TE Vfgh Erkenntnis 2014/3/11 G89/2013

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Veröffentlicht am 11.03.2014
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Index

L9440 Krankenanstalt, Spital

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
F-VG 1948 §2, §4
Nö KAG 1974 §66a
KAKuG §34 Abs2
FAG 2008 §9 Abs9

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des Nö KAG betreffend die Verpflichtung der Standortgemeinden von Landeskrankenanstalten zur Leistung eines Standortbeitrags wegen unsachlicher Benachteiligung der Stadt St. Pölten; "Abschöpfung eines Standortvorteils" im Hinblick auf die finanzausgleichsrechtlichen Grundsätze des abgestuften Bevölkerungsschlüssels sachlich nicht gerechtfertigt; Benachteiligung St. Pöltens auch wegen mangelnder Validität der Bevölkerungsdaten bei Gesetzwerdung und Nichtberücksichtigung einer Verminderung des "Standortvorteils"

Spruch

I. 1. In §66a NÖ Krankenanstaltengesetz (NÖ KAG), LGBl Nr 9440, idF LGBl Nr 9440-24, wird die Wortfolge "ST. PÖLTEN € 6.142.424" als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

3. Der Landeshauptmann von Niederösterreich ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für das Land Niederösterreich verpflichtet.

II. Im Übrigen wird das Gesetzesprüfungsverfahren eingestellt.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl A7/2012 eine auf Art137 B-VG gestützte Klage der Landeshauptstadt St. Pölten gegen das Land Niederösterreich anhängig, mit der zum einen die Feststellung begehrt wird, dass die beklagte Partei nicht berechtigt ist, von den der klagenden Partei zustehenden Ertragsanteilen an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben einen Standortbeitrag iSd §66a NÖ Krankenanstaltengesetz – NÖ KAG (im Folgenden: NÖ KAG) einzubehalten, um diesen an den NÖ Gesundheits- und Sozialfonds (NÖGUS) weiterzuleiten. Zum anderen begehrt die klagende Partei von der beklagten Partei die Auszahlung der ihr von der beklagten Partei seit Jänner 2006 vorenthaltenen, weil statt an sie an den NÖGUS zur Auszahlung gebrachten Standortbeiträge iSd §66a NÖ KAG sowie den Ersatz der Kosten.

2. Bei der Behandlung dieser Klage sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §66a NÖ Krankenanstaltengesetz (NÖ KAG), LGBl 9440 idF LGBl Nr 9440-24, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 3. Oktober 2013 beschlossen, diese Gesetzesbestimmung von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"4.1. Der Verfassungsgerichtshof geht unter Einbeziehung der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung davon aus, dass §66a NÖ KAG nicht den grundsatz-gesetzlichen Bestimmungen der §§33 und 34 KAKuG widerspricht. Es kann auf sich beruhen, ob und in welcher Hinsicht §34 Abs2 KAKuG einer Abwälzung des Aufwandes für Krankenanstalten auf eine Standortgemeinde mit der Hälfte des Betriebsabganges der Krankenanstalt (im Verständnis von dessen Definition in §34 Abs1 KAKuG) Grenzen setzt, da im Verfahren weder behauptet wurde noch hervorgekommen ist, dass diese Grenzen überschritten worden wären.

4.2. Die im vorliegenden Verfahren strittige Regelung des §66a NÖ KAG sieht im systematischen Zusammenhang mit den zuvor in Punkt II. wiedergegebenen Bestimmungen über die Finanzierungsbeiträge der niederösterreichischen Gemeinden zu Betrieb und Erhaltung von Landeskrankenanstalten zusätzlich Standortbeiträge jener Gemeinden vor, in denen sich eine NÖ Fondskrankenanstalt befindet. Diese Beiträge werden in den Folgejahren um den gemäß §70 Abs3 NÖ KAG festgelegten Faktor erhöht. Die Überwälzung der aus der Besorgung der Aufgaben des Landes entstandenen, durch Einnahmen nicht gedeckten Aufwandslast für Betrieb und Erhaltung einer öffentlichen Krankenanstalt auf die Standortgemeinde im Sinne des §2 F-VG unterliegt als Norm finanzausgleichsrechtlichen Inhalts den verfassungsrechtlichen Grenzen des §4 F-VG.

4.3. §4 F-VG stellt nach der mit VfSlg 9280/1981 beginnenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Konkretisierung des Gleichheitssatzes für das Gebiet des Finanzausgleichs dar. Der Gestaltungsspielraum des zuständigen Gesetzgebers ist im Sinne der zu §4 F-VG ergangenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – und abgesehen von sonstigen Anforderungen durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art7 Abs1 B-VG – einerseits durch das Gebot einer sachgerechten Kooperation in Form von Beratungen zwischen den betroffenen Gebietskörperschaften im Vorfeld der Gesetzgebung (vgl. zu dieser Rechtsprechung Ruppe, in: Korinek/Holoubek (Hrsg.), §4 F-VG Rz 6 ff.) und andererseits durch das Gebot der Beachtung der Leistungsfähigkeit der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft im Sinne des §4 F-VG begrenzt. Ein den §4 F-VG verletzender Fehler der Gesetzgebung liegt bei Einhaltung dieser Grundsätze dann vor, wenn einzelne Bestimmungen zueinander in sachlich nicht rechtfertigbarem Widerspruch stehen, wenn von verfehlten Prämissen ausgegangen wurde oder wenn die Interessen eines Partners geradezu willkürlich ignoriert oder missachtet wurden (VfSlg 15.681/1999 mwH).

5. Der Verfassungsgerichtshof hegt das Bedenken, dass der in Prüfung gezogene §66a NÖ KAG diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen des §4 F-VG aus folgenden Gründen nicht entspricht:

5.1. Es ist zwar im Verfahren hervorgekommen, dass das Land Niederösterreich mit den einzelnen Standortgemeinden, so auch mit der klagenden Partei, Übernahmeverträge abgeschlossen hat, in denen auch Standortbeiträge, wie sie später in §66a NÖ KAG Eingang gefunden haben, vereinbart worden sind, doch vermag der Verfassungsgerichtshof vorderhand nicht zu erkennen, dass die den Vereinbarungen nachfolgenden gesetzlichen Festlegungen, auf Grund derer die klagende Partei einen Standortbeitrag zu entrichten hat, der die Standort-beiträge aller übrigen Standortgemeinden zusammen deutlich übersteigt, sachlich und den Kriterien des §4 F-VG entsprechend ausgestaltet worden sind.

5.2. Wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, scheinen die in §66a NÖ KAG für die einzelnen Standortgemeinden festgelegten Standortbeiträge auf Basis einer im Jahr 2004 im Auftrag des Landes Niederösterreich erstellten Studie des IHS berechnet worden zu sein. Dabei wurde – in Bezug auf die klagende Partei – mit Hilfe verschiedener Modelle ermittelt, inwieweit die Bevölkerungszahl von der tatsächlichen Bevölkerungszahl im Sinne eines langfristigen Vergleichs abweichen würde, wenn es in St. Pölten kein Klinikum gäbe. Anhand der sich daraus ergebenden Differenz wurde errechnet, welche zusätzlichen Einnahmen St. Pölten aus dem Finanzausgleich durch jene Einwohner lukriert, die – in einer fiktiven, rein rechnerischen Betrachtungsweise – nur deshalb in der Landeshauptstadt ihren Hauptwohnsitz genommen haben, weil sich dort auch das Landesklinikum befindet.

