TE Vwgh Erkenntnis 2000/4/27 98/06/0092

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Veröffentlicht am 27.04.2000
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BauG Vlbg 1972 §31 idF 1997/072;
BauRallg;
RPG Vlbg 1996 §41 Abs1;
RPG Vlbg 1996 §42 Abs1;
RPG Vlbg 1996 §42 Abs2;
RPG Vlbg 1996 §43;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/06/0093

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des Q in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen die Bescheide der Vorarlberger Landesregierung vom 29. April 1998, Zl. VIIa-371.94.06, betreffend Genehmigung nach § 43 RPG, und vom 14. Mai 1998, Zl. VIIa-410.434, betreffend Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der erstangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

2. Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

3. Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 27.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 7. Jänner 1994 beantragte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer überdachten Werkstätte zur Herstellung von Hackschnitzeln auf dem in seinem Eigentum stehenden Grundstück Nr. 1222, KG W.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 24. Mai 1994 wurde die beantragte Baubewilligung mit der Begründung versagt, die Zufahrtsstraße zum Grundstück weise eine Breite von nur 3 m auf, ein problemloses Begegnen bzw. ein Ausweichen sei daher nicht möglich.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Noch während des offenen Berufungsverfahrens erließ die Gemeindevertretung von Weiler mit Verordnung vom 29. September 1994 für sämtliche unverbauten und als "Baufläche - Betriebsgebiet" gewidmeten Grundstücke in einem näher bezeichneten Gebiet, wozu auch das Grundstück des Beschwerdeführers gehört, eine Bausperre, die am 2. Oktober 1994 in Kraft trat, in der Folge aber von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch als Aufsichtsbehörde als gesetzwidrig aufgehoben wurde. Daraufhin erließ die Gemeindevertretung von Weiler am 9. November 1994 eine neuerliche Bausperre für dasselbe Gebiet. Diese Verordnung wurde aufsichtsbehördlich genehmigt.

Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 29. Dezember 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 24. Mai 1994, soweit sie die baubehördliche Bewilligung betraf, im Wesentlichen unter Hinweis auf diese Bausperre abgewiesen. Dieser Bescheid wurde jedoch in der weiteren Folge mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. August 1996, Zl. 95/06/0252, auf welches im Übrigen zur weiteren Vorgeschichte verwiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 18. Dezember 1996 wurde in Bindung an die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Rechtsansicht der Berufung des Beschwerdeführers nunmehr Folge gegeben, der abweisliche Baubescheid vom 24. Mai 1994 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen.

Mit Verordnung der Vorarlberger Landesregierung, kundgemacht im Amtsblatt für das Land Vorarlberg Nr. 2/1997 vom 18. Jänner 1997 wurde gemäß § 42 Abs. 4 Raumplanungsgesetz, LGBl. Nr. 39/1996, (im Folgenden kurz: RPG), das Umlegungsverfahren "Betriebsgebiet" in der Gemeinde Weiler eingeleitet. Das in Rede stehende Grundstück des Beschwerdeführers ist davon betroffen.

Mit Eingabe vom 2. Mai 1997 beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 2 der Verordnung über die Einleitung des Umlegungsverfahrens die Genehmigung zur Bauführung für die Errichtung einer überdachten Werkstätte für die Herstellung von Hackschnitzeln auf der in seinem Eigentum stehenden Liegenschaft.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Ansuchen des Beschwerdeführers auf Genehmigung der beabsichtigten Bauführung keine Folge. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage, insbesondere wörtlicher Wiedergabe der Stellungnahme der betroffenen Gemeinde vom 12. Juni 1997, der hierzu vom Beschwerdeführer abgegebenen Äußerung vom 9. Juli 1997, des Gutachtens des Amtssachverständigen für Raumplanung und Baugestaltung vom 23. März 1998 sowie der hierzu vom Beschwerdeführer erstatteten Bedenken führte die belangte Behörde begründend aus:

"Mit Verordnung der Landesregierung im Amtsblatt vom 18.1.1997 wurde gemäß § 42 Abs. 4 RPG, LGBl. Nr. 39/1996, ein Umlegungsverfahren in der Gemeinde Weiler eingeleitet. In das Umlegungsgebiet einbezogen ist u.a. das antragsgegenständliche Grundstück des Q.

