TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/26 2000/02/0013

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Veröffentlicht am 26.05.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der S in R, vertreten durch Dr. Erich Moser, Rechtsanwalt in 8850 Murau, Schwarzenbergsiedlung 114, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 24. November 1999, Zl. LGS 600/RALV/1218/1999-Mag.Ed/S, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte ist auf das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, Zl. 97/08/0485, zu verweisen. Mit diesem hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 9. Juli 1997 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; die belangte Behörde sei - trotz des Zitates der Bestimmung - nicht davon ausgegangen, dass Arbeitswilligkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 erster Gedankenstrich AlVG nicht vorliege, sondern habe das in der Vergangenheit gelegene Verhalten der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit zwei Vermittlungsversuchen als Indiz für ihre mangelnde Verfügbarkeit gewertet. Demzufolge sei die Einstellung der Notstandshilfe nicht wegen Arbeitsunwilligkeit, sondern wegen mangelnder Verfügbarkeit vorgenommen worden. Es erweise sich aber die Rechtsauffassung der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin für eine "Vollbeschäftigung" zur Verfügung stehen müsse, um verfügbar im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG zu sein, als rechtsirrig. Es könne auch die von der belangten Behörde aus den getroffenen Tatsachenfeststellungen gezogene Schlussfolgerung, die Beschwerdeführerin stehe einer Arbeitsvermittlung schlechthin nicht zur Verfügung, aus näher angeführten Erwägungen nicht geteilt werden.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. November 1999 gab diese der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 26. Mai 1997 nicht statt und änderte den Bescheid der Behörde erster Instanz dahingehend "ab", dass die Notstandshilfe "gemäß §§ 7 Abs. 1 bis 3, 9 Abs. 1, 24 Abs. 1 und 38 AlVG auf Grund mangelnder Arbeitswilligkeit ab 14.05.1997 eingestellt" werde.

Die Beschwerdeführerin sei vom 1. September 1982 bis zum 19. August 1993 mit Unterbrechungen wegen Karenzgeldbezuges bei ihrem Gatten beschäftigt gewesen; danach sei sie im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gestanden, bis am 13. Mai 1997 der Notstandshilfebezug eingestellt worden sei. Davor sei der Beschwerdeführerin am 5. April 1997 eine Stelle bei den Stadtwerken zugewiesen worden, bei denen sie sich "letztendlich spät aber doch" am 22. April 1997 "mit negativem Ergebnis" vorgestellt habe.

Bei der zugewiesenen Stelle im Gasthaus H. hätte die Beschwerdeführerin dem Dienstgeber erklärt, nicht im Gastgewerbe arbeiten zu wollen und außerdem Betreuungspflichten für vier Kinder zu haben.

Am 14. Mai 1997 sei mit der Beschwerdeführerin eine Niederschrift aufgenommen worden, in der sie angegeben habe, bereit zu sein, eine zumutbare Stelle anzunehmen und in der Früh ab 07.30 Uhr bis 08.00 Uhr zur Verfügung zu stehen. Die Nachmittagsbetreuung (der Kinder) würde bei einer möglichen Arbeitsaufnahme geregelt werden, die Tagesmutter in S. sei derzeit ausgebucht; die Beschwerdeführerin würde "sowieso die Betreuung lieber nach dem Arbeitsort ausrichten".

Bei der ersten Bewerbung bei den Stadtwerken sei die Arbeitsunwilligkeit der Beschwerdeführerin dadurch dokumentiert, dass ihr der Stellenvorschlag am 5. April 1997 unterbreitet worden sei und sie sich bis zum 22. April 1997 dort nicht vorgestellt hätte; ihre Angabe, "diese Stelle sehr gerne gehabt zu haben", werde dadurch "lügengestraft".

Hinsichtlich der zweiten Zuweisung in einen Gastbetrieb werde auf Grund der Einwände der Beschwerdeführerin, nicht im Gastgewerbe arbeiten zu wollen bzw. Betreuungspflichten für vier Kinder zu haben, festgestellt, dass deshalb die Arbeitswilligkeit zu verneinen sei.

Es werde somit "festgestellt", dass die Beschwerdeführerin nicht bereit gewesen sei, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen und daher Arbeitswilligkeit nicht vorliege. Da "dies" aber "eines der Kriterien für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe" sei, sei der erstinstanzliche Bescheid zu Recht ergangen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) ist das Arbeitslosengeld einzustellen, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt. Nach § 7 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Gemäß Abs. 2 leg. cit. steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer unter anderem arbeitswillig (§ 9) ist. Nach § 38 AlVG sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 (das sind jene über das Arbeitslosengeld) sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Zumutbar ist gemäß Abs. 2 erster Satz leg. cit. eine Beschäftigung, die den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert. Nach § 9 Abs. 3 AlVG ist eine Beschäftigung außerhalb des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Arbeitslosen zumutbar, wenn hiedurch die Versorgung seiner Familienangehörigen, zu deren Unterhalt er verpflichtet ist, nicht gefährdet wird und am Orte der Beschäftigung, wenn eine tägliche Rückkehr an den Wohnort nicht möglich ist, entsprechende Unterkunftsmöglichkeiten bestehen.

Die belangte Behörde stützt ihren Bescheid sachverhaltsmäßig auf die oben wieder gegebenen Feststellungen betreffend die zugewiesenen Stellen bei den Stadtwerken und im Gasthaus H.

