TE Dok 2016/3/18 02036/9-DK/11

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Veröffentlicht am 18.03.2016
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Norm

BDG 1979 §43 Abs2
StGB §302 Abs1
StGb §310 Abs1

Schlagworte

Dienstpflichtverletzung, Missbrauch der Amtsgewalt, Verletzung des Amtsgeheimnisses

Text

-DOKNR-

DKTE_BMF_20160318_02036_9_DK_11

-ORGAN-

BM für Finanzen

-DOKTYP-

WORD

-DATUM-

20160318

-GZ-

02036/9-DK/11

-NORM-

BDG §43 Abs2

StGB §302 Abs1

StGB §310 Abs1

-SW-

Dienstpflichtverletzung, Missbrauch der Amtsgewalt, Verletzung des Amtsgeheimnisses

-TEXT-

SPRUCH

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen, Senat II, hat nach durchgeführter mündlicher Verhandlung am XX.2016 in XX durch HR Mag. Wolfgang Puchleitner als Senatsvorsitzenden sowie HR Dr. Renate Windbichler und AD RR Michael Krall als weitere Mitglieder des Disziplinarsenats gegen den Beschuldigten (B), Beamter des Finanzamtes XX, in Anwesenheit des Disziplinarbeschuldigten sowie in Anwesenheit des Disziplinaranwaltes HR Dr. Karl Heinz Bramböck und der Schriftführerin AD Martina Mikhail zu Recht erkannt: B ist schuldig, durch die Verwirklichung des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB sowie durch das Vergehen der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs. 1 StGB, wie im Urteil des Landesgerichtes XX vom XX.2015 festgestellt, gegen seine Dienstpflichten gem. § 43 Abs. 2 BDG 1979 schuldhaft verstoßen und dadurch Dienstpflichtverletzungen gem. § 91 BDG 1979 begangen zu haben. Es wird daher über B gemäß § 126 Abs. 2 BDG iVm § 92 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von € 1.000,00 (in Worten: eintausend Euro) verhängt.

Hingegen wird B vom Vorwurf, er habe einen Unternehmer angestiftet, bei einem abzuschließenden Umsatzgeschäft mit ihm dazu beizutragen, die Umsatzsteuer zu verkürzen, wie in Punkt 2 des Einleitungsbeschluss vom XX.2011 ausgeführt wurde, wodurch er gegen seine Dienstpflichten gem. § 43 Abs. 2 BDG 1979 verstoßen habe, unter Bezugnahme auf § 118 Abs. 1 Z 2 BDG 1979 freigesprochen.

B hat gemäß § 117 Abs. 2 BDG 1979 die Kosten des Verfahrens, soweit sie durch die Reisekosten des Disziplinarsenates und der Schriftführerin zur mündlichen Verhandlung in Salzburg begründet sind, zu ersetzen. Die Verfahrenskosten werden in einem gesonderten Bescheid festgesetzt.

Begründung

Verwendete Abkürzungen:

AD: Amtsdirektor

AS: Aktenseite

BDG: Beamten-Dienstrechtsgesetz

BMF: Bundesministerium für Finanzen

FA: Finanzamt

StPO: Strafprozessordnung

I Beweismittel

Angeführt werden jene Beweismittel, die gem. § 126 Abs. 1 BDG 1979 Gegenstand des Beweisverfahrens der mündlichen Verhandlung waren und die den in der Folge als erwiesen festgestellten Sachverhalt begründen:

1) Disziplinaranzeige vom XX.2011 (AS 1-6)

2)Berufung gegen den Einleitungsbeschluss durch B (AS 59-60)

3) Bescheid der Berufungskommission vom XX.2012 (AS 68-75)

4) Protokollvermerk über die gekürzte Urteilsausfertigung des LG XX vom XX.2015 (AS 139-141)

5) Verhandlungsschrift vom XX.2016 (AS 152-155)

II Sachverhalt

Als erwiesener Sachverhalt wird festgestellt:

Faktum 1

Wie in der Disziplinaranzeige dargestellt, erlangte die Dienstbehörde am XX.2011 über die Tatsache Kenntnis, dass die Staatsanwaltschaft XX gegen B strafrechtliche Erhebungen geführt hat. Gegenstand dieser Erhebungen war der Verdacht, B habe an seinem Arbeitsplatz beim Finanzamt XX Datensätze zur Person XX aus dem Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung abgefragt, obwohl er in seiner amtlichen Tätigkeit mit dieser Person keine Amtshandlung vorzunehmen hatte. Informationen, die er dadurch gewann teilte er telefonisch an seine Bekannte, Frau XX, mit, die diese Informationen wiederum an ihren Chef, Herrn XX weitergab. Hintergrund dieser Abfrage war das Interesse des Geschäftsführers des XX an der Bonität des Kunden XX.

