TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/29 W121 2134543-1

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Veröffentlicht am 29.01.2018
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Entscheidungsdatum

29.01.2018

Norm

AlVG §1
AVG §69
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W121 2134543-1/8E

W121 2134170-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Erika ENZLBERGER-HEIS als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Mag. Günter KRAPF (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) und KommR Raimund WIDHALM (aus dem Kreis der Arbeitgeber) als Beisitzer über die Beschwerden von XXXX , gegen die beiden Bescheide der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice XXXX vom XXXX , mit derselben GZ XXXX , betreffend den Wiederaufnahmeantrag vom XXXX und die Zurückweisung des Vorlageantrages vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des AMS Wien XXXX (im Folgenden: belangte Behörde) vom XXXX wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführerin ab XXXX Arbeitslosengeld gebührt. Dem vorangegangen war eine Ruhendstellung ihres Arbeitslosengeldanspruches vom XXXX aufgrund eines Anspruches auf eine vollversicherungspflichtige Urlaubsersatzleistung.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin fristgerecht am XXXX eine Beschwerde eingebracht und im Wesentlichen moniert, dass sie bei keiner ihrer persönlichen Vorsprachen auf ein Ruhen des Leistungsanspruches bzw. auf einen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Geltendmachung hingewiesen worden sei. Eine Mitteilung, dass aufgrund des Ruhezeitraumes ein neuerlicher Antrag zu stellen sei, hätte sie nicht erhalten. Sie begehre daher die Gewährung des Arbeitslosengeldes ab XXXX .

Mit Beschwerdevorentscheidung vom XXXX wies die belangte Behörde die Beschwerde mit der Begründung ab, dass die Beschwerdeführerin Urlaubsersatzleistung von über XXXX Tagen bezogen habe und für einen Leistungsbezug ab XXXX eine Kontaktaufnahme ihrerseits spätestens am XXXX notwendig gewesen wäre. Diese habe jedoch erst am XXXX erfolgt, weshalb das Arbeitslosengeld erst wieder ab XXXX gewährt worden sei.

Bezüglich dieser Beschwerdevorentscheidung erfolgte laut dem vorliegenden Rückschein ein Zustellversuch am XXXX und war der Beginn der Abholfrist am XXXX .

Mit Schreiben vom XXXX stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Wiederaufnahme, da die Rechtsmittelfrist bereits verstrichen und die Beschwerdevorentscheidung bereits rechtskräftig geworden sei. Es seien neue Tatsachen hervorgekommen, die im Verfahren ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht hätten werden können und zu einem anderslautenden Bescheid geführt hätten. Sie verweise darauf, dass die nachgeholte Antragsabgabe entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht am XXXX , sondern bereits mit XXXX bestätigt sei. Dies habe sie erst jetzt festgestellt und sei diese Tatsache bei der Entscheidung nicht berücksichtigt worden. Im gleichen Schreiben stellte sie einen Vorlageantrag.

Mit verfahrensgegenständlichen Bescheiden vom XXXX wurde dem Antrag vom XXXX auf Wiederaufnahme des Verfahrens keine Folge gegeben und der Vorlageantrag vom XXXX als verspätet zurückgewiesen. Begründet wurde die Zurückweisung wegen Verspätung damit, dass die Beschwerdevorentscheidung vom XXXX der Beschwerdeführerin nachweislich am XXXX zugestellt worden sei. Da keine Ortsabwesenheit im fraglichen Zeitraum behauptet worden sei, gelte der Bescheid mit XXXX als zugestellt. In ihrem Fall habe die Frist zur Einbringung eines Vorlageantrages mit der Zustellung des Bescheides am XXXX begonnen und ende nach zwei Wochen, somit mit XXXX . Ihr Vorlageantrag sei jedoch erst am XXXX per Mail an die belangte Behörde übermittelt worden, somit nicht innerhalb der vorgegeben Frist bis zum XXXX . Zum behaupteten Wiederaufnahmegrund führte die belangte Behörde aus, dass ein solcher nicht vorliege. In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des Zustellgesetzes, des AVG und des VwGVG.

Gegen diese Bescheide vom XXXX erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Darin gab sie im Wesentlichen an, dass ihr Antrag auf Wiederaufnahme rechtlich begründet sei und eine Wiederaufnahme gemacht werden müsse. Sie hätte den Vorlageantrag fristgerecht eingebracht, weshalb eine Zurückweisung ihres Antrages nicht zulässig sei. Überdies beantrage sie eine mündliche Verhandlung beim BVwG.

