TE OGH 2009/6/9 4Ob47/09d

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Veröffentlicht am 09.06.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „Ö*****"-***** GmbH, *****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 36.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 15. Jänner 2009, GZ 5 R 231/08i-29, mit welchem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 3. Oktober 2008, GZ 11 Cg 170/07y-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.961,64 EUR (darin 326,64 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien sind Herausgeber von Tageszeitungen. Die Zeitung der Klägerin wird gegen Entgelt (Verkaufsexemplare) und als Gratiszeitung (Marketingexemplare) vertrieben. Die Klägerin war im Jahr 2007 bestrebt, die Aufnahme ihrer Zeitung in eine von einem Verein herausgegebene Reichweitenerhebung zu erwirken. Mitglieder dieses Vereins sind zwei Tochtergesellschaften der Beklagten, die die redaktionellen Inhalte für die von der Beklagten herausgegebenen Zeitungen bereitstellen. Diese Zeitungen werden von der Reichweitenerhebung erfasst.

Als Voraussetzung für die Aufnahme in die Reichweitenerhebung verlangte der Verein von der Klägerin, dass sie die Verkaufs- und die Gratisausgabe ihrer Zeitung ab 1. Juli 2007 aneinander „angleichen" müsse. Die Klägerin verstand das offenkundig (nur) als Erfordernis gleicher Seitenzahl, während die Beklagte auch inhaltliche Identität erwartete. Ersteres war ab Anfang Juli 2007 gegeben, zweiteres nicht.

Mitte August 2007 arbeitete ein Journalist einer Presseagentur an einem Artikel über die von der Klägerin angestrebte Aufnahme in die Reichweitenerhebung. Bei seinen Recherchen wandte er sich insbesondere an einen Mitarbeiter der Beklagten. Dieser sagte ihm, dass sich bei der Klägerin die Seitenzahlen der beiden Ausgaben noch immer um bis zu 20 Seiten unterschieden. Der Name dieses Mitarbeiters und seine Funktion im Unternehmen der Beklagten sind nicht bekannt.

Aufgrund seiner Recherchen verfasste der Journalist eine Agenturmeldung, in der er zunächst die Auffassung der Klägerin darstellte, man habe durch die Angleichung der Seitenzahl die Bedingungen für eine Aufnahme in die Reichweitenerhebung erfüllt. Danach zitierte er den Veranstalter der Erhebung mit der Äußerung, dass zwar eine Anpassung erfolgt sei, aber noch beobachtet werden müsse, ob sie ausreiche; die Entscheidung werde in einer Vorstandssitzung fallen. Zuletzt hieß es: „Konkurrenzverlage wie die [Beklagte] sind allerdings nach wie vor anderer Ansicht: Dort verweist man auf bis zu 20 Seiten Differenz zwischen Verkaufs- und Marketingauflage." Diese Meldung wurde in Online- und Papierausgaben anderer Tageszeitungen übernommen.

Die Klägerin beantragt, der Beklagten aufzutragen,

zu Zwecken des Wettbewerbs die Behauptung oder Verbreitung der unwahren Äußerung, die Verkaufs- und Marketingauflage [der Zeitung der Klägerin] würden nach wie vor bis zu 20 Seiten differieren, oder sinngleiche Äußerungen zu unterlassen.

Weiters begehrt die Klägerin die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung. Um rasch in die Reichweitenerhebung aufgenommen zu werden, habe sie sich nach den Vorgaben des Veranstalters verpflichtet, ihre Zeitung nur noch mit einem vergleichbaren Seitenumfang und einem einzigen Anzeigentarif erscheinen zu lassen. Daran habe sie sich ab Anfang Juli 2007 ausnahmslos gehalten. Dennoch habe die Beklagte behauptet, die „Gratis"-Ausgabe habe nach wie vor nicht dieselbe Seitenanzahl wie die Verkaufsexemplare, sondern es bestehe weiterhin ein Unterschied von bis zu 20 Seiten. Die Beklagte wolle damit die Aufnahme der Klägerin in die Reichweitenerhebung verzögern und zur Stärkung der eigenen Marktposition die Anzeigenkunden der Klägerin verunsichern. Darin liege ein Verstoß gegen § 7 Abs 1 UWG und § 1330 Abs 2 ABGB.

