TE AsylGH Erkenntnis 2013/09/16 S17 437273-1/2013

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Veröffentlicht am 16.09.2013
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Spruch

Zl. S17 437273-1/2013/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Engel als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.07.2013, Zl. 13 07.792-East-Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005 BGBl I 100/2005 idF BGBl I 67/2012 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Die beschwerdeführende Partei (bP) reiste ihren Angaben nach am 10.06.2013 nicht rechtmäßig in Österreich ein und brachte am 11.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

 

Im Rahmen der Erstbefragung brachte sie nach vorhergehender Aufforderung wahre und vollständige Angaben zu machen und dem Hinweis, dass unwahre Angaben für sie im Asylverfahren nachteilige Folgen nach sich ziehen können im Wesentlichen vor, dass sie Mitte Juli 2010 Mogadishu nach Äthiopien verlasen hätte. Weiter wäre sie über Kenia, Nairobi und Uganda gereist. Mit einem somalischen Reisepass samt türkischem Studentenvisum wäre sie nach Istanbul geflogen, wo sie sich ca. 2 Monate lang aufgehalten hätte. Ein Schlepper hätte sie dann nach Griechenland gebracht. In Athen hätte sie sich dann 4 - 5 Monat lang aufgehalten. Ein Schlepper hätte sie danach mit einem gefälschten Reisepass mit dem Flugzeug nach Wien-Schwechat gebracht. Sie habe nur in Österreich um Asyl angesucht. Somalia habe sie verlassen, da sie als Sicherheitsmann für die Regierung gearbeitet und Nachforschungen angestellt hätte. Es wäre um Mord gegangen und sie hätte den Schuldigen finden sollen. Die Angehörigen des Schuldigen hätten sie dann mit dem Tod bedroht.

 

Ein durchgeführter Abgleich ihrer Fingerabdruckdaten in der Eurodac-Datenbank ergab zwei Treffer (NO1...., IT1....). Demnach wurden ihr in Norwegen am 06.05.2011 und in Italien am 18.01.2012 je als "Asylbewerber" Fingerabdrücke abgenommen.

 

Auf Vorhalt der Eurodac-Treffer brachte sie in der Erstbefragung vor, dass sie in Norwegen und Italien gewesen wäre. Sie wäre von Libyen nach Italien gereist. Sie wäre 2011 in Italien gewesen und von dort mit einem gefälschten Reisepass nach Norwegen geflogen, wo sie um Asyl angesucht hätte. Norwegen hätte sie dann nach Italien weiterverwiesen, da Italien zuständig gewesen wäre.

 

Am 12.06.2013 übermittelte das Bundesasylamt (BAA) an Italien ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art 16/1/c der Dublin II-VO und ein Informationsersuchen gemäß Art. 21 der Dublin II-VO an Norwegen.

 

Am 14.06.2012 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass das BAA beabsichtige ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§4, 5 AsylG und 68/1 AVG), seit 12.06.2013 Dublin-Konsultationen mit Italien führe und durch diese Mitteilung die Zwanzigtagesfrist des Zulassungsverfahrens nicht mehr gelte.

 

Seitens Norwegens wurde mit Schreiben vom 17.06.2013 mitgeteilt, dass die bP aufgrund der Zuständigkeit von Italien am 21.11.2011 nach Italien rücküberstellt wurde.

 

Am 28.06.2013 teilte das BAA Italien in einem "Transfer request" mit, dass von einer Zustimmungsfiktion Italiens auf Grund von Verfristung gemäß Art 18 Abs 7/ 20 Abs 1 lit c Dublin II-VO ausgegangen werde, da nicht innerhalb der Frist geantwortet wurde. Auf Grundlage von Art 10 Abs 2 DVO wurde Italien ersucht seine Verantwortung zu bestätigen.