Das Bundesverwaltungsgericht führte eine Beschwerdeverhandlung am XXXX durch. Die Beschwerdeführerin wurde von der Vorsitzenden Richterin (VR) sowie dem Laienrichter Mag. Günter KRAPF und dem Laienrichter KommR Raimund WIDHALM befragt. Ein Mitarbeiter der belangten Behörde nahm ebenfalls an der Verhandlung teil.

Mit Schreiben vom XXXX übermittelte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme an das BVwG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die belangte Behörde hat die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes ausreichend durchgeführt. Auf dieser Grundlage werden folgende Feststellungen getroffen und der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt:

Die Beschwerdevorentscheidung vom XXXX wurde der Beschwerdeführerin rechtmäßig am XXXX durch Hinterlegung zugestellt.

Die zweiwöchige Beschwerdefrist zur Einbringung eines Vorlageantrages endete somit am XXXX .

Der Vorlageantrag wurde von der Beschwerdeführerin erst am XXXX per E-Mail an die belangte Behörde gesendet.

Die Beschwerdeführerin hat keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund vorgebracht.

Der Vorlageantrag wurde somit verspätet eingebracht.

2. Beweiswürdigung:

Der unter I. angeführte Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt und dem vorgelegten Verfahrensakt der belangten Behörde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin das AMS.

§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die entsprechende Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.

Gemäß § 7 BVwGG bestehen die Senate aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Ist in Materiengesetzen die Mitwirkung fachkundiger Laienrichter an der Rechtsprechung vorgesehen, sind diese anstelle der Mitglieder nach Maßgabe der Geschäftsverteilung als Beisitzer heranzuziehen.

In der gegenständlichen Rechtssache obliegt somit die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Senat.

3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 15 Abs. 3 VwGVG sind verspätete und unzulässige Vorlageanträge von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.

3.3. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts:

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit, als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: "Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen."

Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist."

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

Zu A)

3.4. Zum Wiederaufnahmeantrag

Die maßgebenden Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) lauten:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat."

Mit Tatsachen i.S.d. § 69 Abs. 1 Z 2 AVG sind Geschehnisse im Seinsbereich gemeint (vgl. VwGH 19.4.1994, 90/07/0124; 4.9.2003, 2000/17/0024; 24.4.2007, 2005/11/0127; vgl. auch Schimetschek, FJ 1972, 74; Wiederin, ecolex 1999, 371). Dazu zählen auch innere Vorgänge (vgl. VwGH 19.2.1992, 90/12/0224; 15.12.1994, 93/09/0434), soweit sie rational feststellbar sind, wie z.B. Ansichten, Absichten oder Gesinnungen, die – wie etwa die Zahlungswilligkeit – der Beobachtung eines anderen zugänglich sind (vgl. VwGH 14.6.1982, 82/12/0056). Ein Wiederaufnahmegrund kann von vornherein nur ein Umstand sein, der den Sachverhalt betrifft, ein "Element jenes Sachverhaltes" (vgl. VwGH 30.9.1985, 85/10/0067; 16.12.1992, 91/12/0065), der von der Behörde im wieder aufzunehmenden Verfahren zu beurteilen war (vgl. VwGH 20.11.2003, 2002/09/0153) und dem darin ergangenen Bescheid zugrunde gelegt wurde. Es muss sich um mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen oder Eigenschaften handeln, deren Berücksichtigung voraussichtlich zu einem anderen als dem vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebrachten Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 26.4.1994, 91/14/0129; 23.4.1998, 95/15/0108).

Das nachträgliche Erkennen, dass im abgeschlossenen Verwaltungsverfahren Verfahrensmängel unterlaufen sind, bildet aber keinen Wiederaufnahmegrund (vgl. dazu VwGH 29.11.1994, 94/20/0077; 16.11.2004, 2000/17/0022).

Auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung seitens der Behörde (vgl. VwGH 19.2.1992, 90/12/0224; 20.11.2003, 2002/09/0153; 17.2.2006, 2006/18/0031), d.h. neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, sind keine "Tatsachen", die eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu rechtfertigen vermögen (vgl. VwGH 23.4.1998, 95/15/0108), gleichgültig ob diese

-

später durch Änderung der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.3.1987, 84/10/0072; 16.11.2004, 2000/17/0022),

-

durch eine Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde in einer bestimmten Rechtssache (vgl. VwGH 17.12.1999, 99/02/0270; 24.4.2007, 2005/11/0127) oder

-

nach Unkenntnis der Gesetzeslage oder vorheriger Fehlbeurteilung durch die Partei (vgl. VwGH 6.4.1987, 87/10/0029; 23.11.1988, 88/01/0225) durch bessere Einsicht gewonnen werden (vgl. VwSlg 2255 A/1951; VwGH 10.4.1987, 86/04/0233; 4.9.2003, 2000/17/0024).