Die Beklagte wendet ein, dass nicht sie, sondern nur ihre Tochtergesellschaften Mitglieder des Vereins seien, der die Reichweitenerhebung veranstalte. Die Vertreter dieser Gesellschaften hätten im Vereinsvorstand vertraulich auf inhaltliche Abweichungen der beiden Ausgaben hingewiesen. Die Beklagte wisse nicht, woher die Pressagentur und die Tageszeitungen die beanstandete Information über den angeblich unterschiedlichen Seitenumfang hätten; von ihr jedenfalls nicht. Zudem liege ohnehin ein auf einem wahren Tatsachenkern beruhendes und daher zulässiges Werturteil vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die beanstandete Äußerung verstoße zwar gegen § 1330 ABGB und - wegen ihres irreführenden Charakters - auch gegen § 2 UWG. Es stehe jedoch nicht fest, wer sie getätigt habe. Für die Haftung nach § 1330 ABGB fehle aber der Nachweis, dass der Mitarbeiter ein Organ oder ein (anderer) Repräsentant der Beklagten gewesen sei. Lauterkeitsrechtlich seien dem Unternehmer nur Handlungen von solchen Mitarbeitern zuzurechnen, die nicht bloß eine untergeordnete Funktion hätten. Auch insofern gehe es zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin, dass die Funktion des Informanten nicht habe festgestellt werden können.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Nach § 18 UWG könne der Inhaber eines Unternehmens wegen eines - hier vorliegenden - Verstoßes gegen § 7 UWG auch dann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn die Handlung im Betrieb seines Unternehmens von einer „anderen Person" begangen worden ist. Unter diesen Begriff fielen insbesondere Bedienstete und Beauftragte. Die Beklagte habe daher für die Äußerung ihres Dienstnehmers einzustehen. Das gelte auch dann, wenn das Beweisverfahren keine Feststellungen zur Funktion dieses Dienstnehmers im Betrieb der Beklagten zugelassen habe. Eine besondere Aufgabenstellung, Funktion oder Vertretungsbefugnis verlange § 18 UWG nämlich gerade nicht. Ebenso wenig komme es für den Unterlassungsanspruch darauf an, ob dem Unternehmensinhaber die beanstandete Äußerung bekannt gewesen sei oder bekannt hätte sein müssen. Notwendig sei nur, dass er die rechtliche Möglichkeit habe, kraft seiner Beziehung zur handelnden Person für das Abstellen des Wettbewerbsverstoßes zu sorgen. Das sei jedenfalls dann der Fall, wenn der Unternehmensinhaber - wie hier gegenüber einem Dienstnehmer - weisungsbefugt sei. Auf die faktische Durchsetzbarkeit der Weisung komme es nicht an.

In ihrer außerordentlichen Revision macht die Beklagte geltend, dass sie nicht für das Verhalten eines namentlich nicht bekannten Mitarbeiters einstehen müsse. Zudem liege ein bloßes Werturteil vor, das auf einem wahren Tatsachenkern beruhe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur lauterkeitsrechtlichen Haftung eines Unternehmensinhabers für Handlungen eines Dienstnehmers fehlt, dessen Name und Funktion im Unternehmen nicht festgestellt werden kann. Sie ist aber nicht berechtigt.

1. Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechung zu § 18 UWG richtig dargestellt und daraus auch die richtigen Schlüsse gezogen.