Was die erstgenannte zugewiesene Stelle (Stadtwerke) betrifft, so hat die belangte Behörde das Verstreichen des Zeitraumes vom 5. April 1997 bis zur Vorstellung am 22. April 1997 als Indiz für die Arbeitsunwilligkeit der Beschwerdeführerin angesehen. Dem hält die Beschwerdeführerin nur entgegen, es sei nicht festgestellt worden, wann ihr der Stellenvorschlag vom 5. April 1997 zugekommen sei, weiters stünden die näheren Umstände für die Vorstellung nicht fest; "es dürfte auch der belangten Behörde nicht unbekannt sein, dass die Geschäftsführung eines Unternehmens ... z.B. auf Urlaub ist, andere Termine hat bzw. Termine langfristig koordiniert, etc., so dass Vorstellungsgespräche nicht von einem Tag auf den anderen statt finden können". - Damit aber hat die Beschwerdeführerin kein konkretes Vorbringen erstattet, warum sie nach der Stellenzuweisung am 5. April erst am 22. April 1997 zum Vorstellungsgespräch erschienen ist. Ihrem Vorbringen ist jedenfalls eine schlüssige Erklärung für das Verstreichen des Zeitraumes zwischen 5. und 22. April 1997 nicht zu entnehmen. Die belangte Behörde konnte daher zutreffend auf den Mangel der Arbeitswilligkeit schließen. Damit wäre allenfalls - was hier jedoch im Hinblick auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides nicht zu beurteilen ist - ein temporärer Verlust des Arbeitslosengeldes im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG verbunden (vgl. etwa zur Unterlassung einer Bewerbung mehr als zwei Wochen lang das hg. Erkenntnis vom 10. November 1998, Zl. 98/08/0236). Voraussetzung für die Einstellung der Notstandshilfe mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 24 Abs. 1 AlVG iVm § 38 AlVG ist jedoch die generelle Ablehnung der Annahme jedweder zumutbaren (die Arbeitslosigkeit ausschließenden) Beschäftigung (vgl. die beiden hg. Erkenntnisse je vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0235 und Zlen. 94/08/0252, 95/08/0001; je mit weiteren Nachweisen).

Die Annahme einer die Einstellung der Notstandshilfe im Sinne des Bescheides der belangten Behörde rechtfertigenden Arbeitsunwilligkeit könnte indes im Beschwerdefall dann berechtigt sein, wenn man auch noch die Vorgänge um die zugewiesene Stelle im Gasthaus H. miteinbezieht. Hiezu hat die belangte Behörde die Feststellung getroffen, die Beschwerdeführerin habe angegeben, nicht im Gastgewerbe arbeiten zu wollen bzw. Betreuungspflichten für vier Kinder zu haben.

Die Beschwerdeführerin rügt in diesem Zusammenhang zutreffend, dass sich die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung in keiner Weise mit dem Berufungsvorbringen auseinandergesetzt habe. Darin habe sie erklärt, die am 14. Mai 1997 aufgenommene Niederschrift sei missverständlich. Sie habe nicht angegeben, dass die Frage der Kinderbetreuung noch nicht geklärt sei, sondern dass sich die Kinderbetreuung nach dem Ort der Arbeit richten werde; es sei ihr nicht bekannt, dass die Kinder schon vor Arbeitsaufnahme von jemandem anderen als von ihr betreut werden müssten. Auf keinen Fall aber habe sie die Aussage gemacht, dass sie nicht im Gastgewerbe arbeiten werde und nur eine Bürotätigkeit annehme. Auch die als möglicher Arbeitsbeginn angegebene Uhrzeit von 07.30 Uhr bis 08.00 Uhr sei nur in dem Sinne zu verstehen gewesen, dass ein Arbeitsbeginn um diese Zeit für sie von Vorteil sei.

Die belangte Behörde hat sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht erkennbar mit diesem Berufungsvorbringen auseinandergesetzt; es ist daher für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachzuvollziehen, wie die belangte Behörde zu den von ihr getroffenen Feststellungen unter Berufung auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin gelangt.

Die belangte Behörde hat daher in diesem - wesentlichen - Punkt ihrer sich aus § 60 AVG ergebenden Pflicht zur Begründung nicht entsprochen; der bekämpfte Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Daran ändert auch nichts, dass der Gegenschrift der belangten Behörde zu entnehmen ist, sie habe sich auf eine "in der EDV des Arbeitsmarktservice vom 15. Mai 1997 vorgenommene Eintragung" betreffend ein Telefongespräch mit einem Vertreter des Gasthauses H. gestützt. - Abgesehen davon, dass dies der Bescheidbegründung nicht zu entnehmen ist, bringt die Beschwerdeführerin - nach der Aktenlage zutreffend - vor, ihr sei diese Auskunft im Verwaltungsverfahren unbekannt geblieben; bei einem entsprechenden Vorhalt hätte sie die Einvernahme des Vertreters zum Nachweis dafür beantragt, dass sie einen Arbeitsplatz in der Gastwirtschaft nicht ausgeschlagen habe. - Selbst bei Berücksichtigung der Ausführungen in der Gegenschrift hätte die belangte Behörde somit ohne Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör nicht zu der von ihr gemachten Feststellung gelangen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, wobei allerdings zu berücksichtigen war, dass die Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG nur S 2.500,-- und nicht S 2.550,-- beträgt. Das diesbezügliche Mehrbegehren war daher abzuweisen.

Wien, am 26. Mai 2000

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000020013.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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