TE Vwgh Erkenntnis 2008/8/8 2006/09/0211

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Veröffentlicht am 08.08.2008
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;

Norm

DO Wr 1994 §18 Abs2 Satz2;
DO Wr 1994 §76 Abs1 Z4;
DO Wr 1994 §77 Abs1 Z1;
DO Wr 1994 §77 Abs1 Z2;
DO Wr 1994 §77 Abs1 Z3;
DO Wr 1994 §77 Abs1;
DO Wr 1994 §80 Abs1;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34;
StGB §35;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde der MM in W, vertreten durch Dr. Werner Zaufal, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Praterstern 1, gegen den Bescheid des Dienstrechtssenates der Stadt Wien vom 6. Juli 2006, Zl. DS-D - 229/2006, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung nach der Wiener Dienstordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Ausspruch über die Strafe wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stand als Beamtin des gehobenen medizinisch-technischen Dienstes im Institut für Labormedizin des S in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Bundeshauptstadt Wien.

Mit Schreiben vom 29. März 2005 des S, Abteilung Personal informierte diese die Magistratsabteilung 2 - Personalservice darüber, dass die Beschwerdeführerin im Verdacht stehe, im Institut für Labormedizin mehrere Diebstähle an Kolleginnen begangen zu haben. Dem Schreiben beigelegt waren eine Niederschrift über die Vernehmung der Beschwerdeführerin vom 29. März 2005, Gedächtnisprotokolle sowie die Anzeigebestätigung der Bundespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat Donaustadt, Wachzimmer Langobardenstraße, vom 18. Jänner 2005. Aus diesen Unterlagen gehe hervor, dass in der Dienststelle der Beschwerdeführerin seit einiger Zeit wiederholt kleinere Geldbeträge aus Geldbörsen einiger Mitarbeiterinnen gestohlen worden seien. Unter Mitwirkung der Polizei sei mit Hilfe einer Diebstahlsfalle in Form einer mit präparierten Geldscheinen gefüllten Geldbörse die Beschwerdeführerin am 27. März 2005 des Diebstahles überführt worden. Laut Untersuchungsbericht der Bundespolizeidirektion Wien, Kriminaldirektion 3, vom 27. März 2005 habe sich eine Ansammlung von verdächtigen Spuren sowohl auf und in ihrem Spind im Garderobenraum, auf ihren im Spind befindlichen Kleidungsstücken, auf ihren Handflächen und Handrücken, im Gesicht und in den Haaren, auf der Vorderseite ihrer Jacke und Hose sowie auf der Außen- und Innenseite ihrer Handtasche und Geldbörse befunden. Bei ihren Kolleginnen seien keine Spuren des verwendeten Präparates vorgefunden worden. In der polizeilichen Niederschrift vom 27. März 2005 habe die Beschwerdeführerin zugegeben, insgesamt ca. fünf Mal Diebstähle an Kolleginnen begangen zu haben. Sie habe immer kleinere Beträge aus den in den Handtaschen befindlichen Geldbörsen entwendet. Warum sie das getan habe, wisse sie nicht, die Vorfälle täten ihr Leid und sie sei zu einer Wiedergutmachung des Schadens bereit. Die Beschwerdeführerin habe in der Folge Frau D. Sch. einen Betrag von 150 Euro zurückerstattet. Mit Schreiben vom 29. März 2005 sei durch die Dienststelle der Beschwerdeführerin eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft Wien erstattet worden, welche in der Folge Voruntersuchungen eingeleitet und einen Strafantrag beim Landesgericht für Strafsachen Wien eingebracht habe.

Mit Bescheid des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien, Magistratsabteilung 2 - Personalservice, vom 30. März 2005 wurde die Beschwerdeführerin vorläufig vom Dienst suspendiert.