Faktum 2

Aufgrund einer Telefonüberwachung des B wurde festgestellt, dieser habe einen Laubbläser um 350,00 Euro gekauft und den Verkäufer ersucht, die Rechnung auf das Unternehmen, konkret den XX, auszustellen. Dieser Betrieb sollte von B die Rechnung erhalten und aus dieser Rechnung (zu Unrecht) die Umsatzsteuer als Vorsteuer ziehen. Über dieses Faktum erlangte die Dienstbehörde am XX.2011 Kenntnis. Am XX.2015 wurde die mündliche Verhandlung vor dem Landesgericht XX unter Geschäftszahl XX durchgeführt. Nach dieser Verhandlung erging das Urteil, worüber durch das Gericht ein Protokollvermerk und eine gekürzte Urteilsausfertigung ausgestellt wurden. Das Urteil lautet: „Der Angeklagte ist schuldig: Er hat am XX.2011 in verschiedenen Orten als Finanzbeamter

A) mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnisse, im Namen des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde oder einer anderen Person des öffentlichen Rechts als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, und zwar XX an seinem Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 Abs. 1 DSG, indem er seine Befugnis im Namen des Bundes auf die amtsgeheimen Daten des finanzinternen Abgabeninformationssystem AIS_DB2 zuzugreifen nutzte, um aus rein privaten Gründen die Person XX auf eine allfällige steuerrechtliche Vorgeschichte zu überprüfen; B) ein ihm ausschließlich Kraft seines Amtes zugänglich gewordenes Geheimnis geoffenbart, obwohl dessen Offenbarung geeignet war, ein berechtigtes privates Interesse zu verletzen, indem er die von ihm durch die zu A) erlangten Kenntnisse zur Person des XX telefonisch an seine Bekannte weiterleitete, nämlich ihr unter Verletzung des Datenschutzinteresses des XX unter anderem mitteilte, Letztgenannter habe schon zwei Vormerkungen wegen steuerrechtlicher Angelegenheiten.

Strafbare Handlung: B hat hiedurch begangen: zu A): das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB sowie zu B): das Vergehen der Verletzung eines Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs. 1 StGB. Strafe: nach §302 Abs. 1 StGB in Anwendung des § 28 StGB sowie des § 37 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 300 (dreihundert) Tagessätzen im Falle der Uneinbringlichkeit zu 150 (einhundertfünfzig) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes wird mit € 44.- bestimmt, sodass die gesamt Geldstrafe EUR 13.200,-- beträgt. Kostenentscheidung: Gemäß § 389 Abs. 1 StPO wird der Angeklagte zum Ersatz der Kosten dieses Verfahrens verpflichtet.

Strafbemessungsgründe: Mildernd: unbescholten, geständig, Tat liegt längere Zeit zurück. Erschwerend: das Zusammentreffen von einem Verbrechen und einem Vergehen.“ Der Disziplinarsenat wurde von dieser Entscheidung im Wege über das FA mit Schriftsatz vom XX.2015 in Kenntnis gesetzt. In der im Disziplinarverfahren am XX.2016 durchgeführten mündlichen Verhandlung erklärte B, dass er hinsichtlich einer Dienstpflichtverletzung zum Faktum A der Disziplinaranzeige unter Bezugnahme auf die rechtskräftige Verurteilung des Landesgerichtes XX geständig sei, seine Dienstpflichten gem. § 43 Abs. 2 BDG 1979 verletzt zu haben. Zum Faktum 2 der Einleitung führte er zum Sachverhalt aus, dass er dieses Kaufgeschäft (Kauf eines Laubbläsers) durchgeführt habe, eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis erhalten habe, den vollen Preis bezahlt habe und die Rechnung an keinen Unternehmer weitergeleitet habe, damit dieser (zu Unrecht) daraus die Vorsteuer ziehen könnte. Er bezeichnete seine Vorgansweise im Jahr 2011 wörtlich als „schweren Blödsinn von mir“. Der Disziplinaranwalt führte dazu aus, dass es hinsichtlich des Faktums 2 zu keinen weiteren behördlichen Ermittlungen bzw. Verfahrensergebnissen gekommen sei.

