TE OGH 2017/10/25 8Ob118/17m

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Veröffentlicht am 25.10.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, den Hofrat Dr. Brenn, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* T*, vertreten durch Dr. Beate Schauer, Rechtsanwältin in Bruck an der Leitha, gegen die beklagte Partei C* B*, vertreten durch Mag. Robert Levovnik, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Schenkungswiderruf (Interesse 67.300 EUR), über die außerordentliche Revison der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 28. Juli 2017, GZ 2 R 116/17x-77, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsfrage, ob eine festgestellte strafgesetzwidrige Handlung eines Beschenkten einen Mangel an dankbarer Gesinnung bekundet, der den Widerruf der Schenkung wegen Undanks nach § 948 ABGB rechtfertigt, ist immer nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden (vgl RIS-Justiz RS0031380; auch RS0079373 [T2]). Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte.

Dies ist hier nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat von einer näheren Bestimmung, was schwere Verfehlung ist, abgesehen, um dem richterlichen Ermessen freien Spielraum zu lassen. Stets ist die Würdigung aller Umstände maßgebend.

Der Revision ist zuzugestehen, dass nicht jede unter den Wortlaut dieser Bestimmung fallende strafbare Handlung schon als grober Undank anzusehen ist, der ein Widerrufsrecht des Geschenkgebers begründet, sondern nur eine solche Handlung, die schwer genug erscheint, um die Entziehung des Geschenks zu rechtfertigen (RIS-Justiz RS0079468). Die Verfehlung des Beschenkten muss derartig sein, dass sie nach den in den Kreisen, denen beide Teile angehören, herrschenden Anschauungen als eine solche Vernachlässigung der Dankespflicht gilt, die eine Entziehung des Geschenks rechtfertigt (RIS-Justiz RS0079367).

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die in einem Provisorialverfahren vor Gericht aufgestellte, bewusst unwahre Behauptung der Beklagten, dass der Kläger sie vergewaltigt und sexuell genötigt habe, nicht nur den äußeren Tatbestand der Verleumdung erfüllte, sondern auch eine Ehrverletzung im Sinne des § 948 ABGB darstellte, ist jedenfalls nicht unvertretbar.

Es trifft zu, dass bei der Beurteilung, ob ein Verhalten des Beschenkten den Widerruf rechtfertigt, auch das Verhalten des Schenkers zu berücksichtigen ist (RIS-Justiz RS0054281). Eine vorausgegangene erhebliche Reizung durch den Schenker kann unter Umständen dem Verhalten des Beschenkten den Charakter des groben Undanks nehmen (RIS-Justiz RS0022117 [T1]). Eine solche Provokation hat es hier jedoch nach den Feststellungen nicht gegeben. Die Verleumdungen im Zuge des Provisorialverfahrens waren keine unmittelbare, kausale Reaktion auf vorangegangene Beschimpfungen durch den Kläger.

Für die Zurechenbarkeit eines sich äußerlich als grober Undank darstellenden Verhaltens des Beschenkten gegenüber dem Schenker ist auch das Bewusstsein des Beschenkten erforderlich, durch sein Verhalten dem Schenker Kränkung zuzufügen. Dabei ist eine Gesamtbeurteilung der Umstände erforderlich (RIS-Justiz RS0079468 [T6]). Die Vorinstanzen haben auch die subjektive Tatseite ohne im Rahmen der außerordentlichen Revision aufzugreifenden Rechtsirrtum bejaht, zumal bindend feststeht, dass die Klägerin es mit ihrem Verhalten darauf angelegt hatte, den Kläger auf Dauer von der Liegenschaft wegweisen zu lassen und damit um die Ausübung seines vereinbarten Wohnrechts zu bringen.

Der Revision ist beizupflichten, dass eine Liegenschaftsschenkung unter Vorbehalt eines Wohn- bzw Fruchtgenussrechts des Geschenkgebers noch keine gemischte Schenkung darstellt, weil es sich bei diesen zurückbehaltenen Rechten um keine Gegenleistung im Sinne eines Kaufpreises handelt, sondern lediglich um Belastungen des Geschenks, die dessen Wert mindern. Ob dies auch auf die übernommene Kreditverpflichtung zutrifft, ob sich die Übernahme durch die Beklagte nur als Ausdruck der Sachhaftung der Liegenschaft darstellte oder der Kläger auch persönlich von seiner Verbindlichkeit gegenüber der Bank befreit wurde, worin sich ein Gegenleistungscharakter manifestiert hätte, kann mangels Entscheidungsrelevanz dahingestellt bleiben.

Die Revision vermag nämlich nicht schlüssig darzustellen, inwiefern die übernommenen Belastungen ein Hindernis für eine Rückstellung nach § 1435 ABGB bilden sollten. Während Wohnrecht bzw Fruchtgenussrecht des Klägers mit der Wiedererlangung seines Eigentumsrechts durch Zusammenfall erlöschen, können etwaige von der Beklagten auf die übernommene Kreditverpflichtung getätigte Zahlungen rückgefordert werden.

Eine tiefgreifende Veränderung der Liegenschaft, die eine Naturalrestitution untunlich erscheinen lassen könnte, sodass nur mehr Wertersatz in Frage käme (RIS-Justiz RS0011108; 2 Ob 10/11a), hat nach den Feststellungen nicht stattgefunden.

Textnummer

E119956

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:E119956

Im RIS seit

06.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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