TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/16 91/12/0065

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Veröffentlicht am 16.12.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §71 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
ZPO §530 Abs1 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des Dr. J in W, gegen den Bescheid des Wiener Stadtsenates vom 12. März 1991, Zl. 628/91, betreffend Wiederaufnahme eines Ruhestandsversetzungsverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Magistratsrat i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zur Stadt Wien und ist rechtskundig im Sinne des § 24 Abs. 2 VwGG.

Mit Bescheid des Wiener Stadtsenates vom 11. Juli 1989 wurde der 1941 geborene Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 lit. a der Dienstordnung 1966 (DO) wegen Dienstunfähigkeit auf Grund psychischer bzw. habitueller Ursachen (insbesondere wegen mangelnder Einordnungs- und Einsichtsfähigkeit in rechtliche Zusammenhänge, die zu einer Störung des Dienstbetriebes führten) in den Ruhestand versetzt.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene und unter Zl. 89/12/0143 protokollierte Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof am 17. Dezember 1990 als unbegründet abgewiesen.

Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis zusammenfassend aus:

"Entscheidend für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist die Frage der Dienstfähigkeit bzw. Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers und ob eine Wiedererlangung seiner Dienstfähigkeit ausgeschlossen werden kann. Rechtlich zutreffend und unter Angabe der Rechtsprechung hat die belangte Behörde dargelegt, daß der Schluß der Dienstunfähigkeit nicht nur auf ärztlichen Feststellungen, sondern auch aus der Art der Dienstleistung selbst zulässig ist, wobei insbesondere auch habituelle Charaktereigenschaften bzw. geistige Mängel eine ordnungsgemäße Führung der Amtsgeschäfte ausschließen können. Unter Habitus im psychischen Sinn sind zum Charakter gewordene, verhaltenseigene, gewohnheitsmäßige Besonderheiten im Erscheinungsbild bzw. Verhalten eines Menschen zu verstehen (vgl. in diesem Sinne Duden, Fremdwörterbuch).

Da der Beschwerdeführer eine fachärztliche Untersuchung seines psychischen Gesundheitszustandes verweigerte, ging die belangte Behörde den vorher dargestellten Überlegungen entsprechend vor und gelangte nach umfangreichen, praktisch die gesamte A-Laufbahn des Beschwerdeführers umfassenden Erhebungen zu dem Schluß, daß der Beschwerdeführer durch mangelnde Einsicht und Einordnung durch längere Zeit hindurch gegen Dienstpflichten verstoßen hat; durch die auf Grund dieser Fakten erkennbare Haltung des Beschwerdeführers ist der Dienstbetrieb wesentlich gestört worden. Die Nachhaltigkeit dieses Verhaltens des Beschwerdeführers gegen viele seiner Vorgesetzten in verschiedenen Dienststellen zeigt, daß der Grund hiefür auf seiten des Beschwerdeführers in psychischen bzw. habituellen Ursachen zu suchen ist.

Bereits diese abgehandelten und nicht als rechtswidrig befundenen Feststellungen und Überlegungen der belangten Behörde zeigen, daß die Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers nicht in der Summe der dargestellten Einzelfakten, sondern in der auf Grund dieser Fakten erkennbaren Haltung des Beschwerdeführers gesehen worden ist, der gerade als rechtskundiger Beamter bei Ausübung seines Dienstes vernünftige Einsicht in rechtliche Zusammenhänge haben muß. Die Entscheidung der belangten Behörde erweist sich, ausgehend von dem bereits bisher Dargelegten - trotz umfangreichen Vorbringens des Beschwerdeführers, das auch ein weiteres Indiz für die besondere Eigenart des Beschwerdeführers darstellt - nicht als rechtswidrig, sondern ist auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes rechtlich zutreffend und in den Ermittlungsergebnissen gedeckt.