In ihrer Stellungnahme vom 13. April brachte sie vor, dass sie seit mehr als dreißig Jahren als medizinisch-technische Assistentin tätig sei und sie von Kollegen und Vorgesetzten immer als zuverlässige, äußerst gewissenhafte und fleißige Mitarbeiterin geschätzt worden sei. Die ihr angelasteten Tathandlungen seien ihr bis heute unerklärlich. Ratlos habe sie daher medizinische Hilfe in Anspruch genommen. Ihr sei mitgeteilt worden, dass die Dienstpflichtverletzungen als bloße "Aussetzer" zu werten und als Ausdruck einer psychischen Erkrankung zu sehen seien. Sie bereue ihre Taten zutiefst und werde nichts unversucht lassen, um ihre Krankheit zu bekämpfen. Zum Beweis ihres Vorbringens legte die Beschwerdeführerin zahlreiche Dienstzeugnisse, eine Bestätigung der psychiatrischen Ambulanz des S vom 8. April 2005 sowie eine Therapiebestätigung Dris. H. vom 8. April 2005 vor. Die Magistratsabteilung 2 holte daraufhin zur Frage der Zurechnungsfähigkeit der Beschwerdeführerin das amtsärztliche Gutachten Dris. S. vom 4. Juli 2005 ein, in welchem dieser unter Berufung auf das zu Grunde liegende Gutachten Dris. B. vom 6. Juni 2005 hinsichtlich des psychischen Zustandes der Beschwerdeführerin angab, dass bei ihr ein neurasthenisches Bild mit leichter depressiver Komponente bestehe, es sich aber keine die Zurechnungsfähigkeit aufhebende bzw. wesentlich einschränkende Erkrankung nachvollziehen lasse. Es könne auch keine kleptomanische Impulskontrollstörung bestätigt werden. Die Beschuldigte sei auch weiterhin für Tätigkeiten unter zeitweise besonderem Zeitdruck und überdurchschnittlicher psychischer Anforderung (samt Parteien- und Kundenkontakt) einsetzbar.

Mit Bescheid der Disziplinarkommission vom 17. Juni 2005 wurde die Beschwerdeführerin mit Wirksamkeit vom 28. Juli 2005 vom Dienst suspendiert.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Juli 2005 wurde die Beschwerdeführerin des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls gemäß §§ 127 und 130 1. Fall StGB in vier Fällen für schuldig erkannt und zu einer bedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Hingegen wurde die Beschwerdeführerin von der gegen sie mit Strafantrag vom 18. Mai 2005 erhobenen Anklage freigesprochen, sie habe gewerbsmäßig zwischen September 2004 und November 2004 in ca. vier Angriffen nicht mehr festzustellende Geldbeträge der Frau D.Sch. mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Enteignung unrechtmäßig zu bereichern.

Nach Erstattung der Disziplinaranzeige und Einbringung eines Strafantrages der Disziplinaranwaltschaft brachte die Beschwerdeführerin mit Stellungnahme vom 15. November 2005 vor, dass sie seit 1996 wegen einer lange andauernden depressiven Entwicklung, die durch weitere familiäre und gesundheitliche Belastungen verstärkt worden sei, in regelmäßiger psychologischer Betreuung stehe. In den letzten beiden Jahren habe sie sich aus orthopädischen Gründen insgesamt vier Operationen unterziehen müssen und ihre Eltern bis zu deren Ableben nach langer schwerer Krankheit gepflegt. Durch dieses Zusammentreffen von gesundheitlichen und familiären Problemen habe sich bei ihr bei einer schon bestehenden depressiven Grundstimmung ein Belastungssyndrom eingestellt, durch das sie sich zu den ihr angelasteten Taten habe hinreißen lassen. Sie sei krankheitsbedingt in ihrer Fähigkeit, das Unrecht ihrer Handlungsweise einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln, eingeschränkt gewesen. Zum Beweis für ihr Vorbringen habe die Beschwerdeführerin diverse Therapiebestätigungen und neurologische Befundberichte vorgelegt und die Einvernahme der Zeugin Dr. G. P.- B. sowie die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens beantragt.

Mit dem nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26. Jänner 2006 verkündeten Erkenntnis sprach die Disziplinarkommission die Beschwerdeführerin schuldig, ihre Dienstpflichten dadurch verletzt zu haben, dass sie es als Beamtin im Zeitraum September 2004 bis zum 27. März 2005 unterlassen habe, die ihr übertragenen Geschäfte unter Beachtung der bestehenden Rechtsvorschriften zu besorgen und im Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die ihrer Stellungnahme entgegengebracht würden, untergraben könnte, indem sie ihren Arbeitskolleginnen wiederholt Geldbeträge in der Höhe von 39 bis 100 Euro aus deren Handtaschen und Geldbörsen gestohlen habe, wofür sie mit rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Juli 2005 wegen gewerbsmäßigem Diebstahl zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Höhe von neun Monaten verurteilt worden sei. Über die Beschwerdeführerin wurde wegen dieser Dienstpflichtverletzungen die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.