III Rechtslage

§ 114 BDG 1979 Abs. 1: Kommt die Disziplinarbehörde während des Disziplinarverfahrens zur Ansicht, daß eine von Amts wegen zu verfolgende gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, so hat sie gemäß § 78 StPO vorzugehen.

Abs. 2: Hat die Disziplinarbehörde Anzeige an die Staatsanwaltschaft, die Sicherheitsbehörde oder die Verwaltungsbehörde erstattet oder hat sie sonst Kenntnis von einem anhängigen Strafverfahren nach der StPO oder verwaltungsbehördlichen Strafverfahren, so wird dadurch das Disziplinarverfahren unterbrochen. Die Parteien sind vom Eintritt der Unterbrechung zu verständigen. Ungeachtet der Unterbrechung des Disziplinarverfahrens ist ein Beschluß, ein Disziplinarverfahren durchzuführen (§ 123), zulässig.

Abs. 3: Das Disziplinarverfahren ist weiterzuführen und in erster Instanz binnen sechs Monaten abzuschließen, nachdem 1. die Mitteilung a) der Staatsanwaltschaft über die Einstellung des Strafverfahrens oder über den (vorläufigen) Rücktritt von der Verfolgung oder b) der Verwaltungsbehörde über das Absehen von der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens bei der Disziplinarbehörde eingelangt ist oder 2. das Strafverfahren nach der StPO oder das verwaltungsbehördliche Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen oder, wenn auch nur vorläufig, eingestellt worden ist.

§ 94 DBG 1979 Abs. 1: Der Beamte darf wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht 1. innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder 2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung, eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde. Sind von der Dienstbehörde vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Disziplinarkommission notwendige Ermittlungen durchzuführen (§ 123 Abs. 1 zweiter Satz), verlängert sich die unter Z 1 genannte Frist um sechs Monate. (1a) Drei Jahre nach der an den beschuldigten Beamten erfolgten Zustellung der Entscheidung, gegen ihn ein Disziplinarverfahren durchzuführen, darf eine Disziplinarstrafe nicht mehr verhängt werden.

Abs. 2: Der Lauf der in Abs. 1 und 1a genannten Fristen wird - sofern der der Dienstpflichtverletzung zugrundeliegende Sachverhalt Gegenstand der Anzeige oder eines der folgenden Verfahren ist - gehemmt

1. für die Dauer eines Verfahrens vor dem Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof,

2. für die Dauer eines Verfahrens vor der Berufungskommission,

2a. für die Dauer eines Verfahrens vor einem unabhängigen Verwaltungssenat über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder auf andere Weise in ihren Rechten verletzt worden zu sein,

3. für die Dauer eines Strafverfahrens nach der StPO oder eines bei einem unabhängigen Verwaltungssenat oder einer Verwaltungsbehörde anhängigen Strafverfahrens,

4. für den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Beendigung oder, wenn auch nur vorläufigen, Einstellung eines Strafverfahrens und dem Einlangen einer diesbezüglichen Mitteilung bei der Dienstbehörde und

5. für den Zeitraum zwischen der Erstattung der Anzeige und dem Einlangen der Mitteilung

a) über die Beendigung des verwaltungsbehördlichen oder des gerichtlichen Verfahrens bzw. des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat, b) der Staatsanwaltschaft über die Einstellung des Strafverfahrens oder c) der Verwaltungsbehörde über das Absehen von der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens bei der Dienstbehörde.

§ 95 Abs. 1 BDG 1979: Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, ist von der disziplinären Verfolgung des Beamten abzusehen. Erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung nicht in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes (disziplinärer Überhang), ist nach § 93 vorzugehen.

§ 95 Abs. 2 BDG 1979: Die Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.

