TE OGH 2008/12/23 8Bs442/08v

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Veröffentlicht am 23.12.2008
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Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Aistleitner als Vorsitzenden und Dr. Morbitzer und die Richterin Dr. Engljähringer in der Strafsache gegen L***** T*****-U***** wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 2.Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über den Antrag des Mag. F***** H***** auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens 14 St 112/08p der Staatsanwaltschaft L***** in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Text

Begründung:

Die Ehe zwischen (der hier nun Beschuldigten) L***** T*****-U***** und R***** T***** wurde am 18.08.2005 vor dem Bezirksgericht P***** gemäß § 55a EheG einvernehmlich geschieden. Zuständiger Richter war Mag. F***** H*****.

Beim selben Gericht behängt die Pflegschaftssache betreffend die Minderjährigen A***** T***** und H***** T*****, deren Mutter L***** T*****-U***** ist.

Letztere wurde im erwähnten Pflegschaftsverfahren am 20.05.2008 zur Frage des Unterhalts für die beiden minderjährigen Kinder einvernommen. Dabei äußerte sie unter anderem: "Ausdrücklich möchte ich aber protokolliert haben, dass ich anlässlich der Scheidung um mein halbes Haus betrogen wurde, weil ich damals genötigt worden bin, zuzustimmen, weil ich sonst die Kinder nie wieder gesehen hätte. In erster Linie bin ich damals vom zuständigen Richter Mag. H***** dazu genötigt worden. Es ist mir dabei gesagt worden, dass, wenn ich mich nicht einigen werde, er eine Entscheidung treffen muss und die Entscheidung wird so ausfallen, dass der Vater die alleinige Obsorge der Kinder erhalten wird und ich werde dann die Kinder nie wieder sehen" (S 11 in ON 2).

Der Vorsteher des Bezirksgerichtes P***** informierte die Staatsanwaltschaft L***** (förmlich) über den von L***** T*****- U***** protokollarisch erklärten Vorwurf gegenüber Mag. F***** H*****.

Die Staatsanwaltschaft L***** leitete ein Ermittlungsverfahren nicht nur gegen Mag. H*****, sondern auch gegen L***** T*****-U***** (wegen des Verdachts der Verleumdung) ein. Letzteres Verfahren wurde am 13.11.2008 gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt; in der staatsanwaltschaftlichen Stellungnahme zum Fortführungsantrag wird dargelegt, dass ein Verleumdungsvorsatz iSd § 297 StGB - ersichtlich gemeint in Beziehung auf die Unrichtigkeit der Vorwürfe - ebenso wenig erweislich sei wie ein Tatvorsatz nach § 111 StGB. Fristgerecht begehrt Mag. H***** die Fortführung des Verfahrens gegen L***** T*****-U*****. Der Antrag ist allerdings nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist klarzustellen: Die Ermittlungsergebnisse bieten dafür, dass Mag. H***** die ihm von der Beschuldigten vorgeworfenen Äußerungen bzw Gestionen tatsächlich getätigt hätte, keine tragfähigen Anhaltspunkte. Die Korrektheit der in Rede stehenden Amtshandlungen des Richters Mag. H***** ist durch kein seriöses Ermittlungsergebnis kontraindiziert; die Beschuldigte distanzierte sich bei ihrer Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft (ON 9) im Wesentlichen zudem von den früheren Vorwürfen.

Da das von der Beschuldigten früher behauptete "nötigende" (und "betrügerische") Verhalten des seinerzeitigen Verhandlungsrichters grundsätzlich strafbar sein kann - einer präziseren Subsumierung bedarf es hier nicht -, ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob weiterhin ausreichender Verdacht besteht, die Beschuldigte habe eine konkrete Verfolgungsgefahr für den Richter in ihren zumindest bedingten Vorsatz aufgenommen, weiters, ob sie um die Unrichtigkeit der Vorwürfe wusste.

