TE Vfgh Erkenntnis 2014/6/5 B184/2014

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.06.2014
beobachten
merken

Index

27/01 Rechtsanwälte

Norm

RAO §9
DSt 1990 §54 Abs5
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien, Art6 Abs2, Art7, Art10
StGG Art5

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen mangelnder Aufklärung über Art und Ausmaß von Honoraransprüchen sowie beleidigender Äußerungen gegenüber einem Sachverständigen

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

II. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Vorarlberg. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Vorarlberg vom 21. Mai 2013 wurde er schuldig erkannt, die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen zu haben, weil er

"1. am 06.05.2011 O. H. ohne vorherige Vorlage eines nachvollziehbaren Leistungsverzeichnisses zum Abschluss eines Anerkenntnisvertrages über EUR 28.880,00 s.A. veranlasst hat, wobei diese Honorarvereinbarung ein konstitutives Anerkenntnis der Kostenforderung beinhaltete, und sich weiters 12% Zinsen aus dem Anerkenntnisbetrag rückwirkend vom 23.03.2011 bis zum Tag der Unterfertigung am 06.05.2011 einräumen ließ, wodurch die Höhe des tatsächlichen Honorarbetrages verschleiert wurde; (D 20/11)

2. mit Schreiben vom 09.01.2012 G. F. trotz vollständiger Bezahlung seines Honorars nachträglich eine Honorarnote vorgelegt hat, nachdem er erfahren hatte, dass G. F. aus einem nachfolgenden Liegenschaftsverkauf einen Überling erzielt hat, wobei der Honorarabrechnung eine nachträglich festgelegte überhöhte Bemessungsgrundlage von EUR 470.000,00 zugrunde gelegt wurde; (D 8/12)

3. mit Schreiben vom 01.07.2010 namens seines Vaters M. V. einen Honoraranspruch gegen H. M. in Höhe von EUR 13.179,72 ohne nähere Begründung geltend gemacht hat, obwohl ihm bekannt war bzw. bekannt sein musste, dass die Forderung tatsächlich nicht besteht, und durch die Art des Schreibens und das Setzen einer äußerst kurzen Zahlungsfrist den Empfänger des Schreibens unangemessen eingeschüchtert hat; (D 10/12) […]".

Der Beschwerdeführer wurde zu einer Geldbuße in Höhe von € 6.000,– verurteilt.

2. Mit als Bescheid zu wertendem Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission (im Folgenden: OBDK) vom 15. November 2013 wurde der dagegen erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld keine Folge gegeben. Hingegen wurde in Stattgebung der Berufung des Kammeranwaltes wegen Nichtigkeit das angefochtene Erkenntnis in seinem freisprechenden Teil sowie demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

"Dr. E. V. ist (weiters) schuldig:

Er hat dadurch, dass er

1. in seinem Einspruch vom 29. November 2011 im Verfahren AZ24 Hv 113/11f des Landesgerichts Feldkirch auf den Seiten 8 bis 11 nachfolgende Fragen stellte,

'- Nimmt Dr. H. Psychopharmaka?

- wenn ja, welche (Antidepressiva, Neuroleptika, Tranquillanzien, Psycho-Stimulantien, Halluzinogene, etc.) und in welcher Menge?

- Nimmt er sie regelmäßig oder nur in besonderen Situationen?

- Bei Regelmäßigkeit, in welchem Intervall?

- Sofern nur bei bestimmten Situationen, bei welchen?

- Wenn ja, wann wurden Psychopharmaka das letzte Mal eingenommen und in welcher Menge?

- Ist die Menge situationsbedingt abhängig und welche sonstigen Faktoren bestimmen die Menge?