In ihrer dagegen gerichteten Berufung wiederholte die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen hinsichtlich ihres psychischen Ausnahmezustandes und brachte vor, dass das erstinstanzliche Verfahren an einem schweren Verfahrensmangel leide, da das zum Beweis für das Vorliegen eines Belastungssyndroms beantragte psychiatrische Sachverständigengutachten nicht eingeholt worden sei. Dieses Gutachten hätte die zeitweilige Unzurechnungsfähigkeit im Sinne eines Strafausschließungsgrundes erweisen können. Das amtsärztliche Gutachten der Magistratsabteilung 15 sei für eine abschließende Beurteilung nicht ausreichend gewesen, zumal dieses die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin an ihrem Arbeitsplatz auch unter Mobbing im Sinne einer grob ungerechten Behandlung durch ihren Vorgesetzten gelitten habe, nicht haben berücksichtigen können, da sie dies erst in der mündlichen Verhandlung vorgebracht habe. Hinsichtlich des Strafausspruches brachte sie hilfsweise vor, dass im Hinblick auf eine mögliche Dienstunfähigkeit auf Grund ihrer zahlreichen körperlichen und seelischen Leidenszustände ihre Weiterverwendung nicht zu erwarten gewesen sei und auch mit einer Ruhestandsversetzung unter gekürzten Bezügen das Auslangen gefunden hätte werden können. Sie beantrage daher die Aufhebung des Disziplinarerkenntnisses und die Abänderung des Strafausspruches in eine Ruhestandsversetzung.

Die Disziplinaranwaltschaft entgegnete in ihrer Stellungnahme vom 26. April 2006, dass ein amtsärztliches Gutachten eingeholt worden sei, aus welchem sich aber keine die Zurechnungsfähigkeit aufhebende oder wesentlich einschränkende Erkrankung ergeben habe. Diese Vorgangsweise entspreche dem § 52 AVG, der gemäß § 90 Abs. 1 DO 1994 auch auf Disziplinarverfahren Anwendung finde. Der Ansicht der Beschwerdeführerin, es hätte auch mit einer Ruhestandsversetzung unter gekürzten Bezügen das Auslangen gefunden werden können, hielt sie entgegen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Falle eines Diebstahls während des Dienstes an Kollegen nach einer gerichtlichen Verurteilung die Zulässigkeit einer Entlassung angenommen werde.

Die belangte Behörde führte eine mündliche Verhandlung durch, in deren Rahmen die Beschwerdeführerin auf ihre Berufung verwies und ergänzend vorbrachte, dass es Missstände und Ungleichbehandlungen an der Dienststelle gegeben habe, die der Dienstgeber im Hinblick auf die Fürsorgepflicht hätte erkennen müssen. Die Begutachtung durch den Amtssachverständigen reiche nicht, da sich die Beschwerdeführerin zu dessen Person nicht habe äußern können. Auch reiche hinsichtlich der Zurechnungsfähigkeit die Bindung an die strafgerichtliche Verurteilung nicht aus, da diese auf Grund der Fürsorgepflicht des Dienstgebers im gegenständlichen Verfahren unter einem höheren Maßstab zu prüfen gewesen wäre. Bei ihrer Einvernahme als Partei erklärte die Beschwerdeführerin weiters, das Geld entweder nicht gestohlen zu haben oder nicht mehr zu wissen, was sie gemacht habe. Da sie nicht ins Gefängnis wolle, habe sie die vorgeworfenen Diebstähle zugegeben. Ihr damaliger Vertreter habe ihr geraten, bei dieser Verantwortung zu bleiben. Der Amtsarzt habe sie nur drei Minuten gesehen. Was sie mit dem Geld gemacht habe, wisse sie nicht mehr. Da sie die letzten zwei Jahre sehr oft krank gewesen sei, sei sie für diesen Zeitraum schlecht beschrieben worden. Davor sei sie jedoch nie krank gewesen.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen und das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für die Beamten der Bundeshauptstadt Wien vom 26. Jänner 2006 dahingehend abgeändert, dass die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt wurde, es als Beamtin des höheren medizinisch-technischen Dienstes im Institut für Labormedizin des S im Zeitraum September 2004 bis 27. März 2005 unterlassen zu haben, im Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die ihrer Stellung entgegen gebracht würden, untergraben könnte, indem sie Arbeitskolleginnen wiederholt Geldbeträge in der Höhe von 30 bis 100 Euro aus deren Handtaschen und Geldbörsen gestohlen habe, nämlich

1) im September 2004 Frau D. Sch. 50 Euro,

2)

am 21. November 2004 Frau D. Sch. 100 Euro,

3)

am 16. Jänner 2005 Frau M. R. 40 Euro sowie

4)

am 27. März 2005 Frau D. Sch. 30 Euro.