Ziel des Umlegungsverfahrens ist die Schaffung der Voraussetzungen für eine planmäßige Entwicklung im - vom Umlegungsverfahren betroffenen - Betriebsgebiet in der Gemeinde Weiler.

Es soll eine bessere Grundstücksstruktur für die räumliche Betriebsgebietsentwicklung geschaffen werden. Dies war aufgrund der derzeitigen Lage und Parzellenstruktur der Grundstücksflächen (lange, schmale Grundstücke) nicht möglich.

Im Jahre 1996 wurde bereits im nunmehrigen Umlegungsgebiet eine Straße zur Erschließung des Betriebsgebietes (Verbindung der L 62 mit der Wiesenstraße) errichtet. Durch diese Straße ist eine Vorstrukturierung des Umlegungsgebietes erfolgt.

Zwischen dem GST-NR 1222, KG. W, und der erwähnten Erschließungsstraße liegt ein lediglich 20 m tiefer Grundstücksstreifen.

Wie nun nachvollziehbar im Gutachten des Amtssachverständigen für Raumplanung und Baugestaltung, aber auch in der Stellungnahme der Gemeinde Weiler festgestellt wird, würde durch die beabsichtigte Bauführung der Spielraum für die Grundstücksumlegung eingeengt werden. Die Ausbildung attraktiv strukturierter Betriebsflächen in diesem Teilbereich des Umlegungsgebietes würde erschwert werden, was in der Folge die Möglichkeiten variabler Grundzusammenlegungen im Umlegungsgebiet wesentlich einschränken würde.

Würde die Bauführung genehmigt werden, hätte dies zur Folge, dass zwischen Erschließungsstraße und Baugrundstück ein 20 m schmaler Streifen übrigbliebe und somit eine optimale Umlegung vermutlich nicht mehr möglich wäre.

Somit würde die geplante Bauführung auf dem antragsgegenständlichen Grundstück, wie es in der derzeitigen Form besteht, jedenfalls die Umlegung beeinträchtigen und die Erreichung des Zweckes des Umlegungsverfahrens erschweren..."

Den Ausführungen des Antragstellers in seinen Stellungnahmen hielt die belangte Behörde - soweit dies im Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist - entgegen, das Gutachten des Amtssachverständigen für Raumplanung und Baurecht vom 23.3.1998 bestünde ohnedies aus einer Befundaufnahme (erste zwei Absätze) zum gegenständlichen Ansuchen und aus einer im Anschluss daran basierenden Begutachtung. Aus dem Kontext des Gutachtens ergebe sich auch zweifelsfrei, dass es sich bei der Zeile, in welcher die "Gemeinde Sulz" genannt sei, eindeutig um eine offenkundige, für jedermann erkennbare Unrichtigkeit handle und es "Gemeinde Weiler" zu lauten gehabt hätte.

Der Antragsteller verkenne, dass das Vorerkenntnis vom 29. August 1996 vor dem Hintergrund einer gänzlich anderen Rechtslage, nämlich der Verordnung einer Bausperre gemäß § 25 RPG, entstanden sei. Rechtsgrundlage des gegenständlichen Verfahrens bilde die Verordnung über die Einleitung eines Umlegungsverfahrens gemäß § 42 Abs. 4 RPG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 98/06/0092 protokollierte Beschwerde.

Da nach Aufhebung der abweisenden Berufungsentscheidung und Zurückverweisung an die Behörde erster Instanz im Bauverfahren vorerst keine neue Erledigung erging, stellte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 5. März 1998 hinsichtlich des Baubewilligungsverfahrens einen Antrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde diesem Antrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG statt (Spruchpunkt I), wies aber den Antrag des Beschwerdeführers vom 7. Jänner 1994 auf Erteilung der Baubewilligung unter Hinweis auf die mit dem erstangefochtenen Bescheid abgelehnte Genehmigung der Bauführung nach § 43 RPG gemäß § 31 Abs. 2 Vbg. Baugesetz ab (Spruchpunkt II).