In ihren Stellungnahmen beziehen sich die Anklagebehörden hauptsächlich auf letzteres Element (Mangel am Nachweis der Wissentlichkeit um die Unrichtigkeit der Vorwürfe). Dass die Ermittlungen insoweit einer Komplettierung bedürfen, wird nicht ausdrücklich behauptet; der Fortführungswerber bringt lediglich die Möglichkeit einer ergänzenden Befragung der Beschuldigten ins Spiel. Indes ist nicht zu erkennen, dass eine derartige Ergänzung die einschlägigen Entscheidungsgrundlagen verbreitern könnte. Gerade auch zum Punkt des allfälligen Wissens um die Unrichtigkeit der Behauptungen wurde die Beschuldigte ohnedies bereits befragt (insbes. S 3 und 4 in ON 9).

Dass Mag. H***** nicht der konkreten Gefahr einer Verfolgung iSd § 297 Abs 1 StGB ausgesetzt worden wäre, kann schon angesichts der tatsächlich gegen ihn eingeleiteten Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft L***** nachgerade nicht behauptet werden. So bleibt zu prüfen, ob die Tatfrage nach der Wissentlichkeit des unrichtigen Vorwurfs so zu lösen ist, dass es bei der Einstellung zu bleiben hat.

Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass auch nur einer der in den §§ 190 bis 192 StPO aufgezählten Einstellungsgründe der Prüfungskompetenz des Oberlandesgerichtes entzogen sei; der Wortlauf des § 195 StPO lässt insoweit eine Einschränkung nicht erkennen. Diese Klarstellung gibt aber noch keine Antwort auf die Frage nach dem Prüfungsobjekt im Allgemeinen (a), infolge umso weniger nach dem fallbezogenen Prüfungsumfang (b).

a) Ist die von der Staatsanwaltschaft (allenfalls offengelegte) Einstellungsbegründung Gegenstand der Prüfung, wie es ersichtlich in der Stellungnahme der Generalprokuratur zu Gw 105/08m zum Ausdruck kommt?

Das würde einen Anspruch des Gerichts auf Mitteilung der Einstellungsbegründung durch die Staatsanwaltschaft voraussetzen. Ein solches Anrecht des Gerichts - bzw eine korrelierende Pflicht der Staatsanwaltschaft - schreibt das Gesetz indes nicht fest. Vorgesehen ist lediglich das fakultativ auszuübende Recht der Staatsanwaltschaft (arg.: "... allfälligen" in § 195 Abs 3 StPO), zum Fortführungsantrag Stellung zu nehmen. Von einer Pflicht, die (ursprüngliche) Einstellungsbegründung mitzuteilen, ist nicht die Rede. Im Übrigen hat die Stellungnahme ihren primären Bezugspunkt im Fortführungsantrag (nach Art einer Gegenschrift zu einem Rechtsbehelf). Dass sie dabei im Einzelfall zumindest teilweise auf die Einstellungsbegründung zurückgreift, mag nicht selten anzutreffen sein. Zwingend ist dies durchaus nicht. Denn im Einzelfall mögen die Argumente des Fortführungsantrags eine dialektisch schlüssige Darlegung der Einstellungsgründe gar nicht einfordern [so etwa dann, wenn der Fortführungsantrag keine Begründung aufweist; dies entspräche zwar den gesetzlichen Vorgaben nicht (§ 195 Abs 2 letzter Satz StPO], bleibt aber ohne Konsequenz, wie sich aus § 196 Abs 2 und Abs 3 1.Satz StPO ergibt).

Im Übrigen besteht für die Staatsanwaltschaft gar nicht durchgängig die Pflicht, Einstellungen zu begründen, wie für den bezirksanwaltlichen Bereich aus der Bestimmung des § 42 Abs 3 DV-StAG ablesbar ist. Wenn weder eine Begründungs- noch eine entsprechende Mitteilungspflicht besteht, dann lässt sich die staatsanwaltschaftliche Einstellungsbegründung als entscheidender Bezugspunkt für die Überprüfung durch das Fortführungsgericht nicht konstruieren. Dass schließlich die staatsanwaltschaftliche Einstellungsbegründung gerade nicht als Prüfungsobjekt in Betracht kommen kann, ergibt sich schließlich aus § 196 Abs 3 StPO; das Oberlandesgericht kann danach vor seiner Entscheidung die Kriminalpolizei mit bestimmten Ermittlungen beauftragen. Eine nach dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und den allein darauf bezogenen Einstellungserwägungen erfolgte Stoffergänzung - also eine Neuerung - lässt eine Sicht auf die Einstellungsbegründung wie im Nichtigkeitsverfahren - etwa im Rahmen einer an die Bestimmung des § 281 Abs 1 Z 5a StPO angelehnten Nachprüfung - nicht zu. Gerade die Zulässigkeit ergänzender Stoffsammlung durch das Oberlandesgericht macht endgültig deutlich, dass dieser Gerichtshof nicht die Begründung der Staatsanwaltschaft zu überprüfen, sondern die Ermittlungsergebnisse originär - also unabhängig von der Einstellungsbegründung, aber auch von den Argumenten des Fortführungsantrags - zu bewerten hat; dabei kann die allenfalls mitgeteilte Einstellungsbegründung der Staatsanwaltschaft gewiss eine Art dialektischer Impuls sein.