Die Beschwerdeführerin habe hierdurch die in § 18 Abs. 2 zweiter Satz der Dienstordnung 1994 für Wien, LGBl. Nr. 56 (in der Folge: DO 1994), normierte Dienstpflicht verletzt. Wegen dieser Dienstpflichtverletzung werde über sie die Disziplinarstrafe der Entlassung gemäß § 76 Abs. 1 Z. 4 DO 1994 verhängt.

Begründend führte die belangte Behörde unter Anführung der maßgeblichen Bestimmungen der DO 1994 und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass gemäß § 18 Abs. 2 zweiter Satz DO 1994 der Beamte im Dienst und außer Dienst alles zu vermeiden habe, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegen gebracht würden, untergraben könnte. Die Entlassung sei gemäß dem Strafkatalog des § 76 Abs. 1 DO 1994 die schwerste Disziplinarstrafe, die gegen einen Beamten ausgesprochen werden könne. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Entlassung aber keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung diene, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Im Vordergrund stehe dabei die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes. Werde der Beamte danach nicht mehr der Achtung dem Vertrauen gerecht, die seine Stellung als Beamter erfordere, habe er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Verwaltung zerstört, dann könne er auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Es handle sich also bei der Entlassung um eine "Maßnahme", deren Zweck darin bestehe, dass sich die Dienstbehörde von einem Beamten, der sich infolge seines Fehlverhaltens untragbar gemacht habe, unter Auflösung des auf Lebenszeit angelegten Beamtenverhältnisses trennen könne. Nur diese im Fehlverhalten offenbar gewordene Untragbarkeit, die es der Dienstbehörde unzumutbar mache, mit dem Beamten weiterhin das Dienstverhältnis fortzusetzen, dürfe Grund für die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung sein.

Ausdrücklich habe der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass die Disziplinarstrafe der Entlassung keine Bereicherungsabsicht des handelnden Beamten voraussetze. Auch eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe des Strafgerichtes schließe eine Entlassung nicht aus.

§ 27 Z. 1 Angestelltengesetz (AngG) sehe als wichtigen Grund, der den Dienstgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtige, unter anderem an, wenn der Angestellte im Dienst untreu sei, sich in seiner Tätigkeit ohne Wissen oder Willen des Dienstgebers von dritten Personen unberechtigte Vorteile zuwenden lasse, insbesondere entgegen der Bestimmung des § 13 eine Provision oder eine sonstige Belohnung annehme, oder er sich einer Handlung schuldig mache, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen lasse.

Für die im Bereich der Stadt Wien tätigen Vertragsbediensteten regle § 45 der Vertragsbedienstetenordnung 1995 (VBO 1995) die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses (Entlassung) durch die Gemeinde Wien. Ein wichtiger Grund, der die Gemeinde zur Entlassung berechtige, liege nach dessen Abs. 2 Z. 2 leg. cit. insbesondere vor, wenn der Vertragsbedienstete sich einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflicht oder einer Handlung oder einer Unterlassung schuldig mache, die ihn des Vertrauens der Gemeinde unwürdig erscheinen lasse, insbesondere wenn er sich Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen gegen Vorgesetzte, Mitarbeiter, Parteien oder Kunden zu Schulden kommen lasse oder wenn er gegen das Verbot gemäß § 4 Abs. 5 VBO 1995 verstoße.

Die Beleuchtung der Rechtslage in Bezug auf die vorzeitige Beendigung eines Dienstverhältnisses für Personen, die in keinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, sei insofern bedeutsam, als das pragmatische Dienstverhältnis seinem Zweck nach nicht dazu diene, vor gerechtfertigter Entlassung bei Begehung einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung zu schützen. Gleiches gelte, wenn sich der Beamte einer so schweren Dienstpflichtverletzung oder einer solchen Handlung schuldig gemacht habe, die ihn des Vertrauens der Gemeinde unwürdig erscheinen lasse. Das öffentlich-rechtliche (pragmatische) Dienstverhältnis diene eben generell nicht dazu, das Dienstverhältnis in seinem Bestand auch dann zu schützen, wenn ein Verhalten durch einen Beamten gesetzt worden sei, das objektiv betrachtet auch in der "allgemeinen" Arbeitswelt zu einer gerechtfertigten Entlassung geführt habe.

