationseinheit P. unterlassen, Mitarbeitern gegenüber ein höfliches und hilfsbereites Verhalten an den Tag zu legen, im Dienst und außer Dienst nicht alles vermieden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte und hat es entgegen der besonderen Dienstpflicht als Vorgesetzter unterlassen, Missstände - allenfalls unter Erteilung von Belehrungen und Ermahnungen - abzustellen, indem er

3.1.    zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Zeitraum November 2014 bis Juli 2015, als sich Frau D. auf seinen Schoß gesetzt hat, ihn am Körper massiert und seine Brüste angegriffen hat, es unterlassen hat, das Verhalten von Frau D., damals Hausarbeiterin im KH, zu unterbinden, dieser gegenüber eine Belehrung oder Ermahnung auszusprechen, um das an den Tag gelegte Verhalten der Mitarbeiterin abzustellen, und hat es selbst unterlassen, als Vorgesetzter ein für einen Vorgesetzten der Stadt Wien vorbildliches Verhalten gegenüber seinen Mitarbeitern an den Tag zu legen.

4.   Er hat es als Beamter des Krankenhauses (KH) und als Leiter der Organisationseinheit P. unterlassen, Mitarbeitern gegenüber ein höfliches und hilfsbereites Verhalten an den Tag zu legen, im Dienst und außer Dienst nicht alles vermieden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte, und eine sexuelle Belästigung durch ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten bzw. zumindest eine sonstige Belästigung auf Grund des Geschlechts begangen, da er dadurch die Würde einer Frau oder eines Mannes beeinträchtigt oder dies bezweckt hat und das in den angeführten Punkten beschriebene Verhalten von der oder dem betroffenen Bediensteten als unerwünscht, unangebracht oder anstößig empfunden wurde, indem er

4.1.   gegenüber dem arbeitskräfteüberlassenen Mitarbeiter der Firma H., Herrn J. zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Mai 2015 die Aussage getätigt hat, dass er seine Frau fragen sollte, ob sein Kind auch wirklich sein Kind sei, Zitat des ungefähren Wortlautes: „Bist du dir sicher, dass das Kind von dir ist, es könnte auch sein, dass es von mir ist“,

4.4.   zu Herrn I., arbeitskräfteüberlassenem Mitarbeiter der Firma H., zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Zeitraum März 2015 bis Juli 2015 die Wörter „Titten, Arsch“ sowie verbale Ausdrücke den Geschlechtsverkehr betreffend verwendet hat,

4.9.   vor Frau F. Hausarbeiterin im KH, zu zumindest drei nicht näher bestimmten Zeitpunkten im Zeitraum 2014 bis Juli 2015 das Hemd in die Höhe gehoben hat, um seinen Bauch zu zeigen, und zu nicht näher bestimmten Zeitpunkten im Zeitraum 2014 bis Juli 2015 sich an die Genitalien gegriffen hat.

Hierdurch hat der Beschuldigte die in den nachfolgend zitierten Rechtsvorschriften normierten Dienstpflichten verletzt:

ad 1. § 18 Abs. 2 DO 1994

ad 2. § 18 Abs. 2 DO 1994, § 18a Abs. 1 2. Satz iVm § 18a Abs. 3 Z 2 DO 1994

ad 3. § 18 Abs. 2 DO 1994 und § 34 Abs. 1 2. Satz DO 1994

ad 4.§ 18 Abs.2 DO 1994 , § 7 Abs. 2 Wiener Gleichbehandlungsgesetz

Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen wird über den Beschuldigten gemäß § 109 Abs. 2 Z 3 DO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe des 2-fachen Ruhebezuges, unter Ausschluss der Kinderzulage, verhängt.

Gemäß § 106 Abs. 1 DO 1994 werden dem Beschuldigten keine Kosten für das Disziplinarverfahren auferlegt.“

In der Begründung wird ausgeführt, dass Leihmitarbeiter des P. schwere Vorwürfe gegen den Beschuldigten erhoben hätten. Er habe in seiner Einvernahme am 13.7.2015 die Anschuldigungen bestritten. Mit Bescheid der Magistratsabteilung 2 vom 25.8.2015 sei er vorläufig vom Dienst suspendiert worden. Diese vorläufige Suspendierung sei mit Bescheid vom 23.11.2015 aufgrund seiner mittlerweile erfolgten Ruhestandsversetzung aufgehoben worden.