§ 43Abs. 2 BDG 1979: Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

IV Rechtliche Würdigung

Gem. § 114 BDG 1979 war das Disziplinarverfahren durch den Umstand unterbrochen, dass ein Strafverfahren nach der StPO anhängig war. Die Fortsetzung des im Jahr 2011 eingeleiteten Disziplinarverfahren durch die Durchführung der mündlichen Verhandlung im Jahr 2016 erfolgt daher innerhalb der offenen Verjährungsfrist. Eine Verjährung gem. § 94 Abs. 1 Z 2 BDG 1979 ist nicht eingetreten, da die Verjährungsfrist für die Dauer eines Strafverfahrens nach der StPO gem. § 94 Abs. 2 Z 3 BDG 1979 der Hemmung unterlag. Gem. § 95 Abs. 2 BDG 1979 ist der Disziplinarsenat an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes gebunden. Somit sind die Feststellungen des Landesgerichts Feldkirch für den Disziplinarsenat in jeder Hinsicht bindend und erwiesene Tatsachen. Gem. § 95 Abs. 1 BDG 1979 hat der Disziplinarsenat zu prüfen, ob sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung der gerichtlich strafbaren Handlung erschöpft, oder ob ein disziplinärer Überhang vorliegt. Dazu ist auszuführen, dass bei sogenannten echten Beamtendelikten, wie im vorliegenden Fall der Amtsmissbrauch und die Verletzung des Amtsgeheimnisses, dienstrechtliche Aspekte durch eine gerichtliche Entscheidung nicht abgedeckt werden. Davon ist im Besonderen der dienstrechtliche Gesichtspunkt der Vertrauenswahrung gem. § 43 Abs. 2 BDG 1979 betroffen. Im § 43 Abs. 2 BDG 1979 hat der Gesetzgeber normiert, dass der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf zu achten hat, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Davon sind in erster Linie jene Grundsätze betroffen, die unser Verhalten bestimmen. Zu diesen Grundsätzen zählt im Besonderen die schon in der Bundesverfassung normierte Amtsverschwiegenheit, die auch im BDG 1979 ausdrücklich als Dienstpflicht angeführt ist und in der BAO im § 48a eine besondere Spezifizierung erhält. Die Finanzverwaltung hat zudem im Leitbild der Finanzverwaltung (https://portal.bmf.gv.at/startseite/finanzressort/Leitbild.html) bereits in der ersten Fassung im Jahr 1999 die Einhaltung dieser Dienstpflicht als einen jener Werte hervorgehoben, der unser Handeln bestimmt: Wörtlich ist ausgeführt: „Wir bekennen uns zu den Grundsätzen der Amtsverschwiegenheit und des Steuergeheimnisses“. Das Leitbild der Finanzverwaltung ist eine schriftliche Erklärung unserer Organisation über unser Selbstverständnis und unsere Grundprinzipien. Das Leitbild soll unter anderem nach außen (also gegenüber der Öffentlichkeit bzw. unseren Kundinnen/Kunden) deutlich machen, wofür die Finanzverwaltung steht. Das Leitbild ist die Basis für die Corporate Identity unserer Organisation. In der Charta der österreichischen Finanzverwaltung (https://portal.bmf.gv.at/personal-online/schwerpunkte initiativen/lehrlinge/Charta_der_oesterreichischen_Finanzverwaltung) wirbt das Finanzministerium um die Einhaltung der Pflichten, die die Bürgerinnen und Bürger wahrzunehmen haben. Auf S. 18 dieser Publikation, die sich im Jahr 2012 unmittelbar an die Bürgerinnen und Bürger wendet, wiederholt das BMF diesen Grundsatz. Wörtlich heißt es unter der Überschrift „Steuergeheimnis und Datenschutz“ wie folgt: „Alle aus ihren Steuerakten bekannten Daten unterliegen der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht und dürfen daher durch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht an andere Personen weitergegeben werden“. Im Weiteren wird für die Einhaltung dieser speziellen gesetzlichen Bestimmungen eine Garantie abgegeben: „Wir führen die Steuerakten mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitung und garantieren Ihnen dabei selbstverständlich die Einhaltung sämtlicher Datenschutzbestimmungen“. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Steuergeheimnisses durch einen Beamten der österreichischen Finanzverwaltung ist daher geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die gesetzmäßige Durchführung seiner Aufgaben zu erschüttern. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes und des Steuergeheimnisses ist auch geeignet einen enormen Vertrauensverlust des Dienstgebers bei den Bürgerinnen und Bürgern nach sich zu ziehen, weil die Steuerverwaltung insgesamt durch das unrechtmäßige Handeln Einzelner in ihrer Vertrauenswürdigkeit Schaden nimmt. Der Disziplinarsenat erkennt daher das Vorliegen eines disziplinarrechtlichen Überhangs.