- Wer bestimmt die Menge, ist Dr. H. allenfalls in fachärztlicher Fremdbehandlung?'

und dadurch die fachliche Eignung des Sachverständigen Prim. Univ.Prof. Dr. R. H., welcher ein Gutachten zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des M. M. im Zeitpunkt der ihm in der Anklageschrift vom 15. November 2011 vorgeworfenen Tat und zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen zur Einweisung in einer Anstalt gemäß §21 Abs2 StGB erstellte, in Frage stellte und den Sachverständigen Prim. Univ.Prof. Dr. R. H. unsachlich persönlich angriff; (D 3/12)

2. im Rahmen der Schriftsätze vom 22. Juni 2012 und 18. September 2012 im Verfahren AZ24 Hv 111/11f des Landesgerichts Feldkirch die Formulierungen verwendet hat, nämlich

'Die methodische Vorgangsweise des Gerichtssachverständigen Prim. Univ. Dr. R. H. bei seiner Gutachtenserstellung, namentlich gegenüber dem Angeklagten bedeutet Folter iSd Artikel 3 MRK bzw. ein Foltersurrogat. Das Abschlussgespräch am 19.09.2011 und die Befundaufnahme durch Prim. Univ.Prof. Dr. R. H. belegen, dass Prim. Univ.Prof. Dr. R. H. den Angeklagten entgegen §164 Abs4 StPO unter angewendeten Vorspiegelungen 'zu anderen Angaben' iSd §164 Abs3 StPO bewegt hat. Prim. Univ.Prof. Dr. R. H. hat auf die Freiheit der Willensentschließung und Willensbestätigung des Angeklagten sowie in seine Einsichtsfähigkeit insoweit beeinträchtigend eingegriffen, als er durch quasi-seelsorgliche Therapierung und Vertrauenserschleichung beim Angeklagten zunächst in das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Angeklagten eingedrungen ist (Gutachten Seite 100). Diese methodische Vorgangsweise durch den Sachverständigen Prim. Univ.Prof. Dr. R. H. widerspricht §164 Abs4 Satz 2 StPO. Am Ende hat der Gutachter die solcherart - nach erreichter Vertrauenserschleichung beim Angeklagten nach dessen Zwiespalt (vgl Gutachten, Seite 99) - gewonnenen Aussagen des Angeklagten bezeichnenderweise ausschließlich zu dessen Lasten gutachterlich verwertet. Wenn schon nicht von einem Beweisverwertungsverbot in Bezug auf das H.-Gutachten auszugehen ist bzw. sein sollte, welches unter dem seelischen Zwang der Vertrauenserschleichung beim Angeklagten durch Prim. Univ.Prof. Dr. R. H. (vgl Gutachten, Seite 99) - und mithin unter Anwendung von Folter iSd Artikel 3 MRK bzw. einem sonst unfairen Verfahren iSd Artikel 6 MRK (vgl Lubig/Sprenger, Beweisverwertungsverbote aus dem Fairnessgebot des Art6 EMRK in der Rechtsprechung des EGMR, ZIS 9/2008, S 439) bzw. einem Foltersurrogat (vgl Niehaus, 'Geständniszwang', Überlegungen zu einer Theorie des Geständnisses, Kriminologisches Journal 1/2000, S 2ff) zustande gekommen ist, so hat es das Erstgericht dennoch verabsäumt, dem verminderten Beweiswert des H.-Gutachtens gebührend (nicht: freundschaftlich) Rechnung zu tragen.'

'Objekt des Mordes ist ein lebend geborener Mensch. Die Tathandlung besteht beim Verbrechen des Mordes im Töten eines Menschen (Fabrizy, StGB10 §75 Rz 2). Die erstgerichtlichen Feststellungen beziehen dem gegenüber den vollkommen schutzlosen Körper auf den Aluminiumstiel, wenn von 'dessen' Körper die Rede ist (was eine Drittbezogenheit bedeutet, sodass nicht der Körper von 'C.' also sein Körper, gemeint sein kann). Das Possessivpronomen 'seinen', welches nicht festgestellt ist, würde eine Reflexion zum zuvorgehenden festgestellten Kind bedeuten, da dieses Eigentümer seines (nicht: 'dessen') Körpers ist (Vangerowsche Theorie). Das urteilsmäßig festgestellte Possessivpronomen 'dessen' bezieht sich in seiner Flexion ausschließlich auf den Aluminiumstiel, zumal es sich bei einem Stiel um ein nomen maskuliner Gattung handelt. Damit fehlt es nach den Urteilsfeststellungen am Mordobjekt des Menschen.',

