RS Vfgh 2013/12/12 KR3/2013

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Veröffentlicht am 12.12.2013
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Norm

B-VG Art126a, Art127 Abs1, Abs8
RechnungshofG 1948 §15 Abs6, §16
Wr Landes-Stiftungs- und FondsG §19

Leitsatz

Feststellung der Befugnis des Rechnungshofes zur Einsichtnahme in bestimmte Unterlagen zum Zweck der Gebarungsüberprüfung der "Wirtschaftsagentur Wien. Ein Fonds der Stadt Wien"

Rechtssatz

Die in §15 Abs6 (iVm §16) RechnungshofG 1948 (RHG) enthaltenen Bestimmungen über die Einsichtnahme in die dort genannten Behelfe gehören zu den die Zuständigkeit des Rechnungshofes regelnden Bestimmungen iSd Art126a B-VG. Bei Meinungsverschiedenheiten darüber, auf welche Behelfe sich das Einsichtsrecht erstreckt, kann daher der VfGH zur Entscheidung angerufen werden.

Die Wirtschaftsagentur Wien ist ein Fonds iSd §19 Wr Landes-Stiftungs- und FondsG. Zweck des gemeinnützigen Fonds ist die Förderung der Struktur der Wiener Wirtschaft durch Ansiedlung von Betrieben und durch Beratung von Unternehmungen in Wirtschaftsfragen.

Da alle wesentlichen Angelegenheiten der Wirtschaftsagentur vom Vorstand und Präsidium beschlossen werden und die von der Stadt Wien entsendeten Vertreter in beiden Organen die Mehrheit haben, wird die Wirtschaftsagentur iSd Art127 Abs1 iVm Abs8 B-VG von Personen verwaltet, die von Organen der Stadt Wien bestellt sind. Aus diesem Grund unterliegt die Gebarung der Wirtschaftsagentur der Kontrolle durch den Rechnungshof gemäß Art127 Abs1 iVm Abs8 B-VG.

Umfassende Einsichtsbefugnis des Rechnungshofes, aber keine umfassende Informationspflicht gegenüber der Allgemeinheit (vgl KR1/2013 und KR2/2013, beide E v 12.12.2013).

Der Rechnungshof ist befugt, in die vollständige (ungeschwärzte) Anlage zum Präsidiumsbeschluss der Wirtschaftsagentur vom 28.10.2010 Einsicht zu nehmen.

Mit diesem Beschluss ermächtigt die Wirtschaftsagentur als Alleingesellschafter die ZIT (ZIT - Die Technologieagentur der Stadt Wien GmbH), die Gesellschafter der MQM (Media Quarter Marx Errichtungs- und Verwertungsgesellschaft mbH) ist, der VBM Beteiligungsmanagement GmbH, dem Mehrheitsgesellschafter der MQM, eine exakt bestimmte Kaufoption einzuräumen. Dieser Beschluss ist Ausfluss der Stellung der Wirtschaftsagentur als (Allein-)Gesellschafter der ZIT und der Erklärung über die Errichtung der ZIT vom 13.12.2007, wonach die Wirtschaftsagentur bestimmten Geschäften der ZIT zustimmen muss, so unter anderem der Veräußerung von Beteiligungen an anderen Gesellschaften. Unter diese Zustimmungspflicht fällt auch die Einräumung einer Option seitens der ZIT an die VBM, den von der ZIT gehaltenen Geschäftsanteil zu erwerben. Diese Tätigkeit der Wirtschaftsagentur ist im Rahmen ihrer Beteiligungsverwaltung Teil ihres eigenen gebarungsrelevanten Handelns und somit der Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof gemäß Art127 Abs1 (iVm Abs8) B-VG unterworfen.

Der Rechnungshof ist zur Einsichtnahme in "sämtliche Unterlagen betreffend die Gründung, Tätigkeit und Gebarung der MQM GmbH (insbesondere Beschlüsse, Protokolle, Berichte), insbesondere in die Mietverträge und die hinsichtlich der Mietverträge relevanten Abschnitte von Generalversammlungsprotokollen und Gesellschafterbeschlüssen" nur zuständig, wenn und insoweit diese Unterlagen Gegenstand von gebarungsrelevanten Handlungen der Wirtschaftsagentur sind und diese auch jeweils zur Gebarung der Wirtschaftsagentur zählen. Dazu gehören folgende Schriftstücke:

- Zustimmung der Wirtschaftsagentur zum Finanzierungsangebot für das PPP(Public Private Partnership)-Projekt MQM in bestimmter Höhe im Jahr 2008;

- Schreiben der MQM als Käufer der Liegenschaft, auf der das MQM-Bürogebäude errichtet wurde, an die Wirtschaftsagentur als Verkäufer, wonach auf Grund von Servituten/Altlasten bestimmte Mehrkosten entstanden sind;

- zwei Werkverträge der Wirtschaftsagentur mit der ZIT vom Dezember 2008 und Jänner 2010 im Hinblick auf Leistungen der ZIT für das PPP-Projekt MQM;

- Gesellschafterbeschlüsse der Wirtschaftsagentur als Alleineigentümer der ZIT betreffend die jährlichen Prüfungen und Feststellungen der Jahresabschlüsse der ZIT sowie Gesellschafterbeschlüsse betreffend die Wirtschaftspläne 2008 und 2009 samt der jeweiligen Budgets 2009/2010 und 2010/2011.

Soweit der Rechnungshof darüber hinausgehend Einsichtnahme in Unterlagen begehrt, ist er nicht zur Einsichtnahme im Rahmen der Gebarungsüberprüfung der Wirtschaftsagentur befugt.

Nach Auffassung des VfGH ist der Rechnungshof weiters berechtigt, die Angemessenheit des für die Führung der Buchhaltung der MQM (auf Grund einer Dienstleistungsvereinbarung zwischen der Wirtschaftsagentur und der MQM) vereinbarten und vereinnahmten Entgelts der Wirtschaftsagentur zu überprüfen.

Zu einer darüber hinaus gehenden, inhaltlichen Einsichtnahme in die Buchhaltungsunterlagen der MQM, aus denen die Geschäftstätigkeit der MQM erkennbar ist, ist der Rechnungshof im Rahmen der Gebarungsüberprüfung der Wirtschaftsagentur nicht zuständig.

Der Rechnungshof ist auch zur Einsichtnahme in die "gesamte Korrespondenz (Protokolle, Aktenvermerke, Briefe, E-Mails und dgl) der Vertreter der Wirtschaftsagentur Wien mit dem Rechtsvertreter der A V Maximus Holding AG im Zusammenhang mit dem Projekt Media Quarter Marx" befugt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Rechnungshofzuständigkeit, Gesellschaftsrecht, Fonds

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:KR3.2013

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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