TE OGH 2018/2/28 6Ob29/18k

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Veröffentlicht am 28.02.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie durch die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits Wieger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei Dr. W***** F*****, vertreten durch Dr. Alfred Pressl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 123.709,58 EUR sA (Revisionsinteresse 61.854,79 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Dezember 2017, GZ 11 R 139/17t-15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Der Beklagte hatte acht Eigentumswohnungen in einem Objekt um 300.000 EUR gekauft; inklusive Grunderwerbsteuer und Nebenkosten hatte er dafür 320.000 EUR aufgewendet. Am 22. 9. 2011 verkaufte er diese Wohnungen um 320.000 EUR an einen Dritten (in der Folge: Käufer). Der Beklagte hatte einen Makler, dieser eine Submaklerin beauftragt, die in dem dem Käufer vor dem Kauf zur Verfügung gestellten Exposé höhere Mieteinnahmen aus diesen Wohnungen auswies, als sie tatsächlich anfielen.

Als dies der Käufer nach Kaufvertragsabschluss erfuhr, klagte er in einem Vorprozess den auch hier Beklagten und die Submaklerin auf Schadenersatz und hilfsweise auf § 872 ABGB, hilfsweise auf § 874 ABGB gestützte Vertragsanpassung, weil die Wohnungen aufgrund der in Wahrheit niedrigeren Mietzinse als im Exposé angegeben weniger wert seien, als er im Kaufzeitpunkt angenommen hatte. Im Vorprozess erstattete der hier wie dort Beklagte kein Vorbringen dahin, dass er den Kaufvertrag mit einem niedrigeren Kaufpreis nicht abgeschlossen hätte. Die Gerichte im Vorprozess stellten fest, dass im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses die Wohnungen bei Annahme der im Exposé der Submaklerin angegebenen Mieteinnahmen einen Verkehrswert von 326.000 EUR gehabt hätten. Bei den tatsächlich zu erzielenden Mieteinnahmen hatten sie nur einen Verkehrswert von 217.000 EUR. Das Berufungsgericht im Vorprozess wandte die relative Berechnungsmethode an und verurteilte die beiden dort Beklagten rechtskräftig zur Zahlung von 107.000 EUR sA zur ungeteilten Hand, die Submaklerin darüber hinaus zur Zahlung von weiteren 2.000 EUR sA.

Die klagende Partei im vorliegenden Prozess ist Haftpflichtversicherer der Submaklerin und zahlte dem Käufer aufgrund des Vorprozesses 107.000 EUR samt Zinsen, gesamt 123.709,58 EUR.

Sie begehrt nun diesen Betrag regressweise vom Beklagten mit dem wesentlichen Vorbringen, dieser müsse sich das Fehlverhalten der Submaklerin zurechnen lassen. Die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nach § 872 ABGB seien demnach vorgelegen, zumal der Beklagte Einwendungen in dem Sinn, dass er den Vertrag anders nicht abgeschlossen hätte, nicht erhoben habe. Der Beklagte hätte es im Vorprozess in der Hand gehabt, den Anspruch des Käufers auf Vertragsanpassung nach § 872 ABGB mit der Argumentation abzuwehren, dass er um den niedrigeren Preis keinesfalls verkauft hätte, um so einen Wandlungsanspruch geltend zu machen. Nach erfolgreicher Rückabwicklung wäre er wieder in die Lage versetzt worden, über sein Immobilienpaket zu verfügen und dieses, wie er nunmehr behaupte, an einen Dritten um 320.000 EUR zu verkaufen. Er habe daher seine Schadensminderungspflicht verletzt. Ein positiver Schaden des Beklagten liege schon im Hinblick auf den durch den Sachverständigen im Vorprozess ermittelten tatsächlichen Marktwert des Liegenschaftspakets nicht vor.