Die Beschwerdeführerin sei mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. Juli 2005 schuldig gesprochen worden, die im Spruch genannten Diebstähle an ihren Kolleginnen begangen zu haben und sie sei zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden, deren Vollzug unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren vorläufig bedingt nachgesehen worden sei. Abgesehen davon, dass die Disziplinarbehörde gemäß § 80 Abs. 1 erster Satz DO 1994 an die Tatsachenfeststellungen, die dem Spruch des oben genannten rechtskräftigen Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. Juli 2005 zu Grunde gelegt worden seien, gebunden sei, sei das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe die Diebstähle vor der Polizei nur zugegeben, weil sie nicht ins Gefängnis wollte, aus der Sicht der belangten Behörde nicht nachvollziehbar. So sei darauf hinzuweisen, dass die Beweislage deshalb zweifelsfrei sei, da die zahlreichen von der Polizei gesicherten Fangmittelspuren eindeutig auf die Beschwerdeführerin gewiesen hätten, während bei ihren Kolleginnen keine Spuren des verwendeten Präparats gefunden hätte werden können und die Beschwerdeführerin, nach den gestohlenen Geldscheinen befragt, gezielt in ein Seitenfach ihrer Geldbörse gegriffen und drei Stück präparierter 10 Euro Scheine entnommen habe.

Die Rechtskraft des oben angesprochenen Urteils umfasse auch die subjektive Tatseite, weshalb auf die Frage der Zurechnungsfähigkeit im gegenständlichen Verfahren nicht mehr einzugehen gewesen sei. Hätte das Gericht festgestellt, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen sei, das Unrecht ihrer Taten zu erkennen und/oder dieser Einsicht gemäß zu handeln, wäre es zu keinem Schuldspruch gekommen, da die subjektive Tatseite nicht erfüllt gewesen wäre. Daher sei auch den Beweisanträgen auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens sowie auf Einvernahme der Zeugin Dr. P.- B. nicht stattzugeben gewesen, da das Beweisthema nichts an der Bindung an das strafgerichtliche Urteil zu ändern vermocht hätte. Auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürften Beweisanträge unter anderem dann abgelehnt werden, wenn Beweistatsachen als wahr unterstellt werden könnten oder es auf sie nicht ankommen würde.

Die Frage, ob durch die Verfehlung der Beschwerdeführerin das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und der Verwaltung zerstört worden sei, sei auf der Grundlage der Schwere der Dienstpflichtverletzung zu beurteilen. Die Disziplinarbehörde habe sich bei der Beurteilung gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), der dem § 77 Abs. 1 Z. 3 DO 1994 sinngemäß entspreche, an den nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründen zu orientieren und somit im Hinblick auf § 32 Abs. 1 StGB vom Ausmaß der Schuld des Täters als Grundlage für die Bemessung der Strafe auszugehen. Diese sei am Maßstab einer "Modellfigur" des mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Beamten zu beurteilen. Ergebe sich daraus die Untragbarkeit des Beschuldigten, so sei mit Entlassung vorzugehen.

Als Folge der Untragbarkeitsthese werde vom Verwaltungsgerichtshof vertreten, dass bei festgestellter Untragbarkeit spezialpräventive Erwägungen keine Rolle mehr spielten und beispielsweise eine günstige Zukunftsprognose unbeachtlich sei. Eine weitere Konsequenz bestehe darin, dass von der Rechtsprechung regelmäßig eine Entlassung für gerechtfertigt gehalten werde, wenn gerichtlich strafbare Handlungen begangen worden seien, die keinen Amtsverlust zur Folge gehabt hätten, aber wegen des disziplinären Überhangs zu bestrafen seien. So habe der Verwaltungsgerichtshof nach einer gerichtlichen Verurteilung die Zulässigkeit einer Entlassung bei Diebstahl bzw. Einbruchsdiebstahl zum Nachteil der Dienstbehörde unter Ausnutzung dienstlicher Möglichkeiten und bei Diebstahl während des Dienstes an Kollegen angenommen.