b) Welche Interventionsgrenzen sind dabei dem Oberlandesgericht gesetzt? Oder anders gefragt: Wie müssen die (allenfalls ergänzten) Ermittlungsergebnisse gestaltet sein, um das Oberlandesgericht dazu zu ermächtigen - dann aber auch zu verpflichten -, dem Fortführungsantrag stattzugeben?

Um den vorliegenden Fall nicht zu überfrachten, ist alleine folgende Ausgangskonstellation zu untersuchen:

Vollständig abgeschlossene Ermittlungen, das Fehlen eines rechtlichen Einstellungsgrundes nach § 190 Z 1 StPO und eine vorweg erkennbare Irrelevanz des § 191 StPO (Einstellung wegen Geringfügigkeit). Also allein die Verdachtslage (auf Ebene der Tatsachen) steht zur Diskussion.

Die entscheidenden Parameter geben nicht so sehr das Regulativ über die staatsanwaltschaftliche Einstellung, sondern die Bestimmungen über die Anklage vor, und zwar die §§ 210 Abs 1, 212 Z 2 und 3 StPO.

Aus diesen Bestimmungen lässt sich folgende Begriffsskala erstellen:

aa) Das "Naheliegen" einer Verurteilung iSd § 212 Z 3 StPO hat keine andere Bedeutung als das "Naheliegen" einer Verurteilung iSd § 210 Abs 1 StPO - eben als eine der essentiellen Voraussetzungen für eine Anklageerhebung;

bb) "naheliegend" in dem unter a) bezeichneten Sinn bedeutet mehr als bloß einfache Wahrscheinlichkeit (vgl Lambauer, Anklageverdacht, Anklagepflicht und Anklagekontrolle, Miklau-FS 257, spricht von "hoher Wahrscheinlichkeit"; Bertel/Venier, Strafprozessrecht2 Rz 417 fordern "ausreichende Ergebnisse für die Überführung", und konstruieren damit eine Schwelle, die von der Verurteilungsvoraussetzung kaum mehr unterscheidbar ist; St. Seiler, Strafprozessrecht8 Rz 579 mit dem eher unscharfen Postulat, dass der Staatsanwalt bei Anklageerhebung "mit einer Verurteilung zu rechnen" habe);

cc) die in § 212 Z 2 StPO angesprochene "Möglichkeit" einer Verurteilung liegt unter deren einfacher Wahrscheinlichkeit, wie nicht nur aus der differenzierenden legistischen Formulierung zu entnehmen ist, sondern es auch dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht (vgl Fabrizy StPO10 § 212 Rz 4, der bereits eine "nur entfernte" Möglichkeit für ausreichend zur Erhebung einer Anklage hält);

dd) damit nimmt "naheliegend" einen deutlich höheren Stellenwert als "möglich" ein.

Im nächsten Schritt ist auf einer (virtuellen) Verdachtsskala, reichend vom Grad null bis zu jenem von hundert, der Blick auf die Markierungen "möglich" (als Abgrenzung nach unten) und "naheliegend" (als Abgrenzung nach oben) zu richten.

Was in diesem Sinn einerseits "naheliegend" und andererseits "möglich" bedeutet, ist an einem objektiven Maßstab - wohl repräsentiert vom analytischen Horizont eines sachkundigen, außenstehenden Betrachters, der die Regeln der logisch strukturierten Vernunft und der Erfahrung anwendet - zu prüfen.