die geeignet sind, den Sachverständigen schwerwiegend persönlich anzugreifen, zumindest ihn zu schmähen bzw. verächtlich zu machen bzw. die sprachlichen Fähigkeiten des Gerichts verhöhnen und den nötigen Respekt gegenüber dem Verbrechensopfer vermissen lassen; (D 15/12),

gegen Berufspflichten verstoßen sowie Ehre und Ansehen des Standes verletzt."

Die Geldbuße wurde in Höhe von € 15.000,– (neu) festgesetzt.

Begründend führt die OBDK aus, der Rechtsanwalt müsse den Klienten darüber aufklären, mit welchen Kosten er zu rechnen habe. Wäre O. H. über die zu erwartenden Kosten nachvollziehbar informiert worden, hätte er angesichts der Honorarforderung nicht "schockiert" werden können. Die Vorgangsweise des Beschwerdeführers, seinem Mandanten ohne Vorliegen einer detaillierten Abrechnung ein gewisses Honorar mitzuteilen und zugleich ein deutlich niedrigeres Pauschalhonorar unter der Voraussetzung, dass der Mandant ein Anerkenntnis unterfertige, vorzuschlagen (ca. € 12.000,– Unterschied), sei jedenfalls disziplinär. Der Beschwerdeführer habe somit die aus §9 Rechtsanwaltsordnung (im Folgenden: RAO) erfließende Aufklärungspflicht verletzt.

Bezüglich der wesentlich überhöhten Honorarforderung an H. M. stelle die Einräumung einer Frist von nur vier Tagen, die auch ein Wochenende umfasste, und das Fehlen nachvollziehbarer Ausführungen ein disziplinäres Verhalten dar. Im Falle der G. F. habe der Beschwerdeführer trotz vollständiger Bezahlung seines Honorars nachträglich eine Honorarnote vorgelegt, nachdem er erfahren habe, dass diese aus einem nachfolgenden Liegenschaftsverkauf einen Überling erzielt habe.

Zu den Äußerungen des Beschwerdeführers hinsichtlich des psychischen Gesundheitszustandes des im Verfahren beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen wird ausgeführt, dass diese Äußerungen durch §9 Abs1 RAO und Art10 EMRK nicht gedeckt seien. Die im Anklageeinspruch gestellten Fragen seien für die Vertretung des Angeklagten in keiner Weise dienlich, sondern würden ein unsachliches, beleidigendes und abqualifizierendes Vorbringen darstellen, für das keine sachliche Notwendigkeit bestehe. Bei der Strafbemessung sei erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die genannte spezifisch einschlägige Vorstrafe und der ebensolche äußerst rasche Rückfall zu berücksichtigen. Milderungsgründe würden nicht vorliegen.

3. Gegen diesen Bescheid der OBDK vom 15. November 2013 richtet sich die auf Art144 B-VG in der mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen Fassung iVm Art151 Abs51 Z9 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verfassungswidrigkeit von §54 Abs5 Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: DSt) und von §9 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (im Folgenden: VwGbk-ÜG) behauptet und die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein faires Verfahren, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit der Meinungsäußerung, auf Freiheit der Erwerbsbetätigung, auf Unversehrtheit des Eigentums sowie in den durch Art3, 4 und 7 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend gemacht wird.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Rechtslage

1. §54 Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, BGBl 474/1990 idF BGBl I 190/2013, lautet:

"§54. (1) Eine verspätete oder unzulässige Berufung oder eine Berufung, die keine Erklärung im Sinn des §49 enthält, ist ohne mündliche Verhandlung mit Beschluß zurückzuweisen.