VI Strafbemessung

§ 93 Abs. 1 BDG 1979: Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

§ 93 Absatz 2 BDG 1979: Hat der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.

§ 92. Abs. 1 BDG 1979 (Disziplinarstrafen) 1. der Verweis, 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges, 3. die Geldstrafe in der Höhe von einem Monatsbezug bis zu fünf Monatsbezügen, 4. die Entlassung.

Abs. 2: In den Fällen des Abs. 1 Z 2 und 3 ist von dem Monatsbezug auszugehen, der dem Beamten auf Grund seiner besoldungsrechtlichen Stellung im Zeitpunkt der Fällung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses beziehungsweise im Zeitpunkt der Verhängung der Disziplinarverfügung gebührt. Allfällige Kürzungen des Monatsbezuges sind bei der Strafbemessung nicht zu berücksichtigen. Unter Bezugnahme auf § 93 Abs. 2 BDG 1979 stellt der Disziplinarsenat fest, dass die zu beurteilende Dienstpflichtverletzung gem. § 43 Abs. 2 BDG 1979 als schwere Dienstpflichtverletzungen erachtet wird, weil der Verstoß gegen den gesetzlich zugesicherten Datenschutz und die Geheimhaltung höchstpersönlicher Daten der Bürgerinnen und Bürger den Bemühungen der österreichischen Finanzverwaltung gravierend entgegenwirkt, das Vertrauen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu erhalten bzw. zu erwerben. Dieses Werben um das Vertrauen der Bevölkerung in die österreichische Finanzverwaltung wird durch die Finanzverwaltung intensiv wahrgenommen, wofür die oben zitierte Charta der österreichischen Finanzverwaltung, die auch als Broschüre aufgelegt wurde, nur beispielhaft anzuführen ist. In Interpretation des § 93 BDG 1979 hat der VwGH zuletzt am 12.11.2013 unter VwGH Zl. 2013/09/0045 wörtlich ausgeführt: „Gem. § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung als Maß für die Höhe der Strafe festgelegt. Dieser Maßstab richtet sich nach dem Ausmaß der Schuld im Sinne der Strafbemessungsschuld des Strafrechts. Für die Strafbemessung ist daher sowohl das objektive Gewicht der Tat maßgebend wie auch der Grad des Verschuldens (vgl. die ErläutRV zur Vorgängerbestimmung des § 93 BDG 1979 im BDG 1977, 500 Blg. Nr. 14 GP 83). Das objektive Gewicht der Tat (der Unrechtsgehalt) wird dabei in jedem konkreten Einzelfall - in Ermangelung eines typisierten Straftatbestandskatalogs im Sinne etwa des StGB – wesentlich durch die objektive Schwere der in jedem Einzelfall konkret festzustellenden Rechtsgutbeeinträchtigung bestimmt.“