Der Beklagte wendete ein, er habe kein schadenersatzauslösendes Verhalten gesetzt. Einem niedrigeren Kaufpreis als 320.000 EUR hätte er nie zugestimmt. Ohne den schuldhaften Fehler der Submaklerin hätte er das Immobilienpaket um zumindest 320.000 EUR an einen anderen Interessenten verkauft. Der Beklagte wäre im Übrigen auch nicht anders gestellt als jetzt, hätte er dieses Vorbringen bereits im Vorverfahren erstattet. In diesem Fall wäre das Preisminderungsbegehren des Käufers auf ein Wandlungsbegehren umzustellen gewesen und der Vertrag rückabgewickelt worden. Dann hätte er die Objekte an einen anderen um 320.000 EUR verkauft. Der Klagsanspruch im Vorprozess sei außerdem auch mit einem Schadenersatzanspruch begründet worden, sodass der Einwand, er hätte unter 320.000 EUR nicht verkauft bzw mit einem anderen Interessenten um diesen Betrag abgeschlossen, irrelevant gewesen wäre. Der Versicherungsnehmerin der Klägerin stehe aufgrund ihres alleinigen Verschuldens als Erfüllungsgehilfin des Beklagten kein Regressanspruch zu. Für den Fall des Zurechtbestehens der Klagsforderung wendete der Beklagte eine Gegenforderung in Höhe der Klagsforderung aufgrund der von der Submaklerin zu verantworteten Verletzung der sie aus dem Maklervertrag treffenden Sorgfaltspflichten ein.

Die Vorinstanzen stellten fest, dass der Beklagte das Immobilienpaket zumindest um 320.000 EUR verkaufen wollte, um im Vergleich zu den Anschaffungskosten keinen Verlust zu machen. Unter diesem Preis hätte der Beklagte das Immobilienpaket niemals verkauft. Er ging beim Vertragsabschluss mit dem Käufer von einem Wert des Liegenschaftspakets von zumindest 320.000 EUR aus, obwohl er in Kenntnis der tatsächlichen Mieteinnahmen war. Hätte der Käufer ebenfalls die tatsächlichen Mieteinnahmen gekannt und deshalb auf einem niedrigeren Kaufpreis als 320.000 EUR bestanden, so hätte der Beklagte die Wohnungen nicht an ihn verkauft. Vielmehr hätte er sie in diesem Fall an einen Immobilienkaufmann um zumindest 320.000 EUR verkauft.

Das Berufungsgericht sprach aus, die Klageforderung bestehe mit 61.854,79 EUR (also zur Hälfte) zu Recht, die Gegenforderung bestehe nicht zu Recht, verurteilte demgemäß den Beklagten zur Zahlung von 61.854,79 EUR sA und wies das Mehrbegehren unbekämpft ab. Es ließ die Revision nicht zu. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, der geltend gemachte Regressanspruch sei nach § 896 ABGB zu beurteilen. Ein allfälliger Regressanspruch der Submaklerin sei aufgrund der Zahlung der Klägerin an den Käufer gemäß § 67 VersVG auf diese übergegangen. Der Informationsfehler der Submaklerin über die Höhe der Mietzinse sei grob fahrlässig. Für den Ausgleich nach § 896 ABGB sei aber auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte jedenfalls im Umfang der Differenz zwischen dem ursprünglichen Verkaufspreis an den Käufer und dem Verkehrswert des verkauften Immobilienpakets den Gläubiger ohne Aufopferung eigener Vermögenswerte befriedigen könnte. Der Nachteil des Beklagten, der darin liege, die Liegenschaftsanteile im Verkehrswert von 217.000 EUR selbst zu einem Kaufpreis von 320.000 EUR erworben zu haben, sei bereits mit dem Ankauf der Liegenschaftsanteile durch den Beklagten eingetreten. Allerdings hätte der Beklagte ohne das Fehlverhalten der Submaklerin das Liegenschaftspaket um (zumindest) 320.000 EUR an den Immobilienkaufmann verkauft. Durch das alleinige Tragen der Solidarschuld im Innenverhältnis entstünde daher dem Beklagten ein Nachteil. Aber auch der Beklagte habe es in der Hand gehabt, diesen Nachteil zu verhindern, indem er im Vorprozess vorbringen hätte können und müssen, er hätte unter einem Preis von 320.000 EUR nicht verkauft. Sowohl bei irrtumsrechtlicher als auch bei schadenersatzrechtlicher Betrachtung hätte dies (bei entsprechenden Feststellungen) nicht zur tatsächlich im Vorprozess erfolgten Anpassung, sondern zur Aufhebung des Vertrags mit dem Käufer geführt. Bei Gesamtbetrachtung der dargestellten, für das besondere Verhältnis der Solidarschuldner maßgeblichen Umstände sei eine gleichteilige Schadenstragung im Innenverhältnis sachgerecht. Die Gegenforderung bestehe schon deshalb nicht zu Recht, weil der Beklagte wegen des Fehlverhaltens der Submaklerin allenfalls einen Schadenersatzanspruch gegen den (Haupt-)Makler, mit dem er in einem Vertragsverhältnis stehe, haben könnte, nicht aber gegen die Submaklerin, mit der ihn kein Vertrag verbinde.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den stattgebenden Teil des Berufungsurteils erhobene außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Ob es Rechtsprechung über die Schadenstragung zwischen einem schuldhaft handelnden Submakler und dem Auftraggeber, der aufgrund des schuldhaften Verhaltens des Submaklers gegenüber einem Dritten haftbar wird, gibt, ist irrelevant. Dieser Fall ist nämlich nach den zu § 896 ABGB in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen insbesondere zur Inanspruchnahme von Solidarschuldnern aus Schadenersatz zu lösen, wonach es im Allgemeinen auf die jeweiligen Verschuldensanteile ankommt (vgl etwa RIS-Justiz RS0017371; RS0017514 [T1, T9, T12]). Dass das Berufungsgericht bei seiner diesbezüglichen Abwägung von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, zeigt die Revision nicht auf.