(2) Ist die Erhebung des Sachverhalts oder das Verfahren mangelhaft, sodaß es ganz oder zum Teil wiederholt oder ergänzt werden muß, und nimmt die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission die Beweisaufnahme und die Verfahrensergänzungen weder selbst vor, noch läßt sie sie vornehmen (§52), so hat sie das Erkenntnis des Disziplinarrats ganz oder zum Teil aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an den Disziplinarrat zurückzuverweisen.

(3) In allen anderen Fällen hat die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, das Erkenntnis in jeder Richtung zu ändern, zum Nachteil des Beschuldigten jedoch nur im Umfang der Anfechtung.

(4) Ist die Berufung lediglich zugunsten des Beschuldigten ergriffen worden, so darf weder die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission noch im Fall einer Zurückverweisung der Disziplinarrat eine strengere Strafe als in dem angefochtenen Erkenntnis verhängen.

(5) Das Erkenntnis hat den Ausspruch über die Pflicht des Beschuldigten zum Ersatz der Kosten des Verfahrens zu enthalten."

2. §9 Bundesgesetz betreffend den Übergang zur zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz – VwGbk-ÜG), BGBl I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, lautet:

"Belangte Behörde bzw. Revisionsgegner

§9. (1) In den Verfahren gemäß den §§3 bis 8 ist Art151 Abs51 Z7 und 9 B-VG sinngemäß anzuwenden.

(2) Wer in den Verfahren gemäß den §§3 bis 8 und gemäß Art151 Abs51 Z7 und 9 B-VG belangte Behörde bzw. Revisionsgegner ist, ist in sinngemäßer Anwendung der maßgeblichen Bestimmungen des VwGVG, des VwGG und des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 – VfGG, BGBl Nr 85/1953, zu beurteilen."

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1. Der Beschwerdeführer behauptet die Verfassungswidrigkeit des §54 Abs5 DSt, weil im Falle eines Freispruches kein Kostenersatz an den Disziplinarbeschuldigten vorgesehen ist. Dies verletze wegen des ihm entstandenen Aufwandes und Verdienstausfalles die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und Unversehrtheit des Eigentums sowie das Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit.

Im Erkenntnis VfSlg 19.193/2010 hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass gegen §54 Abs5 DSt keine Bedenken bestehen. Auch auf Grund des vorliegenden Falles sind insbesondere im Hinblick darauf, dass dem nicht vertretenen Beschwerdeführer keine Verfahrenskosten entstanden sind, keine Bedenken gegen diese Bestimmung entstanden.

Inwiefern der Beschwerdeführer eine Verfassungswidrigkeit in §9 VwGbk-ÜG erblickt, kann aufgrund mangelnder Ausführungen nicht nachvollzogen werden.

Da der Verfassungsgerichtshof auch gegen andere dem Bescheid zugrunde liegende Bestimmungen keine Bedenken hegt, wurde der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt.

2. Der Beschwerdeführer behauptet, der angefochtene Bescheid verletze ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie in dem aus Art7 EMRK erfließenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht.

Das Fehlen eines konkretisierten Vorwurfs, worin die Verletzung von Berufspflichten bzw. von Ehre und Ansehen des Standes zu erblicken sei, belastet einen Bescheid mit Willkür (vgl. VfSlg 11.776/1988). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Die belangte Behörde begründet das Vorliegen des disziplinären Vorwurfs damit, dass der Beschwerdeführer in den gegebenen Situationen verpflichtet gewesen wäre, die gebotene Aufklärung über Art und Ausmaß seines Honoraranspruches zu erteilen und beurteilt das Verhalten des Beschwerdeführers in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise als Verletzung der sich aus §9 RAO ergebenden Aufklärungspflicht. Die belangte Behörde hat sich bei dieser Beurteilung auch im Rahmen dessen gehalten, was bei vernünftiger Interpretation dieser Bestimmung für den Beschwerdeführer erkennbar sein musste, nämlich, dass er sich durch sein Verhalten dem Risiko einer Bestrafung aussetzt (vgl. zB VfSlg 16.168/2001 mwN).

