TE OGH 2009/2/19 12Os1/09b

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Veröffentlicht am 19.02.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Februar 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klugar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Roman H***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Geschworenengericht vom 12. November 2008, GZ 10 Hv 69/08g-91, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Roman H***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 27. Februar 2008 in St. Florian seine Ehegattin Maria Lisa H***** vorsätzlich getötet, indem er als Lenker eines PKWs mit seiner Ehegattin am Beifahrersitz das Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von zumindestens 97 km/h gezielt gegen die Hausmauer eines Gehöfts lenkte, wodurch Maria Lisa H***** tödliche Verletzungen erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Angeklagten erhobenen und auf § 345 Abs 1 Z 1, 4, 8, 9 und 10a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Unter Berufung auf § 345 Abs 1 Z 1 und 4 StPO macht der Beschwerdeführer eine Befangenheit des Vorsitzenden (offensichtlich gemeint Ausgeschlossenheit iSd § 43 Abs 1 Z 3 StPO) geltend, der seiner Meinung nach eine zusammenhängende Verantwortung des Angeklagten durch Unterbrechungen und Zwischenfragen nicht zuließ. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer seiner nach Z 1 vorgegebenen sofortigen Rügepflicht nicht genügte, legt das Vorbringen nicht dar, welche der in § 345 Abs 1 Z 4 StPO genannten und mit Nichtigkeit bedrohten Verfahrensfehler solcherart verwirklicht worden wäre.

In der Instruktionsrüge (Z 8) wird ein unzulässiger Eingriff in die Willensbildung der Laienrichter durch die „Formulierung der Rechtsbelehrung" behauptet, ohne darzulegen, welche Passagen der an die Geschworenen gerichteten Unterweisung Bedenken hervorrufen könnten.

Nichtigkeit aus Z 9 des § 345 Abs 1 StPO liegt vor, wenn die Antwort der Geschworenen auf die gestellten Fragen - also der Wahrspruch (maW die Feststellungsebene) - undeutlich, unvollständig oder in sich widersprechend ist, wenn also trotz undeutlicher oder widersprüchlicher Feststellungen oder fehlender Antworten zu entscheidenden Tatsachen (im schöffengerichtlichen Verfahren § 281 Abs 1 Z 9 oder 10 StPO) den Geschworenen die Verbesserung des solcherart mangelhaften Wahrspruchs nicht aufgetragen wurde oder der Auftrag ohne Erfolg blieb (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 69). Indem der Beschwerdeführer - unter Bezugnahme auf das schriftliche Gutachten des kfz-technischen Sachverständigen vom 24. April 2008 (ON 48) - den Erwägungen der Laienrichter diametral entgegenstehende und für den Angeklagten sprechende Argumente gegenüberstellt, bezieht er sich gar nicht auf den Wahrspruch, also „die Antwort der Geschworenen" im Sinne der Z 9 des § 345 Abs 1 StPO, sondern deren Erwägungen in der Niederschrift (§ 331 Abs 3 StPO).

Logisch oder empirisch unhaltbare Begründung maW ein Widerspruch zwischen Niederschrift (§ 331 Abs 3 StPO) und Wahrspruch ohne Verbesserungsauftrag ist aber unter dem Aspekt der Nichtigkeitsgründe bedeutungslos, verlangt doch das Gesetz von den Laienrichtern weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht eine „anfechtungsfeste" Begründung ihres Wahrspruchs. Folgerichtig kann der Inhalt der in § 331 Abs 3 StPO bezeichneten Niederschrift nur über Anfechtung aus Z 10 des § 345 Abs 1 StPO zur Nichtigkeit führen. Einer solchen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ist nämlich stets ein Verbesserungsauftrag des Schwurgerichtshofs nach Anhörung von Ankläger und Verteidiger vorgeschaltet (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 69, 71; vgl RIS-Justiz RS0118546; zuletzt 13 Os 3/08b = EvBl 2008/74 S 373). Die Durchführung eines Moniturverfahrens wurde - aktenkonform - fallaktuell aber im gegebenen Zusammenhang gar nicht behauptet. Der weiters geltend gemachte formelle Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO greift seinem Wesen erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen konstatierten Tatsachen aufkommen lassen (vgl RIS-Justiz RS0119583).

Indem der Beschwerdeführer lediglich die Beweisergebnisse in einer für ihn günstigeren Sichtweise darstellt (indem er etwa von der Anklage als Ankündigungen eines erweiterten Selbstmords bewertete Äußerungen einen harmlosen Inhalt unterstellt, spekulative Erwägungen über die „sinnvolle" Vorgangsweise eines Mörders bzw Selbstmörders anstellt oder zur Glaubwürdigkeit des Tatopfers Stellung bezieht, welches gegenüber Arbeitskollegen Angst vor dem Beschwerdeführer zum Ausdruck gebracht hatte), um daraus Schlüsse auf einen fehlenden Tötungsvorsatz zu ziehen, vermag er derartige Bedenken nicht hervorzurufen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufung (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Anmerkung

E9038412Os1.09b

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0120OS00001.09B.0219.000

Zuletzt aktualisiert am

05.05.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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