 

Bei der niederschriftlichen Einvernahme beim BAA zur Wahrung des Parteiengehörs brachte die beschwerdeführende Partei nach Belehrung über die sie treffenden wesentlichen Mitwirkungsverpflichtungen und Hinweis auf das Neuerungsverbot im Wesentlichen vor, dass ihre Angaben bei der Erstbefragung nicht richtig gewesen wären. Erstens hätte sie nicht angegeben, dass sie in Italien gewesen wäre, zweitens hätte sie den Dialekt des Dolmetschers nicht gut verstanden. Die Reiseroute stimme nicht, sie hätte eine falsche Route angegeben. Sie hätte auch nur in Norwegen um Asyl angesucht. Der Fluchtgrund stimme auch nicht. In Somalia gehöre sie zu einer Minderheit. Sie hätte für die Behörde als Detektiv bei der Kriminalpolizei gearbeitet, welche gegen die islamische Al Shabaab kämpfe. Da sie zu einer Minderheit gehöre und für die Regierung gearbeitet hätte, hätte die Al Shabaab ihre Familie als Geisel genommen. Die Regierung hätte ihr auch nicht helfen können, da die Regierung nur in Mogadishu regiere. Ihre Frau wäre auch von den Al Shabaab gefoltert worden und hätte eine Fehlgeburt gehabt. Sie hätte den Dolmetscher nicht verstanden, was sie auch gesagt hätte. Sie wisse nicht, was er erzählt hätte. Sie hätte ihr Land verlassen um nach Europa zu kommen und Schutz zu bekommen. Das wäre in Italien nicht gewährleistet. Als sie in Italien angekommen wäre, habe man ihr sofort gesagt, dass sie auf der Straße würde leben müssen, ohne die Sprache zu können. Sie wäre auch auf der Straße von Skinheads verprügelt worden. Die bP zeigte ein Handyvideo, welches verschiedenste Personen am Boden schlafend zeigte. Teilweise waren Szenen von der Straße, teilweise von Hallen wie bei Bahnhöfen zu sehen. Auch war der Schriftzug "Roma Terminal" zu sehen. Sie hätte mehrfach gegen die Skinheads Anzeige erstattet. Anzeigebestätigungen und Niederschriften hätte sie nicht behalten, da sie das nicht wichtig gefunden hätte. Sie hätte in verschiedenen Bahnhöfen und Parks geschlafen. Italien wäre kein armes Land, hätte aber kein Asylsystem.

 

Dem Rechtsberater wurde in dieser Einvernahme die Möglichkeit gegeben, Fragen oder Anträge zu stellen. Dieser machte davon keinen Gebrauch.

 

Der Antrag der beschwerdeführenden Partei wurde vom BAA gemäß § 5 Abs 1 AsylG 2005 ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz sei gemäß Art 16/1/c iVm 20/1/c der der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Italien zuständig (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien verfügt und erklärt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Itlaien gemäß § 10 Abs 4 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

 

Das BAA setzte sich mit der maßgeblichen Lage im als zuständig erachteten Staat auseinander und traf im angefochtenen Bescheid auf Grundlage von Berichten allgemeine Feststellungen zum staatlichen Asylverfahren sowie konkret zur Refoulement Prüfung, zur Schubhaftpraxis, zum Zugang zu Asylverfahren nach Rücküberstellung, zur Versorgung von Asylwerbern, zur medizinischen Versorgung sowie zur Anerkennungsquote.

 

Spruchpunkt I. wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Ermittlungsverfahren die Zuständigkeit von Italien gemäß Art 16/1/c iVm 20/1/c der Dublin II-VO ergeben habe. Dieser Staat sei auch bereit, die beschwerdeführende Partei einreisen zu lassen und die sich aus der Dublin II-VO ergebenden Verpflichtungen ihr gegenüber zu erfüllen. Italien sei ein Mitgliedstaat der Europäischen Union und es sei festzustellen, dass es auf Grund der allgemeinen Lage nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass es im gegenständlichen Fall bei einer Überstellung zu einer entscheidungsrelevanten Verletzung der EMRK komme. Auch aus der Rechtsprechung des EGMR und aus sonstigem Amtswissen ließen sich keine systematischen, notorischen Verletzungen fundamentaler Menschenrechte in Italien erkennen.

 

Ein von der beschwerdeführenden Partei im besonderen Maße substantiiertes und glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter exzeptioneller Umstände, die die Gefahr einer maßgeblichen Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen lassen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

Die Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG treffe daher zu.

 

Es habe sich im Ergebnis kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes gemäß Art 3 Abs 2 Dublin II-VO ergeben, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen wäre.

 

Hinsichtlich Spruchpunkt II. verneinte das BAA das Vorhandensein eines relevanten Privat- und Familienlebens in Österreich, weshalb die Ausweisung nicht unzulässig in diese verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte eingreife.

 

Beachtliche Hinweise auf die Notwendigkeit eines Aufschubs der Durchführung der Ausweisung gemäß § 10 Abs 3 AsylG hätten sich im Verfahren nicht ergeben.

