TE OGH 2009/7/14 4Ob95/09p

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Veröffentlicht am 14.07.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Bundeswettbewerbsbehörde, Wien 2, Praterstraße 31, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wider die Antragsgegner 1. W***** GmbH, *****,, 2. U.***** GmbH, 3. G.***** GmbH, 4. K.***** GmbH, Antragsgegnerinnen zu 2.-4. *****, 5. Gerhard B*****, alle vertreten durch Friedrich Bernreuther, Rechtsanwalt in München, im Einvernehmen mit Dr. Michael Wukoschitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 40.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegner zu 3. und 5. gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 22. Dezember 2008, GZ 1 R 196/08p-14, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Rekursgericht hat in einem über Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde eingeleiteten Verfahren nach dem Bundesgesetz über die Zusammenarbeit von Behörden im Verbraucherschutz (Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz - VBKG), BGBl I Nr 148/2006, folgende einstweilige Verfügung erlassen:

Zur Sicherung des Anspruchs der Antragstellerin gegen die Erst- bis Fünftantragsgegner auf Unterlassung von Wettbewerbsverletzungen, worauf das Unterlassungsbegehren gerichtet ist, wird der Drittantragsgegnerin und dem Fünftantragsgegner ab sofort und bis zur rechtskräftigen Erledigung des vorliegenden Verfahrens verboten, im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern bei unternehmerischen Tätigkeiten unter Benutzung der Marken „Friedrich M*****®" und „P*****®" in Deutschland und Frankreich irreführende Gewinnspiele in der Art der von der Drittantragsgegnerin als 4-Preis-Gewinnspiele, Vorverlosungen, Gewinnermittlungen, Zwischen- und Endverlosungen bezeichneten, zu veranstalten, bei denen beim Verbraucher der unrichtige Eindruck erweckt wird, er oder sie habe bereits einen Preis gewonnen, werde einen Preis gewinnen oder werde durch eine bestimmte Handlung einen Preis oder einen sonstigen Vorteil gewinnen, obwohl der in Aussicht gestellte Preis unter allen Einsendern verlost und gleichmäßig aufgeteilt wird.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Rechtsschutzbegehrens zu stellen sind, hängt von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalls ab. Die Anforderungen sind danach in Abwägung des zu schützenden Interesses des Antragsgegners, sich gegen das Rechtsschutzbegehren erschöpfend verteidigen zu können, sowie seines Interesses an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Antragstellers an einem wirksamen Rechtsschutz festzulegen. Das Rechtsschutzbegehren muss deshalb die Unterlassungspflicht so deutlich kennzeichnen, dass ihre Verletzung gemäß § 355 EO in Exekution gezogen werden kann (4 Ob 86/07m mwN).

1.2. Das Unterlassungsgebot hat sich immer am konkreten Wettbewerbsverstoß zu orientieren (RIS-Justiz RS0037607 [T34]); es ist daher auf die konkrete Verletzungshandlung sowie - um Umgehungen durch den Vepflichteten nicht allzu leicht zu machen (vgl RIS-Justiz RS0037607 und RS0037733) - auf ähnliche Fälle einzuengen (4 Ob 54/05b; 4 Ob 49/06v). Unterlassungsgebote müssen aber das verbotene Verhalten so deutlich umschreiben, dass sie dem Beklagten als Richtschnur für sein zukünftiges Verhalten dienen können. Diesem Erfordernis genügen nicht näher konkretisierte, allgemeine Begriffe nicht, sondern es muss in einer für das Gericht und die Parteien unverwechselbaren Weise feststehen, was geschuldet wird (RIS-Justiz RS0119807; 4 Ob 49/06v).

1.3. Die angefochtene Entscheidung weicht von diesen Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht ab. Das bekämpfte Unterlassungsgebot umschreibt die Eigenschaften der der Drittantragsgegnerin und dem Fünftantragsgegner künftig verbotenen Gewinnspiele nach dem bei den angesprochenen Verbrauchern eintretenden verpönten Eindruck ausreichend deutlich und anhand von mehreren Beispielen („in der Art der ..."); es ist deshalb nicht unbestimmt. Einer gewissen allgemeinen Fassung des Unterlassungsgebots bedarf es schon deshalb, weil der Eindruck einer Ankündigung im Einzelfall von so vielfältigen und unterschiedlichen Umständen bestimmt werden kann, dass ein zu detailliert umschriebenes Gebot allzu leicht umgangen werden könnte.