Gegen Spruchpunkt II dieses Bescheides richtet sich die zu Zl. 98/06/0093 protokollierte Beschwerde.

In beiden Beschwerden wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden begehrte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zum erstangefochtenen Bescheid:

In diesem Zusammenhang erachtet sich der Beschwerdeführer dadurch in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten auf Erteilung der erforderlichen Ausnahmegenehmigung nach dem RPG, auf Erteilung einer Baubewilligung, auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren, auf ordnungsgemäße Bescheidbegründung sowie auf ordnungsgemäße Sachverständigenbegutachtung dadurch verletzt, dass das Sachverständigengutachten nicht auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im ersten Rechtsgang (gemeint ist das hg. Erkenntnis vom 29. August 1996, Zl. 95/06/0252) eingehe. Der Sachverständige wäre verpflichtet gewesen, konkret darzulegen, welche konkreten Folgewirkungen eine allfällige Bauführung des Beschwerdeführers auf seinem Grundstück für die beabsichtigte Umwidmung (richtig wohl: Umlegung) gehabt hätte. Es gehe nicht darum, allgemein und pauschalierend in den Sphären der Raumplanungstheorie zu "(ent)schweben" und allgemein Gültiges wie "nur durch eine derartig vorausschauende Planung kann eine geordnete schrittweise Siedlungsentwicklung ohne Nutzungskonflikte (Wohnen-Arbeiten) ermöglicht werden" darzustellen, obwohl es gar nicht um eine Wohngebietswidmung gehe, sondern es wäre der Sachverständige gehalten gewesen, konkrete Umstände zu untersuchen und darzulegen. Auch seien dem Sachverständigen so gravierende Fehler unterlaufen, dass es nicht ausgeschlossen erscheine, dass er tatsächlich zwei Raumplanungsakten durcheinander gebracht habe - wie der Beschwerdeführer bereits in seiner Stellungnahme zum Gutachten aufgezeigt habe. Schließlich habe der Beschwerdeführer auch darauf hingewiesen, dass sein Gutachten in Befundaufnahme und "eigentliches" Gutachten zu unterteilen gewesen wäre, die Kurzstellungnahme vom 23. März 1998 entspreche diesen Anforderungen nicht. Vielmehr habe die belangte Behörde diese Kurzstellungnahme ungeprüft übernommen. Sie habe nicht einmal den Sachverständigen dazu veranlasst, zu offenkundigen Aktenwidrigkeiten Stellung zu nehmen und die Möglichkeit auszuräumen, dass er zwei Akten durcheinander gebracht habe. Auf Grund des Gutachtens folgere die belangte Behörde, dass die Genehmigung der Bauführung zur Folge hätte, dass zwischen Erschließungsstraße und Baugrundstück ein 20 m schmaler Streifen übrig bliebe und somit eine optimale Umlegung "vermutlich" nicht mehr möglich wäre. Anstatt Vermutungen anzustellen, hätte die belangte Behörde aber diese und nur diese Frage dem Sachverständigen zur präzisen Beantwortung vorzulegen und danach zu entscheiden gehabt. Wenn die belangte Behörde von einer Vermutung ausgehe, anstatt Tatsachenfeststellungen zu treffen, habe sie ihren Bescheid mit sekundären Feststellungsmängeln und damit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Es sei auch bereits in dem Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vermerkt gewesen, dass an Hand des Planes kein Problem gesehen worden sei, liege doch der "20 m schmale Streifen" in seiner ganzen Länge an der Erschließungsstraße und könne sohin als das besterschlossene Grundstück überhaupt angenommen werden, das im Umlegungsverfahren die geringsten Probleme bringen werde. Zudem ergebe ein einfacher Blick auf die Pläne des Umlegungsgebietes, dass die beabsichtigte Bauführung die Umlegung insofern nicht präjudiziere, als das Grundstück 110 m lang sei und daher der hintere Teil dieses Grundstückes perfekt gegen den 20 m schmalen Streifen abgetauscht (bzw. umgelegt) werden könne. Dass die belangte Behörde gerade diese entscheidende Tatsachenfeststellung schlechthin unterlassen habe, müsse zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Wesentlichen im Recht.