Mit Strafantrag vom 24.8.2016 sei das Disziplinarverfahren eingeleitet worden.

Beweise seien durch die Einvernahmen diverser Zeugen und des Beschwerdeführers erhoben worden. Der Beschwerdeführer habe in der Verhandlung vor der Disziplinarkommission die ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen in ihrer Gesamtheit bestritten. Er habe beinahe 30 Jahre lang als Vorgesetzter gearbeitet und sich nie etwas zu Schulden kommen lassen.

Im angefochtenen Bescheid wurde von der belangten Behörde festgestellt, dass die Gesamtsituation dergestalt gewesen sei, dass die Räumlichkeiten des P. einen großen und einen kleineren Arbeitsraum umfassten, in denen sich oft mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleichzeitig aufhielten. Die örtliche Raumsituation sei daher eher beengt gewesen. In den Steh- und Wartezeiten seien oft Gespräche untereinander geführt worden, wobei es häufig zu Privatgesprächen gekommen sei, an welchen sich auch der Beschwerdeführer beteiligt habe.

Der Beschwerdeführer habe die ihm übertragenen Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit seines unmittelbaren Vorgesetzten erledigt, trotz der schwierigen Verhältnisse. Diese schwierigen Verhältnisse seien auch durch die immer wieder bestehenden Spannungsverhältnisse zwischen dem Stammpersonal des KH und den zur Verfügung gestellten Leiharbeitern entstanden.

Das Arbeitsklima sei unter der Führung des Beschwerdeführers sehr „familiär“ und informell gehalten worden. Gleichzeitig sei der Umgangston rau gewesen, teilweise sogar beleidigend und nicht immer respektvoll. Gegenüber manchen der Mitarbeiter (mit welchen er schon mehrere Dienstjahre gemeinsam verbracht hatte) sei der Beschwerdeführer korrekt, angemessen und feinfühlig gewesen, hingegen nicht mit anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Leiharbeitern. Der Beschwerdeführer sei seit 1.10.2015 im Ruhestand.

Der Beschwerdeführer habe Vorgesetztenfunktion inne gehabt, sei jedoch aufgrund der genannten Dienstpflichtverletzungen seinen Aufgaben als Führungskraft nicht nachgekommen. Er sei selbst Teil des rüden Arbeitsklimas gewesen.

Zur Strafbemessung wird ausgeführt, dass die disziplinäre Unbescholtenheit sowie die ausgezeichneten Dienstbeurteilungen des Beschwerdeführers als mildernd gewertet wurden und als erschwerend seine Stellung als damalige Führungskraft mit Vorbildfunktion sowie die mehrfachen Dienstpflichtverletzungen über einen längeren Zeitraum.

Die fristgerecht dagegen erhobene Beschwerde wendet sich nur gegen die Höhe der über den Beschwerdeführer verhängten Geldstrafe. Er beziehe lediglich € 1.200 netto an Ruhegenuss, daher sei die Bezahlung der Geldstrafe für ihn nicht möglich. Es sei die verhängte Geldstrafe auch nicht tat- und schuldangemessen.

2.) Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Die Beschwerde richtet sich nur gegen die verhängte Höhe der Disziplinarstrafe. Das Disziplinarerkenntnis ist daher in seinem Schuldausspruch (und den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen) bereits in Rechtskraft erwachsen. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens war nur mehr die Prüfung, ob die festgesetzte Disziplinarstrafe einer Geldstrafe in der Höhe des zweifachen Ruhebezuges unter Ausschluss der Kinderzulage zu Recht als tat- und schuldangemessen festgesetzt wurde.