Soweit der Disziplinarsenat die Schwere des Verschuldens des B zu beurteilen hat, ist auf ein schweres Verschulden zu erkennen. B wird im Hinblick auf die Verwirklichung der Dienstpflichtverletzung Vorsatz als Verschuldensform zugerechnet. Die Verschwiegenheitspflichten sind, wie bereits oben zitiert, mehrfach normiert, in der Verfassung, im BDG 1979 und in der BAO. Jeder Beamte wird mit diesem Grundprinzip nicht nur im Wege seiner Ausbildung und Dienstprüfung, sondern auch durch die Tagesarbeit laufend konfrontiert. Der Disziplinarsenat hat trotz der festgestellten Schwere der Tat und der Schwere des Verschuldens die Festsetzung einer Geldbuße als ausreichende Sanktion erachtet, um B zukünftig von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Dafür waren in Erwägung zu ziehen, dass lediglich ein einziges Fehlverhalten vorliegt, ein reumütiges Geständnis vorliegt und ein Wohlverhalten seit der Tat im Jahr 2011 festzustellen ist. Spezialpräventive Erwägungen sind daher bei der Festsetzung der Disziplinarstrafe von keiner besonderen Relevanz. Die Strafbemessung hat sich jedoch auch an generalpräventiven Erwägungen zu orientieren. Dem Zweck der Generalprävention wird nicht zuletzt durch die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlungen und die Veröffentlichung der Entscheidungen der Disziplinarverfahren im RIS Rechnung getragen. Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, 2011/09/0105 ausgeführt hat, ist durch die Dienstrechts-Novelle 2008 im zweiten Satz des § 93 Abs. 1 BDG 1979 die Zielsetzung, der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken, als zusätzliches Strafbemessungskriterium in das Gesetz eingefügt worden. Nach der nunmehr geltenden Rechtslage sind Gründe der Generalprävention wie solche der Spezialprävention für die Bemessung der Strafe gleichrangig zu berücksichtigen. Ist eine Disziplinarstrafe in einem bestimmten Ausmaß geboten, um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken, dann haben gegebenenfalls spezialpräventive Überlegungen, die eine solche Disziplinarstrafe nicht als erforderlich erscheinen lassen würden, demgegenüber zurückzutreten. Aus diesen Gründen hat der Disziplinarsenat jedenfalls ein Zeichen zu setzen, das durch die Höhe des festgesetzten Geldbetrages von € 1.000,00 ausreichend erkennbar ist, um diese Zielsetzung zu erreichen. Bei der Ausmessung der Geldstrafe wird nichts als erschwerend berücksichtigt. Mildernd fließen das Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit, das Wohlverhalten nach der Tat und das lange Zurückliegen der Tat in die Entscheidung ein. Strafrahmen: Ermittlungsgrundlage ist der Monatsbezug durch den Grundbezug von € XX zuzüglich Funktionszulage von € XX; Gesamtbetrag: € XX. Davon sind 50% der gesetzliche Strafrahmen: € XX

VII Einstellung des Verfahrens bzw. Freispruch

Der von der Staatsanwaltschaft festgestellte Sachverhalt, der in der Disziplinaranzeige unter Punkt 2 ausgeführt ist, wurde offensichtlich strafrechtlich, steuerrechtlich und finanzstrafrechtlich nicht verfolgt, wobei schon unklar bleibt, ob der Sachverhalt der dafür zuständigen Finanzstrafbehörde überhaupt angezeigt wurde bzw. bleibt es unklar, ob ein finanzstrafrechtliches Ermittlungsverfahren überhaupt durchgeführt wurde. Daher ist aus dem Mangel des Vorliegens einer Entscheidung einer Behörde, die zur Verfolgung einer allfälligen finanzstrafrechtlichen Tatbestandsverwirklichung zuständig wäre, einer Dienstpflichtverletzung nicht zu erweisen. Im Übrigen wird auf die Ausführungen der Berufungskommission im Bescheid vom XX.2012 verwiesen, wonach Zufallsfunde aus der Telefonüberwachung nur in bestimmten Fällen als Beweismittel in Betracht kommen. Demnach dürfen Ergebnisse der Telefonüberwachung gem. § 140 Abs. 3 StPO in anderen gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Verfahren nur verwendet werden, wenn ihre Verwendung auch im Strafverfahren zulässig war oder wäre. Gem. § 135 Abs. 3 Z 3 StPO ist die Überwachung von Nachrichten zulässig, wenn dies zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, erforderlich erscheint. Das war beim gegenständlichen Sachverhalt, bei dem die potentielle Schadenssumme von Anschaffungskosten von brutto ca. 350,00 Euro zu berechnen ist, nicht der Fall. Darüber hinaus liegen keine Beweisergebnisse vor, dass vorsteuerabzugsberechtigte Dritte eingebunden wurden. Im Übrigen ist auf die Ausführungen der DOK im Bescheid vom XX.2012 zu verweisen.

-END-

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2016
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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