TE OGH 2009/5/28 12Os51/09f

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Veröffentlicht am 28.05.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Michael Schmid als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Josef W***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 2. Dezember 2008, GZ 21 Hv 80/08w-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Ausspruch über die Begehung der Anlasstaten unberührt bleibt, im Umfang der Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Betroffene auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef W***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB eingewiesen, weil er unter dem Einfluss einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie, somit eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, Taten begangen hat, die ihm außerhalb dieses Zustands als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (I./) und des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB (II./) zuzurechnen wären, nämlich I./ Irmgard W***** mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er mit einem Zapin in der Hand auf sie zurannte, ihr gegenüber erklärte, er werde sie erschlagen, mit dem Zapin ausholte und ihn vor ihrem Gesicht hin und her schwang und mit den Händen in ihr Gesicht schlug;

II./ Beamte durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper an einer Amtshandlung gehindert, und zwar ca zweieinhalb Stunden nach der in Punkt I./ angeführten Tat die Polizeibeamten GI Gerhard L*****, Insp. Bernhard M*****, RI Marcel M***** und Insp. Marco W***** an seiner Festnahme, indem er sich mit dem Zapin in der Hand den Polizeibeamten entgegenstellte und diese damit bedrohte; wobei nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Taten zu befürchten ist, dass er ohne Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Betroffene mit einer auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der - wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführt - teilweise Berechtigung zukommt.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider konnten die Tatrichter ihre Feststellungen zur subjektiven Tatseite logisch und empirisch einwandfrei aus dem äußeren Tatgeschehen ableiten. Denn der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen verstößt weder gegen Regeln der Logik noch gegen grundlegende Erfahrungssätze. Vielmehr sind derartige Folgerungen bei einem leugnenden Betroffenen in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (vgl Ratz WK-StPO § 281 Rz 452).

Weshalb das paranoid-schizophrene Zustandsbild des Betroffenen der Annahme der subjektiven Tatseite entgegenstehen sollte und daher im Zusammenhang mit der Begründung des jeweiligen Tatvorsatzes auch erörtert hätte werden müssen, legt der Beschwerdeführer nicht dar, sodass dieser Einwand keiner sachbezogenen Erwiderung zugänglich ist. Der Rechtsmittelwerber übersieht bei seinem Vorbringen, dass die Fähigkeit, überhaupt einen Willen zu bilden, von jener, diesen (gebildeten) Willen verantwortlich an den Rechtsnormen auszurichten, unterschieden werden muss, zumal auch ein Zurechnungsunfähiger durchaus in der Lage ist, einen deliktsspezifischen Vorsatz zu haben (vgl RIS-Justiz RS0115231).

Die Frage, ob Irmgard W***** die ausgesprochene Todesdrohung als solche ernst nahm, betrifft keine entscheidende Tatsache, weil maßgeblich allein die Besorgniseignung der Drohung ist, die wiederum nach einem gemischt objektiv-individuellen Maßstab zu bestimmen ist (vgl Kienapfel/Schroll StudB BT I2 § 105 Rz 42 ff; Schwaighofer in WK² § 105 Rz 63 f; Jerabek in WK2 § 74 Rz 33 f; RIS-Justiz RS0092753; zuletzt 13 Os 120/08h), sodass im Zusammenhang damit der geltend gemachte Begründungsmangel ins Leere geht.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wendet sich zunächst in Ansehung der zu I./ angeführten Anlasstat gegen die Annahme der Qualifikation des § 107 Abs 2 StGB (der Sache nach daher Z 10). Weshalb allerdings der Umstand, dass das Tatopfer bei diesem Vorfall keine Verletzungen erlitt, die Annahme einer ernstgemeinten Todesdrohung ausschließen sollte, die auch objektiv geeignet war, bei der Bedrohten eine begründete Besorgnis vor einem Anschlag auf ihr Leben hervorzurufen, wird in der Beschwerde nicht weiter ausgeführt.

Inwiefern Feststellungen zum Wissen der Irmgard W***** über die Vorgeschichte des Betroffenen, insbesondere hinsichtlich seiner psychischen Erkrankung und vorangegangener Drohungen und Beschimpfungen, für die abschließende rechtliche Beurteilung der Besorgniseignung erforderlich sein sollten, legt der Rechtsmittelwerber gleichfalls nicht dar.

Auch bezüglich der unter Punkt II./ angeführten Anlasstat bestreitet der Betroffene die Eignung der Drohung, bei den bedrohten Polizeibeamten begründete Besorgnis hervorzurufen.

Soweit er dazu vorbringt, es sei ihm stets nur darum gegangen, sich durch Flucht einer Amtshandlung zu entziehen, argumentiert er nicht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen, wonach er mit einem zum Schlag erhobenen „Zapin" (Zappin = Spitzhacke) zumindest mit einer Verletzung am Körper drohte, um die Polizeibeamten an seiner Festnahme zu hindern (US 7).

Weshalb die besondere Schulung der Beamten im Umgang mit tätlichen Angriffen der Besorgniseignung der inkriminierten, durch den Einsatz einer Waffe unterstrichenen Drohung entgegenstehen sollte, erläutert der Nichtigkeitswerber nicht.

Auch zur Forderung nach Feststellungen über die Bewaffnung der Polizeibeamten und deren Informationsstand über vorangegangene Tätlichkeiten des Betroffenen legt er in keiner Weise dar, inwiefern diese Umstände angesichts einer mit Spitzhacke untermauerten Drohung fallbezogen für die Lösung dieser Rechtsfrage erforderlich sein sollten.

Die unter Z 9 lit a (inhaltlich Z 10) geltend gemachten Nichtigkeitsgründe werden solcherart nicht deutlich und bestimmt bezeichnet.

Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) vermisst allerdings zu Recht über die Zitierung des Gesetzeswortlauts hinausgehende konkrete Urteilsannahmen für das Vorliegen einer den Kriterien des § 21 Abs 1 StGB entsprechenden Prognosetat. Denn die bloße Wiedergabe der verba legalia, wonach - unter Berücksichtigung der Person und des Zustands des Betroffenen sowie der Art der Anlasstaten - mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten sei, Josef W***** werde unter dem Einfluss seiner psychischen Abnormität von höherem Grad auch in Hinkunft gerichtlich strafbare Handlungen mit schweren Folgen begehen (US 8), stellt für sich allein noch keine ausreichende Feststellungsgrundlage dar, die geeignet wäre, die angeordnete Unterbringung des Betroffenen in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB zu tragen. Die Prognosetat ist im Urteil zumindest ihrer Art nach näher zu umschreiben, um solcherart die rechtliche Beurteilung der zu erwartenden mit Strafe bedrohten Handlungen mit schweren Folgen (unter Beachtung der tatbestandsmäßigen Folgen wie auch sonstiger Tatauswirkungen) zu ermöglichen (vgl Ratz in WK² § 21 Rz 26; ders, WK-StPO § 281 Rz 723; RIS-Justiz RS0118581; 13 Os 62/07b).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war - soweit sie die Anlasstaten bekämpft - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Hingegen war der Ausspruch über die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB aus den dargelegten Gründen bereits bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben (§ 285e StPO; vgl zuletzt 13 Os 137/06f) und die Sache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Mit seiner Berufung war der Betroffene auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E9111512Os51.09f

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0120OS00051.09F.0528.000

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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