2.1. Die anhand der anwendbaren nationalen Bestimmungen (hier: § 5 Abs 1 dUWG und Art L 120f Code de la consommation) getroffene Beurteilung des Rekursgerichts, Ankündigungen der Drittantragsgegnerin gegenüber Verbrauchern in Deutschland und Frankreich erweckten den irreführenden Eindruck, diese hätten bereits einen bestimmten Preis gewonnen, obwohl ihnen nur eine Gewinnchance eingeräumt wurde, hält sich im Rahmen des ihm in dieser Frage eingeräumten Ermessensspielraums.

2.2. Das Rekursgericht verweist zur Irreführungseignung beispielhaft auf die Textierung von Beilage A3 im Beilagenkonvolut ./D. Die dort verwendeten Formulierungen „Sie haben es diesmal endlich geschafft; Sie sind bei der 12.500 EUR Gewinnerermittlung garantiert zugelassen" lassen seine Beurteilung nachvollziehbar erscheinen, dass damit beim Durchschnittsverbraucher der unrichtige Eindruck erweckt werden kann, bereits gewonnen zu haben. Die Aufklärung dahin, noch keinen Geldpreis gewonnen zu haben, findet sich hingegen erst in den leicht zu überlesenden kleingedruckten Teilnahmebedingungen am Schluss. Auch die Formulierung „Zulassung zur Gewinnerermittlung" in Verbindung mit einem bestimmten Datum kann in vertretbarer Weise dahin gedeutet werden, dass der Adressat den Eindruck gewinnen kann, bereits zu den Gewinnern zu zählen. Das Verbot für Frankreich hat das Rekursgericht auf das Beilagenkonvolut ./B und die Begründung des Erstgerichts gestützt.

2.3.1. Ergänzend ist zu bemerken, dass das beanstandete Verhalten als irreführende Handlung iSd Art 6 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (RL-UGP) zu beurteilen ist, in deren Licht die einschlägigen deutschen und französischen Normen auszulegen sind (vgl etwa auch den ähnlichen Tatbestand von Nr 31 lit b des Anhangs der RL-UGP). Das generelle Verbot unlauterer Geschäftspraktiken gilt nämlich grundsätzlich auch außerhalb einer vertraglichen Beziehung zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern (vgl ErwGr 13 RL-UGP), also schon vor Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts (Art 3 Abs 1 RL-UGP), sofern nur ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Handlung und der Absatzförderung bzw dem Verkauf eines Produkts an Verbraucher besteht (Art 2 lit d RL-UGP). Diese Voraussetzungen sind im Anlassfall erfüllt, weil die beanstandeten Gewinnversprechen gegenüber Kunden von Versandhandelsunternehmen mit dem ersichtlichen Zweck erfolgt sind, sie zu neuen Warenbestellungen zu motivieren.

2.3.2. Das Verbot der irreführenden Werbung (§ 5 dUWG) galt im Übrigen schon vor Inkrafttreten der RL-UGP auch für Angaben im Rahmen der Ankündigung von Gewinnspielen mit Werbecharakter, die Teilnehmern vorspiegeln, sie hätten bereits gewonnen oder ein Gewinn sei ihnen sicher, wenn in Wahrheit nur eine Gewinnchance besteht (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG27 § 4 Rz 1.131 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des BGH). Dass in diesem Fall der Kunde nach deutschem Recht einen Erfüllungsanspruch gemäß § 661a BGB besitzt, lässt die Unlauterkeit der Kundenbeeinflussung nicht entfallen, sondern ist nur eine zusätzliche vertragsrechtliche Sanktion (Köhler aaO).

2.4. Inwiefern die Auslegung des Rekursgerichts zur Irreführungseignung geeignet sein soll, Verbraucher zu bereichern, wie die Rechtsmittelwerber meinen, ist nicht nachvollziehbar, geht es im Anlassfall doch um den Antrag einer Verbraucherbehörde nach dem VBKG zur Erwirkung eines Unterlassungstitels, nicht um individuelle Leistungsansprüche eines irregeführten Verbrauchers.