Bei einer Dienstpflichtverletzung nach § 18 DO gehört zur Ermittlung des objektiven Gewichtes bereits, ob und in welchem Ausmaß durch die Tat die Achtung und das Vertrauen der Allgemeinheit, die dem Beamten in seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben werden. Erst wenn dermaßen die Schwere der Dienstpflichtverletzung feststeht, ist im nächsten Schritt zu beurteilen, in welchem Ausmaß („inwieweit") durch diese Dienstpflichtverletzung das Vertrauen des Dienstgebers in die Person des Beamten durch die Dienstpflichtverletzung beeinträchtigt ist (§ 77 Abs. 1 Z. 1 DO). Die Frage einer Untragbarkeit im Sinne des § 77 Abs. 3 DO stellt sich im gegenständlichen Fall nicht und wäre nur im Falle einer Entlassung als verhängte Disziplinarstrafe von Relevanz.

Zur Schwere der Dienstpflichtverletzung und Grad des Verschuldens:

Gemäß § 77 Abs. 1 DO 1994 ist die Strafe auf der Grundlage der Schwere der Dienstpflichtverletzung zu bemessen. Bei der Bemessung der Strafe ist insbesondere auf die in den Z 1 bis 3 leg. cit. genannten Kriterien Rücksicht zu nehmen:

Bei der Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung ist vom objektiven Gewicht der Tat bzw. der Taten (dem "Unrechtsgehalt") in jedem konkreten Einzelfall auszugehen, das – in Ermangelung eines typisierten Straftatbestandskatalogs im Sinne etwa des StGB – wesentlich durch die objektive Schwere der in jedem Einzelfall konkret festzustellenden Rechtsgutbeeinträchtigung bestimmt ist. Durch den Verweis in § 77 Abs. 1 Z 3 DO 1994 auf § 32 StGB ist neben der Schwere der Dienstpflichtverletzung auch der Grad des Verschuldens zu berücksichtigten, vor allem inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte (vgl. den entsprechenden Wortlaut des § 32 Abs. 2 Satz 2 StGB und zum "objektiven Gewicht der Tat" als auch zum "Grad des Verschuldens" die Ausführungen im Erkenntnis des VwGH vom 16.12.2008, 2006/09/0127, mit Hinweis auf die Erkenntnisse vom 16.10.2008, 2007/09/0301; und 13.12.2007, 2005/09/0149).

Bei der Bemessung der Strafe nach § 77 Abs. 1 DO 1994 sind alle in den Z 1 bis 3 genannten Kriterien in gleichem Maße zu berücksichtigen. Eine "ungleiche Gewichtung" ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (vgl. abermals das zitierte Erkenntnis des VwGH vom 16.12.2008, 2006/09/0127; sowie jenes vom 8.8.2008, 2006/09/0211).

Entsprechende Rückschlüsse auf die Schwere der Dienstpflichtverletzung aufgrund der verwirklichten Rechtsgutbeeinträchtigung können jedenfalls nur von einem Verhalten gezogen werden, das mit dem Aufgabenbereich des Beamten im Zusammenhang steht (sogenannter Dienst- oder Funktionsbezug). Dabei ist dieser Zusammenhang einerseits zu den besonderen Aufgaben des jeweiligen Beamten herzustellen, sodass die Pflicht zur Vertrauenswahrung für die einzelnen Beamtengruppen (bzw. ihrer jeweiligen Verwendung) unterschiedliche Konturen aufweist (sogenannter besonderer Dienst- oder Funktionsbezug). Andererseits kann ein allgemeiner Bezug zu jenen Aufgaben hergestellt werden, deren Erfüllung jedem Beamten obliegt (sogenannter allgemeiner Dienst- oder Funktionsbezug).

Für den gegenständlichen Fall ist daher wie folgt auszuführen:

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um Verhaltensweisen des Beschwerdeführers mit ausschließlichem dienstlichem Bezug. Zu den festgestellten Dienstpflichtverletzungen ist ferner auszuführen, dass er gesamt 11 konkrete Übertretungen zu verantworten hat. Diese ziehen sich darüber hinaus über einen Zeitraum zwischen 2012 und 2015. Bei den konkreten Anlastungen handelt es sich um Dienstpflichtverletzungen von erheblichem Ausmaß:

denn die Verpflichtung, im Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte, erfordert auch eine „zuverlässige“ und „aufmerksame“ Aufgabenerfüllung unter Beachtung aller bestehenden Gesetze, Verordnungen und Weisungen. Ein Vorgesetzter hat seine persönliche Unabhängigkeit mit sachlicher Distanz zu wahren, um seine Dienstaufsicht wahrzunehmen und für einen reibungslosen Dienstbetrieb zu sorgen.

