TE OGH 2017/12/21 5Ob117/17t

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Veröffentlicht am 21.12.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. K***** F*****, 2. K***** F*****, vertreten durch Zauner & Mühlböck Rechtsanwälte KG in Linz, gegen die Antragsgegner 1. Dr. G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Markus Kroner, Rechtsanwalt in Salzburg, 2. bis 105. die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 524 KG *****, wegen § 52 Abs 1 Z 6 iVm § 20 Abs 3 WEG 2002, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 22. März 2017, GZ 22 R 377/16v-39, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 18. Oktober 2016, GZ 55 Msch 1/16y-33, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Sachbeschluss des Rekursgerichts wird ersatzlos aufgehoben, soweit darin über die Abweisung des Antrags durch das Erstgericht entschieden wurde, dass

„1. die Betriebskostenabrechnung der Erstantragsgegnerin für das Jahr 2012 insofern unrichtig sei, als

lit d) die Aufwendungen für sonstige Unkosten, insbesondere betreffend

- Treibstoffspesen

- 'Schlauch und Reifen' sowie

- Telefonspesen

vor allem deren Zusammenhang mit der gegenständlichen Liegenschaft nicht belegt seien,

2. die Betriebskostenabrechnung der Erstantragsgegnerin als Hausverwalterin für das Jahr 2013 insofern unrichtig sei, als

lit d) die Aufwendungen für sonstige Unkosten, insbesondere betreffend

- Treibstoffspesen

- 'Mörtelkästen'

- Telefonspesen

- Tauchpumpe sowie

- 'Diesel für Entsorgung Sperrmüll'

vor allem deren Zusammenhang mit der gegenständlichen Liegenschaft nicht belegt seien,

3. die Betriebskostenabrechnung der Erstantragsgegnerin als Hausverwalterin für das Jahr 2014 insofern unrichtig sei, als

lit d) die Aufwendungen für sonstige Unkosten, insbesondere betreffend

- Treibstoffspesen

- Telefonspesen

- 'Blumentopf Stiegenhaus' sowie

- Balkonpflanzenblumenerde

vor allem deren Zusammenhang mit der gegenständlichen Liegenschaft nicht belegt seien,

4. die Betriebskostenabrechnung der Erstantragsgegnerin als Hausverwalterin für das Jahr 2015 insofern unrichtig sei, als

lit d) die Aufwendungen für sonstige Unkosten, insbesondere betreffend

- Telefonspesen

- Treibstoffspesen 'für Entsorgung'

- Treibstoffspesen 'Super' für Rasenmäher

- Aufwendungen für Rasenmäherservice

- Materialanschaffungen bzw Ausgaben laut Rechnungen vom 26. 1. 2015, 21. 4. 2015, 7. 5. 2015, 8. 6. 2015, 27. 6. 2015, 20. 5. 2015, 25. 8. 2015, 28. 8. 2015, 9. 12. 2015 und 31. 12. 2015

lit f) die Abrechnung der Rücklage betreffend

- Heiz/Sanitäranlage Erstellung Leistungs-verzeichnis

- Erneuerung Warmwasseraufbereitung, insoweit sie 11.260 EUR übersteigt

- SLV Liquidierung

nicht belegt seien“.

Im Übrigen wird der Sachbeschluss des Rekursgerichts aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung über das Rechtsmittel der Antragsgegner aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Antragsteller begehrten die Überprüfung der von der Erstantragsgegnerin für die Jahre 2012 bis 2015 gelegten Abrechnungen und legten im Einzelnen dar, aus welchen Gründen die von ihnen beanstandeten Abrechnungen in bestimmten Punkten unrichtig sein sollen.

Das Erstgericht wies den Antrag zur Gänze ab, wobei es in seinem Spruch die beanstandeten Abrechnungen nach Jahren (bezeichnet als 1. bis 4.) gliederte und innerhalb der einzelnen Jahre die beanstandeten Positionen auflistete und untergliederte.

Dagegen erhoben die Antragsteller Rekurs, worin sie ausdrücklich erklärten, den Sachbeschluss – ausgenommen der Punkte I.1.d., 2.d., 3.d. sowie 4.d. und f. – anzufechten.

In irriger Annahme, es handle sich bei den in die Anfechtungserklärung des Rekurses aufgenommene Positionen um jene, die angefochten seien, sprach das Rekursgericht erneut über diejenigen Positionen ab, deren Abweisung durch das Erstgericht mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen war, und hielt in seiner rechtlichen Beurteilung ausdrücklich fest, dass der bekämpfte Sachbeschluss in Verbindung mit den von der Anfechtungserklärung umfassten Teilbereichen nicht zu beanstanden sei. In ihren angefochtenen Punkten sei die erstinstanzliche Entscheidung nicht mit den angesprochenen Feststellungs- oder Rechtsmängeln behaftet.

Über Antrag gemäß § 63 AußStrG erklärte das Rekursgericht den Revisionsrekurs für zulässig, weil darin eine Nichtigkeit der Entscheidung in den Raum gestellt werde und den Antragstellern die Möglichkeit eröffnet werden solle, ihre Argumentation an das Höchstgericht heranzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Erstantragsgegnerin beantwortete Revisionsrekurs ist im Sinne seines auf Aufhebung gerichteten Eventualbegehrens berechtigt.