 

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei innerhalb offener Frist Beschwerde. Im Wesentlichen wurde der bereits vorgebrachte Sachverhalt wiederholt. Neu vorgebracht wurde, dass zwei ihrer Freunde in Italien im Schlaf verbrannt worden wären.

 

Die gegenständliche Beschwerde langte am 22.08.2013 beim AsylGH ein. Dieser wurde nach Prüfung der Sach- und Rechtslage die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter erwogen:

 

1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes.

 

2. Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 67/2012 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Soweit sich aus AsylG 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, nicht anderes ergibt, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof gemäß § 23 Abs 1 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Zu Spruchpunkt I.:

 

1. § 5 AsylG lautet:

 

"(1) Ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."

 

Die Dublin II VO ist eine Verordnung auf Basis des Unionsrechtes der Europäischen Union (vgl Art. 78 AEUV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat (nach den hierarchisch aufgebauten [Art. 5 Abs 1 Dublin II VO] Kriterien der Art. 6-12 bzw 14 und Art. 15 Dublin II-VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO) zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

Im vorliegenden Fall ist das Bundesasylamt nach Durchführung von Konsultationen mit Italien nachvollziehbar von einer Zuständigkeit dieses Landes ausgegangen. Italien hatte sich durch Verschweigen bereit erklärt, die bP auf Grundlage von Art 16/1/c iVm 20/1/c der Dublin II-VO zu übernehmen, da die bP bereits zuvor in Italien einen Asylantrag stellte, dieser Staat seine Zuständigkeit zur inhaltlichen Prüfung anerkannt hatte und die bP sich unerlaubt während der Prüfung in einem anderen Mitgliedsstaat aufhielt.

 

Es sind aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der unionsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313).

 

Derartiges hat auch die beschwerdeführende Partei nicht behauptet. Das Konsultationsverfahren erfolgte nach Ansicht des Asylgerichtshofes ohne relevante Mängel.

 

Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.

 

3. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung von maßgeblichen Vorschriften der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht [nunmehr: Unionsrecht] nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich [unionsrechtlich] zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Es ist auch nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörden, hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582; 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025; 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673; 31.5.2005, 2005/20/0095), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs.

 

Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die unionsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Unionsrechtes entstehen. Zur effektiven Umsetzung des Unionsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Unionsrecht verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen. Diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Unionsrechtes und aus Beachtung der unionsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Sprung, Dublin II VO², K9 ff zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht [Unionsrecht] kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen [unionsrechtlichen] Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass die Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts [Unionsrechts] regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Unionsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls unionsrechtswidrig.

 

3.1. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK:

 

Art 8 EMRK lautet:

 

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

 

Eine Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. eine Aufenthaltsbeendigung (Ausweisung) kann einen (unzulässigen) Eingriff in das Privat- und/oder Familienleben des Betroffenen darstellen.

 

Die beschwerdeführende Partei befindet sich erst seit etwa 3 Monaten in Österreich. Ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, etwa auf Grundlage des FPG bzw. NAG, kam ihr zu keiner Zeit zu. Allfällige private Anknüpfungspunkte wurden daher in einer Zeit gegründet, in der ihr Aufenthaltsstatus in Österreich auf Grund des laufenden Asylverfahrens ungewiss war.

 

Im gegenständlichen Fall ist jedoch schon insbesondere auf Grund der kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich nicht davon auszugehen, dass hinreichend starke private Anknüpfungspunkte zu Österreich bestehen, die zu einem relevanten Privatleben iSd Art 8 EMRK führen würden (vgl. zB VfGH 6.3.2008, B 2400/07). Derartiges wurde auch nicht seitens der bP behauptet.

 

Mangels Verletzung von Art 8 EMRK war aus diesem Grund daher zu Recht von einem Selbsteintritt Österreichs gemäß Art 3 Abs 2 Dublin II-VO nicht Gebrauch zu machen.

 

3.2. Mögliche Verletzung von Art 3 EMRK:

 

Art 3 EMRK lautet:

 

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden".

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung seiner relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007).

 

Nach der hier maßgeblichen Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG 2005 ist zu beachten, dass, sofern nicht besondere (exzeptionelle) Gründe, die in der Person des Asylwerbers glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die "reale Gefahr" (darunter ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen [vgl. VwGH 99/20/0573

v. 19.2.2004 mwN auf die Judikatur des EGMR]) des fehlenden Schutzes sprechen, davon auszugehen ist, dass der Asylwerber im zuständigen Dublin-Staat hinreichenden Schutz findet.