Das weitere umfangreiche Vorbringen des Beschwerdeführers in der großen Zahl der von ihm unaufgefordert eingebrachten Schriftsätze geht am wesentlichen Verfahrensgegenstand, nämlich der Frage seiner Dienstfähigkeit, vorbei. Immer wieder beschäftigt den Beschwerdeführer die Frage des seinerzeit abgegebenen "Dienstgutachtens", das ungerechtfertigt abgeändert worden sein soll, worin die Ursache für die von ihm erstatteten Disziplinar- und Strafanzeigen zu suchen seien."

Gegen die mit dem vorher genannten Bescheid vom 11. Juli 1989 erfolgte Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers richten sich, genauso wie gegen die zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vielzahl von Anträgen des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen vom 24. Oktober 1991 wurde der Beschwerdeführer vom Vorwurf des Verbrechens der Verleumdung, der im Zusammenhang mit verschiedenen Maßnahmen in seinen Dienstrechtsangelegenheiten erhoben worden war, mangels subjektiver Einsichts- und Erkenntnisfähigkeit freigesprochen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über insgesamt fünf Wiederaufnahmeanträge des Beschwerdeführers aus dem Zeitraum von September bis November 1990 gemäß § 69 Abs. 2 AVG bzw. § 69 Abs. 1 lit. b AVG abgesprochen.

Zur Begründung wird nach kurzer Darstellung der Vorgeschichte im wesentlichen weiter ausgeführt:

Der Beschwerdeführer begründe seinen Wiederaufnahmeantrag vom 17. September 1990 mit dem Hinweis, daß bei der Akteneinsicht vor dem Verwaltungsgerichtshof in seiner Pensionierungssache eine bisher ihm verfahrensmäßig vorenthaltene Urkunde des Dr. A vom 7. Juni 1989 aufgetaucht sei, in der beurkundet worden sei, daß er eine extrem weisungsfreie Tätigkeit beim Magistrat anstrebe und - so sei daraus gefolgert worden - sich seine dauernde Dienstunfähigkeit erweise, was insbesondere mit dem Hinweis auf seine Tätigkeit in der Magistratsabteilung 52 vor ca. zehn Jahren schon zu untermauern versucht worden sei, wo seine unmittelbare Unterstellung unter einen Abteilungsleiter keine Lösung gebracht habe. Im weiteren führe der Beschwerdeführer aus, daß es sich bei dieser Beurteilung nicht um die persönliche Ansicht des Magistratsdirektors gehandelt habe, sondern um die Übernahme einer beim Magistrat vorherrschenden Meinung, die allerdings von Dr. B bestätigt worden sei.

Abgesehen davon, daß der Magistratsdirektor als Leiter des inneren Dienstes des Magistrates für dienstrechtliche Fragen von Beamten der Stadt Wien jedenfalls zuständig sei, habe der Beschwerdeführer schon in seinem Schreiben vom 21. November 1989 an die gemeinderätliche Personalkommission ausgeführt, daß ihm u.a. bei der Akteneinsicht vor dem Verwaltungsgerichtshof eine Urkunde (unterfertigt von Herrn Magistratsdirektor Dr. A) vom 7. Juni 1989 - gerichtet an den amtsführenden Stadtrat Dr. C - zur Kenntnis gelangt sei, wonach er unter Berufung auf die Meinung des OSR Dr. B tatsachenwidrig behaupte, daß seit jeher bei ihm der Wunsch bestanden hätte, aus dem beim Magistrat bestehenden Weisungszusammenhang herausgenommen zu arbeiten, was in der Magistratsabteilung 52 (durch unmittelbare Unterstellung unter die damalige Abteilungsleiterin) erfolgt sei, jedoch zu keinem Erfolg geführt hätte. Diese Feststellung habe er bei seiner Akteneinsicht vor elf Tagen (Anmerkung: berechnet vom Schreiben des Beschwerdeführers vom 21. November 1989) treffen können. Aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers ergebe sich somit zweifelsfrei, daß hinsichtlich dieses Vorbringens die Frist des § 69 Abs. 2 AVG nicht gewahrt worden sei. Der Beschwerdeführer habe nämlich nach eigenen Angaben zumindestens am 10. November 1989 von dem Sachverhalt Kenntnis erlangt.