Ein Vorgesetzter, hier ein Leiter einer Organisationseinheit mit höherer Anzahl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit unterschiedlicher dienstrechtlicher Stellung (Stammpersonal des KH und Leiharbeiter) hat im Interesse eines geordneten und gefahrlosen Dienstbetriebes und auch zur Vertrauenswahrung nach außen hin jedenfalls als Vorgesetzter persönlich wertende und abwertende Bemerkungen zu unterlassen. Er hat insbesondere auch jegliche sexuell anzügliche Bemerkungen bzw. Verhalten gegenüber Mitarbeitern zu unterlassen. Mit derartigen Äußerungen, wie gegenständlich festgestellt, ist die Würde einer Frau oder eines Mannes klar beeinträchtigt. Dass dies von den Betroffenen unerwünscht oder unangebracht empfunden wurde, geht schon aus der Wortwahl hervor.

Es hängt bei den vorliegenden Äußerungen und Verhaltensweisen auch nicht davon ab, ob er sich einzelnen Mitarbeitern gegenüber so benommen hat oder einer Vielzahl gegenüber. Ausreichend für ein mangelndes Funktionieren und Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes ist, wenn dies einzelne Mitarbeiter betroffen hat. Die Innehabung einer derartigen Vorgesetztenposition verpflichtet zu einem umsichtigen Umgang mit den unterstellten Mitarbeitern. Gerade einem Vorgesetzten kommt auch eine Vorbildfunktion in seinem gesamten dienstlichen Verhalten zu. Es reicht daher, wenn der Vorgesetzte diese Verhaltensweisen nicht unterbindet. Darüber hinaus besteht ein Subordinationsverhältnis zu seinen, ihm unterstellten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Besonders in einem Umfeld, wie es berufsbedingt auch gegenständlich war, ist eine entsprechende Vorbild- und Leitfunktion auch deswegen von besonderer Bedeutung, da die Funktion des Vorgesetzten auch subjektiv unter den festgestellten Bedingungen wohl noch elementarer wahrgenommen wird.

Es ist daher allgemein, jedoch umso mehr in einem derartigen Umfeld, von einem Vorgesetzten zu erwarten, dass er danach zu trachten hat und alles dazu tun muss, dass unter den Mitarbeitern ein höflicher und respektvoller Umgang herrscht. Es ist eine der Kernaufgaben eines Vorgesetzten, alle Mitarbeiter gleich zu behandeln und nicht danach, ob er zu diesen ein engeres privates Verhältnis hat oder nicht. Er hat alles zu vermeiden, das seine Achtung und das Vertrauen untergraben könne und verbale sexuelle Belästigungen sind auch ansatzweise zu unterlassen.

Es steht daher außer Zweifel, dass die nach Abschluss des Beweisverfahrens feststehenden Dienstpflichtverletzungen durch den Beschwerdeführer jenen Anforderungen, die an einen Leiter einer eigenen Organisationseinheit im KH gestellt werden in erheblicher Weise widersprechen. Denn es wäre jedenfalls gerade am Beschwerdeführer als Vorgesetzten gelegen, seine verfahrensgegenständlichen Äußerungen zu unterlassen bzw. hätte er durchaus feststellen können, dass die ihm unterstellten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen möglicherweise aufgrund ihrer beruflichen Stellung nicht unmittelbar ihm gegenüber zum Ausdruck bringen, dass sie gewisse Äußerungen und den Umgangston nicht befürworten. Dies gilt für sämtliche der konkret feststehenden Dienstpflichtverletzungen, so sind die näheren (teilweise sexuellen) anzüglichen Bemerkungen gegenüber Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für einen Vorgesetzten untragbar. Er kommt damit den Pflichten eines Vorgesetzten, alles im Dienst und außer Dienst zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegen zu bringen sind, nicht nach untergraben könnte und stellt dies jedenfalls eine Belästigung seiner ihm unterstellten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dar. Ebenso trifft dies auch auf anzügliche Gespräche und unangebrachte Verhaltensweisen des Beschwerdeführers zu. All seine Handlungen und Unterlassungen im Dienst, wie spruchgemäß erkannt, lassen auf eine grobe Unzuverlässigkeit als Vorgesetzter schließen. Es handelt sich hier um Dienstpflichtverletzungen des Beschwerdeführers als Vorgesetzten, welche ihm als solche hätten bewusst sein müssen, ferner er diese als solche in der Reaktion seiner Umgebung zumindest als belästigend und ungehörig hätte wahrnehmen müssen, weshalb er damit zumindest grob sorgfaltswidrig gehandelt hat.