 

Erst wenn es dem Asylwerber gelingt die oa. "besonderen Gründe" glaubhaft zu machen, ist die dem § 5 Abs 3 AsylG 2005 immanente Vermutung der im zuständigen Mitgliedstaat gegebenen Sicherheit widerlegt. In diesem Fall sind die Asylbehörden gehalten, allenfalls erforderliche weitere Erhebungen (auch) von Amts wegen durchzuführen, um die Prognose, der Asylwerber werde bei Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat der realen Gefahr ("real risk") einer dem Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein, erstellen zu können. Die Ermittlungspflicht ergibt sich aus § 18 AsylG 2005, die insoweit von § 5 Abs 3 AsylG 2005 unberührt bleibt.

 

3.2.1. Behauptete Bedrohung im Zielstaat:

 

Zum Vorbringen der bP in Bezug auf Italien tätigte das BAA folgende Beweiswürdigung:

 

"....In der Erstbefragung gaben Sie zuerst einen Fluchtweg an, in welchem Italien mit keinem Wort erwähnt wurde. Zudem gaben Sie an, lediglich in Österreich um Asyl angesucht zu haben. Selbst auf Vorhalt der Eurodac-Treffer Norwegen und Italien, welche zeigten, dass Sie in beiden Ländern bereits um Asyl ansuchten (Kat. 1), blieben Sie dabei, die Wahrheit über den Fluchtgrund angegeben zu haben. Erst nach eindrücklicher Aufforderung durch den Einvernehmenden die Wahrheit anzugeben, berichten Sie von einem Reiseweg, welcher mit den Eurodac-Treffern in Einklang zu bringen ist.

 

In der Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs berichten Sie plötzlich, dass Sie nicht angaben in Italien gewesen zu sein und zudem nur in Norwegen um Asyl ansuchten. Außerdem hätten Sie den Dialekt des Dolmetschers nicht verstanden. Obwohl zu diesem Zeitpunkt schon klar zu erkennen war, dass Sie weiter die Unwahrheit aussagen würden, wurden Ihnen die relevanten Teile der Erstbefragung rückübersetzt. In weiterer Folge wurde Ihnen Gelegenheit gegeben, den Fluchtgrund erneut anzugeben. Diese Angaben unterschieden sich zu denen in der Erstbefragung komplett. Als Erklärung gaben Sie lapidar an, dass Sie nicht wüssten, was der Dolmetscher angab.

 

Hält man sich nun vor Augen, dass Sie bei der Erstbefragung angaben, den Dolmetscher zu verstehen bzw. keine Verständigungsprobleme gehabt zu haben und dann in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt völlig diametral dazu aussagen, den Dialekt des Dolmetschers nicht verstanden zu haben, so bleibt der erkennenden Behörde nur der Schluss zu ziehen, dass Sie versuchen sich durch Verdrehen von Tatsachen einen Vorteil im Verfahren zu verschaffen.

 

Beim befragenden Beamten handelt es sich um einen österreichischen Polizeibeamten mit entsprechender beruflicher Erfahrung, welcher bereits über einen erheblichen Zeitraum Erstbefragungen im Asylverfahren durchführt, und somit einerseits über eine gewisse Sensibilisierung verfügt und andererseits die entsprechende fachliche Qualifikation aufweist. Darüber hinaus stünde der Beamte im Falle wahrheitswidriger Erhebungen und Feststellungen unter straf-, disziplinar- und zivilrechtlicher Verantwortung. Neben der fachlichen Qualifikation ist der Beamte darüber hinaus zur Wahrheit und Objektivität verpflichtet und hat kein persönliches Interesse am Ausgang des Asylverfahrens in irgendeine Richtung. Ähnliches gilt für den Dolmetscher.

 

Sie jedoch gaben offensichtlich falsche Angaben zu Protokoll. Selbst wenn nicht ein Beweis im Asylverfahren erforderlich ist, muss doch dem Vorbringen eines Asylwerbers die notwendige Glaubhaftigkeit zuerkannt werden, was jedoch regelmäßig im Sinne der freien Beweiswürdigung einer solchen unterzogen werden muss.