Die Anträge des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Ruhestandsversetzungsverfahrens vom 31. Oktober, 5. und 7. November 1990 bezögen sich auf das beim Landesgericht für Strafsachen Wien zur GZ 3a E Vr 6.048/88 anhängige Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 297 Abs. 1 StGB und die in diesem Verfahren erfolgten Zeugenaussagen von Magistratsvizedirektor Dr. D, OSR Dr. E sowie SR Dr. F, OMR Dr. G, SR Dr. H und SR Dr. U. Aus den Sitzungsprotokollen über die Hauptverhandlung gehe eindeutig hervor, daß die Einvernahme der angeführten Zeugen am 11. Oktober 1990 erfolgt sei. Der Beschwerdeführer und sein Verteidiger seien bei der Hauptverhandlung anwesend gewesen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit eines Wiederaufnahmeantrages die Kenntnis des Beweismittels (in der Hauptverhandlung), nicht erst das Gerichtsurteil maßgebend (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juni 1971, Zl. 165/71). Auf den gegenständlichen Fall bezogen ergäbe dies, daß die 14-tägige Frist des § 69 Abs. 2 AVG somit am 11. Oktober 1990 zu laufen begonnen habe und nicht, wie der Beschwerdeführer vermeine, erst mit der Übergabe des Gerichtsprotokolls über die Hauptverhandlung.

Was die rechtliche Qualifikation solcher Zeugenaussagen als Wiederaufnahmsgrund anlange, habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. Jänner 1972, Zl. 1567 und 1568/71, ausgeführt, daß eine nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens getätigte gerichtliche Zeugenaussage keine neu hervorgekommene, sondern eine neu entstandene Tatsache sei, welche ein Wiederaufnahmeverfahren nicht ermögliche. Das gerichtliche Urteil vom 24. Oktober 1990 könne jedenfalls nicht als neu hervorgekommenes Beweismittel im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG angesehen werden. Der Verwaltungsgerichtshof habe dazu in seinem Erkenntnis vom 30. September 1985, Zl. 85/10/0067, ausgeführt, daß eine gerichtliche Entscheidung weder eine Tatsache, noch - für sich - ein Beweismittel im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG sei. "Tatsache" könne nur ein Element jenes Sachverhaltes sein, der von den Behörden des wiederaufzunehmenden Verfahrens zu beurteilen sei; darunter falle nicht eine spätere rechtliche Beurteilung eben dieses Sachverhaltes. Als "Beweismittel" komme nicht die gerichtliche Entscheidung selbst, sondern allenfalls darin verwertete "neu hervorgekommene Beweismittel" in Frage.

Der Beschwerdeführer habe letztlich seinen Antrag vom 27. November 1990 auf Wiederaufnahme des Ruhestandsversetzungsverfahrens mit neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismitteln in einem Verfahren vor der gemeinderätlichen Personalkommission begründet. In diesem Antrag habe er ausgeführt, daß die gemeinderätliche Personalkommission mit Bescheid vom 22. November 1990, in Punkt 1 des Spruches nachfolgende Feststellung getroffen habe:

"1. Die gemeinderätliche Personalkommission stellt gemäß § 47 Abs. 2 des Wiener Personalvertretungsgesetzes - W-PVG, LGBl. für Wien Nr. 49/1985, fest, daß die Geschäftsführung des Hauptausschusses der Hauptgruppe I insoweit gesetzwidrig war, als der Hauptausschuß es hingenommen hat, daß ihm über die beabsichtigte Ruhestandsversetzung des Antragstellers nicht berichtet wurde."

Hinsichtlich der Frage der Rechtzeitigkeit dieses Antrages sei aus dem gegenständlichen Akt der gemeinderätlichen Personalkommission festzustellen, daß der Beschwerdeführer schon in seinem Antrag an die genannte Kommission vom 29. Juni 1990 auf die Verletzung der Personalvertretungsvorschriften hingewiesen und ausgeführt habe, daß der Hauptausschuß der Hauptgruppe I mit seinem Antrag auf Versetzung in den Ruhestand nicht befaßt worden sei. Was den Bescheid der gemeinderätlichen Personalkommission vom 22. November 1990 anlange, könne dieser jedenfalls nicht als ein neu hervorgekommenes Beweismittel im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG angesehen werden. Bei Tatsachenbehauptungen sei aber entscheidend, wann die Partei Kenntnis von diesen Tatsachen erhalten habe. Aus den getroffenen Feststellungen ergebe sich zweifelsfrei, daß auch bei diesem Wiederaufnahmeantrag die Frist des § 69 Abs. 2 AVG nicht eingehalten worden sei.