1.1 Die Antragsteller machen als Nichtigkeit den Verstoß gegen die Teilrechtskraft der Entscheidung des Erstgerichts geltend, weil Teile dieser Entscheidung nicht angefochten worden seien (vgl zum entsprechenden Nichtigkeitsgrund nach § 477 ZPO RIS-Justiz RS0107779; RS0041170; zum wohnrechtlichen Außerstreitverfahren: 5 Ob 205/15f).

1.2 Der Eingriff in die Rechtskraft wird ausdrücklich als Revisionsgrund im Außerstreitverfahren normiert (§ 66 Abs 1 Z 1 iVm § 56 Abs 1 AußStrG), wobei auch dem außerstreitigen Verfahren der Grundsatz der Wahrung der Teilrechtskraft nicht fremd ist. Dieser gilt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur dann nicht, wenn der unangefochten gebliebene Teil der Entscheidung in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem angefochtenen Entscheidungsteil steht (RIS-Justiz RS0013296 [T1]; RS0007269 [T1]). Das ist hier nicht der Fall.

1.3 Die Überprüfungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts wird durch den Rechtsmittelantrag und die Rechtsmittelerklärung begrenzt. Zwar wird im Rechtsmittelsystem des AußStrG 2005 der Begriff „Nichtigkeit“ vermieden (10 Ob 32/12x), ein Mangel im Sinne des § 56 Abs 1 AußStrG iVm § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG wegen Überschreitung des Begehrens im Rechtsmittelverfahren liegt aber vor, wenn in die Teilrechtskraft eingegriffen wurde (vgl RIS-Justiz RS0107779).

1.4 Das Rekursgericht hat in seiner Entscheidung nicht nur im Zusammenhang mit der Wiedergabe der Anfechtungserklärung auf die von den Antragstellern in ihrem Rekurs ausdrücklich als unangefochten angeführten Positionen Bezug genommen, sondern auch bei der inhaltlichen Behandlung des Rechtsmittels wiederholt festgehalten, dass den Ausführungen im Rekurs im Zusammenhang mit den angefochtenen Positionen 1.d., 2.d., 3.d. und 4.d. und f. eine Relevanz nicht zukomme. Entgegen der Begründung des Rekursgerichts in seinem Zulassungsbeschluss, wonach es sich dabei lediglich um unzutreffende Verweise handle, kann damit kein Zweifel bestehen, dass es über diese, von den Antragstellern in ihrem Rekurs ausdrücklich nicht angefochtene Positionen abgesprochen und damit gegen die Teilrechtskraft verstoßen hat. Dies bewirkt im Sinne des § 56 Abs 1 AußStrG eine Teilnichtigkeit, die die Antragsteller nach § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG berechtigt geltend machen. Gemäß § 56 Abs 1 AußStrG ist der angefochtene Sachbeschluss des Rekursgerichts im Umfang der Teilrechtskraft aufzuheben.

2.1 Nach § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG bildet es einen Revisionsrekursgrund, wenn die Fassung des angefochtenen Beschlusses so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann (§ 57 Z 1 erster Fall AußStrG). Ein solcher Begründungsmangel ist gemäß § 55 Abs 3 AußStrG von Amts wegen wahrzunehmen und wirkt absolut, führt also ohne Rücksicht darauf zur Aufhebung, ob sich der Mangel auf die Richtigkeit der Entscheidung ausgewirkt hat (Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 66 Z 12).

2.2 Der Entscheidung des Rekursgerichts kann mit der erforderlichen Sicherheit nicht entnommen werden, inwieweit darin überhaupt über die von den Antragstellern mit ihrem Rekurs angefochtenen Positionen abgesprochen wurde. Es mag zwar zutreffen, wie das Rekursgericht in seinem Beschluss nach § 63 Abs 3 AußStrG andeutet, dass neben der Wiedergabe allgemeiner Rechtsgrundsätze auch auf Argumente der Antragsteller im Zusammenhang mit solchen Positionen abgestellt wurde, die von der Anfechtungserklärung erfasst sind. Ausgehend von den wiederholten Verweisen, dass mit Bezug auf die (vermeintlich) angefochtenen Spruchpunkte 1.d., 2.d., 3.d. und 4.d. und f. des erstgerichtlichen Sachbeschlusses eine Relevanz der Ausführungen der Antragsteller in ihrem Rekurs nicht zu erkennen sei, kann daraus aber eine inhaltliche Erledigung einzelner bestimmter Rekurspunkte mit der erforderlichen Sicherheit nicht abgeleitet werden.

3. Das Rekursgericht wird daher insgesamt über die angefochtenen Punkte der erstgerichtlichen Entscheidung abzusprechen haben.

4. Der Mangel betrifft lediglich die Entscheidung der zweiten Instanz, sodass gemäß § 78 Abs 1 letzter Satz AußStrG ein Kostenvorbehalt auszusprechen ist (RIS-Justiz RS0035870; Obermaier in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 78 Rz 118).

Schlagworte

;Außerstreitiges Wohnrecht;

Textnummer

E120694

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00117.17T.1221.000

Im RIS seit

08.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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