Die Beschwerdeführerin habe in einem Zeitraum von September 2004 bis März 2005 mehrmals Geldbeträge zwischen 30 und 100 Euro entwendet, wobei erschwerend hinzukomme, dass sie diese Diebstähle an ihren Kolleginnen unter Ausnützung der sich ihr bietenden günstigen Gelegenheit begangen habe ("Kameradendiebstahl"). Durch diese Taten habe sie nicht nur das unter Kollegen bestehende notwendige uneingeschränkte Vertrauen, sondern auch das Vertrauen der Dienstgeberin und der Allgemeinheit in die rechtmäßige Aufgabenerfüllung missbraucht. Dies auch deshalb, weil sie als Beamtin des höheren medizinisch-technischen Dienstes in einem Umfeld arbeite, in dem sie immer wieder in Situationen geraten könne, in denen sie mit Vermögenswerten von Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch von Patientinnen und Patienten alleine konfrontiert sei. Es sei für die Dienstgeberin nicht tragbar und auch nicht mit ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Bediensteten vereinbar, mit einer Bediensteten, bei der die Dienstgeberin nicht sicher sein könne, dass das Vermögen der mit dieser Bediensteten zusammen arbeitenden Kolleginnen und Kollegen durch diese Bedienstete unangetastet bleibe, das Dienstverhältnis weiterhin aufrecht zu erhalten. Der entscheidende Gesichtspunkt sei hiebei, dass sich die Verwaltung auf die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beamten bei dessen Dienstausübung verlassen müsse, da eine lückenlose Kontrolle nicht möglich sei. Genau dieses Vertrauensverhältnis habe die Beschwerdeführerin zerstört. Daran vermöge auch ihre bisherige als ausgezeichnet bzw. sehr gut beschriebene langjährige dienstliche Tätigkeit nichts zu ändern. Dass selbst bei Vorliegen einer solchen im Falle des Vertrauensverlustes auf Grund des "Untragbarkeitsgrundsatzes" eine Entlassung gerechtfertigt sei, ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, der ausgesprochen habe, dass ein Vertrauensbruch im Sinn des § 45 Abs. 2 Z. 2 VBO 1995 eine Entlassung selbst dann rechtfertige, wenn der Arbeitnehmer mehrere Jahre unbeanstandet beim Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei.

Sei ein Vermögensdelikt Grund für eine Entlassung, "werde im Allgemeinen die Vertrauensunwürdigkeit subintelligiert", sodass besondere Umstände vorliegen müssten, die dem Dienstgeber die Weiterbeschäftigung ausnahmsweise nicht unzumutbar machen würde. Solche "besonderen Umstände" lägen im gegenständlichen Fall jedoch nicht vor, habe die Beschwerdeführerin doch durch ihr Verhalten das unter Kollegen notwendige uneingeschränkte Vertrauen durch die von ihr begangenen Taten derart missbraucht, dass ihre weitere Verwendung im Institut für Labormedizin des S nicht möglich sei. Ungeachtet dessen, dass die Untragbarkeit in der bisherigen Verwendung das entscheidende Kriterium sei, könne auch Mitarbeitern anderer Bereiche eine Zusammenarbeit mit ihr nicht zugemutet werden. Dass die Beschwerdeführerin die Tat (letztlich) gestanden und den Schaden wieder gut gemacht habe, vermöge den eingetretenen Vertrauensverlust nicht zu beseitigen.

Ungeachtet des Umstandes, dass aus Sicht der belangten Behörde bei der vorliegenden Dienstpflichtverletzung ("Kameradendiebstahl") eine Ruhestandsversetzung mit geminderten Ruhebezügen a priori auf Grund der besonderen Schwere der Tathandlungen nicht in Betracht komme, sei der Vollständigkeit halber noch erwähnt, dass eine Versetzung in den Ruhestand mit bis zu 25 % geminderten Ruhebezügen an Stelle einer Entlassung allein schon deshalb nicht in Erwägung zu ziehen gewesen sei, da die hierfür erforderliche Voraussetzung des Erreichens des Mindestpensionsalters (§ 2a Pensionsordnung 1995) in nicht mehr als 60 Monaten im gegenständlichen Fall nicht vorliege.

Die vorgenommene Abänderung des Spruches diene der Klarstellung der übertretenen Dienstrechtsnorm sowie der Richtigstellung der Bandbreite der Höhe der gestohlenen Beträge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche, zunächst beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte und von diesem mit Beschluss vom 11. Oktober 2006, B 1563/06-3, an den Verwaltungsgerichthof abgetretene und nach Aufforderung ergänzte Beschwerde, in der dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und brachte eine Gegenschrift ein, in welcher die kostenpflichtige Abweisung beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1994 - DO 1994), LGBl. Nr. 56/1994 in der Fassung LGBl. Nr. 14/2006, lauten:

"Dienstpflichten

Allgemeine Dienstpflichten

§ 18. (1) Der Beamte hat die ihm übertragenen Geschäfte unter Beachtung der bestehenden Rechtsvorschriften mit Sorgfalt, Fleiß und Unparteilichkeit zu besorgen. Er hat sich hiebei von den Grundsätzen größtmöglicher Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.