Darüber hinaus handelte es sich um wiederholtes Zuwiderhandeln innerhalb eines Zeitraums von in etwa 3 Jahren. Die Dienstpflichtverletzungen sind in objektiver und auch in subjektiver Hinsicht als erheblich zu werten. Die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht wurden, wurden durch die angelasteten Verhaltensweisen und Äußerungen des Beschwerdeführers stark beeinträchtigt und in erheblichem Ausmaß untergraben.

Disziplinarstrafe, Strafbemessungsgründe und Ermessensübung

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 77 Abs. 1 DO fordert diese Bestimmung die Berücksichtigung aller im 77 Abs. 1 Z 1 bis 3 DO genannten Kriterien im gleichen Ausmaß. Eine ungleiche Gewichtung der Kriterien sei nämlich dem Gesetz nicht zu entnehmen. Daher kommt es bei der Festsetzung der Höhe der Disziplinarstrafe nicht nur auf die Verletzung der Schwere der Dienstpflichtverletzung (bzw. der Schwere der Verletzung des Vertrauens des Dienstgebers in die Person des Beschuldigten) (vgl. § 77 Abs. 1 Z 1 DO) an, sondern auch auf spezialpräventive Erwägungen (vgl. § 77 Abs. 1 Z 2 DO) und auf die (nicht bereits im Rahmen der Bemessung des Ausmaßes des Unwertgehalts der Tat bzw. im Rahmen der Bemessung der Schwere des Verschuldens herangezogenen) Strafbemessungsgründe gemäß der §§ 32 bis 35 StGB (vgl. § 77 Abs. 1 Z 3 DO) an (vgl. etwa VwGH 16.10.2008, 2007/09/0301).

Die Bemessung der Disziplinarstrafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens ist grundsätzlich dem Ermessen der Disziplinarbehörde überlassen. Anders verhält es sich jedoch bei der Frage, ob von den im Katalog des § 76 Abs. 1 DO 1994 aufgezählten Strafmitteln über den Beschuldigten deren schwerstes, nämlich die Entlassung, zu verhängen ist, weil hier kein gesetzlicher Strafrahmen, sondern verschiedene Strafmittel normiert sind (vgl. die zum vergleichbaren Strafmittelkatalog gemäß § 92 Abs. 1 BDG 1979 ergangenen Erkenntnisse des VwGH vom 6.6.2001, 97/09/0222; und 23.3.1994, 93/09/0391).

Ein Widerspruch der Behörde, eine Sachentscheidung auch in diesen Ermessungsfragen zu stellen, liegt nicht vor. Aufgrund der hervorgehobenen objektiven Schwere der begangenen Dienstpflichtverletzungen und der dadurch erfolgten Beeinträchtigung des Vertrauens der Dienstgeberin in den Beschwerdeführer, sowie angesichts der Vielzahl von Vorwürfen, ergab sich zu Recht für ein schuldangemessenes Strafausmaß ein Strafrahmen, bei dem jedenfalls mit einer Disziplinarstrafe der Geldstrafe als Untergrenze, der Höhe nach im fast mittleren Bereich, gemäß § 76 Abs. 1 Z 3 DO 1994 das Auslangen gefunden werden kann. Eine Geldbuße kommt als nicht tatangemessen keinesfalls in Betracht, da der Unrechtsgehalt der Übertretungen erheblich war, der Zeitraum ebenso nicht geringfügig sowie es sich um eine Mehrzahl an Übertretungen handelt.

