TE Vfgh Beschluss 2015/2/23 B333/2014 ua

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Veröffentlicht am 23.02.2015
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

VfGG §34
ZPO §530 Abs1 Z7
Wr KleingartenG 1996

Leitsatz

Abweisung eines Wiederaufnahmsantrags gegen einen Ablehnungsbeschluss; vorgelegte Bestätigung zur Herbeiführung einer günstigeren Entscheidung des VfGH nicht geeignet; Zurückweisung des Wiederaufnahmsantrags gegen einen die Wiederaufnahme abweisenden Beschluss im Hinblick auf den gleichen geltend gemachten Wiederaufnahmsgrund

Spruch

I. Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2011, B732/11-18, abgeschlossenen Verfahrens wird abgewiesen.

II. Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 13. März 2013, B1222/12-7, abgeschlossenen Verfahrens wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I.              Sachverhalt und Vorbringen

1.               Die Bauoberbehörde für Wien wies mit Bescheid vom 5. Mai 2011, Z BOB-76/11, die Berufung der antragstellenden Gesellschaft gegen einen Bescheid der Magistratsabteilung 37/18, mit dem die Errichtung eines Wohnhauses auf einem Grundstück mit der Widmung "Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen" untersagt wurde, ab.

2.              Gegen diesen Bescheid erhob die antragstellende Gesellschaft eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 15. Dezember 2011, B732/11-18, gemäß Art144 Abs2 B-VG abgelehnt wurde.

Die antragstellende Gesellschaft hatte gestützt auf ein Rechtsgutachten u.a. behauptet, dass das präjudizielle Wiener Kleingartengesetz 1996 wegen Abweichungen des kundgemachten Gesetzestextes vom tatsächlich im Landtag beschlossenen Gesetzestext mit Verfassungswidrigkeit behaftet sei. Ein im Gemeinderatsausschuss für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Außenbeziehungen der Stadt Wien beschlossener Abänderungsantrag sei der Beschlussfassung im Wiener Landtag nicht zugrunde gelegt worden. Trotzdem sei das Gesetz mit den im Ausschuss beschlossenen Änderungen kundgemacht worden.

Auf diese Bedenken ging der Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluss, der nach Durchführung eines Vorverfahrens und Einsicht in den Gesetzgebungsakt getroffen wurde, explizit ein:

"Der Entwurf zum Wiener Kleingartengesetz 1996, der dem Wiener Landtag als Beilage Nr 31/1996, 1268/96-MDPLTG, zur Beschlussfassung vorgelegen ist, wurde in der Informationsdatenbank des Wiener Landtages und des Wiener Gemeinderates insofern unvollständig erfasst, als der am 1. August 1996 im Gemeinderatsausschuss für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Außenbeziehungen der Stadt Wien beschlossene Abänderungsantrag der Abgeordneten Franz-Karl Effenberg, Susanne Kovacic und Dipl.-Ing. Dr. Herlinde Rothauer, der die Gesetzesvorlage abänderte und der als Bestandteil der Beilage Nr 31/1996 dem Wiener Landtag zur Beschlussfassung vorgelegen ist, nicht eingearbeitet worden ist. Der Ersteller des von der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgelegten Gutachtens hat offensichtlich diese Unvollständigkeit der Datenhaltung nicht erkannt und daher den im Ergebnis falschen Schluss gezogen, dass der kundgemachte Gesetzestext vom beschlossenen Gesetzestext abweicht."

3.              Mit einem zu B1222/12 protokollierten Antrag vom 28. September 2012 begehrte die antragstellende Gesellschaft die Wiederaufnahme des mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2011, B732/11-18, abgeschlossenen Verfahrens, weil dem Verfassungsgerichtshof bestimmte Dokumente nicht vorgelegt worden seien.