Auch sonst ist der angefochtene Bescheid ausreichend begründet. Die belangte Behörde legt nachvollziehbar dar, dass einerseits in den vorliegenden Fällen die Aufklärung über den Honoraranspruch erforderlich gewesen wäre und anderseits, dass die Äußerungen des Beschwerdeführers hinsichtlich des psychischen Gesundheitszustandes des im Verfahren beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen für die Vertretung des Angeklagten in keiner Weise dienlich, sondern ein unsachliches, beleidigendes und abqualifizierendes Vorbringen darstellen würden, für das keine sachliche Notwendigkeit bestehe.

Die behauptete Verletzung von Art7 EMRK bzw. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt sohin nicht vor.

Aus diesen Gründen liegt auch keine Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit der Erwerbsbetätigung sowie auf Unversehrtheit des Eigentums vor.

3. Soweit der Beschwerdeführer eine Reihe von Rechtsverletzungen unter dem Titel von Art6 EMRK rügt, ist ihm entgegenzuhalten, dass der EGMR nur darauf abstellt, ob das Verfahren insgesamt fair war (vgl. auch EGMR 30.6.1993, ÖJZ1994, 137; sowie EGMR 16.11.2006, Fall Klimentyev, Appl. 46.503/99; 9.1.2007, Fall Gossa, Appl. 47.986/99). Der Beschwerdeführer hatte während des
Berufungsverfahrens die Möglichkeit, in den Verfahrensakt Einsicht zu nehmen und in der rechtzeitig anberaumten mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit, seinen Standpunkt darzulegen.

Der Beschwerdeführer wurde daher nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren verletzt.

Es liegt auch keine Verletzung der Unschuldsvermutung gemäß Art6 Abs2 EMRK vor, weil die belangte Behörde sich ausreichend im Rahmen der Beweiswürdigung mit allen Fragen auseinander gesetzt hat.

4. Zur behaupteten Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung gemäß Art10 EMRK wird auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs bzw. des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verwiesen (vgl. etwa VfSlg 12.796/1991, 14.233/1995, 15.586/1999, 16.792/2003; s. etwa EGMR, 28.10.2003, Fall Steur, Appl. 39.657/98; 17.7.2008, Fall Schmidt, Appl. 513/05 = ÖJZ2008, 990). Die belangte Behörde hat dem Gesetz aber keinen verfassungswidrigen – insbesondere die Schranken des Art10 EMRK missachtenden – Inhalt unterstellt, indem sie in den Äußerungen des Beschwerdeführers das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und ein die Ehre und das Ansehen des Standes beeinträchtigendes Verhalten festgestellt hat.

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid daher auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art10 EMRK verletzt worden.

Ebenso wenig liegt eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte gemäß Art3 und 4 EMRK vor.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden.

3. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

4. Ob der angefochtene Bescheid auch in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde – wie im vorliegenden Fall – gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG in der mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen Fassung iVm Art151 Abs51 Z9 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).

5. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist daher abzuweisen (vgl. Punkt IV.4.). Ein Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof ist einfachgesetzlich nicht vorgesehen, weshalb eine Abtretung gemäß Art144 Abs3 B-VG in der mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen Fassung iVm Art151 Abs51 Z9 B-VG nicht in Betracht kommt (vgl. VfSlg 16.557/2002).

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG in der mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen Fassung iVm Art151 Abs51 Z9 B-VG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht, fair trial, Meinungsäußerungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:B184.2014

Zuletzt aktualisiert am

01.08.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten