TE OGH 2009/3/24 11Os24/09b

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Veröffentlicht am 24.03.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred G***** und Michaela B***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 4. November 2008, GZ 31 Hv 115/08g-52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In (hinsichtlich der Angeklagten B***** teilweiser) Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden und aus deren Anlass werden die Wahrsprüche der Geschworenen - die im Übrigen unberührt bleiben - zu den Hauptfragen 9 und 10 sowie 12, 14 und 15, damit die Schuldsprüche A 7, A 8, B 2, B 3 und B 6 sowie die Strafaussprüche beider Angeklagten aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Die zum Schuldspruch B 1 erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten B***** wird ebenso zurückgewiesen wie die Berufung des Angeklagten G***** wegen Schuld.

Mit ihren Berufungen (wegen Strafe) werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die Kassation der Strafaussprüche verwiesen. Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf den Wahrsprüchen der Geschworenen beruhenden Urteil - das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch (richtig: nach § 336 StPO) des Erstangeklagten enthält - wurden

Manfred G***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A 1), der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A 2, A 3), des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (A 4), des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 StGB (A 5), des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (A 6), des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (A 7) sowie des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (A 8) sowie

Michaela B***** des Verbrechens des schweren Raubes als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (B 1), der Verbrechen des Raubes als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1 StGB (B 2, B 3), der Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1, 12 dritter Fall StGB (B 4, B 5) sowie des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (B 6)

schuldig erkannt.

Danach hat - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung -

A. Manfred G***** in Salzburg

1. am 15. August 2008 der Angestellten der B***** in der A***** Christine W***** dadurch mit Gewalt fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, dass er ihr aus kurzer Distanz mit einem Pfefferspray in das Gesicht sprühte, mithin unter Verwendung einer Waffe, Bargeld in Höhe von rund 800 Euro,

2. am 16. August 2008 der Eva Maria A***** dadurch mit Gewalt fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, dass er ihr von hinten die Handtasche entriss, wobei er mit solch einer Gewalt an der Handtasche zog, dass Eva Maria A***** kurz mitgeschleift wurde und beinahe zu Sturz kam, Bargeld in der Höhe von 13 Euro,

3. am 17. August 2008 in Salzburg Maria Go***** dadurch mit Gewalt fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, dass er ihr die Handtasche mit einer solchen Kraft von der Schulter riss, dass sich der Tragriemen löste und Maria Go***** zu Sturz kam, Bargeld in Höhe von insgesamt 149,04 Euro und eine Geldtasche unbekannten Werts,

4. am 16. August 2008 dadurch, dass er die Handtasche der Eva Maria A***** im Wert von 25 Euro samt einer Insulinspritze unbekannten Werts, einer Lesebrille im Wert von 10 Euro, einer Geldtasche im Wert von 13 Euro und eines Ohrgehänges im Wert von 20 Euro aus dem Pkw warf, Eva Maria A***** geschädigt, indem er fremde bewegliche Sachen aus deren Gewahrsam dauernd entzog, ohne diese Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen,

...

7. am 17. August 2008 gemeinsam mit Michaela B***** als Mittäter (§ 12 StGB) dadurch, dass er der Maria Go***** eine Lederhandtasche samt einer Schlüsseltasche mit 5 Schlüsseln, einer Ledergeldbörse und diversen Effekten in jeweils unbekanntem Wert wegnahm und Michaela B***** die Handtasche samt den darin aufbewahrten Sachen in einen Altpapier-Container warf, Maria Go***** geschädigt, indem sie fremde bewegliche Sachen aus deren Gewahrsame dauernd entzogen, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen, sowie

8. am 17. August 2008 gemeinsam mit Michaela B***** als Mittäter (§ 12 StGB) ein unbares Zahlungsmittel, über das sie nicht verfügen durften, nämlich die in der Handtasche aufbewahrte Bankomatkarte der Maria Go***** mit dem Vorsatz unterdrückt, dessen Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern;

B. Michaela B***** in Salzburg

1. am 15. August 2008 dadurch, dass sie mit ihrem Pkw Chauffeur-Dienste leistete, zur Ausführung der im Schuldspruch A 1 geschilderten Tathandlung des Manfred G***** beigetragen,