Dieser Maßstab einerseits und die oben dargestellte Skala andererseits lassen folgendes Konzept erkennen:

Stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren (gemäß § 190 Z 2 StPO) ein, sieht das Oberlandesgericht jedoch die Verurteilung als naheliegend an, so wird die Einstellung wohl mit einer nicht nachvollziehbaren, gar willkürlichen Begründung ausgestattet gewesen sein. Der Fortführungsantrag wird erfolgreich sein. Ein Blick auf die Einstellungskompetenz des Einspruchsgerichts (§ 215 Abs 2 in Beziehung auf § 212 Z 2 StPO) führt zur Komplettierung dieses Konzepts: Aus einer Zusammenschau der Bestimmungen des § 212 Z 2 StPO einerseits und der Z 3 des § 212 StPO andererseits ergibt sich, dass - bei sonst unproblematischen Voraussetzungen - das Oberlandesgericht ein Verfahren nicht einstellen darf, sobald die Verurteilung auch nur als "möglich" erscheint (vgl abermals Fabrizy aaO). Nicht erst ab dem "Naheliegen" eines Schuldspruchs hat sich das Oberlandesgericht (als Einspruchsgericht) einer meritorischen Intervention zu enthalten (vgl Lambauer aaO, 264). Ein Einstellungsbeschluss des Oberlandesgerichtes wird nur zugelassen, wenn Anklage erhoben wurde, die Ermittlungsergebnisse aber einen Schuldspruch nicht einmal als möglich erscheinen lassen. Die Anklage muss also nicht nachvollziehbar gewesen sein.

Das Instrumentarium des Oberlandesgerichtes, das staatsanwaltschaftliche Einstellungs- und Anklageverhalten vor der Hauptverhandlung zu überprüfen, ist also beschränkt auf Extremfälle willkürlich anmutender, für einen objektiven Betrachter nicht nachvollziehbarer Praxis; ein Ankläger, der trotz des Mangels an bloßer Möglichkeit einer Verurteilung anklagt und im anderen Fall das Verfahren trotz des Naheliegens einer Verurteilung einstellt, soll nach dem (einfach gesetzlichen) Konzept inhaltlich durch das Gericht korrigiert werden können.

Gewiss verkennt dieser Gerichtshof nicht das Problem der verfassungsrechtlichen Konformität dieses Konzepts (vor allem in Gestalt des Fortführungsinstituts); nicht nur der Anklagegrundsatz nach Art 90 Abs 2 B-VG, sondern (neuerdings) auch der mit 01.01.2008 in Kraft getretene Art 90a B-VG - "in Verfahren wegen mit gerichtlicher Strafe bedrohter Handlungen nehmen Staatsanwälte die Ermittlungs- und Anklagefunktion wahr" - konturieren nachdrücklich die kritischen Zonen (vgl dazu statt vieler: Lambauer, Verfolgungserzwingung als Kontrolle des Staatsanwaltes und als Opferrecht, Burgstaller-FS, 288 mwH). Indes sieht das Oberlandesgericht keinen Anlass, ein Gesetzesüberprüfungsverfahren nach Art 89 Abs 2 B-VG zu beantragen; fokussiert sich nämlich die richterliche Kontrolle zulässigerweise nur auf die Extremfälle im oben beschriebenen Sinn, also auf nicht nachvollziehbare, den Ermessensbereich überschreitende Prozesshandlungen (bzw -erklärungen) der Staatsanwaltschaft, kann sich (der rechtsstaatlich orientierte) einfache Gesetzgeber der Forderung nach einem gerade hier effizienten Rechtsschutz nicht versagen. Diese Sichtweise zwingt in Beziehung auf die §§ 195ff StPO nicht zu einem Antrag nach Art 89 Abs 2 B-VG. Im Übrigen ist die Verfassungskonformität des hier entwickelten Konzepts nicht anders zu beurteilen als die Forderung, das Oberlandesgericht habe die (staatsanwaltschaftliche) Einstellungsbegründung im Sinn der Präliminarien der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO zu prüfen. Im einen wie im anderen Fall löst (erst) die nicht nachvollziehbare, willkürlich anmutende Einstellung die Interventionspflicht des Oberlandesgerichtes aus.

