TE Lvwg Erkenntnis 2018/6/4 LVwG-2018/13/0610-3, LVwG-2018/13/0611-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.06.2018
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Entscheidungsdatum

04.06.2018

Index

90/01 Straßenverkehrsrecht
90/02 Führerscheingesetz

Norm

StVO 1960
FSG 1997

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seine Richterin Mag.a Dr.in Strele über die Beschwerde der AA, in Z, Adresse 1,

?        gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 19.02.2018, ******, betreffend drei Verwaltungsübertretung im Straßenverkehr, den

I.

Beschluss gefasst:

1.   Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

?        gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 19.02.2018, ****** wegen Entziehung der Lenkberechtigung,

II.

zu Recht erkannt:

1.       Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als die Entziehungsdauer auf acht Monate, beginnend ab 07.12.2017, herabgesetzt wird.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Beschwerde gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannschaft Y vom 19.02.2018, ****** (LVwG-2018/13/0610):

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 19.02.2018, ******, wurden der nunmehrigen Beschwerdeführerin drei Verwaltungsübertretungen im Straßenverkehr, darunter eine Verweigerung des Alkomattestes am 04.11.2017 um 23.33 Uhr in Z, Adresse 1, zur Last gelegt.

Dagegen wurde eine fristgerechte Beschwerde eingebracht.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2018 wurde das Rechtsmittel seitens der Beschwerdeführerin zurückgezogen.

Rechtliche Beurteilung:

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gemäß § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen der Verwaltungsgerichte gemäß § 31 Abs 1 VwGVG durch Beschluss.

Aus § 28 Abs 1 und § 31 Abs 1 VwGVG 2014 geht nach der Judikatur (VwGH 29.4.2015, Fr 2014/20/0047) hervor, dass das Verwaltungsgericht in jenem Fall, in dem das Verfahren einzustellen ist, eine Entscheidung in der Rechtsform des Beschlusses zu treffen hat (Hinweis E vom 30.09.2014, Ra 2014/02/0045, bezogen auf § 50 VwGVG 2014 und die Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens).

Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG 2014 erfolgen nämlich die Entscheidungen und Anordnungen eines Verwaltungsgerichtes durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. § 28 Abs 1 VwGVG 2014 nimmt die Einstellung des Verfahrens, wozu jedenfalls die Einstellung des Beschwerdeverfahrens zu zählen ist, von der Erledigung mittels Erkenntnis ausdrücklich aus.

Infolge der Zurückziehung des Rechtsmittels wurde dem Beschwerdeverfahren die Grundlage entzogen, weshalb das Beschwerdeverfahren aufgrund der obigen Judikatur durch Beschluss einzustellen war.

II.      Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 19.02.2018, ****** (LVwG-2018/13/0611):

1. Verfahrensgang:

Mit Mandatsbescheid vom 15.11.2017 entzog die Bezirkshauptmannschaft Y der Beschwerdeführerin die Lenkberechtigung für alle Klassen für einen Zeitraum von zehn Monaten, gerechnet ab Zustellung dieses Bescheides (dies war der 07.12.2017).

Als begleitende Maßnahme wurde die Teilnahme an einer Nachschulung, die vor Ablauf der Entziehungszeit zu absolvieren ist, angeordnet sowie die Beschwerdeführerin aufgefordert, ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung samt einer verkehrspsychologischen Stellungnahme beizubringen.

Begründend wurde im Mandatsbescheid ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführerin am 4.11.2017 in Z gegenüber einem geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht geweigert habe, ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet werden konnte, dass sie das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ***** in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat.

Die fristgerecht dagegen erhobene Vorstellung wurde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als die Dauer der Entziehung von zehn Monaten auf neun Monate herabgesetzt wurde.

Begründend wurde zur Herabsetzung der Entziehungsdauer von zehn auf neun Monate ausgeführt, dass im Sinn der gemäß § 7 Abs 4 FSG vorzunehmenden Wertung zu berücksichtigen gewesen sei, dass die Beschwerdeführerin ihr Unfallfahrzeug nicht selbst von der Unfallstelle weggelenkt habe.

In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde wurde das Vorliegen einer Verweigerungshandlung seitens der Beschwerdeführerin in Abrede gestellt.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu Zahl ****** sowie in den Führerscheinakt *****.

Am 12.4.2018 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in deren Rahmen die Beschwerdeführerin AA sowie der Meldungsleger Inspektor BB, PI Z, als Zeuge einvernommen wurde.