Aus den angeführten Gründen seien die angegebenen Wiederaufnahmeanträge gemäß § 69 Abs. 2 AVG zurückzuweisen, in bezug auf die im Spruch zitierte gerichtliche und verwaltungsbehördliche Entscheidung gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG abzuweisen gewesen.

Abschließend weist die belangte Behörde auf die für die Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführes maßgebenden Feststellungen über die Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers hin und zieht daraus den Schluß, daß der Versuch des Beschwerdeführers über seine Wiederaufnahmeanträge und die damit verbundenen vorgebrachtenen Argumente an diesem Verfahrensgegenstand überhaupt vorbeigehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 69 Abs. 1 des gemäß § 1 Abs. 1 DVG anwendbaren AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens u.a. stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

1.

der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2.

neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnisse des Verfahren voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, ....

Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist die Verfügung, ein bereits abgeschlossenes Verfahren neuerlich durchzuführen, weil - aus den im Gesetz genannten besonderen Gründen - die Richtigkeit der Sachentscheidung im ersten Verfahren in Frage gestellt erscheint.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in einem anderen den Beschwerdeführer betreffenden Wiederaufnahmeverfahren bereits dargelegt hat, kann der Tatbestand des Erschleichens nie von der Behörde verwirklicht werden (vgl. Erkenntnis vom 19. Februar 1992, Zl. 91/12/0296). Ein Fehlen der Angaben über die Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages kann nicht als Formgebrechen im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG angesehen werden und ist daher nicht verbesserungsfähig (vgl. beispielsweise Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1971, Slg. NF Nr. 7944/A).

1. Zum Wiederaufnahmeantrag vom 17. September 1990:

Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, das von ihm als Wiederaufnahmegrund nach Akteneinsicht beim Verwaltungsgerichtshof geltend gemachte Schreiben "Dris. A vom 7. Juni 1990" (richtig: 1989) sei zwar bereits Gegenstand eines vorangegangenen Wiederaufnahmeantrages gewesen, dieser sei aber im Zusammenhang mit einem anderen Verfahren gestanden. Das Schreiben Dris. A. sei gleichsam nur "Vorgeschichte", die in Verbindung mit der Stellungnahme Dris. B eine "weitere Aufhellung" erfahren habe und so weiterer Grund für eine Wiederaufnahme sein könne. Inhaltlich gehe es bei den in Frage stehenden Äußerungen um die Behauptung, der Beschwerdeführer habe eine "extrem weisungsfreie Tätigkeit beim Magistrat angestrebt".

Dem Beschwerdeführer ist zu entgegnen, daß sein Wiederaufnahmeantrag überhaupt keine konkreten Zeitangaben enthält. Die zeitliche Angabe "bei der Akteneinsicht im Verwaltungsgerichtshof in der Pensionierungssache" genügt insbesondere bei der Lage des Falles (der Beschwerdeführer hat eine Vielzahl von Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof sowohl in seiner Pensionssache als auch in anderen Dienstrechtsangelegenheiten angestrengt) keineswegs. Schon deshalb ist die belangte Behörde zutreffend mit einer Zurückweisung des Antrages vorgegangen.

2. Zu den Wiederaufnahmeanträgen vom 31. Oktober, 5. November und 7. November 1990:

Diese beziehen sich auf Zeugenaussagen in dem einleitend genannten, gegen den Beschwerdeführer angestrengten Strafverfahren. Der Beschwerdeführer meint, er habe von den Zeugenaussagen - obwohl er nicht in Abrede stellt, bei der Verhandlung am 11. Oktober 1990 anwesend gewesen zu sein - erst nach Ausfolgung der schriftlichen Übertragung des Protokolles Kenntnis erlangt.

