TE Dok 2017/5/30 02075/4-DK/16

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Veröffentlicht am 30.05.2017
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Norm

BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §44 Abs1

Schlagworte

Dienstpflichtverletzungen, nicht dienstlich veranlasste Datenbankabfragen

Text

Der Disziplinarsenat hat am XX.2016 gegen FOI Beschuldigter (B) ein Disziplinarverfahren eingeleitet und ausgeführt: „FOI B wird beschuldigt, Dienstpflichten gemäß §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs.1 BDG 1979 dadurch verletzt zu haben, dass er ohne dienstliche Veranlassung die nachfolgend genannten Datenabfragen getätigt und die Erlässe des Bundesministeriums für Finanzen GZ. 66 1009/30-VI/6/00 vom 30.10.2000 „Abfragen und Eingaben im AIS bzw. DB 7A und DB 7B“, GZ. 66 1009/19-VI/6/01 vom 13.06.2001 „Abhaltung von Dienstbesprechungen über die Zulässigkeit der Verwendung von Daten“, GZ 66 1009/20-VI/6/01 vom 20.06.2001 „Abhaltung von Dienstbesprechungen über die Zulässigkeit der Verwendung von Daten – Ergänzung“, GZ. 16 1270/1-I/20/04 vom 19.03.2004 „Meldung von Nebenbeschäftigungen, Abfrage interner Datenbanken“ und GZ BMF-320700/0001-I/20/2004 vom 16.11.2004 „Anlassbezogene Logfileauswertungen“ missachtet hat. Gegen FOI B besteht daher im Sinne des § 91 BDG 1979 der Verdacht, er habe schuldhaft gegen die Dienstpflicht gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979, wonach der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen hat, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, sowie gegen die Dienstpflicht gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979, wonach der Beamte verpflichtet ist, seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, sofern verfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zu befolgen, wobei Vorgesetzter jeder Organwalter ist, der mit der Dienst- und Fachaufsicht über den Beamten betraut ist, verstoßen zu haben. Auflistung von nicht dienstlich veranlassten Datenbankabfragen über 15 Personen.

         

Begründung

FOI B steht als Beamter der Verwendungsgruppe A3 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist das Finanzamt XY, wo er als Teamexperte des IC-Teams (Infocenter) verwendet wird. Durch die (dauernde) höherwertige Verwendung als Teamexperte bezieht FOI B eine Verwendungszulage gem. § 34 GehG nach A2/2. Durch die Vorständin des Finanzamtes XY wurde das Büro für Interne Angelegenheiten beim BMF (BIA) am XX.2015 ersucht, die Zugriffe durch FOI B auf Steuerdaten im Abgabeninformationssystem des Bundes (AIS) zu überprüfen. Mit Bericht des BIA vom XX.2015 wurde festgestellt, dass der Verdacht besteht, dass FOI B ohne dienstliche Veranlassung auf die Daten oben genannter Abgabepflichtiger im AIS zugegriffen hat. Zum Umfang und zur Intensität der nicht dienstlich veranlassten Datenzugriffe durch FOI B zu den oben genannten Personen wurden vom BIA mit Schriftsätzen vom XX.2016 bzw. XX.2016 ergänzende Visualisierungen dieser Datenbankabfragen übermittelt. Die Rechte und Pflichten des Beamten im Hinblick auf die dienstliche Nutzung des Abgabeninformationssystems sind in einschlägigen Erlässen des Bundesministeriums für Finanzen eindeutig und ausführlich geregelt. Die wesentlichen Aussagen der Erlässe des BMF, die im Sinne des § 44 Abs. 1 BDG 1979 zu beachten sind, lauten:

BMF GZ. 66 1009/30 VI/6/00 vom 30. Oktober 2000 (Auszug)

„Die Eingabe oder Abfrage von Daten im AIS oder im DB7A bzw. DB7B ist nur dann zulässig, wenn eine dienstliche Veranlassung vorliegt. Werden Eingaben oder Abfragen ohne solche Begründung durchgeführt, ist zumindest ein dienstrechtlich relevanter Sachverhalt gegeben“

BMF GZ. 66 1009/19-VI/6/01 vom 13. Juni 2001 (Auszug)

„Um die Bediensteten entsprechend zu informieren und damit weitere Fehlverhalten von Bediensteten der Finanzverwaltung möglichst zu vermeiden, sind in allen Dienststellen Dienstbesprechungen abzuhalten. Dabei sind insbesondere folgende Inhalte zu vermitteln:

1. …

2. Erlass O 299 vom 30.10.2000, BMF GZ. 66 1009/30 VI/6/00“

BMF GZ. 16 1270/1 I/20/04 vom 19. März 2004 (Auszug)

„Aus gegebenem Anlass werden den Bediensteten des Finanzressorts die Erlässe…vom 30.10.2009, GZ 66 1009/30-VI/6/00, über die illegale Abfrage von internen Datenbanken in Erinnerung gerufen.“

BMF GZ. – 320700/0001-I/20/2004 vom 16.11.2004 (Auszug)

„Der Dienstgeber hat seit dem Jahr 2000 wiederholt und nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die Verwendung (das Abfragen) des Datenbestandes der österreichischen Finanzverwaltung ausschließlich im dienstlichen Interesse zulässig ist.“

„Dem beim Bundesministerium für Finanzen eingerichteten Büro für interne Angelegenheiten…obliegt unter anderem auch die Überwachung der Rechtmäßigkeit von Zugriffen auf das AIS für das gesamte Ressort.“

„ 1.1. ‚Unzulässige Abfragen‘ “

„Als unzulässige Abfragen gelten grundsätzlich alle Zugriffe (d.h. jeder einzelne Zugriff) auf das AIS ohne dienstliche Veranlassung. Darunter sind jene Zugriffe zu verstehen, die durch generelle Anordnungen in Gesetzen, Verordnungen oder Erlässen oder durch Weisungen im Einzelfall nicht gedeckt sind..

…Derartige Abfragen können in der Regel auch nicht durch Kunden- und Serviceorientierung erklärt werden.“

Rechtliche Würdigung

Zu diesen Datenzugriffen ist auszuführen, dass das Ermitteln personenbezogener Daten ein Amtsgeschäft im Rahmen der Hoheitsverwaltung darstellt. Die nur für dienstliche Belange bestehende rechtliche Erlaubnis, das Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 DSG) zu durchbrechen, wird von einem Beamten dann missbräuchlich in Anspruch genommen, wenn eine Ermittlung personenbezogener Daten ohne dienstliche Rechtfertigung erfolgt. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof führt der Befugnismissbrauch bei deliktspezifischem Schädigungsvorsatz zu einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach
§ 302 Abs. 1 StGB, ohne dass an sich ein tatsächlicher Schadenseintritt erforderlich wäre. Durch den OGH wird bereits in der Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz nach
§ 1 DSG durch eine missbräuchliche Datenermittlung die konkrete Schädigung des Betroffenen erblickt. Das bedeutet, dass gezieltes unbefugtes Beschaffen personenbezogener Daten auch dann Strafbarkeit nach § 302 Abs. 1 StGB bewirken kann, wenn dies bloß zur Befriedigung privater Neugier (somit ohne dienstliche Rechtfertigung) erfolgt, sofern der Täter mit dem Vorsatz handelt, den Privaten im Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 DSG zu schädigen. Ein zumindest bedingter Vorsatz, das Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Person zu verletzen, wird mit der missbräuchlichen Datenbeschaffung im Regelfall verbunden sein. Da zu den Datenermittlungen betreffend die oben genannten Personen im Abgabeninformationssystem der Bundesfinanzverwaltung (AIS) eine dienstliche Veranlassung oder Notwendigkeit nicht erkennbar ist, wurde durch das Finanzamt XY als zuständige Dienstbehörde am XX.2016 gemäß § 78 StPO Anzeige an die Staatsanwaltschaft XY erstattet. Die einleitend angeschuldigten Dienstpflichtverletzungen sind über den strafgerichtlich zu ahndenden Befugnismissbrauch hinaus disziplinarrechtlich zu verfolgen (§ 95 Abs. 1 BDG 1979). Unbefugte Datenbankabfragen begründen eine Verletzung der Dienstpflicht gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979, wonach der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen hat, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, sowie der Dienstpflicht gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979, wonach der Beamte verpflichtet ist, seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, sofern verfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zu befolgen, wobei Vorgesetzter jeder Organwalter ist, der mit der Dienst- und Fachaufsicht über den Beamten betraut ist. Es war sohin spruchgemäß die Einleitung des Disziplinarverfahrens zu verfügen, doch ist dieses gemäß § 114 Abs. 2 BDG 1979 unterbrochen.“ Die Staatsanwaltschaft XY hat die Dienstbehörde mit Benachrichtigung vom XX.2016, dortamts eingelangt am XX.2016, davon in Kenntnis gesetzt, dass das Verfahren gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt worden sei, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestehe. Die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Erhebungsergebnisse liegen dem Senat vor. Daraus erhellt, dass die dem Beschuldigten zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht erwiesen werden kann und daher gemäß § 118 Abs. 1. Zi. 2 BDG 1979 mit Einstellung des Disziplinarverfahrens vorzugehen war.

-END-

Zuletzt aktualisiert am

09.08.2017
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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