All dies führt in casu zu Folgendem: Die Beschuldigte sah sich mit den für Laien verwirrenden und vor allem überdurchschnittlich emotionalisierenden Vorgängen der Scheidungs-, Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren konfrontiert. Das im Obsorgeverfahren eingeholte Gutachten (S 277ff in ON 4) war ihr im Zeitpunkt der inkriminierten Äußerungen bekannt. Daraus ergab sich für sie eine schlechte Ausgangsposition für das Obsorgeverfahren, da das Gutachten deutlich den Verbleib der Kinder beim Vater (und nicht bei bei der Beschuldigten, also der Mutter) präferierte. Wenn sie nun vom Verhandlungsrichter - in durchaus ausgewogener Anwendung der Manuduktionspflicht - auf dieses Gutachten hingewiesen wurde, mag dies zu einer länger andauernden emotionalen Überfrachtung mit gleichzeitig intellektueller Einengung geführt haben. Derartige Phänomene finden sich gerade in solchen Verfahren durchaus nicht selten.

Ein weiterer Aspekt aus dem erwähnten Gutachten ist von Interesse:

Darin wurde - in psychologischer Abwägung der Interessenslage der Kinder - der Beschuldigten Impulsivität, Unbeherrschtheit, emotionale Unreife und Neigung zu aktiver, unter Umständen auch körperlicher Durchsetzung von Positionen attestiert (S 345 in ON 4). Gerade darin kann deutlich werden, dass die Beschuldigte seinerzeit an die Richtigkeit ihrer den Richter Mag. H***** disqualifizierenden Äußerungen glaubte; zumindest liegt es nicht nahe, dass sie von deren Unrichtigkeit wusste. Die grundsätzlich gut ausgestattete, zur Hochschulabsolvenz taugliche Intelligenz der Beschuldigten ist kein ausreichendes Kontraindiz gegen die Zweifel an der verstärkten Vorsatzform, wurden doch die inkriminierten Äußerungen in einer ersichtlich stark emotional geprägten Phase, abseits üblicher sozialer Abläufe, geäußert. Der sinnbezogene Kontext der Äußerungen deutet darauf hin, dass die Beschuldigte ihre subjektive Bewertung der richterlichen Gestion, nicht aber deren davon losgelösten objektiven Inhalt wiedergeben wollte.

Das Oberlandesgericht hält demnach - den Blick entscheidend gerichtet auf das Vorliegen der Wissentlichkeit iSd § 297 StGB - eine Verurteilung der Beschuldigten wegen Verleumdung nicht für naheliegend.

Soweit der Fortführungswerber eine Weiterverfolgung wegen Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 StGB, bezogen auf den identen Sachverhalt wie beim Verleumdungsverdacht, einfordert, bleibt dafür ebenfalls kein Raum. Denn es kommt fallbezogen eine private Verfolgung in Betracht: Die Beschuldigte erhob die inkriminierten Äußerungen zwar evidentermaßen gegen Mag. H*****, nicht jedoch während der Ausübung dessen Amtes oder Dienstes. Von einer solchen Tatmodalität kann nur die Rede sein, wenn die Ehrverletzung von Person zu Person geschehen wäre (SSt 58/77; bes. instruktiv Leukauf-Steininger StGB3 § 117 Rz 15). Die Äußerungen tätigte die Beschuldigte jedoch gegenüber einem Rechtspfleger des Bezirksgerichtes P***** (und in Abwesenheit des Fortführungswerbers).

Zum anderen bezog sich zwar die Äußerung gewiss auf Berufshandlungen des Richters, allerdings nicht in qualifizierter Publizitätsform. Damit kommt der Staatsanwaltschaft ein Verfolgungsrecht wegen § 111 StGB nicht zu (§ 117 Abs 1 und 2 StGB).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein Rechtsmittel nicht zu. Oberlandesgericht Linz, Abt. 8,

Anmerkung

EL001108Bs442.08v

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0459:2008:0080BS00442.08V.1223.000

Zuletzt aktualisiert am

01.04.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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