2. Rechtsgrundlagen:

Im gegenständlichen Fall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes BGBl I Nr 120/1997 idF BGBl I Nr 15/2017 (FSG), maßgeblich:

„Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

1.   das für die angestrebte Klasse erforderliche Mindestalter erreicht haben (§ 6),

2.   verkehrszuverlässig sind (§ 7),

3.   gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

4.   fachlich zum Lenken eines Kraftfahrzeuges befähigt sind (§§ 10 und 11) und

5.   den Nachweis erbracht haben, in lebensrettenden Sofortmaßnahmen bei einem Verkehrsunfall oder, für die Lenkberechtigung für die Klasse D, in Erster Hilfe unterwiesen worden zu sein.

(…)

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1.   die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2.   sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

(…)

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;

(…)

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.   die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.   die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

(…)

(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a eine Nachschulung anzuordnen:

1. wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) erfolgt,

2. wegen einer zweiten in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung innerhalb von zwei Jahren oder

3. wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 1a StVO 1960.

Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a und sofern es sich nicht um einen Probeführerscheinbesitzer handelt, bei der erstmaligen Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 ein Verkehrscoaching zur Bewusstmachung der besonderen Gefahren des Lenkens von Kraftfahrzeugen unter Alkoholeinfluss oder Suchtgiftbeeinträchtigung und dessen Folgen, bei Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 jedoch eine Nachschulung anzuordnen. Im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens kann die Beibringung der erforderlichen fachärztlichen oder einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen werden. Bei einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme anzuordnen. Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahme unterlassen, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

(…)

Sonderfälle der Entziehung

§ 26. (…)

(2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges

1. erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens sechs Monaten zu entziehen,

(…)“

3. Rechtliche Beurteilung:

Vorauszuschicken ist, dass die Behörden nach dem Führerscheingesetz (§ 35 FSG) an rechtskräftige Entscheidungen der Strafbehörden gebunden sind (vgl VwGH vom 24.9.2015, Ra 2015/02/0132).

Aufgrund dieser Bindungswirkung, die auch zwischen Verwaltungsgerichten und Behörden gilt, ist gegenständlich davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin den LKW mit dem behördlichen Kennzeichen ***** am 4.11.2017 gegen 22.33 Uhr in Z, in der Adresse 2 auf Höhe Hausnummer ** gelenkt und sich hiernach am 4.11.2017 um 23.12 Uhr in Z, Adresse 1, geweigert hat, ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

Es ist daher von der Verwirklichung einer bestimmten Tatsache iSd § 7 Abs 3 Z 1 FSG (konkret eine Übertretung nach § 99 Abs 1 lit b StVO) auszugehen.

Unter Zugrundlegung der Verwirklichung des Verweigerungsdelikts war daher von einer Entziehungsdauer iSd § 26 Abs 2 Z 1 FSG von mindestens sechs Monaten auszugehen.

Von der belangten Behörde wurde über die Beschwerdeführerin eine Entzugszeit von neun Monaten verhängt, wobei es sich beim gegenständlichen Entzug um den Ersten der Beschwerdeführerin handelt.

Im Gegenstandsfall wurde der gegenständliche Verkehrsunfall von der Beschwerdeführerin verursacht und waren die Missachtung der Absicherungspflicht an der Unfallstelle (die ausgebrochenen Glasscherben vom linken Frontscheinwerfer des in Rede stehenden Fahrzeugs wurden auf der Fahrbahn zurückgelassen) sowie die Missachtung der Pflicht zur Verständigung der nächsten Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall im Rahmen der Wertung gemäß § 7 Abs 4 FSG als besonders verwerflich mit zu berücksichtigen. Allerdings hat die Beschwerdeführerin ihr Fahrzeug nicht selbst von der Unfallstelle weggelenkt, sondern ihr Lebensgefährte CC. Aufgrund dieser Ausführungen konnte daher die von der belangten Behörde ausgemessene Entzugsdauer von neun Monaten auf acht Monate herabgesetzt werden bzw erscheint vor dem Hintergrund dieser Ausführungen die Verlängerung der Entziehungsdauer um zwei Monate analog zu § 26 Abs 1 Z 2 FSG im Gegenstandsfall geboten.

Nach Ablauf dieser festgesetzten Entzugsdauer mit den damit verbundenen Auflagen kann mit der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit der Beschwerdeführerin gerechnet werden.

Das Erfordernis der Anordnung einer Nachschulung sowie die Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens samt verkehrspsychologischer Stellungnahme in der gegenständlichen Konstellation ergibt sich zwingend aus § 24 Abs 3 FSG.

4. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist hinsichtlich beider Beschwerden unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Dr.in Strele

(Richterin)

Schlagworte

Alkotestverweigerung; Herabsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.13.0610.3

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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