2. am 16. August 2008 dadurch, dass sie mit ihrem Pkw Chauffeur-Dienste leistete, zur Ausführung der unter Schuldspruch A . genannten Tathandlung des Manfred G***** beigetragen,

3. am 17. August 2008 dadurch, dass sie mit ihrem Pkw Chauffeur-Dienste leistete, zur Ausführung der unter Schuldspruch A 3 geschilderten Tathandlung des Manfred G***** beigetragen,

4. am 16. August 2008 dadurch, dass sie mit ihrem Pkw Chauffeur-Dienste leistete, zur Ausführung der unter Schuldspruch A 4 geschilderten Tathandlung des Manfred G***** beigetragen,

5. am 17. August 2008 mit Manfred G***** gemeinsam als Mittäter (§ 12 StGB) dadurch, dass Manfred G***** der Maria Go***** eine Lederhandtasche samt einer Schlüsseltasche mit 5 Schlüsseln, einer Ledergeldbörse und diversen Effekten in jeweils unbekanntem Wert wegnahm und Michaela B***** die Handtasche samt den darin aufbewahrten Sachen in einen Altpapier-Container warf, Maria Go***** geschädigt, indem sie fremde bewegliche Sachen aus deren Gewahrsam dauernd entzogen, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen,

6. am 17. August 2008 mit Manfred G***** gemeinsam als Mittäter (§ 12 StGB) ein unbares Zahlungsmittel, über das sie nicht verfügen durften, nämlich die in der Handtasche aufbewahrte Bankomatkarte der Maria G***** mit dem Vorsatz unterdrückt, dessen Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern.

Die Geschworenen hatten die ihnen anklagekonform vorgelegten Hauptfragen (mit einer zum Freispruch führenden Ausnahme) bejaht und die hinsichtlich der Angeklagten B***** zu den Hauptfragen 9 und 10 (Raubbeiträge Fakten A***** und Go*****) gestellten Eventualfragen 1 und 2 (in Richtung Diebstahlsbeiträge) folglich nicht beantwortet. Der Erstangeklagte G***** erhebt aus § 345 Abs 1 Z 10a StPO, die Zweitangeklagte B***** aus Z 6 und 8 leg cit Nichtigkeitsbeschwerde. Die vom Erstangeklagten überdies ausgeführte Berufung wegen Schuld ist der Strafprozessordnung zur Bekämpfung von Geschworenenurteilen unbekannt und war daher zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G*****:

Zutreffend wendet die Tatsachenrüge (Z 10a) aus den Akten ein, dass den die subjektive Tatseite betreffenden Feststellungen der Schuldsprüche A 7 und A 8 erhebliche Bedenken begegnen: Nach den übereinstimmenden Einlassungen der Angeklagten (G***** ON 4 S 147, ON 51 S 17; B***** ON 4 S 127, ON 51 S 35) ließ G***** die Handtasche der Maria Go***** im von B***** gelenkten Kraftfahrzeug zurück, die Letztgenannte entledigte sich der Tasche - ohne vorhergehende Absprache - durch Wegwerfen in einen Altpapier-Container (vgl rechtlich SSt 52/18). Dass in der Handtasche auch eine Bankomatkarte war (ON 4 S 117), nahmen die Angeklagten demnach nicht einmal wahr. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten war somit spruchgemäß Folge zu geben (§§ 285e, 344 StPO).

Durch die Beseitigung des Schuldspruchs A 7 wurde auch der (schon in der Anklage ON 23 angelegte) Verstoß gegen § 29 StGB (A 4, A 7 - zweimalige Subsumtion unter Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB in einem Urteil, vgl Fabrizy, StGB9 § 29 Rz 1) beseitigt; für den Fall weiterer Verfolgung und eines neuerlichen Schuldspruchs zu diesem Faktum wäre eine entsprechende Subsumtionseinheit zu bilden.

Die selben erheblichen Bedenken wie gegen den Schuldspruch A 8 richten sich auch gegen den Schuldspruch B 6, der unbekämpft blieb - es war daher zu Gunsten der Zweitangeklagten gemäß §§ 290 Abs 1 Satz 2 zweiter Fall, 344 StPO vorzugehen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten B*****:

Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert die Unterlassung der Stellung einer Eventualfrage zur Hauptfrage 8 (Schuldspruchfaktum B 1) in Richtung eines Beitrags zu einer lediglich diebischen (und nicht räuberischen) Delinquenz. Sie wird jedoch dem für eine Erörterung im Sinne der §§ 285c Abs 2, 286 ff, 344 StPO notwendigen prozessordnungsgemäßen Aufzeigen eines entsprechenden Tatsachenvorbringens in der Hauptverhandlung nicht gerecht. Durch selektives Betonen einzelner Aussageteile unter Außerachtlassen des Zusammenhangs wird die Indizwirkung für die angestrebte Eventualfrage nicht dargetan (Schindler, WK-StPO § 314 Rz 14; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 42; 12 Os 18/05x; 11 Os 24/06y; RIS-Justiz RS0100634; RS0101087). Die Zweitangeklagte hatte vor dem erkennenden Gericht zum Faktum B***** den Eindruck zu vermitteln gesucht, an eine aktuelle Tatbegehung durch den Erstangeklagten nicht geglaubt zu haben, sondern bloß an eine Erkundung (ON 51 S 32, 37 und 41). Ebenso allgemein gehalten war die - in der Beschwerde hervorgehobene - Aussage zur Übergabe des Pfeffersprays (ON 51 S 31). Dem entgegen setzte der Angeklagte G***** die Übergabe dieser Waffe in einen eindeutigen Konnex zu dem in Rede stehenden „Überfall" (ON 51 S 12 und 22). Hält man sich noch die Verwendung gerade dieses - sinnfällig auf ein gewaltsames Vorgehen gerichteten - Wortes durch die Nichtigkeitswerberin (ON 51 S 32) vor Augen, versäumt die Fragenrüge insgesamt ein für eine Eventualfrage in Richtung einer gewaltfreien Sachwegnahme taugliches Verfahrenssubstrat aufzuzeigen.

Die zu diesem Faktum erhobene Instruktionsrüge (Z 8) fehlender Ausführungen zur Abgrenzung zwischen Raub und Diebstahl übersieht, dass zur Hauptfrage 8 eben keine Eventualfrage gestellt wurde, eine Rechtsbelehrung jedoch nur in Ansehung tatsächlich gestellter Fragen zu erfolgen hat (12 Os 90/04 mwN uva).

Im bisher erörterten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

In Anbetracht der den Geschworenen vorgelegten Eventualfragen allerdings rügt die Beschwerdeführerin zutreffend das Fehlen einer mit Blick auf die angeklagte Beitragstäterschaft objektiv und subjektiv präzisierte Abgrenzung zwischen Raub und Diebstahl (vgl dazu etwa Eder/Rieder in WK² § 142 Rz 63 bis 65) in der Rechtsbelehrung, deren allgemeine Darstellung der jeweiligen Tatbestandselemente ohne jeglichen Querbezug fallbezogen zur irrigen Auslegung des Gesetzes durch die Laienrichter Anlass geben konnte (Fabrizy, StPO10 § 345 Rz 11).

In diesem Umfang war sohin mit Aufhebung und Auftrag zur Verfahrenserneuerung vorzugehen (§§ 285e, 344 StPO). Die Zweitangeklagte hat den Subsumtionsfehler (§ 345 Abs 1 Z 12 StPO) zu den Fakten B 4 und B 5 - nämlich die § 29 StGB widerstreitende Annahme zweier Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB durch das der Staatsanwaltschaft unkritisch folgende Gericht - nicht releviert; aus den Entscheidungsgründen (US 16) ergibt sich, dass für die Sanktionsfindung doch nur ein Vergehen der dauernden Sachentziehung angenommen wurde, weshalb ein Vorgehen nach §§ 290 Abs 1 Satz 2 erster Fall, 344 StPO entbehrlich war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Anmerkung

E9037311Os24.09b

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0110OS00024.09B.0324.000

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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