5.3. In der mündlichen Verhandlung wurde von der beklagten Partei erläutert, dass die Höhe des von der klagenden Partei zu entrichtenden Standortbeitrages im Wesentlichen auf die Anwendung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels (§9 Abs9 FAG 2005, §9 Abs10 FAG 2008), und zwar im Besonderen auf die Zuschläge für Städte mit eigenem Statut mit einer Einwohnerzahl im Bereich von 45.000 bis 50.000 zurückzuführen sei.

5.4. Die Studie des IHS und – ihr folgend – der Landesgesetzgeber scheinen in diesem Zusammenhang Zweck und Bedeutung des abgestuften Bevölkerungs-schlüssels nicht hinreichend berücksichtigt zu haben. Die den Gemeinden auf Grund dieses Verteilungsschlüssels zukommenden Ertragsanteile können definitionsgemäß nicht bloß als (finanzielle) 'Vorteile' aus dem Vorhandensein einer größeren Bevölkerungszahl gewertet werden, die für Finanzierungszwecke der den Zuwachs um eine bestimmte Personenzahl verursachenden Einrichtungen 'abgeschöpft' werden dürften: Denn diese den Gemeinden nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel zukommenden Leistungen haben den Zweck, den Gemeinden die Erfüllung (Finanzierung) jener Aufgaben zu ermöglichen, die ihnen gemessen an der Bevölkerungszahl entstehen und tragen u.a. auch dem Umstand Rechnung, dass mit steigender Bevölkerungsballung für bestimmte Leistungen der Gemeinde die Kosten überproportional zunehmen (vgl. etwa VfSlg 9280/1981). Es scheint nun aber zwischen der Höhe des Finanzierungsaufwandes für eine Krankenanstalt und der Gemeindegröße kein vergleichbarer Sachzusammenhang zu bestehen, der es als sachlich erscheinen ließe, den unmittelbaren 'Vorteil' aus der Gemeindegröße nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel für Zwecke der Krankenanstaltenfinanzierung abzuschöpfen; auch scheint es nicht sachlich zu sein, am finanzausgleichsrechtlichen Mehrertrag anzuknüpfen, ohne zugleich in derselben Weise die damit verbundenen Aufwendungen in Rechnung zu stellen. Auch wird damit anscheinend ein 'Vorteil' abgeschöpft, der als Teil der Wirtschaftskraft der klagenden Partei gleichzeitig für die Höhe ihrer Beiträge gemäß §66 NÖ KAG maßgebend sein dürfte.

5.5. Selbst wenn aber diese Bedenken nicht zutreffen sollten, ist für den Verfassungsgerichtshof vorläufig nicht erkennbar, dass sich aus dem An-knüpfungspunkt des abgestuften Bevölkerungsschlüssels eine sachliche Zu-ordnung für einen im Verhältnis zu allen anderen Standortgemeinden erhöhten Beitrag der klagenden Partei zur Finanzierung von Betrieb und Erhaltung der Krankenanstalt in St. Pölten ableiten lässt.

5.5.1. Es dürfte sich nämlich die in der Studie des IHS angenommene fiktive Verminderung der Bevölkerungszahl in jenem Bereich des abgestuften Bevölkerungsschlüssels von 45.000 bis 50.000 Einwohnern, in dem sich St. Pölten im Zeitpunkt der Datenerhebung im Jahr 2001 befunden hat, besonders gravierend auf die Höhe der Ertragsanteile St. Pöltens an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben und damit auch besonders nachteilig auf die Höhe des Standortbeitrages ausgewirkt haben. Die gesetzliche Regelung scheint aber nun zu bewirken, dass diese nachteilige Auswirkung auf die Höhe des Standortbeitrages nicht nur für die Dauer der Zugehörigkeit St. Pöltens zu dieser Stufe von 45.000 bis 50.000 Einwohnern, sondern auch durch Jahre darüber hinaus bestehen bleibt, obwohl sich der die Grundlage der Berechnung bildende 'Vorteil' nach dem Verlassen dieser Stufe deutlich verringern musste, was anscheinend bereits vor dem Inkrafttreten des §66a NÖ KAG der Fall gewesen ist.

5.5.2. Ein weiteres Element der Unsachlichkeit scheint schließlich auch in der Beschränkung des Standortbeitrages auf die Standortgemeinden zu liegen, verteilt sich doch der in St. Pölten für die Beitragsleistung zur Gänze erfasste Standortvorteil – wie die mündliche Verhandlung bestätigt hat – bei anderen (kleineren) Standortgemeinden auch auf die im unmittelbaren Umland liegenden weiteren Gemeinden, die aber ihrerseits zu keinen vergleichbaren Finanzierungs-beiträgen herangezogen werden.

Auch die in der mündlichen Verhandlung erörterten Investitionen des Landes in das Landesklinikum St. Pölten scheinen dem Verfassungsgerichtshof vorerst kein ausreichender sachlicher Grund dafür zu sein, St. Pölten im Verhältnis zu allen anderen Standortgemeinden mit einem Standortbeitrag in dieser Höhe zu belegen.

5.5.3. Es dürfte zwar grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig sein, wenn der Landesgesetzgeber Gemeinden mit deutlichen Standortvorteilen, die auf das Vorhandensein einer Krankenanstalt zurückzuführen sind, in einem höheren Ausmaß zur Krankenanstaltenfinanzierung heranzieht, als andere Gemeinden des Beitragsbezirks bzw. des Krankenanstaltensprengels, bei denen dies nicht oder in deutlich geringerem Ausmaß der Fall ist. Das §4 F-VG zu entnehmende spezifische finanzausgleichrechtliche Sachlichkeitsgebot dürfte es aber in diesem Zusammenhang erfordern, dass das Verhältnis, in welchem die Standortgemeinden an den Finanzierungskosten von Landeskrankenhäusern beteiligt werden, nicht gänzlich ohne Bezugnahme einerseits auf das Verhältnis des Betriebs- bzw. Erhaltungsaufwandes der einzelnen Krankenanstalten zueinander und andererseits auch nicht gänzlich ohne Bezugnahme auf die Finanzkraft der jeweiligen Standortgemeinden festgelegt wird (vgl. auch VfSlg 12.505/1990)."

4. Die Niederösterreichische Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:

"Das Landesklinikum St. Pölten ist eine NÖ Fondskrankenanstalt iSd §2 Abs2 NÖ KAG. Die Stadt St. Pölten war bis 2004 Rechtsträger dieses Landesklinikums. Seit 1.1.2005 ist das Land Niederösterreich der Rechtsträger.

Der Übertragung der Rechtsträgerschaft gingen Verhandlungen voraus, deren wesentliche Grundlage ein am 29.6.2004 auf Seiten der Stadt St. Pölten vom Bürgermeister und auf Seiten des Landes Niederösterreich vom Landeshauptmann unterzeichneter Letter of Intent sowie ein Side Letter (Beilage 1) waren. Erste Gespräche hatte es bereits davor gegeben. Der Grund für die Übertragung der Rechtsträgerschaft lag in dem für die Stadt St. Pölten nicht mehr zu bewältigenden finanziellen Aufwand für den Betrieb des Landesklinikums.