 

Diesbezüglich ist festzustellen, dass die erkennende Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich erst dann als glaubwürdig anerkennen kann, wenn das Vorbringen genügend substantiiert, weitgehend plausibel und Sie persönlich glaubwürdig sind. Diese Voraussetzungen vermochten Sie keinesfalls zu erfüllen. In diesem Zusammenhang dürfen die gemachten Angaben auch nicht den Schluss aufdrängen, dass sie lediglich dazu dienen, das Asylverfahren in Österreich durchzuführen und die Bestimmungen der Dublin II VO zu unterlaufen.

 

Bezüglich der geltend gemachten Angaben zu den Übergriffen durch Skinheads ist anzuführen, dass dem Amtswissen folgend der italienische Staat schutzwillens als auch schutzfähig ist. Es liegt jedoch außerhalb der Möglichkeit eines Staates, jeden denkbaren Übergriff Dritter präventiv zu verhindern, was sich auch daraus erkennen lässt, dass überall Institutionen zur Strafrechtspflege eingerichtet sind, die andernfalls überflüssig wären. Es kann aber von keinem Staat verlangt werden, dass er jeden in seinem Staatsgebiet aufhältigen Asylwerber jederzeit umfassend schützt.

 

Soweit Sie vorbrachten in Italien weder Unterkunft und Verpflegung erhalten zu haben und dies mit Hilfe des Handyvideos untermauern wollten, so ist zu würdigen, dass auch diese Angaben als nicht wahrheitsgemäß zu werten sind. Wie aus den Feststellungen zu ersehen, erhalten Sie als Dublinrückkehrer Versorgung und Unterkunft, es ist jedoch teilweise auch Eigeninitiative gefragt. Es reicht also nicht, wenn Sie im gegenständlichen Verfahren einfach ohne echtes Beweisanbot behaupten, keinerlei Versorgung oder Unterkunft bekommen zu haben, da diese Angaben nicht mit dem Amtswissen vereinbar sind. Zu dem gezeigten Video ist zu sagen, dass daraus keinesfalls der Schluss gezogen werden kann, dass es sich bei den Personen um auf die Straße gesetzte Asylwerber handelt. Es ist zudem bis auf die eine Szene, wo der Schriftzug "Roma Terminal" zu lesen ist, nicht einmal klar, wo das Video entstand. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um von einer systematischen dem Art 3 EMRK widerstrebenden Behandlung zu sprechen. Auch in Österreich gibt es Plätze, welche bevorzugt von Obdachlosen "bewohnt" werden, so zum Beispiel Bahnhofshallen oder U-Bahn-Stationen. In einer Gesamtschau kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass die Angaben den Tatsachen entsprechen und kann somit ein "real risk" einer Verletzung von Art 3 EMRK im Fall einer Überstellung ausgeschlossen werden."

 

Seitens des AsylGH wird den Ausführungen des BAA zugestimmt. Festgestellt wird zudem, dass selbst für den Fall, dass die bP tatsächlich in Italien von Skinheads geschlagen worden wäre, diese selbst ausführte, dass die Polizei die Anzeige entgegen genommen hätte, woraus sich ebenfalls ergeben würde, dass die italienischen Behörden bei Übergriffen tätig werden. Nach Ansicht des AsylGH wird die Beweiswürdigung des BAA jedoch auch dadurch untermauert, dass die bP ihr Vorbringen im Zuge der Beschwerde steigerte und dort erstmals ausführte, dass zwei ihrer Freunde im Schlaf verbrannt worden wären. Für den Fall der Wahrunterstellung dieser Angaben wäre es völlig lebensfremd, dass die bP derartige Vorfälle nicht schon zu Beginn des Verfahrens dargelegt hätte.

 

Aus diesen Angaben lässt sich somit insgesamt keine mangelnde Sicherheit von Italien ableiten.

 

Im Rahmen der Refoulemententscheidung ist unter anderem zu prüfen, ob der Abschiebung des Asylwerbers ein über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes "real risk" einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK entgegen steht.

 

Es ergaben sich im Ermittlungsverfahren keine Hinweise, dass sich der Gesundheitszustand der bP so schlecht darstellen würde, dass eine Art. 3 EMRK konforme Überstellung nach Italien nicht möglich wäre (vgl. Paramasothy v. Netherlands 10.11.2005; Ramadan Ahjeredine

v. Netherlands, 10.11.2005, Ovidienko v. Finland 31.5.2005; Hukic v. Sweden, 27.9.2005). Vielmehr führte die bP aus, dass sie gesund ist.