Gemäß § 43 Vorarlberger Raumplanungsgesetz, LGBl. Nr. 39/1996 - RPG, dürfen (u.a.) Bauführungen von der Erlassung einer Verordnung gemäß § 42 Abs. 4 bis zum Eintritt der Rechtskraft des Umlegungsbescheides (§ 48) im Umlegungsgebiet - unbeschadet der nach anderen landesrechtlichen Vorschriften erforderlichen Bewilligungen - nur mit Genehmigung der Landesregierung durchgeführt werden, es sei denn, dass eine Baubewilligung vorliegt, die vor Erlassung der Verordnung gemäß § 42 Abs. 4 rechtskräftig geworden ist (was im Beschwerdefall - wie sich aus der obigen Darstellung des Geschehens ergibt - nicht der Fall ist).

Nach Abs. 2 leg. cit. ist eine Genehmigung nach Abs. 1 zu erteilen, wenn das beabsichtigte Vorhaben die Umlegung nicht beeinträchtigt.

Zutreffend weist der Beschwerdeführer zunächst darauf hin, dass im Sinne des § 42 Abs. 2 RPG ein Rechtsanspruch auf Genehmigung nach Abs. 1 leg. cit. besteht, wenn das beabsichtigte Vorhaben die Umlegung nicht beeinträchtigt. Eben diese Beeinträchtigung des Umlegungsverfahrens wurde von der belangten Behörde als gegeben erachtet, weil durch die beabsichtigte Bauführung "der Spielraum für die Grundstücksumlegung eingeengt" werden könnte. Würde die Bauführung genehmigt werden, hätte dies zur Folge, dass zwischen Erschließungsstraße und Baugrundstück ein 20 m schmaler Streifen übrig bliebe und somit eine "optimale Umlegung vermutlich nicht mehr möglich wäre". Dabei stützt sich die belangte Behörde auf die Ausführungen des Amtssachverständigen für Raumplanung und Baugestaltung in seiner Stellungnahme vom 23. März 1998, die sich in Folgendem erschöpften:

"Herr Q beabsichtigt auf der Gp. 1222 KG W die Errichtung einer überdachten Werkstätte zur Herstellung von Holzhackschnitzeln. Die Werkhalle im Ausmaß von 24 x 11 m wird mittels flach geneigtem Satteldach eingedeckt und ostseitig durch eine Außenwand abgeschlossen.

Das zur Bebauung vorgesehene Grundstück ist annähernd rechteckig ausgeformt und hat eine Abmessung von ca. 20 m auf im Mittel 111 m. Das Grundstück selbst liegt inmitten eines noch unverbauten Freibereiches ca. 40 m bis 50 m vom nächsten Siedlungsrand entfernt.

Auf Grund der Lage und Parzellenform der Grundstücke im engeren und weiteren Bereich zur Erarbeitung einer planerisch sinnvollen Siedlungsentwicklung mit geordnetem Erschließungskonzept und einer schrittweisen Nutzung des Gesamtbereiches wurde über diesen Bereich ein Umlegungsverfahren eingeleitet. Nur durch eine derartige vorausschauende Planung kann eine geordnete schrittweise Siedlungsentwicklung ohne Nutzungskonflikte (Wohnen-Arbeiten) ermöglicht werden. Gleichzeitig kann durch eine etappenweise, jeweils dem bebauten Gebiet zugeordnete Erweiterung eine durch Einzelbauten entstehende Zersiedelung verhindert werden.

Ziel dieser Umlegung ist daher die Erhaltung einer planerisch realisierbaren Ortsentwicklung, die Nutzungskonflikte mit angrenzenden Bereichen verhindern soll und gleichzeitig schon bekannte Bauvorhaben durch Zuordnung zu ähnlich genutzten bzw. nutzbaren Räumen zu ermöglichen.