Der Verfassungsgerichtshof wies diesen Antrag mit Beschluss vom 13. März 2013, B1222/12-7, ab, weil die von der antragstellenden Gesellschaft vorgelegten Dokumente nicht geeignet waren, eine günstigere Entscheidung herbeizuführen. Die behauptete Verwirklichung des Straftatbestands der Täuschung (§108 StGB) war offenkundig nicht gegeben, der Tatbestand des – ebenfalls behaupteten – Missbrauchs der Amtsgewalt (§302 StGB) wird in der Liste der in §530 Abs1 Z3 ZPO aufgezählten Tatbestände nicht genannt.

4.              Mit dem nun vorliegenden Schriftsatz vom 27. August 2014 begehrt die antragstellende Gesellschaft die Wiederaufnahme der beiden, mit den Beschlüssen vom 15. Dezember 2011, B732/11-18, und vom 13. März 2013, B1222/12-7, abgeschlossenen Verfahren.

Als Wiederaufnahmegrund macht die antragstellende Gesellschaft Umstände nach §530 Abs1 Z7 ZPO geltend und führt dazu wörtlich aus:

"Mit Schreiben vom 4. August 2014 [...] hat das Wiener Stadt- und Landesarchiv bestätigt, dass

'in der Informationsdatenbank des Wiener Landtages und Gemeinderates alle darin abrufbaren Dokumente ident mit den authentischen Originaldokumenten sind, die in Papierform im Wiener Stadt- und Landesarchiv ebenfalls öffentlich zugänglich sind'

und

'das auch das Wiener Kleingartengesetz 1996 Beilage Nr 31/1996, PrZ 1268/96 betrifft'.

Damit steht aber - nunmehr authentisch - fest, dass

?      die Informationsdatenbank nicht unvollständig, sondern vollständig war/ist,

?      das von der Antragstellerin auf der Informationsdatenbank basierende Vorbringen und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen richtig sind und

?      der im Wiener Landesgesetzblatt Nr 57/1996 kundgemachte Text des Wiener Kleingartengesetzes 1996 eben falsch ist, weil dessen §15 vom Wiener Landtag tatsächlich nicht beschlossen wurde."

(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

II.              Rechtslage

§530 ZPO lautet (auszugsweise):

"§530. (1) Ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, kann auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden,

       1.-2. […]

       3. wenn die Entscheidung durch eine als Täuschung (§108 StGB), als Unterschlagung (§134 StGB), als Betrug (§146 StGB), als Urkundenfälschung (§223 StGB), als Fälschung besonders geschützter Urkunden (§224 StGB) oder öffentlicher Beglaubigungszeichen (§225 StGB), als mittelbare unrichtige Beurkundung oder Beglaubigung (§228 StGB), als Urkundenunterdrückung (§229 StGB) oder als Versetzung von Grenzzeichen (§230 StGB) gerichtlich strafbare Handlung des Vertreters der Partei, ihres Gegners oder dessen Vertreters erwirkt wurde;

       4.-6. […]

       7. wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

       (2) Wegen der in Z6 und 7 angegebenen Umstände ist die Wiederaufnahme nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die Rechtskraft der Entscheidung oder die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluß der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen."

III.              Zulässigkeit

1.              Gemäß §34 VfGG kann eine Wiederaufnahme des Verfahrens u.a. in den Fällen des Art144 B-VG stattfinden. Da §34 VfGG eine nähere Regelung nicht enthält, gelten für die Wiederaufnahme gemäß §35 VfGG sinngemäß die Bestimmungen der ZPO (VfSlg 8972/1980, 9126/1981).

2.              Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmsantrages ist nach §530 Abs1 ZPO der Abschluß des Verfahrens durch "eine die Sache erledigende Entscheidung". Eine solche liegt nicht nur dann vor, wenn in ihr der dem jeweiligen Verfahren zugrunde liegende Rechtsschutzantrag meritorisch erledigt wird, sondern – ungeachtet ihrer Bezeichnung – immer schon dann, wenn durch sie das Verfahren beendet wird. Um eine solche verfahrensbeendende Entscheidung handelt es sich bei einem Beschluss, mit dem die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art144 Abs2 B-VG abgelehnt wird. Durch einen solchen Beschluss wird nämlich ebenso wie durch einen Zurückweisungsbeschluss aus rein prozessualen Gründen oder ein Erkenntnis ein Beschwerdeverfahren beendet (VfSlg 15.340/1998, 16.356/2001).