 

3.2.2. Kritik am Asylwesen im Zielstaat:

 

Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa:

grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren). Solche Mängel (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind; dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005) sind schon auf Basis der erstinstanzlichen Feststellungen nicht erkennbar und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden.

 

Aus den Feststellungen des BAA ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Rechtsstaatlichkeit des Asylverfahrens im Zielstaat in Zweifel zu ziehen. Die beschwerdeführende Partei ist diesen Feststellungen auch in der Beschwerde nicht substantiiert entgegen getreten.

 

Auf Grund des Konsulationsverfahrens steht es - so wie auch schon für die belangte Behörde - für den Asylgerichtshof fest, dass die bP schon vor ihrer Reise nach Österreich Zugang zum italienischen Asylsystem hatte. Italien hatte sich auch durch Verschweigen bereit erklärt die bP wieder aufzunehmen. Im Ergebnis besteht damit nach der Dublin II-Verordnung die Pflicht des auf- oder wiederaufnehmenden Staates, den in einem anderen Mitgliedstaat gestellten Asylantrag, und sei es auch ein "Folgeantrag" ohne weiteres einer Prüfung zuzuführen (VwGH 2011/21/0128 vom 19.03.2013).

 

3.2.3. Im gegenständlichen Fall kann bei abschließender Betrachtung unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht gesagt werden, dass die beschwerdeführende Partei ausreichend substantiiert und glaubwürdig dargelegt hätte, dass ihr auf Grund ihrer persönlichen Situation durch eine Rückverbringung in den Zielstaat, entgegen der Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG 2005, eine - über die bloße Möglichkeit hinausgehende - exzeptionelle reale Gefahr (sog. "real risk") einer Artikel 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

 

Die Widerlegung der in § 5 Abs 3 AsylG in Hinblick auf das Bestehen eines hinreichenden Schutzes in allen EU-Mitgliedstaaten normierten Rechtsvermutung ist der beschwerdeführenden Partei damit nicht gelungen.

 

Eine verpflichtende Inanspruchnahme des Selbsteintrittsrechtes gemäß Art 3 Abs 2 Dublin II-VO seitens Österreichs war somit weder aus Gründen des Art 8 noch aus jenen des Art 3 EMRK geboten.

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG 2005 wegen der Zuständigkeit Italiens zurückzuweisen, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt II.:

 

1. § 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird

 

(2) Ausweisungen nach Abs 1 sind unzulässig, wenn

 

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu

 

berücksichtigen:

 

a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt

 

des Fremden rechtswidrig war;

 

b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

 

c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

 

d) der Grad der Integration;

 

e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;

 

f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

 

g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-,

 

Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

 

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

i) die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden

 

zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

(4) Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

(5) Über die Zulässigkeit der Ausweisung ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

(6) Ausweisungen nach Abs. 1 bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht.

 

(7) Wird eine Ausweisung durchsetzbar, gilt sie als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

(8) Mit Erlassung der Ausweisung ist der Fremde über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (§ 55a FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§ 46 FPG) hinzuweisen."

 

2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

 

2.1 Der Antrag auf internationalen Schutz der beschwerdeführenden Partei war gem. § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen, weshalb diese Entscheidung grds. mit einer Ausweisung zu verbinden ist.

 

2.2. Ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht für das Bundesgebiet wurde von der beschwerdeführenden Partei nicht dargetan und konnte auch amtswegig nicht festgestellt werden. Daraus ergibt sich somit kein Ausweisungshindernis.

 

2.3. Wie sich aus den Ausführungen zu Punkt 3.1 ergibt, kommt es durch eine Überstellung bzw. Ausweisung im gegenständlichen Fall zu keiner Verletzung des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK.

 

3. Es ergaben sich im Verfahren keine begründeten und glaubhaften Hinweise auf die Notwendigkeit eines Aufschubs, weil etwa die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person der beschwerdeführenden Partei liegen, eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer wären. (§ 10 Abs 3 AsylG 2005).

 

4. Gemäß § 10 Abs 4 AsylG 2005 gilt diese Ausweisung auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den gegenständlichen Zielstaat.

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht eine Ausweisung zu verfügen, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt II. abzuweisen.

 

III. Gemäß § 41 Abs 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

Schlagworte
Ausweisung, real risk, unverzügliche Ausreiseverpflichtung
Zuletzt aktualisiert am
25.09.2013
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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