Entscheidungsgrundlage für die Unterzeichnung des Letter of Intent war eine Studie des Instituts für höhere Studien (in der Folge kurz: 'IHS') vom April 2004 (in der Folge kurz: 'IHS-Studie', Beilage 2). Diese wurde vom Land Niederösterreich zur Beurteilung der regionalwirtschaftlichen und fiskalischen Effekte des Landesklinikums in Auftrag gegeben. Sie wurde der Stadt St. Pölten unmittelbar nach ihrer Fertigstellung übermittelt. Die Stadt St. Pölten bezog dazu auch Stellung (Beilage 3).

Die Stadt St. Pölten verfügte zu diesem Zeitpunkt bereits über eine eigene einschlägige Studie. Diese hatte den Titel 'Ökonomische Wirkungen der Krankenanstalt St. Pölten'. Sie wurde vom Institut für Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik der Technischen Universität Wien unter der Projektleitung von Univ.-Prof. Mag. Dr. Wilfried Schönbäck verfasst und datiert mit 31.3.2003 (in der Folge kurz: 'Schönbäck-Studie', Beilage 4).

Die Stadt St. Pölten erklärte sich im Rahmen der Verhandlungen, die zum Abschluss des Übergabevertrags führten, wiederholt grundsätzlich zur Leistung eines Standortbeitrags bereit. Die Stadt St. Pölten und das Land Niederösterreich erzielten schließlich im Letter of Intent bzw. im Side Letter zum Letter of Intent vom 29.6.2004 (Beilage 1) Einigkeit über die Höhe des Standortvorteils. In den nachfolgenden Verhandlungen zum Übergabevertrag wurde dieser Standortvorteil nie mehr in Zweifel gezogen bzw. z.B. in der 5. Sitzung der Arbeitsgruppe Recht und Finanzen am 27.10.2004 auch ausdrücklich bestätigt (Beilage 5). Der Gemeinderat der Stadt St. Pölten fasste am 24.11.2004 einen Beschluss über den Abschluss des Übergabevertrags und somit auch die Höhe des Standortvorteils von € 7.305.162,–.

Mit Übergabevertrag vom 17.12.2004 (Beilage 6) und Wirkung zum 1.1.2005 regelten die Stadt St. Pölten und das Land Niederösterreich abschließend den Übergang der Rechtsträgerschaft am Landesklinikum. Artikel 6 des Übergabevertrags lautet wie folgt (Hervorhebungen nicht im Original):

'Artikel 6

Finanzielle Bedingungen der Übergabe

1. Finanzierungsbeitrag der Stadt St. Pölten:

1.1. Nach Übertragung der Rechtsträgerschaft am Zentralklinikum St. Pölten verbleibt bei der Stadt St. Pölten ein Finanzierungsbeitrag, der sich zahlenmäßig auf Basis des Jahres 2004 aus folgenden Beträgen zusammensetzt:

1. EUR 7.574.030,-- (Eurosiebenmillionenfünfhundertvierundsiebzigtausendund-dreißig),

2. zuzüglich einem aus dem Bestand des Zentralklinikums St. Pölten resultierenden Standortvorteil der Stadt St. Pölten. Dieser wird ohne Präjudiz für eine künftige Regelung im Sinne dieses Abs1.1 Z2 mit EUR 7.305.162, (Eurosiebenmillionendreihundertfünftausendeinhundertzweiundsechzig) festgelegt,

3. abzüglich einer fiktiven Ersparnis von Umlagen, die die Stadt St. Pölten bei Nichtbestehen des Zentralklinikums St. Pölten weniger zu leisten hätte, in Höhe von EUR 1.300.000,- (Euro einemilliondreihunderttausend).

Der für das jeweilige Jahr geltende Finanzierungsbeitrag wird für das Folgejahr nominell um jenen Betrag erhöht, der sich aus der Valorisierung der unter Abs1.1 Z1 und Z2 genannten Beträge mit dem für die NÖKAS-Beiträge geltenden Faktor (§72 Abs4 NÖ KAG) ergibt.

1.2. Die Vertragspartner gehen davon aus, dass die Krankenanstaltenfinanzierung gesetzlich neu geregelt wird, bei welcher die Standortvorteile von jenen Gemeinden, in denen sich eine Krankenanstalt befindet, Berücksichtigung finden werden. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung bezahlt die Stadt St. Pölten dem Land NÖ – insbesondere in Ansehung der vom Land NÖ gegebenen Standortgarantie (gemäß Artikel 1 dieses Vertrages) – ab dem Jahr 2005 jährlich den in Abs1.1 genannten Betrag (unter Anwendung der Valorisierungsbestimmung gemäß Abs1.1 letzter Satz) abzüglich der für die Stadt St. Pölten im jeweiligen Jahr errechneten NÖKAS-Umlage gemäß §66 Abs1 NÖ KAG. Die Zahlungen haben in zwölf gleichen Teilbeträgen bis spätestens zum 15. eines jeden Monats zu erfolgen. Ab Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung wird die Stadt St. Pölten den gesetzlichen Finanzierungsbeitrag bezahlen.

Sollte der gesetzliche Finanzierungsbeitrag höher sein als der vergleichsweise gegenübergestellte – gemäß §71 Abs3 NÖ KAG valorisierte – Trägeranteil 1 (dieser beträgt für das Jahr 2004 EUR 16.443.756,45), wird das Land NÖ der Stadt St. Pölten die übersteigende Differenz refundieren.

1.3. Die über den Trägeranteil 1 hinausgehenden Trägeranteile des Jahres 2004 laut Rechnungsabschluss 2004 werden zwischen der Stadt St. Pölten und dem Land NÖ geteilt. Das Land NÖ zahlt der Stadt St. Pölten die Hälfte dieses Betrags in Raten von jeweils EUR 2 Mio. (Euro 2 Millionen) am 15. Jänner, 15. Februar und 15. März sowie den Restbetrag binnen 3 Wochen ab Vorliegen eines rechtskräftigen Bescheides über den Rechnungsabschluss 2004 im darin festgestellten Ausmaß. Die Stadt St. Pölten wird mit dieser Zahlung den aushaftenden Betriebsmittelkredit tilgen.

…'

Durch die Übergabe der Rechtsträgerschaft am Landesklinikum verringerten sich die Ausgaben der Stadt St. Pölten für die Krankenanstaltenfinanzierung zu Lasten des Landes Niederösterreich erheblich. Im Jahre 2004 wendete die Stadt St. Pölten für den Betrieb des Landesklinikums St. Pölten € 36,3 Mio. auf, während sie dafür im Jahre 2006 nach der Übergabe der Trägerschaft nur mehr € 15,3 Mio. an Aufwand hatte. Weitere Aufwendungen des Landes Niederösterreich für einen Umbau, dessen Kosten ausschließlich vom Land Niederösterreich getragen werden, sind dabei noch nicht berücksichtigt.