Der Wiederaufnahmsantrag gegen den Ablehnungsbeschluss vom 15. Dezember 2011, B732/11-18, der sich auf den gesetzlichen Wiederaufnahmsgrund des §530 Abs1 Z7 ZPO stützt und innerhalb der gesetzlichen Frist gestellt wurde, ist daher zulässig.

3.              Mit einem Wiederaufnahmsantrag kann grundsätzlich auch ein Beschluss über einen vorausgegangenen Wiederaufnahmsantrag bekämpft werden. Die Wiederaufnahme über einen abgewiesenen Wiederaufnahmsantrag ist aber dann unzulässig, wenn der neue Wiederaufnahmsgrund gegenüber der im Hauptprozess ergangenen Entscheidung unmittelbar geltend gemacht werden kann und gar nicht das Verfahren über den Wiederaufnahmsantrag betrifft (vgl. Jelinek in: Fasching/Konecny (Hrsg.), Zivilprozessgesetze², 2005, §530 ZPO, 11).

Der von der antragstelllenden Gesellschaft geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund wird sowohl gegen den die Wiederaufnahme abweisenden Beschluss vom 13. März 2013, B1222/12-7, als auch gegen die im Hauptprozess ergangene Entscheidung, den Ablehnungsbeschluss vom 15. Dezember 2011, B732/11-18, geltend gemacht (s.o. Pkt. III.2.). Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Beschluss vom 13. März 2013, B1222/12-7, abgeschlossenen Wiederaufnahmeverfahrens ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

IV.              Inhaltliche Erwägungen

1.              Gemäß §530 Abs1 Z7 ZPO kann ein Verfahren auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, "wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung in früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde". Neue Tatsachen oder Beweismittel können aber nur dann einen Wiederaufnahmsgrund bilden, wenn sie solcher Art sind, dass ihre Berücksichtigung im Rahmen der dem Verfassungsgerichtshof zukommenden Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis im verfassungsgerichtlichen Verfahren eine der Partei günstigere Entscheidung möglich erscheinen lässt (VfSlg 3532/1959, 6469/1971, 9126/1981).

Die antragstellende Gesellschaft stützt ihren Wiederaufnahmeantrag auf eine ihr neu vorliegende schriftliche Bestätigung der Identität der in der Informationsdatenbank des Wiener Landtages und Gemeinderates abrufbaren Dokumente mit den "authentischen Originaldokumenten" und leitet darauf gestützt einen Kundmachungsmangel des Wiener Kleingartengesetzes 1996 ab.

Dieses neue Beweismittel ist aber nicht geeignet, eine günstigere Entscheidung für die antragstellende Gesellschaft herbeizuführen: Der Verfassungsgerichtshof hat die ordnungsgemäße Kundmachung des Kleingartengesetzes 1996 unmittelbar auf Grundlage des im Verfahren zu B732/11 ordnungsgemäß vorgelegten Gesetzgebungsaktes, also auf Basis der "authentischen Originaldokumente" selbst, überprüft und dem Ergebnis dieser Überprüfung entsprechend die Beschwerde – diesbezüglich mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg – mit Beschluss vom 15. Dezember 2011, B732/11-18, abgelehnt. Die Bestätigung der Identität der in der Informationsdatenbank des Wiener Landtages und Gemeinderates gespeicherten Dokumente mit den "authentischen Originaldokumenten" wäre daher von vornherein nicht geeignet gewesen, eine andere Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes herbeizuführen.

V.              Ergebnis

1.               Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2011, B732/11-18, abgeschlossenen Verfahrens ist daher abzuweisen.

2.              Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 13. März 2013, B1222/12-7, abgeschlossenen Verfahrens ist zurückzuweisen (s. Pkt. III.3.).

3.              Diese Entscheidung konnte gemäß §34 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Wiederaufnahme, Baurecht, Gesetz Kundmachung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2015:B333.2014

Zuletzt aktualisiert am

27.03.2015
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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