Eine Bebauung der Gp. 1222 inmitten des Umlegungsgebietes gelegen, würde mit Sicherheit die Möglichkeiten variabler Grundzusammenlegungen einschränken bzw. Zwänge rückwirkend auf mögliche Nutzungsvarianten erzeugen. Wesentlich erscheint auch, dass durch die Bebauung des Grundstückes einer planerisch wichtigen Zielsetzung nach etappenweiser Siedlungsausdehnung in Anlehung an Bestände widersprochen werden würde. Eine Bebauung in Einzellage könnte darüber hinaus bei der derzeit gegebenen Entwicklungsdynamik in der Gemeinde Sulz einer Zersiedelung Vorschub leisten.

Nach Auffassung des Unterzeichneten würde daher die Errichtung einer Betriebsanlage auf obigem Grundstück in der derzeit gegebenen Situation den Zielsetzungen des Raumplanungsgesetzes sowie den Zielen der Gemeindeentwicklung und des Umlegungsgebietes (Wiesen) widersprechen bzw. die Erreichung dieser Vorhaben erschweren."

Bereits in seiner im Rahmen der Einräumung des Parteiengehörs abgegebenen Stellungnahme rügte der Beschwerdeführer die mangelnde Nachvollziehbarkeit dieser Bewertungen.

Die Behörde hat vor Erlassung eines Bescheides nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 AVG grundsätzlich den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist es nach § 37 AVG, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Nach der Anordnung des § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. In der Begründung sind gemäß § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Aus der weitgehend wörtlichen Wiedergabe der Stellungnahme des Amtssachverständigen für Raumplanung und Baugestaltung in der Begründung des Bescheides, ist zunächst nur zu folgern, dass die Behörde bei Erlassung ihres Bescheides von jenen Tatsachen ausging, von denen auch der Amtssachverständige ausgegangen ist, und dass sie die vom Amtssachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen ihrem Bescheid zugrunde gelegt hat. Den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bescheidbegründung hätte die Behörde durch diese Vorgangsweise aber unter anderem nur dann entsprochen, wenn der Amtssachverständige seinem Gutachten einen vollständigen und nachvollziehbaren Befund zugrunde gelegt sowie klar und eindeutig offen gelegt hätte, auf welchem Weg er aufgrund des erhobenen Befundes zu seinen Schlussfolgerungen gelangt ist. Die Behörde hat sich im Rahmen ihrer Begründungspflicht auch mit Einwendungen der Partei gegen ein Gutachten sowie allenfalls der Frage des Beweiswertes von Beweismitteln, die eine Partei zur Entkräftung eines Gutachten eines Amtssachverständigen beibringt, auseinander zu setzen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1996, Zl. 94/10/0069). Nur ein schlüssiges und nachvollziehbares Gutachten, nicht aber schlichte Feststellungen, die nicht nachvollziehbar sind, sind allenfalls von den Parteien zu entkräften (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1985, Zl. 85/02/0113). Es besteht aber keine Verpflichtung der Parteien, Sachverhaltsannahmen der Behörde, die nicht ausreichend begründet sind, durch eigene Überlegungen zu entkräften (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1997, Zl. 95/06/0024).