Die Zahlungen von St. Pölten für das Krankenhaus haben sich mit der Übergabe dramatisch reduziert. Dies illustriert die folgende Tabelle:

Jahr

Zahlungen bei

Beibehaltung der Trägerschaft

Zahlungen als Standortgemeinde ohne Trägerschaft

Differenz

2006

47.562.049,69

15.282.833,14

32.279.216,55

2007

64.979.238,64

15.995.380,38

48.983.858,26

2008

63.709.745,13

16.776.118,32

46.933.626,81

2009

66.440.917,50

17.776.415,92

48.664.501,58

2010

61.026.213,77

19.507.904,47

41.518.309,30

2011

51.745.090,65

20.707.787,10

31.037.303,55

2012

49.348.542,22

22.495.371,39

26.853.170,83

II. Kommunalgipfelgespräch vom 31.5.2005

Das Land Niederösterreich schloss (vorwiegend) im Jahr 2004 auch mit anderen niederösterreichischen Gemeinden Verträge, durch welche die Rechtsträgerschaft an Krankenanstalten von diesen Gemeinden auf das Land Niederösterreich übertragen wurde. Auch in diesen Übergabeverträgen wurde die Leistung von Standortbeiträgen vereinbart. Deren Höhe ergab sich aus ebenfalls im Auftrag des Landes Niederösterreich durch das IHS erstellten Studien. Diese wurden für sämtliche Standortgemeinden in Niederösterreich nach derselben Methode erstellt.

Die Festlegung der Standortbeiträge, und zwar sowohl für die Stadt St. Pölten als auch für alle übrigen Standortgemeinden, wurde in den Übergabeverträgen und im Rahmen eines sogenannten Kommunalgipfelgesprächs am 31.5.2005 paktiert (vgl. dazu das Ergebnisprotokoll, Beilage 7). Diesem Kommunalgipfelgespräch gingen die Übermittlung eines Gesetzesentwurfs an die Gemeinden, ein sogenannter Kommunalgipfel am 6.5.2005 und mehrere interkommunale Arbeitsgruppenbesprechungen zwischen dem 10.5.2005 und dem 24.5.2005 voraus.

Beim Kommunalgipfelgespräch am 31.5.2005 waren neben Vertretern des Landes Niederösterreich auch Vertreter des 'Verbands NÖ Gemeindevertreter der ÖVP (in der Folge kurz: 'VP GVV'), Präsident LAbg. Mag. Alfred Riedl, 2. Vizepräsident LAbg. Bgm. Karl Moser, Mag. Christian Schneider, und des 'Verbands sozialdemokratischer Gemeindevertreter in Niederösterreich' (in der Folge kurz: 'SP GVV'), Präsident Bgm. Bernd Vögele, Mag. Ewald Buchenreiter, anwesend (vgl. dazu das Ergebnisprotokoll des Kommunalgipfelgesprächs vom 31.5.2005 auf Seite 2, Beilage 7). Bei diesen Verbänden handelt es sich sowohl um die beiden tatsächlich existierenden Gemeindevertreterverbände nach §119 NÖ Gemeindeverordnung 1973 (NÖ GO 1973), LGBl 1000, als auch um zwei von insgesamt zehn Landesverbänden des Österreichischen Gemeindebunds (der bloß eine österreichweite Dachorganisation ist: Weber in Korinek/Holoubek Rz 19 zu Art115 B-VG; Stolzlechner, in Rill/Schäffer, Artikel 115 B-VG Rn. 11 [FN 44]). In diesem Zusammenhang wird festgehalten, dass der Bürgermeister der Stadt St. Pölten, Mag. Matthias Stadler, als Vizepräsident dem Präsidium des SP GVV angehört. Herr Mag. Stadler ist schließlich auch Vorsitzender des Bezirksverbands St. Pölten des SP GVV. Am Kommunalgipfelgespräch am 31.5.2005 nahm er jedoch nicht teil.

Es entspricht der politischen Praxis und ist auch in der Lehre anerkannt, dass der österreichische Gemeindebund (als Dachverband) die Interessen der Gemeinden wahrnimmt, wenn bundesweit Gemeindebelange betroffen sind. Sind hingegen nur die Interessen von Gemeinden eines Bundeslandes betroffen, werden diese von den jeweiligen Landesverbänden wahrgenommen (Stolzlechner, in Rill/Schäffer, Artikel 115 B-VG Rn. 11; vgl. etwa auch den VfSlg 15.039/1997 zugrundeliegenden Sachverhalt sowie §119 NÖ GO 1973).

Im Rahmen des Kommunalgipfelgesprächs am 31.5.2005 wurde nur über die Finanzierung der Krankenanstalten in Niederösterreich beraten. Es waren daher nur die Interessen der Gemeinden eines Bundeslands, nämlich Niederösterreichs, betroffen, sodass die Beratungen auch nur mit Vertretern des VP GVV und des SP GVV (als Gemeindevertreterverbände iSv §119 NÖ GO 1973 und Landesverbände des Österreichischen Gemeindebunds), nicht aber mit Vertretern des österreichischen Gemeindebunds (als Dachverband) geführt wurden. Die Ergebnisse des Kommunalgipfelgesprächs am 31.5.2005 wurden einstimmig gefasst (Ergebnisprotokoll Seite 3, Beilage 7).

In diesem Zusammenhang ist schließlich festzuhalten, dass der Österreichische Gemeindebund bzw. seine Landesverbände Partner in Finanzausgleichsverhandlungen sein können (Weber in Korinek/Holoubek Rz 20 zu Art115 B-VG; Stolzlechner, in Rill/Schäffer, Artikel 115 B-VG Rn. 11). Im Übrigen setzt der Bundesgesetzgeber den österreichischen Gemeindebund (in einem hier freilich nicht einschlägigen Rahmen) sogar ausdrücklich als einen Finanzausgleichspartner ein (§7 Abs2 FAG 2001; §6 Abs2 FAG 2008).

Als weiteres Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass es auch im Rahmen des Kommunalgipfelgesprächs am 31.5.2005 zu einer Paktierung der Standortbeiträge gekommen ist und im Hinblick auf St. Pölten somit gleichsam eine 'doppelte Paktierung' (Übergabevertrag vom 17.12.2004 und Kommunalgipfelgespräch am 31.5.2005) vorliegt.

III. Inkrafttreten von §66a NÖ KAG am 1.1.2006

Etwa ein dreiviertel Jahr nach Abschluss des Übergabevertrags am 17.12.2004 sowie genau drei Monate nach dem Kommunalgipfelgespräch am 31.5.2005 erfolgte am 31.8.2005 die Kundmachung der 22. Novelle des NÖ KAG, LGBl 9440-24, mit welcher §66a in das NÖ KAG eingefügt wurde. §66a NÖ KAG trat am 1.1.2006 in Kraft.

IV. Zusammenfassung

Im Hinblick auf die weiteren Ausführungen ist zusammenfassend festzuhalten, dass:

- die Stadt St. Pölten bereits im Frühjahr 2003 über eine eigene Studie zu den ökonomischen Wirkungen des Landesklinikums St. Pölten verfügte,

- die IHS-Studie der Stadt St. Pölten bereits vor Aufnahme der Vertragsverhandlungen, die in der Übergabe der Rechtsträgerschaft des Landesklinikums St. Pölten an das Land Niederösterreich mündeten, bekannt war,

- bereits im Jahr 2004 die Einführung eines gesetzlich festgesetzten Standortbeitrags beabsichtigt und in ihren Grundzügen der Stadt St. Pölten bekannt war,

- sich die Stadt St. Pölten bereits Ende 2004 zur Leistung eines der Intention hinter §66a NÖ KAG stehenden Standortbeitrags vertraglich verpflichtet hatte,

- die Standortbeiträge aller Standortgemeinden Niederösterreichs – darunter auch jener von St. Pölten – im Rahmen eines Kommunalgipfelgesprächs am 31.5.2005 zwischen dem Land Niederösterreich und den Gemeinden paktiert wurden,

- der Ende 2004 vertraglich vereinbarte und am 31.5.2005 'nochmals' paktierte Standortbeitrag im Jahr 2005 in Gesetzesform gegossen wurde und mit 1.1.2006 in Kraft trat, sodass der gesetzliche Standortbeitrag an die Stelle des vertraglich vereinbarten Standortbeitrags getreten ist und

- die Stadt St. Pölten durch die Übernahme der Rechtsträgerschaft am Landesklinikum St. Pölten durch das Land Niederösterreich erhebliche finanzielle Vorteile zulasten des Landes Niederösterreich erzielte.

C. Kein Verstoß von §66a NÖ KAG gegen die Vorgaben des F-VG

I. §66a NÖ KAG und §34 KAKuG als Teile des finanzausgleichsrechtlichen Normensystems

In der Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof vom 26.9.2013 im Anlassverfahren zu A7/2012 hat sich gezeigt, dass §66a NÖ KAG eine Bestimmung mit finanzausgleichsrechtlichem Charakter ist. Von diesem Verständnis geht auch der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss aus (Rz 29, letzter Satz: 'Die Überwälzung der aus der Besorgung der Aufgaben des Landes entstandenen, durch Einnahmen nicht gedeckten Aufwandslast für Betrieb und Erhaltung einer öffentlichen Krankenanstalt auf die Standortgemeinde im Sinne des §2 F-VG unterliegt als Norm finanzausgleichsrechtlichen Inhalts den verfassungsrechtlichen Grenzen des §4 F-VG.')

§66a NÖ KAG steht dabei auf der hierarchisch 'untersten Stufe'. Der Verfassungsgerichtshof hat im Prüfungsbeschluss vom 3.10.2013 (Rz 28) festgehalten, 'dass §66a NÖ KAG nicht den grundsatzgesetzlichen Bestimmungen der §§33 und 34 KAKuG widerspricht'. Nach Ansicht der NÖ Landesregierung handelt es sich bei den §§33 und 34 KAKuG um die hierarchisch 'mittlere Stufe'. Diese Bestimmungen stellen selbst eine Konkretisierung der §§2 und 4 F-VG (als hierarchisch 'oberste Stufe') dar.

In anderen Worten: Die §§2 und 4 F-VG erlauben grundsätzlich die Abwälzung von Kosten einer Gebietskörperschaft (konkret: Land Niederösterreich) auf eine hierarchisch nachgeordnete Gebietskörperschaft (konkret: Stadt St. Pölten als Gemeinde). Diese allgemeinen finanzausgleichsrechtlichen Bestimmungen werden im Hinblick auf die Finanzierung von Krankenanstalten durch die §§33 und 34 KAKuG - und hier insbesondere durch §34 Abs2 KAKuG– konkretisiert. Danach darf bei Krankenanstalten, die von einem Bundesland betrieben werden, im Einvernehmen mit der Gemeinde, in deren Gebiet die Krankenanstalt liegt (Sitzgemeinde), bestimmt werden, dass anstelle des Rechtsträgers diese Gemeinde tritt. §34 Abs2 KAKuG erlaubt daher im Rahmen der Krankenanstaltenfinanzierung die Abwälzung von Kosten eines Bundeslandes als Rechtsträger einer Krankenanstalt auf jene Gemeinden, auf deren Gebiet Krankenanstalten liegen. Dafür ist das Einvernehmen mit den betreffenden Gemeinden herzustellen, worin sich der finanzausgleichsrechtliche Charakter von §34 Abs2 KAKuG manifestiert.

§34 KAKuG enthält drei wesentliche Regelungen, nämlich über

· das grundsätzliche System der Abgangsdeckung,

· die Verteilung der Lasten aus der Abgangsdeckung und

· die Möglichkeit der Abwälzung von Kosten auf einzelne Gemeinden.

1. Die Abgangsdeckung nach §34 KAKuG

Unter dem Betriebsabgang einer Krankenanstalt ist der aus dem Betrieb einer Krankenanstalt resultierende finanzielle Verlust zu verstehen. §34 Abs1 KAKuG spricht von den 'Betriebs- und Erhaltungskosten gegenüber den Einnahmen'. Das KAKuG enthält keine ausdrückliche Bestimmung des Begriffs der 'Einnahmen'. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind darunter die für die Behandlung von Patienten erbrachten finanziellen Gegenleistungen zu verstehen.

Die Einnahmen iSv §34 Abs1 KAKuG bestehen in Österreich im Wesentlichen aus den Beiträgen des Bundes und den der Sozialversicherungsträger zum Betrieb der Krankenanstalten im Rahmen der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung, zu einem verhältnismäßig sehr kleinen Betrag aus eigenen Einnahmen der Krankenanstalten. Diese deckten in der Vergangenheit (in Niederösterreich und allen anderen Bundesländern) nur einen Teil der aus dem Betrieb von Krankenanstalten resultierenden Gesamtkosten. Daraus folgt einerseits, dass der nicht (im Wesentlichen) durch den Bund und die Sozialversicherungsbeiträge gedeckte Aufwand aus dem Betrieb von Krankenanstalten als Betriebsabgang zu qualifizieren ist. Andererseits können die Standortbeiträge nach §66a NÖ KAG keine Einnahmen iSd §34 Abs1 KAKuG darstellen, weil sie keine Gegenleistung für in Krankenanstalten erbrachte Leistungen darstellen, sondern eben den aus dem Standort einer Krankenanstalt resultierenden finanziellen Vorteil einer Gemeinde abschöpfen sollen.

2. Verteilung der Abgangsdeckung in Niederösterreich

Nach §34 Abs1 KAKuG ist der Betriebsabgang,

1. vom Rechtsträger der Krankenanstalt,

2. vom Beitragsbezirk,

3. vom Krankenanstaltensprengel und

4. vom Bundesland

zu tragen.

Da das Land Niederösterreich Rechtsträger aller Krankenanstalten in Niederösterreich ist und das NÖ KAG von der Ermächtigung des §33 Abs3 KAKuG Gebrauch gemacht hat (es gibt in Niederösterreich keine Beitragsbezirke, sondern einen Krankenanstaltensprengel für das gesamte Bundesland [NÖKAS]), ist der (gesamte) Betriebsabgang in Niederösterreich letztlich (nur) vom Land und vom NÖKAS zu tragen.

Nach §34 Abs1 letzter Satz KAKuG haben dabei der NÖKAS und das Land Niederösterreich in seiner Eigenschaft als Bundesland mindestens die Hälfte des Betriebsabgangs zu decken. Aus einem Umkehrschluss folgt, dass maximal die Hälfte des Betriebsabgangs vom Land als Rechtsträger der Krankenanstalten zu decken ist. Nur dieser Teil (also maximal die Hälfte des Betriebsabgangs) kann vom Land Niederösterreich (als Rechtsträger) unter den weiteren Voraussetzungen des §34 Abs2 KAKuG auf die Standortgemeinden abgewälzt werden.

Als weiteres Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass das Land Niederösterreich als Rechtsträger der Krankenanstalten in Niederösterreich unter den weiteren Voraussetzungen von §34 KAKuG bis zur Hälfte des Betriebsabgangs der jeweiligen Krankenanstalten auf die jeweiligen Standortgemeinden abwälzen kann.

3. Einzelfallbezogene Abwälzungsmöglichkeit nach §34 Abs2 KAKuG

§34 Abs2 KAKuG lautet wie folgt:

'(2) Bei Krankenanstalten, die von einem Bundesland betrieben werden, kann im Einvernehmen mit der Gemeinde, in deren Gebiet die Krankenanstalt liegt (Sitzgemeinde), bestimmt werden, dass an Stelle des Rechtsträgers diese Gemeinde tritt.'

Mit Ausnahme der ersten Verwendung des Begriffs der 'Krankenanstalten' stehen sämtliche Substantive dieser Bestimmung im Singular. Daraus folgt, dass die Abwälzung (eines Teils) des Betriebsabgangs auf eine Standortgemeinde nicht nur möglich ist, wenn diese Abwälzung auf sämtliche Standortgemeinden erfolgt, sondern dass sie auch nur im Hinblick auf einzelne Standortgemeinden eines Bundeslandes oder sogar nur mit einer einzigen Standortgemeinde vorgenommen werden kann. Nach §34 Abs2 KAKuG wäre es daher möglich, dass das Land Niederösterreich nur mit der Stadt St. Pölten (oder irgendeiner anderen Standortgemeinde) einen Standortbeitrag hätte vereinbaren können.

Dieses Zwischenergebnis hat zur Folge, dass der nach §34 Abs2 KAKuG auf eine Standortgemeinde abgewälzte Betrag in keinem sachlich gerechtfertigten Verhältnis zu einer entsprechenden Belastung anderer Standortgemeinden stehen muss. Sollte nämlich in einem Bundesland eine Kostenabwälzung nach §34 Abs2 KAKuG nur mit einer einzelnen Standortgemeinde vereinbart werden, kann dieser abgewälzte Betrag in keinem Verhältnis zu anderen 'Standortbeiträgen' stehen (weil diese dann gar nicht existieren).

Auf die Bestimmung des §66a NÖ KAG umgelegt bedeutet dies, dass die Beurteilung der Verfassungskonformität des Standortbeitrags von St. Pölten von der Höhe der von den anderen Standortgemeinden zu entrichtenden Standortbeiträge unabhängig ist. Es kommt nach §34 Abs2 KAKuG nur auf die Paktierung zwischen dem Land Niederösterreich als Rechtsträger des Landesklinikums St. Pölten und der Stadt St. Pölten als Sitzgemeinde an. Diese Paktierung erfolgte durch den Letter of Intent vom 29.6.2004, den Übergabevertrag vom 17.12.2004 und das Kommunalgipfelgespräch vom 31.5.2005 (vgl. oben Punkt B.l. und B.II.).

4. Höhe des Standortbeitrags von St. Pölten im Hinblick auf die Vorgabe des §34 Abs2 KAKuG

Das Land Niederösterreich legte bereits in der mündlichen Verhandlung im Anlassverfahren zu A7/2012 vom 26.9.2013 dar, dass die Höhe des Standortbeitrags von St. Pölten weit unter der nach §34 Abs2 KAKuG möglichen Grenze von maximal der Hälfte des Betriebsabgangs des Landesklinikums St. Pölten liegt. Dies wurde von der Stadt St. Pölten nicht bestritten.

Der Verfassungsgerichtshof geht im Prüfungsbeschluss in Rz 28 selbst davon aus, dass §66a NÖ KAG den grundsatzgesetzlichen Bestimmungen der §§33 und 34 KAKuG nicht widerspricht und im Verfahren weder behauptet wurde noch hervorgekommen ist, dass die Grenze der Abwälzung des Aufwandes für Krankenanstalten auf eine Standortgemeinde mit der Höhe der Hälfte des Betriebsabganges (§34 Abs1 KAKuG) überschritten worden wäre.

Zusammengefasst kann dies exemplarisch anhand der letzten verfügbaren Zahlen (Jahr 2012) auf volle Millionenbeträge gerundet wie folgt dargestellt werden:

Der Gesamtaufwand aus dem Betrieb des Landesklinikums betrug im Jahr 2012 € 285 Mio. Von diesem Betrag sind zunächst eigene Einnahmen in der Höhe von € 39 Mio. und die Beiträge der Sozialversicherungsträger sowie des Bundes in der Höhe von € 106 Mio. in Abzug zu bringen. Es verbleibt ein nicht gedeckter Betrag in der Höhe von € 140 Mio. Bei diesem Betrag handelt es sich um den Betriebsabgang iSv §34 Abs1 KAKuG.

Von diesem Betrag könnte – im Einvernehmen – maximal die Hälfte nach §34 Abs2 KAKuG auf die Stadt St. Pölten abgewälzt werden. Dies ergäbe einen höchstzulässigen Betrag von rund € 70 Mio. Der Standortbeitrag für St. Pölten betrug im Jahr 2012 (vgl. die Valorisierungsregel in §66a Abs2 NÖ KAG) € 9.123.982,43. Im Ergebnis wurden daher im Jahr 2012 gerade einmal 6,5 % des Betriebsabgangs auf die Standortgemeinde abgewälzt. Ähnlich verhält es sich bei den Berechnungen für die Jahre 2006 bis 2011 (wobei der Prozentsatz der Abwälzung auf die Stadt St. Pölten überwiegend geringer war).

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass aus dem Standortbeitrag von St. Pölten nach §66a Abs1 NÖ KAG nur 6,5 % des Betriebsabgangs des Landesklinikums gedeckt werden. §66a Abs1 NÖ KAG entspricht daher den grundsatzgesetzlichen Vorgaben des §34 KAKuG.

5. Zusammenfassung bezüglich §34 Abs2 KAKuG

Nach den §§2 und 4 F-VG können Länder grundsätzlich Kosten auf Gemeinden abwälzen. Diese Abwälzung ist von einer Gegenleistung unabhängig. Der Bundesgrundsatzgesetzgeber hat in §34 Abs2 KAKuG eine Konkretisierung dieser Kostenabwälzungsmöglichkeit bei der Krankenanstaltenfinanzierung vorgenommen. Demnach kann im Einvernehmen mit jeder Sitzgemeinde, und zwar nicht nur mit allen Sitzgemeinden gemeinsam, sondern letztlich auch nur mit einer einzelnen Sitzgemeinde, maximal die Hälfte des Betriebsabgangs einer Krankenanstalt auf jene Gemeinde abgewälzt werden, auf deren Gebiet sich die betreffende Krankenanstalt befindet. §34 Abs2 KAKuG schafft mit der Möglichkeit der Abwälzung der Hälfte des Betriebsabgangs eine Beurteilungsgrundlage für das Vorliegen der Sachlichkeit iSd §4 F-VG. Die Standortbeiträge nach §66a NÖ KAG stellen eine Kostenabwälzung nach §34 Abs2 KAKuG dar. Das Einvernehmen iSd §34 Abs2 KAKuG wurde zwischen dem Land Niederösterreich und der Stadt St. Pölten mit Letter of Intent vom 29.6.2004, dem Übergabevertrag vom 17.12.2004 sowie im Rahmen eines Kommunalgipfelgesprächs am 31.5.2005 hergestellt.

§66a NÖ KAG entspricht daher den grundsatzgesetzlichen [Vorgaben] des §34 KAKuG.

II. Einhaltung des Gestaltungsspielraumes des §4 F-VG

Der Verfassungsgerichtshof hielt in seinem Prüfungsbeschluss in Rz 30 fest, dass die Möglichkeit der Abwälzung von Kosten durch eine Gebietskörperschaft auf eine hierarchisch nachgeordnete Gebietskörperschaft einerseits durch das Gebot einer sachgerechten Kooperation in Form von Beratungen zwischen den betroffenen Gebietskörperschaften im Vorfeld der Gesetzgebung zu erfolgen hat und andererseits durch das Gebot der Beachtung der Leistungsfähigkeit der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft und des Gleichheitssatzes im Sinne von §4 F-VG begrenzt wird.

1. Abwälzung der Kosten unter Beachtung des Gebotes einer sachgerechten Kooperation in Form von Beratungen

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass der Beschlussfassung über den Standortbeitrag für St. Pölten Beratungen zwischen dem Land Niederösterreich und der Stadt St. Pölten vorangingen (siehe dazu die Ausführungen zur Genese des §66a NÖ KAG unter B.). Die Stadt St. Pölten verfügte bereits vor Erstellung der IHS-Studie (Beilage 2) über den Standortvorteil von St. Pölten über ein eigenes Gutachten (Schönbäck-Studie vom März 2003, Beilage 4). Diese Studie kam ebenfalls zum Ergebnis, dass der Standort des Landesklinikums St. Pölten für die Stadt St. Pölten einen finanziellen Vorteil bringt. Dieser wurde im Vergleich zur IHS-Studie jedoch geringer angesetzt.

Schließlich wurden 'die Interessen' der Stadt St. Pölten auch nicht 'geradezu willkürlich ignoriert oder missachtet'. Im Gegenteil, die Stadt St. Pölten stimmte der Übernahme eines Standortbeitrags schriftlich zu (Übergabevertrag vom 17.12.2004, Beilage 6). Die Übernahme des Standortbeitrags durch die Stadt St. Pölten wurde schließlich erst durch einen eigenen Gemeinderatsbeschluss ermöglicht, der bei Kenntnis der (eigenen) Schönbäck-Studie erfolgte. Die Stadt St. Pölten stimmte der Übernahme des Standortvorteils daher aufgrund einer informierten Entscheidung zu.

Wie schon oben unter B.II. ausgeführt, liegt im Hinblick auf St. Pölten gleichsam eine 'doppelte Paktierung' (Übergabevertrag vom 17.12.2004 und Kommunalgipfelgespräch am 31.5.2005) vor.

2. Abwälzung der Kosten unter Beachtung der Leistungsfähigkeit der Gebietskörperschaft

a. Erhöhung der Leistungsfähigkeit durch Übertragung der Trägerschaft auf das Land

Im Hinblick auf das Gebot der Leistungsfähigkeit verweist die NÖ Landesregierung darauf, dass gerade durch den Übergabevertrag vom 17.12.2005 die Leistungsfähigkeit der Stadt St. Pölten wesentlich erhöht wurde. Die Leistungsfähigkeit der Stadt St. Pölten wurde durch die Übergabe der Trägerschaft an der Landeskrankenanstalt sowie die damit in einem engen sachlichen Konnex stehende Beschlussfassung über den Standortbeitrag wesentlich erhöht. Die Finanzen der Stadt St. Pölten wurden durch die Übertragung der Trägerschaft am Landesklinikum St. Pölten und die damit einhergehende Einführung der Standortbeiträge jährlich zwischen € 26,8 Mio. (2012) und € 49,0 Mio. (2007) entlastet (vgl. dazu oben Punkt B.I.).

Die Leistungsfähigkeit der Gemeinde wird auch dadurch berücksichtigt, dass nur die fiskalischen Vorteile, die eine Gemeinde aus dem Krankenhaus zieht, die ein Teil der Finanzkraft sind, für den Standortbeitrag berücksichtigt wurden und nicht unabhängig davon, ob sie Ertragsanteile auf Grund des Standortes des Krankenhauses erhält oder nicht. Nach der Bestimmung des §34 Abs2 KAKuG hätte das Land die Umlage unabhängig von den finanziellen Vorteilen treffen können.

b. Zum Vorwurf, dass der gesamte fiskalische Vorteil abgeschöpft würde:

Gemäß §2 F-VG bzw. gemäß §2 F-VG iVm §34 Abs2 KAKuG kann durch Landesgesetz eine Kostenabwälzung auf die Gemeinden erfolgen.

Die Regelung des Finanzausgleichs (die Kostentragung sowie die Verteilung der Besteuerungs- und Abgabenrechte) muss gemäß §4 F-VG in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung erfolgen und muss darauf Bedacht nehmen, dass die Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht überschritten werden.

Im §2 F-VG und im §4 F-VG ist nicht gefordert, dass eine Kostenabwälzung auf Gemeinden nur erfolgen darf, wenn die Gemeinden gleichzeitig einen Vorteil haben. Die Landesumlagen sind in der Regel völlig unabhängig von eventuellen fiskalischen oder sonstigen Vorteilen für Gemeinden und dienen nur dazu, Lasten der Landesebene auf die Gemeindeebene umzulegen.

Der §34 Abs2 KAKuG geht als Ausführungsbestimmung des §2 F-VG sogar soweit, dass bis zur Hälfte des Betriebsabganges umgelegt werden könnte. Von dieser Möglichkeit wurde nur in einem Umfang von ca. 6,5 % Gebrauch gemacht.

Die Berechnung in der IHS Studie wurde dazu verwendet, um den nach einer einheitlichen Methode errechneten fiskalischen Vorteil aus dem Standort einer Krankenanstalt ermitteln, vereinbaren und gesetzlich festlegen zu können. Die Höhe bestimmte sich nach den fiskalischen Mehreinnahmen der jeweiligen Standortgemeinde auf Grund der Lage des Krankenhauses im Gemeindegebiet. Somit wurden einerseits alle Standortgemeinden gleich behandelt und andererseits die Betragshöhe auf Grund detaillierter Studien berechnet.

Auch wenn mit dieser Regelung die fiskalischen Vorteile eines Krankenhausstandortes in der Gemeinde abzuführen sind, widerspricht dies weder dem §2 F-VG noch dem §34 Abs2 KAKuG.

3. Gleichbehandlung der Standortgemeinden

a. Gestaltungsspielraum

Es ist zutreffend, dass die Stadt St. Pölten auf den ersten Blick einen im Vergleich zu den übrigen Standortgemeinden hohen Standortbeitrag entrichtet. Ob die Höhe des Standortbeitrags der Stadt St. Pölten im Hinblick auf die Höhe der anderen Standortbeiträge sachlich gerechtfertigt ist, muss auf Grund der Ausführungen zum Punkt C.I. (§34 KAKuG) nicht näher geprüft werden.

Es wird nachstehend dargelegt, dass die Standortbeiträge nicht das Resultat einer nach einem bestimmten Schlüssel vorgenommenen Aufteilung eines von den Standortgemeinden insgesamt zu entrichtenden Betrags sind, sondern den jeweils konkret errechneten Vorteil aus dem Standort einer Krankenanstalt repräsentieren. Dies legt auch das Verständnis von §34 Abs2 KAKuG nahe. In dieser Bestimmung ist von den Sitzgemeinden stets im Singular die Rede. Nach dem System von §34 KAKuG wäre es daher möglich, nur eine einzige Sitzgemeinde in einem Bundesland – natürlich mit deren Zustimmung – finanziell zu belasten (vgl. dazu oben Punkt C.I.).

Seitens des Landes NÖ wurde jedoch trotzdem darauf geachtet, dass bei allen Standortgemeinden die gleiche Fragestellung an das IHS gerichtet und vom IHS die gleiche Methodik und das gleiche Rechenmodell angewendet wurde.

b. Gleichbehandlung durch einheitliche Vorgangsweise (IHS-Studien)

Das Land Niederösterreich wollte alle Standortgemeinden nach einem einheitlichen System zur Leistung eines Standortbeitrags heranziehen, um eine sachlich gerechtfertigte und für alle Gemeinden, insbesondere aber für die Standortgemeinden, akzeptable Lösung zu finden. Dementsprechend sollte für jede Standortgemeinde separat der ökonomische Vorteil des Standorts der Krankenanstalt berechnet werden und liegt allen IHS-Studien dasselbe Berechnungsmodell zugrunde. Die Ergebnisse dieser für jede Standortgemeinde eigens durchgeführten Berechnungen fanden in weiterer Folge Eingang in §66a Abs1 NÖ KAG. Die Akzeptanz aller Standortgemeinden (einschließlich der Stadt St. Pölten) ist durch die Unterfertigung der jeweiligen Übernahmeverträge, in denen – wie im Fall von St. Pölten – die Standortvorteile ausdrücklich angeführt sind, dokumentiert.

c. Gleichbehandlung durch gleiche Fragestellung an das IHS und gleiche Methodik

Die Fragestellung an das IHS zur Ermittlung des Standortvorteiles war bei jeder Standortgemeinde ident. Es sollte durch das IHS ermittelt werden, welche fiskalischen Effekte sich für die Standortgemeinde ergeben würden, wenn das Krankenhaus nie in der Standortgemeinde gestanden wäre.

Seitens des IHS wurde bei jeder Standortgemeinde die gleiche Methodik angewendet und die gleichen Modellrechnungen durchgeführt. In einem Anhang zu dieser Äußerung wird zur Verdeutlichung dieser Tatsache die Methode der IHS-Studie nochmals dargelegt und anhand der Standortvorteile von St. Pölten und Wr. Neustadt genau erläutert, welche Faktoren die Höhe der Standortvorteile in welchem Ausmaß beeinflussen. Ergänzend dazu wird nochmals auf die Ausführungen in der Klagebeantwortung und in der Duplik im Ausgangsverfahren verwiesen.

d. Dem Sachlichkeitsgebot entsprechende Differenzierungen

i. Gebotene Abwandlung der Grundannahme in der IHS-Studie

Es gab lediglich einen Unterschied bei der Berechnung des Standortvorteiles für das [Zentralklinikum] St. Pölten insofern, dass zwar wie bei allen Standortgemeinden angenommen worden ist, dass das Krankenhaus nie in St. Pölten gestanden wäre, jedoch wurde sachlich begründet zusätzlich angenommen, dass das Zentralklinikum an einem anderen Standort und zwar in Tulln gestanden wäre. Der Unterschied ist einzig der Notwendigkeit geschuldet, dass es – im Gegensatz zu den anderen Krankenhäusern – ein Zentralklinikum in jedem Fall geben muss. Diese Annahme führte jedoch dazu, dass dadurch der Standortvorteil und damit die Abgabe für St. Pölten geringer ausgefallen ist, als wenn diese Annahme nicht getroffen worden wäre und war damit nur zum Vorteil von St. Pölten.

ii. Gebotene Beachtung von Regelungen aus dem Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden

Die fiskalischen Effekte sind vor allem dadurch bedingt, dass die Standortgemeinde ohne Krankenhaus im Gemeindegebiet

a) weniger Einwohner hätte als mit einem Krankenhaus,

b) auf Grund einer geringeren Bevölkerung weniger Ertragsanteile erhalten würde,

c) auf Grund weniger sonstiger Arbeitskräfte weniger Kommunalsteuer erhalten würde und

d) auf Grund einer geringeren Finanzkraft weniger an Umlagen bezahlen müsste.

Die größten fiskalischen Effekte entstehen bei allen Gemeinden auf Grund der geringeren Ertragsanteile gemäß Punkt b) und erklären sich daraus auch die großen Unterschiede zwischen den Gemeinden.

Die Höhe des Verlustes bei den Ertragsanteilen im Falle des Fehlens des Krankenhauses hängt ab

- vom Ausmaß der Verringerung der Anzahl an Einwohnern in der Gemeinde und

- von den Regelungen des FAG, nämlich um wie viel eine Gemeinde auf Grund der geringeren Einwohner weniger Ertragsanteile erhält.

Die Berechnung, wie sehr die verminderte Einwohnerzahl die Ertragsanteile vermindert, wurde vom IHS exakt nach den Regeln des Finanzausgleichs vorgenommen. Für das Ausmaß der Reduktion der Ertragsanteile sind die Regelungen des abgestuften Bevölkerungsschlüssels in Bezug auf St. Pölten von entscheidender Bedeutung.

Die Regeln des §9 Abs9 und 10 FAG 2005 besagten, dass eine Gemeinde je nach der Einwohneranzahl für einen Einwohner die Ertragsanteile mit einem Vervielfacher von 1 1/2 bis zu 5 1/3 erhält.

Da diese Regelung zum Kern der zwischen Bund, Ländern und Gemeinden getroffenen finanzausgleichsrechtlichen Regelungen gehört, ist davon auszugehen, dass sie auch für den gegenständlichen Fall sachlich gerechtfertigt ist und dem Gleichheitsgrundsatz entspricht. Die Studie des IHS musste bei der Ermittlung der fiskalischen Verhältnisse in den Gemeinden von den bestehenden gesetzlichen Regelungen ausgehen. Ein Abgehen von der bestehenden Rechtslage wäre nicht zu begründen gewesen, insbesondere auch deswegen, weil die Stadt St. Pölten im klagsgegenständlichen Zeitraum für jeden Einwohner im Bereich zwischen 45.000 und 50.000 auch tatsächlich Ertragsanteile mit dem Vervielfacher von 5 1/3 erhalten hat.

iii. Auswirkung der Anwendung der Regelungen aus dem Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden

Aus folgenden Gründen ist der Standortvorteil bei St. Pölten wesentlich größer als bei anderen Gemeinden:

In der nachstehenden Graphik ist ersichtlich

- welche Höhe der Vervielfacher bei welcher Größe der Wohnbevölkerung hat

- in welchen Bereichen sich die Wohnbevölkerung der Gemeinden St. Pölten, Wr. Neustadt und Amstetten befindet und

- wie hoch in diesen Bereichen der Vervielfacher ist bzw. wie viel Ertragsanteile eine Gemeinde für einen Einwohner erhält.

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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