TE OGH 2017/11/29 8Ob134/17i

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Veröffentlicht am 29.11.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Steiermark, *****, vertreten durch Mag. Gerald Leitgeb, Rechtsanwalt in Stallhofen, gegen die beklagte Partei M***** W*****, vertreten durch Mag. Katharina Jürgens-Schak, Rechtsanwältin in Graz, wegen 10.696 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 22. Juni 2017, GZ 5 R 93/17h-50, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 7. März 2017, GZ 203 C 412/16m-45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Im Zeitraum von November 2008 bis August 2012 wurde der Beklagten vom klagenden Land Wohnbeihilfe gemäß § 17 des Stmk WBFG 1993 (weiter-)gewährt. Diesen Zusagen des Landes lagen jeweils Ansuchen der Beklagten um Gewährung der Wohnbeihilfe zugrunde. Darin führte die Beklagte an, gemeinsam mit ihren beiden minderjährigen Töchtern in der fraglichen Wohnung zu wohnen. Tatsächlich lebte auch der Vater der beiden Kinder in dieser Wohnung. Dabei war er häufig zu Hause, weil er oft arbeitslos war; nur von Frühjahr 2009 bis Ende 2010 betrieb er ein Lokal. Die Beziehung zwischen ihm und der Beklagten dauerte von Juni 2007 bis Oktober 2014.

Das klagende Land begehrte die Rückzahlung der Wohnbeihilfe. Die Beklagte habe in ihren Ansuchen nicht angegeben, dass auch der Vater ihrer Kinder in der Wohnung lebe. Sie habe die Wohnbeihilfe daher zu Unrecht bezogen, weshalb diese zurückgefordert werde.

Die Beklagte entgegnete, dass der Vater ihrer Kinder seit Anfang 2008 nicht mehr mit ihr im selben Haushalt lebe. Er habe sich nur zur Betreuung der Kinder und zur Vornahme von Reparaturen in der Wohnung aufgehalten. Davon abgesehen habe sie zu jedem Zeitpunkt alle Voraussetzungen für den Bezug der Wohnbeihilfe erfüllt. Gehe man tatsächlich von einer Wohngemeinschaft mit dem Vater ihrer Kinder aus, so hätte sie sogar einen Anspruch auf eine höhere Wohnbeihilfe gehabt, weil der Vater der Kinder über kein regelmäßiges Einkommen verfügt habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Gemäß § 20 Abs 3 des Stmk WBFG 1993 sei der Förderungswerber verpflichtet, sämtliche Tatsachen, die eine Änderung der Höhe der Wohnbeihilfe zur Folge haben könnten, innerhalb eines Monats nach deren Bekanntwerden anzugeben. Gemäß § 20 Abs 4 leg cit sei eine zu Unrecht empfangene Wohnbeihilfe zurückzuzahlen. Die Beklagte habe die Wohnbeihilfe zu Unrecht empfangen, weil sie ihre Meldepflicht verletzt habe. Ob und in welchem Ausmaß die wahren Umstände zu einer Änderung der beantragten Wohnbeihilfe geführt hätten, bleibe unerheblich.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Beklagte habe die ihr obliegenden Anzeigepflichten gemäß §§ 19, 20 des Stmk WBFG 1993 verletzt und die Wohnbeihilfe daher zu Unrecht bezogen. Das klagende Land habe die Rückzahlung zu Recht gefordert. Ergänzende Feststellungen seien nicht erforderlich. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen gewesen seien.

Über Antrag der Beklagten nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil nicht von der Hand zu weisen sei, dass eine Verletzung der Meldepflicht nicht notwendigerweise zu einer zu Unrecht bezogenen Wohnbeihilfe führe; eine Auseinandersetzung mit dem Einwand der Beklagten, die Berücksichtigung des einkommenslosen Vaters der beiden Kinder würde zu einer Erhöhung der Wohnbeihilfe führen, habe im bisherigen Verfahren nicht stattgefunden.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten, die auf eine Abweisung des Rückforderungsbegehrens abzielt. Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt das klagende Land, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen die Voraussetzungen für die Rückforderung einer gewährten Wohnbeihilfe nach dem Stmk WBFG 1993 unrichtig gelöst haben. Dementsprechend ist die Revision im Sinn des subsidiären Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1.1 Das Verfahren befindet sich bereits im dritten Rechtsgang. Die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs wurde bisher weder von den Parteien noch von den Vorinstanzen thematisiert. Die bloß implizite Bejahung der Rechtswegszulässigkeit durch meritorische Behandlung würde für die bindende Bejahung der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs nicht ausreichen (8 Ob 47/14s).

1.2 Mit Wohnbeihilfen nach landesgesetzlichen Wohnbauförderungsgesetzen hat sich der Oberste Gerichtshof vor allem im Unterhaltsrecht beschäftigt. In der Entscheidung zu 1 Ob 65/05y wurde zur Wohnbeihilfe nach dem Wiener WWFSG im Zusammenhang mit einer dazu ergangenen Verordnung der Wiener Landesregierung – unter Hinweis auf 1 Ob 570/95 (SZ 68/157) – ausgesprochen, dass der Bezug von Wohnbeihilfe durch einen bestehenden Unterhaltsanspruch nicht ausgeschlossen sei, weshalb die Wohnbeihilfe als öffentlich-rechtliche Sozialleistung als ein in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehender Einkommensbestandteil zu behandeln sei. Maßgebend für diese Beurteilung war der Umstand, dass die Wohnbeihilfe nicht der Abdeckung konkreter Mehrkosten etwa aufgrund einer Behinderung dient, sondern vielmehr für die Deckung eines unzumutbaren Wohnungsaufwands gewährt wird, der einen typischen Unterhaltsbedarf darstellt (6 Ob 89/01h; 1 Ob 231/10t). Die Einrechnung der Wohnbeihilfe in die Unterhaltsbemessungsgrundlage sagt aber nichts über ihre allfällige Qualifikation als öffentlich-rechtlicher Anspruch aus. Dafür ist die gesetzliche Regelung insbesondere über die Ausgestaltung der Gewährung und der Rückforderung der Beihilfe maßgebend.

Für eine Zuordnung zum öffentlichen Recht spricht auf den ersten Blick auch der Umstand, dass eine Reihe von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs die Gewährung oder die Rückforderung von Wohnbeihilfen nach verschiedenen landesgesetzlichen Regelungen zum Gegenstand haben (VwGH 86/05/0099; 87/05/0108; 95/05/0271; 2007/05/0166; 2011/05/0088). Für solche Regelungen ist charakteristisch, dass die Geldleistungen einen unzumutbaren Wohnungsaufwand des Beihilfenwerbers abdecken sollen. Für den Fall, dass die Wohnbeihilfe zu Unrecht in Anspruch genommen wurde, werden regelmäßig Rückzahlungsverpflichtungen normiert. Inhaltlich liegen auch im Anlassfall vergleichbare Regelungen zur Wohnbeihilfe nach dem Stmk WBFG 1993 vor.

1.3 Demgegenüber entspricht es der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass Förderungszusicherungen der Länder jedenfalls über die Gewährung eines Förderdarlehens nach den Wohnbauförderungsgesetzen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung ergangene privatrechtliche Erklärungen darstellen. Die Rechtsdurchsetzung hat in diesem Fall im ordentlichen Rechtsweg zu erfolgen (1 Ob 60/90; 5 Ob 24/13k; 8 Ob 10/14z). Maßgebend für die Zuordnung zur Hoheitsverwaltung oder zur Privatwirtschaftsverwaltung sind nach der Rechtsprechung die rechtstechnischen Mittel, die der Gesetzgeber zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgaben bereitstellt. Im Zweifel agiert die Behörde gerade bei Förderungsleistungen im Bereich der Privatwirtschafts-
verwaltung. Sobald sich der fördernde Rechtsträger privatrechtlich zu einer bestimmten Leistung verpflichtet hat, ist der vertraglich zugesicherte Anspruch wie jeder privatrechtliche Anspruch klagbar. Nur dann, wenn die Förderung ausnahmsweise mit Bescheid erfolgt, ist der Anspruch im öffentlich-rechtlichen Verfahren durchsetzbar (4 Ob 82/93; 1 Ob 98/16t EvBl 2017/75; 8 Ob 79/17a). In diesem Sinn judiziert auch der Verwaltungsgerichtshof, dass die Erledigung eines Förderansuchens nicht mit Bescheid zu erfolgen hat, wenn die Gewährung von Fördermitteln des Wohnbaus oder der Wohnhaussanierung aus der Hoheitsverwaltung herausgenommen wurde (VwGH 87/05/0198; 96/05/0269).

1.4 Nach § 17 Abs 4 des Stmk WBFG 1993 wird die Wohnbeihilfe über Ansuchen gewährt. Innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Ansuchens hat eine Erledigung zu erfolgen. Nach § 47 Abs 1 leg cit ist dem Förderungswerber im Fall der Erledigung im Sinn des Ansuchens eine schriftliche Zusicherung (Zusage) zu erteilen.

Dementsprechend erfolgte die Gewährung auch im Anlassfall – im Einklang mit dem Vorbringen des klagenden Landes – nicht mittels Bescheids, sondern aufgrund eines Erledigungsschreibens. Gleiches gilt für die Rückforderung, die mit einem Rückforderungsschreiben begehrt wurde. In der Information des klagenden Landes über die Gewährung von Wohnbeihilfe für Mietwohnungen ist angeführt, dass auf die Gewährung einer Wohnbeihilfe kein Rechtsanspruch besteht. Mit der Erteilung der Förderungszusicherung erwirbt der Förderungswerber einen im ordentlichen Rechtsweg durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Förderung in der zugesicherten Höhe und Art.

Damit erfolgt nach den hier einschlägigen Vorschriften die Gewährung der Wohnbeihilfe im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung. Gleiches gilt für die Rückforderung. Im Anlassfall ist die Zulässigkeit des Rechtswegs daher zu bejahen.

2.1 Die Gewährung der Wohnbeihilfe ist an gesetzliche Voraussetzungen geknüpft. Bei Wegfall dieser Voraussetzungen erlischt der Anspruch auf Wohnbeihilfe (§ 20 Abs 2 des Stmk WBFG 1993). Nach § 19 Abs 1 leg cit ist die Höhe der Wohnbeihilfe vom (tatsächlichen sowie zumutbaren) Wohnungsaufwand zum Zeitpunkt der Einbringung des Ansuchens abhängig. Der Wohnungsaufwand ist nach Abs 2 und 3 leg cit wiederum von der Anzahl der in der Wohnung lebenden Personen sowie von deren Einkommen abhängig. § 20 Abs 3 und 4 leg cit lauten:

„(3) Der Förderungswerber ist verpflichtet, sämtliche Tatsachen, die eine Änderung der Höhe der Wohnbeihilfe oder den Verlust des Anspruches zur Folge haben können, innerhalb eines Monats nach deren Bekanntwerden anzuzeigen.

(4) Eine zu Unrecht empfangene Wohnbeihilfe ist außer in besonders begründeten Härtefällen zurückzuzahlen.“

Derartige Rückforderungsbestimmungen sind in den meisten Fällen, in denen „Sozialleistungen“ oder Sozialversicherungsleistungen gewährt werden, vorgesehen. Solche Leistungen werden auf der Basis einer Reihe von Bundes- und Landesgesetzen gewährt. Ihrer Art nach vergleichbare Rückforderungsbestimmungen wie im Anlassfall, die an einen zu Unrecht erfolgten Bezug anknüpfen, finden sich etwa in § 107 ASVG, §§ 24, 25 AlVG, § 12 BPGG, § 31 KBGG, § 26 FLAG oder für Leistungen nach dem Tiroler RehabilitationsG (§ 28).

2.2 Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann abgeleitet werden, dass die Wendung „zu Unrecht empfangen“ den unrechtmäßigen Bezug ausdrückt. So hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in der Entscheidung zu Zl 2008/15/0323 ausgesprochen, dass § 26 FLAG eine objektive Erstattungspflicht desjenigen normiere, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen habe. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Geldbezüge sei von subjektiven Momenten unabhängig. In der Entscheidung zu Zl 2006/13/0174 wurde dazu beurteilt, dass das den gutgläubigen Verbrauch der bezogenen Leistung betreffende Argument nicht tragfähig sei, weil die Verpflichtung zur Rückerstattung zu Unrecht bezogener Beihilfen von subjektiven Momenten unabhängig und allein an die Voraussetzung des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug geknüpft sei. Schließlich wurde in der Entscheidung zu Zl 90/19/0011 ausgeführt, dass der Beschwerdeführer jene Beihilfenbezüge, die er nach dem eingetretenen Anspruchsverlust bezogen habe, zu Unrecht empfangen habe. An der Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Rückzahlung der nach dem Wirksamwerden des Erlöschens des Anspruchs noch bezogenen (Blinden-)Beihilfe könne daher kein Zweifel bestehen.

2.3 Der Oberste Gerichtshof hat sich in der Entscheidung zu 10 ObS 91/88 mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit ein formell aufrechter Gewährungsbescheid gegen die Rückforderung spricht. In dieser Entscheidung gelangte der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis, dass der Rückforderungstatbestand „zu Unrecht erbracht“ im materiellen Sinn zu verstehen ist. Für die Rückforderung aufgrund der Wendung „zu Unrecht erbracht“ komme es daher darauf an, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erbringung der Leistung erfüllt waren.

2.4 Diese Entscheidungen sprechen dafür, dass für die Rückforderung einer „zu Unrecht in Anspruch genommenen Sozialleistung“ an das Nichtvorliegen der Anspruchsvoraussetzungen, also materiell, anzuknüpfen ist. Entscheidend ist somit, ob und inwieweit der Anspruch erschlichen wurde oder weggefallen ist.

2.5 In der Entscheidung zu Zl 90/19/0286 hat der Verwaltungsgerichtshof demgegenüber ausgesprochen, dass die Leistung jedenfalls zu Unrecht empfangen sei, wenn der gesetzlichen Anzeigepflicht nach § 35 des Wiener BehG nicht entsprochen worden sei.

2.6 Die scheinbar widersprüchlichen Lösungsansätze finden ihre Ursache darin, dass die ins Treffen geführten Bestimmungen über die Rückforderung von „Sozialleistungen“ bzw von Sozialversicherungsleistungen in Wirklichkeit grundsätzlich zwei unterschiedliche Rückforderungstatbestände normieren. Der erste Tatbestand betrifft den anfänglichen unberechtigten Bezug aufgrund der Verschweigung relevanter Tatsachen oder der Angabe falscher Tatsachen, der zweite Tatbestand die nachträgliche Änderung der für den Bezug relevanten Umstände (der Bezugsgrundlagen) wegen Verletzung von Anzeige- oder Meldepflichten. Die Wendung „zu Unrecht empfangen“ in den Rückforderungsbestimmungen knüpft somit in Wahrheit an mehrere unterschiedliche Rückforderungstatbestände an (in diesem Sinn auch Pfeil, Ersatz- und Regresspflichten im sonstigen Sozialrecht, in Windisch-Graetz, Haftungsrechtliche Probleme im Sozialrecht, 1 [23 ff]).

3.1 Der Rückforderungswerber hat darzulegen, welchen Rückforderungsfall er geltend macht. Dies hat das klagende Land auch getan und sich auf den ersten Tatbestand berufen. Dementsprechend wurde vorgebracht, dass die Beklagte in ihren Ansuchen um Wohnbeihilfe nicht auf die Wohngemeinschaft mit dem Vater ihrer beiden Kinder hingewiesen habe. Nach den Feststellungen lebte der Vater der Kinder in dem der Rückforderungsklage zugrunde liegenden Zeitraum (November 2008 bis August 2012), also von Anfang des Bezugs an, mit der Beklagten und den beiden Kindern in der in Rede stehenden Wohnung.