3.1. Die Rechtsmittelwerber machen geltend, das Rekursgericht habe die Dienstleistungsfreiheit des Art 49 EG nicht berücksichtigt und dadurch diskriminierende Verbotswirkungen herbeigeführt; es fehle nämlich Rechtsprechung deutscher - als für den Sitzstaat der angesprochenen Verbraucher zuständige - Gerichte, wonach die beanstandeten Ankündigungen unzulässig seien.

3.2. Das (behauptete) Fehlen von Rechtsprechung nationaler Gerichte verwirklicht keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung, weil der Oberster Gerichtshof nicht zur Fortbildung ausländischen Rechts berufen ist.

Das Unterlassungsgebot beruht überdies vor allem auf einer Verletzung der RL-UGP. Diese Richtlinie soll einheitliche Regeln für unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern aufstellen, um zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen. Mit der Richtlinie werden diese Regeln somit auf Gemeinschaftsebene vollständig harmonisiert (EuGH 23. 4. 2009, C-261/07, C-299/07 - VTB-VAB NV/Total Belgium NV Rz 51, 52).

3.3. Mit der RL-UGP besteht demnach ein gemeinschaftsweit einheitlicher Lauterkeitsstandard, der die rechtssetzenden ebenso wie die rechtsanwendenden nationalen Organe bindet. Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts verlangt, eine ihm widersprechende nationale Norm nicht anzuwenden (EuGH 9. 12. 2003, RS C-198/01 - CIF Rz 48; vgl RIS-Justiz RS0109951 [T3]).

3.4. Wenden demnach österreichische Gerichte ausländische Verbraucherschutznormen (hier: § 5 Abs 1 dUWG und Art L 120f Code de la consommation) im Lichte der vollständig harmonisierten RL-UGP unterschiedslos im Hinblick auf a) den Sitzstaat des belangten Unternehmers, b) das Herkunftsland der beanstandeten Geschäftspraktik zwischen Unternehmern und Verbrauchern oder c) des Adressatenstaats der beanstandeten Werbung an, kann eine solche Entscheidung keinen - von den Rechtsmittelwerbern befürchteten - gleichheitswidrigen und damit diskriminerenden Verstoß gegen die Grundfreiheit des Dienstleistungsverkehrs bewirken. Dass das beanstandete Verhalten in Österreich erlaubt wäre und ein für Deutschland und Frankreich erlassenes Verbot deshalb die Dienstleistungsfreiheit beeinträchtigen könnte, haben die Beklagten nicht behauptet. Die Anregung im Rechtsmittel, ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof zur Frage einzuleiten, ob es mit den Grundsätzen des freien Dienstleistungsverkehrs vereinbar ist, dass Gerichte eines Mitgliedstaats Entscheidungen über die Unlauterkeit grenzüberschreitender Geschäftspraktiken von Unternehmern gegenüber Verbrauchern ohne Rücksichtnahme auf die Rechtsprechung in jenem Mitgliedstaat treffen, in dem sich die Geschäftspraktik auswirkt, war daher nicht aufzugreifen.

3.5. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass die Lauterkeit des Handelsverkehrs und der Schutz der Verbraucher nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sogar zwingende Gründe des Allgemeininteresses sind, die auf mitgliedstaatlichen Vorschriften beruhende Beeinträchtigungen der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen können (Nachweise bei Holoubek in Schwarze, EU-Kommentar² Art 49/50 EGV Rz 111).

3.6. Auch in diesem Zusammenhang ist zu wiederholen, dass es im Anlassfall um den Antrag einer Verbraucherbehörde nach dem VBKG zur Erwirkung eines Unterlassungstitels, nicht um individuelle Leistungsansprüche eines irregeführten Verbrauchers, geht; die deutsche Rechtsprechung zu § 661a BGB (Gewinnzusagen), auf die im Rechtsmittel weitwendig Bezug genommen wird, ist auch aus diesem Grund hier nicht einschlägig. Ob Gerichte der „Adressatenstaaten" die beanstandeten Ankündigungen bereits verboten haben, ist für die Entscheidung österreichischer Gerichte (deren Zuständigkeit auch die Rechtsmittelwerber nicht in Frage stellen) unerheblich.

Schlagworte

Friedrich M.,

Textnummer

E91530

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0040OB00095.09P.0714.000

Im RIS seit

13.08.2009

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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