(2) Der Beamte hat gegenüber den Vorgesetzten, den Mitarbeitern, den Parteien und Kunden ein höfliches und hilfsbereites Verhalten an den Tag zu legen. Er hat im Dienst und außer Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte.

(3) Dem Beamten ist es verboten, sich, seinen Angehörigen oder sonstigen Dritten Geschenke oder sonstige Vorteile, die mit der dienstlichen Tätigkeit im Zusammenhang stehen, zuwenden oder zusichern zu lassen. Zuwendungen von geringem Wert, wie sie insbesondere aus Anlass von Festen üblich sind, dürfen angenommen werden.

Diskriminierungsverbot

Disziplinarstrafen

§ 76. (1) Disziplinarstrafen sind:

     1.        der Verweis,

     2.        die Geldbuße bis zum 1,5fachen des Monatsbezuges

unter Ausschluss der Kinderzulage,

     3.        die Geldstrafe bis zum 7fachen des Monatsbezuges

unter Ausschluss der Kinderzulage,

     4.        die Entlassung.

(2) In den Fällen des Abs. 1 Z 2 und 3 ist die verhängte Strafe in einem Vielfachen des Monatsbezuges (auf Zehntel genau) nach den in § 77 festgelegten Grundsätzen zu bemessen. Bei der Berechnung der betragsmäßigen Höhe der Geldbuße oder Geldstrafe ist von dem Monatsbezug auszugehen, der der besoldungsrechtlichen Stellung entspricht, die der Beamte im Zeitpunkt der mündlichen Verkündung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses, im Fall einer Disziplinarverfügung im Zeitpunkt der Ausfertigung derselben, erreicht hat.

(3) Fehlen dem Beamten bis zum Erreichen des Mindestpensionsalters (§ 2a PO 1995) nicht mehr als 60 Monate und weist er eine Dienstzeit von mindestens 15 Jahren zur Stadt Wien auf, kann die Disziplinarbehörde statt einer Entlassung die Versetzung des Beamten in den Ruhestand mit bis zu 25 % geminderten Ruhebezügen - unter Ausschluss der Kinderzulage - aussprechen, wenn dies mit Rücksicht auf seine erbrachten Dienstleistungen und sein bisheriges Verhalten während der gesamten Dienstzeit zur Stadt Wien gerechtfertigt ist und ihn die Entlassung unverhältnismäßig hart treffen würde.

     …

Strafbemessung

     § 77. (1) Maßgebend für die Höhe der Strafe ist die Schwere

der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist insbesondere Rücksicht zu

nehmen

     1.        inwieweit das Vertrauen des Dienstgebers in die

Person des Beamten durch die Dienstpflichtverletzung

beeinträchtigt wurde,

     2.        inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich

ist, um den Beamten von der Begehung weiterer

Dienstpflichtverletzungen abzuhalten,

3. sinngemäß auf die gemäß §§ 32 bis 35 StGB, für die Strafbemessung maßgebenden Gründe.

(2) Hat ein Beamter durch eine Tat oder durch mehrere selbstständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, ist nur eine Strafe zu verhängen. Diese Strafe ist nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.

Zusammentreffen von gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlungen mit Dienstpflichtverletzungen

§ 80. (1) Die Disziplinarbehörde ist an die Tatsachenfeststellung, die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichtes (Straferkenntnisses eines unabhängigen Verwaltungssenates) zu Grunde gelegt wurde, gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.

(2) Erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in dem einer strafgerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Sachverhalt, ist eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder um der wesentlichen Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstgebers in die Person des Beamten Rechnung zu tragen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist das Disziplinarverfahren einzustellen."

Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin vor allem deswegen in Rechten verletzt, weil ihrem Beweisantrag auf Einholung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens zur Prüfung ihrer Zurechnungsfähigkeit gemäß § 11 StGB nicht stattgegeben worden sei, sondern sich die belangte Behörde zur Beurteilung dieser Frage lediglich auf ein ohne ihre Beteiligung oder die ihres Vertreters eingeholtes Gutachten eines Amtssachverständigen gestützt habe. Auch sei ihr von der Behörde keine Gelegenheit gegeben worden, an der Auswahl des von ihr beantragten Sachverständigen für Gerichtsmedizin bzw. Psychiatrie und Neurologie mitzuwirken. Daher sei ihr diesbezüglicher Beweisantrag nicht erledigt worden, wodurch das Berufungsverfahren an einem schweren Verfahrensmangel leide.