3.2 Pfeil (aaO 24) führt in seiner Untersuchung zum hier maßgebenden ersten Rückforderungstatbestand Folgendes aus:

„Wer Sozialleistungen geltend macht, für die bestimmte Voraussetzungen verlangt werden, und für die Beurteilung des Anspruchs erforderliche Umstände verschweigt oder dazu falsche Angaben macht, dem gebühren die betreffenden Leistungen objektiv nicht. Deren Rückforderung setzt freilich voraus, dass die fehlende oder falsche Information kausal für den Bezug war und vor allem dem/der Leistungsempfänger/in auch vorgeworfen werden kann. Viele einschlägige Regelungen stellen dementsprechend auch darauf ab, dass das fragliche Handeln/Unterlassen bewusst erfolgt ist. Selbst ohne diesen Zusatz ist jedoch aus einer systematischen und teleologischen Auslegung der verschiedenen Tatbestände zu folgern, dass hier Fahrlässigkeit nicht genügt, sondern zumindest bedingter Vorsatz vorliegen muss.“

Dieser Lösungsansatz, dem sich der erkennende Senat anschließt, stimmt mit den zuvor dargestellten Entscheidungen insofern überein, als es jedenfalls für den hier maßgebenden ersten Rückforderungstatbestand auf das Nichtvorliegen der Anspruchsvoraussetzungen ankommt und maßgebend ist, ob und inwieweit der Anspruch erschlichen wurde oder weggefallen ist. Der Rückforderungsanspruch soll einen dem Förderungswerber tatsächlich nicht zustehenden Anspruch rückgängig machen, aber nicht eine reine Strafsanktion für sein Fehlverhalten darstellen.

4. Für den Anlassfall bedeutet dies, dass die von der Beklagten geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel zum Bestehen-Bleiben des Anspruchs trotz der verschwiegenen Wohngemeinschaft mit dem Vater ihrer Kinder relevant sind. Die Vorinstanzen haben zu Unrecht auf die Verletzung der Anzeigepflicht nach § 20 Abs 3 des Stmk WBFG 1993 abgestellt, die hier nicht einschlägig ist. Die Anzeigepflicht betrifft nämlich nur den zweiten Rückforderungstatbestand, also die nachträgliche Änderung der für den Bezug relevanten Umstände.

5.1 Der von Pfeil angesprochenen Verschuldenskomponente scheint die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu widersprechen, wonach die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Geldbezüge von subjektiven Momenten unabhängig sei (VwGH 2008/15/0323). Aus der Entscheidung zu Zl 2006/13/0174 ergibt sich jedoch, dass damit der Einwand des gutgläubigen Verbrauchs angesprochen wird. Für den (hier nicht maßgebenden) zweiten Rückforderungstatbestand ist die von Pfeil (aaO 25) dazu vertretene Verschuldenskomponente (im Sinn von Fahrlässigkeit) in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs anerkannt (10 ObS 58/14y).

5.2 Der hier relevante erste Rückforderungstatbestand des Verschweigens relevanter Tatsachen oder der Angabe falscher Tatsachen macht dem Empfänger das Erschleichen der Leistung zum Vorwurf. Das Abstellen auf bewusstes Handeln ist daher sachgerecht. Auch zu diesem Verschuldenselement fehlen Tatsachenfeststellungen.

6. Insgesamt hält die Beurteilung der Vorinstanzen der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht Stand. Zufolge der aufgezeigten relevanten sekundären Feststellungsmängel waren die Entscheidungen der Vorinstanzen in Stattgebung der Revision aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E120331

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00134.17I.1129.000

Im RIS seit

12.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

28.05.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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