Rechtlich zutreffend hat die belangte Behörde unter Angabe der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargelegt, daß für die Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages die Kenntnis des Beweismittels und nicht erst das Gerichtsurteil maßgebend ist. Gleiches gilt für die schriftliche Ausfertigung des Protokolls. Es wurden daher diese Wiederaufnahme-Anträge zutreffend als verspätet angesehen.

Was die Geltendmachung des Freispruches vom 24. Oktober 1990 in dem genannten Strafverfahren betrifft (Wiederaufnahmeantrag vom 31. Oktober 1990), hat die belangte Behörde - wie vorher bereits in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargestellt - unter Angabe von Judikatur zutreffend ausgeführt, daß als Beweismittel nicht die gerichtliche Entscheidung selbst, sondern allenfalls darin verwertete, neu hervorgekommene Beweismittel in Frage kommen, weil Tatsache nur ein Element jenes Sachverhaltes sein kann, der von der Behörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren zu beurteilen war, nicht aber eine spätere rechtliche Beurteilung dieses Sachverhaltes. Was die Geltendmachung des Gerichtsurteiles betrifft, ist der Wiederaufnahmeantrag daher schon aus diesem Grund zu Recht abgewiesen worden.

3. Zum Wiederaufnahmeantrag vom 27. November 1990:

Diesen Antrag bezeichnet der Beschwerdeführer als weitere Ausführung seines Antrages auf Wiederaufnahme vom 31. Oktober 1990, aber auch als eigenständigen Antrag. Als Beweismittel für das wiederaufzunehmende Verfahren nennt der Beschwerdeführer den Bescheid der gemeinderätlichen Personalkommission vom 22. November 1990.

Dem ist die belangte Behörde im wesentlichen damit entgegengetreten, daß der Beschwerdeführer bereits auf Grund seines in diesem Verfahren gestellten Antrages vom 29. Juni 1990 Kenntnis von der Tatsache gehabt habe. Was den Bescheid an sich betrifft, handelt es sich - wie vorher im Zusammenhang mit dem Gerichtsurteil dargestellt - nicht um ein neu hervorgekommenes Beweismittel, sondern um ein neu entstandenes.

Dagegen bringt der Beschwerdeführer, auch unter Hinweis auf § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG, im wesentlichen vor, Zweck des Wiederaufnahmeverfahrens sei es gerade, jenes "Faktenmaterial in das neu eröffnete Verfahren hereinzubringen, was bisher bewußt oder unbewußt nicht geschehen" sei. "Neue Tatsachen (hervorgekommene) und neue Beweismittel (hervorgekommene) und solche später entstandene Beweismittel über Tatsachen aus der Vergangenheit vor der Bescheiderlassung" seien einem eigenen Verfahren zur Verwertung vorbehalten, nämlich dem Wiederaufnahmeverfahren.

Für eine gerichtlich strafbare Handlung im Bereich der Behörde gibt es keinen Ansatzpunkt. Was den Hinweis auf den Erschleichungstatbestand betrifft so kann ein solcher nicht von der Behörde verwirklicht werden (vgl. Erkenntnis vom 19. Februar 1992, Zl. 91/12/0296). Der Beschwerdeführer irrt, wenn er im Wiederaufnahmeverfahren die Verwertung neu entstandener Beweismittel begehrt. Insoferne der Beschwerdeführer die Feststellung der gemeinderätlichen Personalkommission über die Geschäftsführung des Hauptausschusses der Hauptgruppe I als Tatsache geltend machen will, ist ihm zu entgegnen, daß es sich bei dieser bescheidmäßigen Feststellung um eine rechtliche Wertung und nicht um eine Tatsache handelt.

Im übrigen wird auch auf die Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1990, Zl. 89/12/0143, hingewiesen.

Die im angefochtenen Bescheid erfolgte Zurückweisung bzw. Abweisung von Wiederaufnahmeanträgen war aus diesen Gründen nicht als rechtswidrig zu erkennen und die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991120065.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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