Mit diesem Vorwurf zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil sich die belangte Behörde zutreffend auf § 80 Abs. 1 DO 1994 berufen konnte, wonach sie an die Tatsachenfeststellung, die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichtes (Straferkenntnisses eines unabhängigen Verwaltungssenates) zu Grunde gelegt wurde, gebunden ist.

Die belangte Behörde, die zutreffend einen disziplinären Überhang annahm, ist zu Recht auch von einer großen objektiven Schwere im Sinne des § 77 Abs. 1 erster Satz DO 1994 der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen ausgegangen. Sie war dabei gemäß § 80 Abs. 1 DO 1994 an die diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen im angeführten Strafurteil gebunden, wobei sie auch an die gerichtlichen Feststellungen betreffend die subjektive Tatseite gebunden war.

Nach dem zweiten Satz des § 77 Abs. 1 DO 1994 ist bei der Zumessung der Strafe am Maßstab der Schwere der Dienstpflichtverletzung aber insbesondere auf Folgendes Rücksicht zu nehmen: 1. inwieweit das Vertrauen des Dienstgebers in die Person des Beamten durch die Dienstpflichtverletzung beeinträchtigt wurde, 2. inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, und 3. sinngemäß auf die gemäß §§ 32 bis 35 StGB, für die Strafbemessung maßgebenden Gründe.

Zwar hebt der Wiener Landesgesetzgeber in § 77 Abs. 1 Z 1 DO 1994 - im Unterschied zum Bundesgesetzgeber in § 93 Abs. 1 BDG 1979 - die Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstgebers in die Person des Beamten als Determinante für die Strafbemessung ausdrücklich hervor. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, bei objektiv schweren Dienstpflichtverletzungen käme die Anwendung der Z 2 und 3 des § 77 Abs. 1 DO 1994 überhaupt nicht mehr in Betracht. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2007, Zl. 2005/09/0149, klargestellt, in dem er ausgeführt hat, dass die Behörde bei der Bemessung der Strafe nach § 77 Abs. 1 DO 1994 alle in den Ziffern 1 bis 3 genannten Kriterien in gleichem Maße zu berücksichtigen hat und eine ungleiche Gewichtung dem Gesetz nicht zu entnehmen ist. Daher kommt es bei Festsetzung der Disziplinarstrafe nicht nur auf die (von der Behörde allein zur Begründung der Entlassung herangezogene) Verletzung des Vertrauens des Dienstgebers in die Person des Beamten (Z. 1) an, sondern auch auf spezialpräventive Überlegungen (Z. 2) und auf die Strafbemessungsgründe gemäß §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches (Z. 3). Auf dieses Erkenntnis wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde demgegenüber bei Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung lediglich mit dem Gesichtspunkt des Vertrauensverlustes im Sinne des § 77 Abs. 1 Z. 1 DO 1994 auseinander gesetzt und die Auffassung vertreten, bei einer einmal gegebenen Untragbarkeit eines Beamten wären spezialpräventive Überlegungen und eine nähere Strafbemessung nicht mehr erforderlich. Sie hat dabei (abgesehen von der Bezugnahme auf hier nicht relevante arbeitsrechtliche Entscheidungen) auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, die zu entsprechenden, aber nicht gleich lautenden Vorschriften des BDG 1979 bzw. LDG 1984 ergangen ist und die im Übrigen - was den "Untragbarkeitsgrundsatz" anbelangt - mit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, nicht mehr aufrecht erhalten worden ist. Sie hat damit den Inhalt des § 77 Abs. 1 zweiter Satz DO 1994 verkannt (hingewiesen wird darauf, dass der vorliegende Fall anders gelagert ist als die etwa den hg. Erkenntnissen vom 18. Dezember 2001, Zl. 2000/09/0061, und vom 21. Jänner 2005, Zl. 2003/09/0129, zu Grunde liegenden Beschwerdefälle).

Da die belangte Behörde sohin eine von § 77 Abs. 1 DO 1994 gebotene umfassende Strafbemessung unterlassen hat und auch nicht gesagt werden kann, dass eine dem Gesetz entsprechende Vorgangsweise nicht zu einer anderen Strafe als jener der Entlassung hätte führen können (so hat die Beschwerdeführerin insbesondere auf eine schuldmindernde persönliche Belastungssituation hingewiesen), war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben und die Beschwerde hinsichtlich des Schuldspruchs aber - wie dargelegt - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 8. August 2008

Schlagworte

Besondere RechtsgebieteIndividuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006090211.X00

Im RIS seit

15.09.2008

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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