(Vgl. zum Ganzen Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 29f und 56 [Stand 1.4.2009, rdb.at].)

Die Beschwerdeführerin begehrt die Wiederaufnahme des mit Bescheid vom XXXX rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens betreffend Gewährung von Arbeitslosengeld und begründet dies damit, dass die nachgeholte Antragsabgabe entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht am XXXX , sondern bereits mit XXXX bestätigt sei. Dabei handle es sich um "neue Tatsachen", die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht hätten werden können, da sie es "erst jetzt festgestellt" hätte, und sie zu einem anderslautenden Bescheid geführt hätten.

Dem ist entgegenzuhalten, dass der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Wiederaufnahmegrund keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund darstellt, da die Beschwerdeführerin ein Rechtsmittel gegen die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom XXXX erheben hätte können und ihre Behauptung auch schon im Zuge ihrer Beschwerde vom XXXX gegen den Bescheid vom XXXX geltend machen hätte können. Denn die Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG dient nicht dazu, allfällige Versäumnisse einer Partei in einem Ermittlungsverfahren (vgl. VwGH 16.2.1994, 90/13/0003; 22.12.2005, 2004/07/0209) oder die Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels zu sanieren (vgl. VwGH 27.7.2001, 2000/07/0240).

Der Wiederaufnahmeantrag der Beschwerdeführerin vom XXXX war daher abzuweisen.

3.5. Zum Vorlageantrag

Die maßgebenden Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) lauten:

Gemäß § 21 AVG iVm § 17 VwGVG sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz vorzunehmen.

Gemäß § 22 AVG iVm § 17 VwGVG ist, wenn wichtige Gründe dafür vorliegen, eine schriftliche Ausfertigung mit Zustellnachweis zuzustellen. Bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe oder wenn es gesetzlich vorgesehen ist, ist die Zustellung zu eigenen Handen des Empfängers zu bewirken.

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen, mit Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Gemäß § 33 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG werden Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.

Gemäß § 33 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG können durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.

Eine nach Wochen bestimmte Frist endet demnach um Mitternacht (24 Uhr) des gleich bezeichneten Tages der letzten Woche der Frist (VwGH vom 18.10.1996, Zl. 96/09/0153 mwN).

Die maßgebenden Bestimmungen des Zustellgesetzes (ZustG) lauten:

Gemäß § 17 Abs. 1 ZustG ist, wenn das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

Gemäß § 17 Abs. 2 ZustG ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

Gemäß § 17 Abs. 3 ZustG ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf der Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

Nach der Rechtsprechung des VwGH wird die durch den dritten Satz des § 17 Abs. 3 ZustG normierte Zustellwirkung der Hinterlegung nicht durch Abwesenheit von der Abgabenstelle schlechthin, sondern nur durch eine solche Abwesenheit von der Abgabestelle ausgeschlossen, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt. "Rechtzeitig" im Sinne dieser Bestimmung ist dahin zu verstehen, dass dem Empfänger noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung stand, der ihm auch im Falle einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre (VwGH vom 26.05.2015, Zl. Ro 2015/01/0004).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist es nicht erforderlich, dass dem Empfänger in Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die volle Frist für die Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels zur Verfügung stehen muss. Die Zustellung durch Hinterlegung ist vielmehr auch dann wirksam, wenn der Empfänger noch rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt. Dies hat der VwGH für den Fall bejaht, dass dem Empfänger für die Erhebung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung noch ein Zeitraum von zehn Tagen verbleibt (VwGH vom 18.03.2004, Zl. 2001/03/0284 mit Verweis auf VwGH vom 24.02.2000, Zl. 2000/02/0027).

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist folgendes auszuführen:

Der Zustellversuch der Beschwerdevorentscheidung erfolgte am XXXX und wurde hinterlegt, der erste Tag der Abholfrist war laut Rückschein der XXXX .

Die zweiwöchige Frist für die Einbringung eines Vorlageantrages endete am XXXX .

Daher war der mit XXXX an die belangte Behörde gesendete Vorlageantrag verspätet eingebracht.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Wiederaufnahme, Wiederaufnahmegrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W121.2134543.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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