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten (im engeren Sinn) aufgebaut ist, und der Art, wie sie beschafft wurden. Während somit der Befund die vom Sachverständigen vorgenommenen Tatsachenfeststellungen enthält, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, das Gutachten im engeren Sinn. Der Sachverständige muss aber im Bereich der Tatsachen bleiben; Rechtsfragen zu lösen, ist der Behörde vorbehalten (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens5, Seite 311 wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Ein Sachverständigengutachten, das von der Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt wird, muss daher in diesem Sinne ausreichend begründet sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1983, VwSlg 10952/A). Weder aus der zitierten Stellungnahme des Amtssachverständigen noch aus der Begründung des erstangefochtenen Bescheides lässt sich aber die darin vorgenommene Bewertung, das Umlegeverfahren würde durch die beabsichtigte Bauführung beeinträchtigt, nachvollziehen. Insbesondere ist in keiner Weise näher ausgeführt, welche geplanten Umlegungsmaßnahmen die vorliegende beabsichtigte Bauführung beeinträchtigen würde. Der Beschwerdeführer verweist zu Recht darauf, dass aus einigen Passagen der Stellungnahme des Amtssachverständigen der Eindruck erweckt werden konnte, er habe über einzelne Umstände geirrt (vgl. den Hinweis auf Trennung Arbeit-Wohnen - das Umlegeverfahren bezieht sich auf "Betriebsgebiet" -, Bezugnahme auf die - hier nicht betroffene - Gemeinde Sulz, etc), so dass es Aufgabe der Behörde gewesen wäre, den von ihr beigezogenen Amtssachverständigen dazu zu befragen und aufzufordern, sein Gutachten hinsichtlich des Befundes (im Sinne eines Lageplans und des auch für Dritte nachvollziehbaren Änderungskonzepts) zu ergänzen und sich mit den geäußerten Zweifeln im Detail auseinander zu setzen. Festzustellen ist auch, dass sich aus dem Zweck der Umlegung von Grundstücken gemäß § 41 Abs. 1 RPG nicht ableiten lässt, dass die "Siedlungsausdehnung" in einem solchen Gebiet nur "etappenweise" in Anlehnung an Bestände erfolgen dürfte. Unverständlich ist auch, warum die Bauführung des Beschwerdeführers auf seinem Grundstück im Rahmen des das Grundstück umgebenden Umlegungsgebietes, das zur Gänze mit der Widmung "Betriebsgebiet" versehen ist, eine Zersiedelung des vorliegenden Gebietes bewirken sollte. Mit diesen offenkundigen Mängeln des Sachverständigengutachtens hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt, weshalb dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

2. Zum zweitangefochtenen Bescheid:

§ 31 Abs. 2 Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr. 39/1972 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 72/1997 - BauG, lautet:

"Der Bauantrag ist ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzuweisen, wenn sich die Unzulässigkeit des Vorhabens schon aus dem Bauantrag und den diesem angeschlossenen Unterlagen ergibt, insbesondere auch, wenn das Vorhaben einem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan oder einer Verordnung gemäß den §§ 31 bis 34 des Raumplanungsgesetzes widerspricht."

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den zweitangefochtenen Bescheid in seinen Rechten auf Erteilung der Baubewilligung, auf Unterbrechung des Verfahrens, auf Parteiengehör sowie auf ordnungsgemäße Bescheidbegründung und ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren verletzt. Er sieht eine Rechtswidrigkeit auch des zweitangefochtenen Bescheides darin, dass die belangte Behörde zu den Konsequenzen des erstangefochtenen Bescheides für das Bauverfahren Parteiengehör nicht eingeräumt und auch die Entscheidung über das Bauverfahren nicht bis zur Entscheidung im Verfahren über die Genehmigung nach dem RPG ausgesetzt habe. Im Übrigen gälten die bereits geltend gemachten Mängel des "Gutachtens" auch in diesem Verfahren.

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Bauantrags allein auf den Umstand gestützt, dass die Genehmigung nach § 43 Abs. 1 und 2 RPG versagt worden sei. Nach Aufhebung des Versagungsbescheides mit dem vorliegenden Erkenntnis, welches gemäß § 42 Abs. 3 VwGG auf den Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides zurückwirkt, ergibt sich jedoch, dass die von der belangten Behörde angenommene Voraussetzung nicht gegeben war. Es kann daher im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Umstand des Fehlens der Genehmigung nach § 43 RPG einen Versagungsgrund nach § 31 BauG darstellt oder ob das Verfahren der Genehmigung einer Baubewilligung nach § 43 RPG das Vorliegen einer Baubewilligung voraussetzt und somit bei der Erteilung der Baubewilligung die Frage, ob eine Genehmigung nach § 43 RPG vorliegt (oder versagt wurde) nicht in die Beurteilung miteinzubeziehen ist. (Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich allein aus der Einleitung des Vorverfahrens über die Säumnisbeschwerde zur hg. Zl. 98/06/0042 nicht ergibt, der Verwaltungsgerichtshof habe damit zum Ausdruck bringen wollen, es wäre von der Behörde jedenfalls über den zugrundeliegenden Antrag eine Sachentscheidung zu treffen gewesen - vgl. hiezu auch den Beschluss eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A).

Der zweitangefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. April 2000

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten Baubewilligung BauRallg6 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998060092.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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