Bei der Festsetzung der Höhe der Geldstrafe wurde neben den beiden bereits festgestellten mildernden Gründen (disziplinäre Unbescholtenheit und ausgezeichnete Dienstbeurteilung) insbesondere auch auf den bereits eingetretenen Zeitablauf, den Wegfall spezialpräventiver Erwägungen (da weitere vergleichbare Dienstpflichtverletzungen des Beschwerdeführers infolge Inruhestandversetzung ausgeschlossen werden können) sowie die nunmehr durch Bekämpfung der Strafhöhe vorliegende Schuldeinsicht des Beschwerdeführers Bedacht genommen.

Sonstige Milderungsgründe oder Erschwerungsgründe sind nicht hervorgekommen. Die Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers rechtfertigten aufgrund der Schwere der Übertretungen in objektiver und subjektiver Hinsicht ebenso wenig eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe, zumal da es sich um keine Notlage des Beschwerdeführers handelt. Auch sprechen generalpräventive Erwägungen gegen eine Herabsetzung.

Kostenausspruch:

§ 106 Abs. 1 DO lautet wie folgt:

„Wird über den Beamten eine Disziplinarstrafe verhängt, ist in der Disziplinarverfügung und im Disziplinarerkenntnis auszusprechen, ob und inwieweit er mit Rücksicht auf den von ihm verursachten Verfahrensaufwand, seine persönlichen Verhältnisse und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit die Kosten des Verfahrens einschließlich der Reisegebühren und der Gebühren für Zeugen und Sachverständige zu ersetzen hat; dasselbe gilt, wenn im Schuldspruch von der Verhängung einer Disziplinarstrafe abgesehen wird (§ 77a Abs. 1). Die aus der Beiziehung eines Verteidigers erwachsenden Kosten hat in allen Fällen der Beamte zu tragen.“

Im gegenständlichen Fall steht fest, dass keinerlei Barauslagen oder sonstige Kosten i.S.d. §§ 76ff AVG entstanden sind. Da sohin keinerlei „Kosten des Verfahrens“ angefallen sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Revisionsentscheidung:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die (ordentliche) Revision zulässig, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

Ein Vergleich der Regelungen zum Ablehnungsmodell gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG aF mit dem Revisionsmodell nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zeigt, dass diese Bestimmungen nahezu ident sind. Zur Auslegung des Begriffes „Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung" kann somit auch auf die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Ablehnungsrecht nach Art. 131 Abs. 3 B-VG aF zurückgegriffen werden (in diesem Sinne Thienel, Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, 74). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist dann anzunehmen, wenn die Entscheidung des VwGH von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (VwGH 18.06.2014, Ra 2014/01/0029). Trotz fehlender Rechtsprechung des VwGH liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist oder bereits durch ein Urteil des EuGH gelöst wurde (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/07/0053; 28.02.2014, Ro 2014/16/0010). Die Rechtsfrage muss eine solche sein, durch deren Lösung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ein Eingriff in subjektive Rechte des Revisionswerbers im Sinne des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG zumindest möglich ist. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen hingegen ist der VwGH nicht zuständig (VwGH 12.08.2014, Ra 2014/06/0015). Der VwGH ist als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Unter Beachtung dieses Grundsatzes kann der VwGH jedoch prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (VwGH 19.05.2014, Ra 2015/19/0091). Da zum Thema der Strafbemessung im Disziplinarverfahren umfangreiche Rechtsprechung des VwGH vorliegt, von welcher gegenwärtig auch nicht abgewichen wurde, war die ordentliche Revision im vorliegenden Beschwerdefall nicht zuzulassen.

Schlagworte

Dienstpflichtverletzungen, Strafbemessung, Ermessensentscheidung, Strafmittel, Schuld- und Unrechtsgehalt, Erschwerungsgründe, Milderungsgründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.171.056.10420.2017

Zuletzt aktualisiert am

25.07.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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