2. Das Berufungsgericht hat sich entgegen der Behauptung des Revisionswerbers nicht (auch nicht sinngemäß) auf die Entscheidungen 7 Ob 23/13b und 9 Ob 14/14w gestützt. Diese Entscheidungen beschäftigen sich mit der hier nicht relevanten Konkurrenz zwischen Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen. Sie enthalten zu der vom Berufungsgericht ins Treffen geführten irrtumsrechtlichen bzw schadenersatzrechtlichen Betrachtungsweise keine Aussage und sind daher nicht einschlägig.

3. Der Revisionswerber vermisst Rechtsprechung zur Frage, ob es im Wege der „schadenersatzrechtlichen Wandlung“ auch dann zu einer Rückabwicklung des Vertrags im Sinne einer gegenseitigen Rückstellung des Kaufobjekts und des Kaufpreises kommen kann, wenn dies vom Geschädigten überhaupt nicht begehrt wird.

Schon das Berufungsgericht hat die Rechtsprechung zitiert, wonach bei der Irrtumsanfechtung nur dann auf Vertragsanpassung erkannt werden kann, wenn auch der Gegner des Irrenden den Vertrag mit dem anderen Inhalt abgeschlossen hätte oder nach den Regeln des redlichen Verkehrs hätte schließen müssen (RIS-Justiz RS0016262; RS0016237; RS0014770 [T8, T10]). Auch die schadenersatzrechtliche Betrachtung, die mit der irrtumsrechtlichen konkurriert (RIS-Justiz RS0120784 [T3, T6]), hätte beim unterlassenen Vorbringen des Beklagten im Vorprozess nicht zur Vertragsanpassung führen können: Resultiert ein Schaden aus der Verletzung von Aufklärungspflichten, kann der Geschädigte nur verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Aufklärungspflicht entsprochen worden wäre (RIS-Justiz RS0022104). Wäre im Vorprozess festgestellt worden, dass der Beklagte unter einem Preis von 320.000 EUR nicht verkauft hätte, hätte nach dieser Rechtsprechung ebenfalls nicht auf Preisanpassung (ohne Rückabwicklung des Kaufs) erkannt werden können.

Da somit sowohl nach Irrtumsregeln als auch nach Schadenersatz der Käufer keinen Anspruch auf Preisanpassung bei Aufrechterhaltung des Kaufvertrags gehabt hätte, wäre das Klagebegehren abzuweisen gewesen. Dies ergibt sich auch aus der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 5 Ob 159/07d, die durchaus mit dem vorliegenden Fall vergleichbar ist, geht es doch hier wie dort um falsche Aufklärung über wertbildende Faktoren (Höhe der Mietzinse, Höhe der Betriebskosten) bei einer Immobilie. Die vom Revisionswerber aufgeworfene Frage ist somit in der Rechtsprechung beantwortet.

4. Soweit der Revisionswerber (auch zum angeblichen Bestand der Gegenforderung) sinngemäß davon ausgeht, nur die Submaklerin habe ein Verschulden zu vertreten, er selbst jedoch nicht, ist er auf die zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichts zu verweisen.

Textnummer

E121166

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00029.18K.0228.000

Im RIS seit

19.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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