TE OGH 2018/1/24 3Ob202/17b

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Veröffentlicht am 24.01.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Verlassenschaft nach A*****, vertreten durch Dr. Karl-Peter Hasch, Rechtsanwalt in Villach, gegen die verpflichteten Parteien 1.) M***** und 2.) J*****, beide vertreten durch Mag. Christian Köchl, Rechtsanwalt in Villach, wegen 35.246,22 EUR sA, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 22. September 2017, GZ 2 R 85/17b-6, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 29. April 2017, GZ 17 E 39/17d-2, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts in Punkt 2 (Exekutionsbewilligung) wiederhergestellt wird.

Der betreibenden Partei werden für ihren Revisionsrekurs 2.197,80 EUR (darin 366,30 EUR USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung:

Der Betreibende beantragte die Bewilligung der Exekution zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung gegen beide Verpflichteten durch Zwangsversteigerung einer im Alleineigentum der Zweitverpflichteten stehenden Liegenschaft, auf der Liegenschaft zu Gunsten der Erstverpflichteten ein Veräußerungs- und Belastungsverbot einverleibt ist. Er legte mit seinem Antrag zwei rechtskräftige Urteile vor. Der Spruch des einen enthält eine Zahlungsverpflichtung der Erstverpflichteten ihm gegenüber; nach dem Spruch des anderen ist die Zweitverpflichtete zur Zahlung an ihn in gleicher Höhe verpflichtet. Dieser Betrag entspricht auch dem im Exekutionsantrag angeführten Begehren. Der Betreibende brachte vor, die beiden Verpflichteten hafteten ihm „für die idente Forderung“.

Das Erstgericht bewilligte (in Punkt 2 seiner Entscheidung) die Exekution durch Zwangsversteigerung der Liegenschaft gegen die Zweitverpflichtete (als Alleineigentümerin) und wies den Exekutionsantrag gegen die Erstverpflichtete (unbekämpft) ab. Das eingetragene Belastungs- und Veräußerungsverbot hindere die Bewilligung der Zwangsversteigerung nicht, weil im Exekutionsantrag eine Solidarhaftung der Liegenschaftseigentümerin und der Verbotsberechtigten behauptet werde und sich dieser Umstand in den vorgelegten Urkunden für Kapital und Zinsen bestätige.

Das Rekursgericht gab dem – gegen die Exekutionsbewilligung gerichteten – Rekurs der Verpflichteten Folge und wies den Exekutionsantrag ab. Aus dem Spruch der vom Betreibenden vorgelegten Urkunden gehe eine Solidarverpflichtung der Liegenschaftseigentümerin mit der Verbotsberechtigten nicht hervor. Das einverleibte Veräußerungs- und Belastungsverbot stehe daher einer Bewilligung der Zwangsversteigerung entgegen.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil sich aus der Entscheidungsbegründung (im zweiten Urteil) eine Haftung der Zweitverpflichteten (Liegenschaftseigentümerin) analog § 1409 ABGB und damit ihre solidarische Haftung mit der Erstverpflichteten (Verbotsberechtigten) ergab.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Nach der vom Rekursgericht zutreffend wiedergegebenen Rechtsprechung steht ein auf einer Liegenschaft einverleibtes Belastungs- und Veräußerungsverbot der exekutiven Bewilligung der Belastung und Veräußerung nicht entgegen, wenn der Verpflichtete und der Verbotsberechtigte die betriebene Forderung nach dem Exekutionstitel als Gesamtschuldner zu leisten haben (RIS-Justiz RS0010734). Bei einem nach Spruch und Gründen getrennten Exekutionstitel genügt aber grundsätzlich nicht, dass die Solidarverpflichtung – und damit die Brechung des Exekutionshindernisses eines einverleibten Veräußerungs- und Belastungsverbots – aus den Gründen des Titels abgeleitet werden kann (3 Ob 8/05f mwN; ebenso 3 Ob 61/04y mwN). Ganz allgemein sind jedoch für die Auslegung der Tragweite des Spruchs eines Exekutionstitels die Entscheidungsgründe heranzuziehen (RIS-Justiz RS0003000).

2. Im hier zu beurteilenden Exekutionsantrag, in dem der Betreibende die Haftung der beiden Verpflichteten als Solidarschuldner behauptete, sind zwei Exekutionstitel (rechtskräftige und vollstreckbare Urteile) zu prüfen, in denen einerseits die Verbotsberechtigte und andererseits die Liegenschaftseigentümerin zur Zahlung an den Betreibenden verpflichtet wurden, wobei die Zahlungsverpflichtung der Liegenschaftseigentümerin für diese Forderung allein auf § 1409 ABGB (analog) beruht. Der Spruch dieser beiden Urkunden ist daher (im Zusammenhalt mit dem Vorbringen einer solidarischen Haftung der beiden Verpflichteten) dem Wortsinn nach auslegungsbedürftig, wozu ausnahmsweise auch die den Entscheidungen beigegebene Begründung herangezogen werden darf (3 Ob 61/04y mwN; vgl auch RIS-Justiz RS0000296 [T1]; RS0000300 [T20]).

Das Erstgericht hatte demnach bei der Bewilligung der beantragten Zwangsversteigerung auf der Grundlage der vom Betreibenden vorgelegten Titel keine Zweifel an der darin (im zweiten Urteil) ausgesprochenen Solidarhaftung der Liegenschaftseigentümerin mit der Verbotsberechtigten. Der Betreibende erhielt im (zweiten) Titelverfahren gegen die Zweitverpflichtete zwar spruchgemäß – entgegen der materiellen Rechtslage – eine (unbeschränkte) Zahlungsverpflichtung der Liegenschafts-eigentümerin für den begehrten Betrag, obwohl diese für den Betrag (nur) mit der Verbotsberechtigten (analog § 1409 ABGB) mithaftet. Eine „Ergänzung“ dieses Titels (durch eine ausdrückliche Bezugnahme im Spruch) ist aber für die Bewilligung seines Exekutionsantrags nicht erforderlich, weil unzweifelhaft die Verpflichtete und die Verbotsberechtigte nach dem Titel die betriebene Forderung als Gesamtschuldner zu leisten haben.

3. Auf den (im Rekurs als Eventualbegehren erhobenen) Antrag der Verpflichteten, bei Annahme einer Solidarhaftung die Zwangsversteigerung auf den Differenzbetrag einzuschränken, der sich durch Aufrechnung mit einer der Erstverpflichteten zuerkannten Kostenersatzforderung gegen den Betreibenden ergebe, ist aufgrund des (auch im Exekutionsverfahren geltenden) Neuerungsverbots (RIS-Justiz RS0002371; jüngst 3 Ob 127/17y) nicht einzugehen.

4. Dem Betreibenden sind gemäß den §§ 41, 50 ZPO iVm § 78 EO die Kosten seines Revisionsrekurses zuzusprechen.

Textnummer

E120865

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00202.17B.0124.000

Im RIS seit

14.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

17.07.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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