1.1. Die Haftung des Unternehmensinhabers nach § 18 UWG ist eine Erfolgshaftung (RIS-Justiz RS0079818). Sie setzt voraus, dass der Wettbewerbsverstoß im Betrieb des Unternehmens begangen wurde, wobei dieser Begriff weit auszulegen und primär im organisatorischen Sinn zu verstehen ist (RIS-Justiz RS0079689, vgl auch RS0079912). Der Unternehmer haftet auch dann, wenn ein Mitarbeiter zu jener Tätigkeit, in deren Verlauf sich der Wettbewerbsverstoß ereignet, an sich nicht befugt ist; es genügt, dass diese Tätigkeit im geschäftlichen Interesse des Inhabers des Unternehmens entfaltet wird (RIS-Justiz RS0079839 [T1]). Entscheidend ist, dass der Unternehmensinhaber aufgrund seiner Beziehung zum Handelnden die rechtliche Möglichkeit hat, den Wettbewerbsverstoß zu verhindern (RIS-Justiz RS0079674 [T21, T22]; RS0079799, RS0079809). Diese Möglichkeit besteht jedenfalls dann, wenn der Unternehmer dem Handelnden Weisungen erteilen kann; demgegenüber ist es unerheblich, ob der Unternehmer - etwa bei weisungswidrigem Verhalten des Handelnden - faktisch in der Lage ist, den Wettbewerbsverstoß zu verhindern (RIS-Justiz RS0079674 [T21, T22]).

1.2. Im konkreten Fall war dem Journalisten offenkundig daran gelegen, die Haltung der Beklagten zu einer zwischen den Parteien strittigen Frage zu erfahren. Er sprach daher seinen Informanten als Mitarbeiter der Beklagten an; dessen Privatmeinung wäre völlig unerheblich gewesen. Die Auskunft erfolgte daher im Betrieb des Unternehmens. Dass die Beklagte ihre - allenfalls auch freien - Mitarbeiter anweisen kann, bei einer solchen Anfrage unrichtige Tatsachenbehauptungen über Mitbewerber zu unterlassen, kann nicht ernsthaft bestritten werden; die rechtliche Möglichkeit der Einflussnahme ist daher nicht zu bezweifeln. Es mag zwar zutreffen, dass die Beklagte die Einhaltung einer solchen Weisung nicht kontrollieren kann. Das betrifft jedoch die Frage der faktischen Verhinderungsmöglichkeit und fällt damit in die Risikosphäre der Beklagten.

2. Die gegen diese Auffassung erhobenen Einwände der Beklagten können nicht überzeugen.

2.1. Richtig ist, dass die Beklagte die Weisung allen für eine Auskunft über Mitbewerber in Frage kommenden Mitarbeitern erteilen müsste, um weitere Verstöße zu verhindern. Das spricht jedoch nicht gegen ihre Haftung. Denn zum einen ist der Kreis jener Mitarbeiter, die mit Anfragen über Konkurrenzunternehmen zu rechnen haben, schon rein faktisch beschränkt; die im Rechtsmittel - als argumentum ad absurdum - erwähnte Weisung an (beispielsweise) „alle 41.490 Mitarbeiter der VOEST" wird daher bei realistischer Betrachtung nicht erforderlich sein. Zum anderen würde der Unternehmensinhaber auch bei einem namentlich bekannten Täter ganz allgemein zur Unterlassung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes verurteilt; das Verhalten des Handelnden wird ihm nämlich objektiv so zugerechnet, als ob es sein eigenes gewesen wäre (RIS-Justiz RS0079499). Daraus folgt aber, dass der Unternehmensinhaber auch in einem solchen Fall eine Weisung an alle Mitarbeiter richten müsste, die für ein titelwidriges Handeln in Betracht kommen. Denn ein Verstoß gegen die nun exekutiv bewehrte Unterlassungspflicht läge auch dann vor, wenn ein anderer Mitarbeiter als jener, der das ursprünglich beanstandete Verhalten gesetzt hatte, titelwidrig handelte.

2.2. § 7 UWG erfasst weiterhin nur Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs. Die damit angesprochene Wettbewerbsabsicht ist bei der Förderung fremden Wettbewerbs zwar im Allgemeinen nicht zu vermuten, sondern vom Kläger zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0077619). Allerdings ist dieser Nachweis entbehrlich, wenn die Wettbewerbsabsicht offenkundig ist (RIS-Justiz RS0077619 [T11, T12, T13]) oder eine typisch auf die Förderung fremden Wettbewerbs gerichtete Handlung vorliegt (RS0077619 [T7, T10, T15]). Das ist insbesondere bei Handlungen anzunehmen, die ein Dienstnehmer offenkundig nicht im eigenen, sondern (zumindest auch) im Interesse seines Dienstgebers setzt (vgl 4 Ob 48/97 = ÖBl 1998, 30 - Grabsteine).

Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Parteien stehen miteinander in einem scharfen Wettbewerb, der sich in zahllosen lauterkeitsrechtlichen Verfahren widerspiegelt. Behaupten Mitarbeiter des einen Unternehmens unter derart gespannten Umständen gegenüber Dritten nachteilige Tatsachen über das andere, so dient das typischerweise dazu, den Wettbewerb des eigenen Unternehmens zu fördern. Das Berufungsgericht hat daher zutreffend angenommen, dass ein konkreter Beweis der Wettbewerbsabsicht der handelnden Person nicht erforderlich war.

Das Risiko, den an sich möglichen Beweis der fehlenden Wettbewerbsabsicht mangels Kenntnis der Identität des Mitarbeiters nicht erbringen zu können, trifft die Beklagte. Dieser Beweis ist nicht unmöglich. Zum einen könnte er (indirekt) aufgrund der Einvernahme des Journalisten geführt werden, zum anderen ist es für die Beklagte nicht von vornherein ausgeschlossen, den betreffenden Mitarbeiter durch Nachforschungen im eigenen Unternehmen zu ermitteln. Sie ist daher jedenfalls näher am Beweis als die Klägerin.

3. Die Aussage, die Seitenzahlen der Kauf- und der Gratisausgabe unterschieden sich noch immer um bis zu 20 Seiten, ist ohne Zweifel eine Tatsachenbehauptung iSv § 7 UWG. Träfe sie zu, hätte die Klägerin die Vorgaben der Reichweitenerhebung jedenfalls nicht erfüllt; damit ist die Äußerung geeignet, die Wertschätzung ihres Unternehmens zu beeinträchtigen. Das in der Revision beanstandete Verbot „sinngleicher" Äußerungen bezieht sich nach dem Klagevorbringen auf andere Behauptungen in Bezug auf quantitative Umstände (Seitenzahlen); Äußerungen zu (bloß) inhaltlichen Abweichungen sind davon nicht erfasst.

Soweit die Revision der beanstandeten Äußerung den „Tatsachenkern" unterstellt, die Klägerin habe die Vorgaben der Reichweitenerhebung nicht erfüllt, und weiter ausführt, dieser „Tatsachenkern" sei wahr, weil nach diesen Vorgaben auch inhaltliche Identität erforderlich sei, verkehrt sie das Verhältnis von Tatsachenbehauptung und Werturteil in sein Gegenteil. Denn zum einen lässt die beanstandete Aussage zwar darauf schließen, die Klägerin habe die Vorgaben der Reichweitenerhebung nicht erfüllt; sie nennt aber selbst den Tatsachenkern für diese Behauptung, nämlich den Unterschied in den Seitenzahlen. Nur diese Tatsachenbehauptung wird verboten. Zum anderen wäre die Antwort auf die Frage, ob die Vorgaben der Reichweitenerhebung bei einer zwar nicht quantitativen, wohl aber inhaltlichen Abweichung der beiden Ausgaben erfüllt seien, zweifellos ein Werturteil. Aus der diesbezüglichen Einschätzung der Beklagten kann daher nichts für die Zulässigkeit der konkret beanstandeten Tatsachenbehauptung abgeleitet werden.

7. Aus diesen Gründen ist die angefochtene Entscheidung zu bestätigen.

Allgemein gilt: Der Unternehmerhaftung nach § 18 UWG steht nicht entgegen, dass die Identität jener Person, die als Bediensteter oder Beauftragter des Unternehmens gehandelt hat, nicht festgestellt werden kann.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

Schlagworte

20 Seiten Differenz,

Textnummer

E91034

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0040OB00047.09D.0609.000

Im RIS seit

09.07.2009

Zuletzt aktualisiert am

19.12.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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