TE OGH 2009/9/8 1Ob171/09t

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Veröffentlicht am 08.09.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Tatiana L*****, vertreten durch Dr. Max Pichler, Rechtsanwalt in Wien, wider den Gegner der gefährdeten Partei Andrey L*****, vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in Wien, wegen einstweiligen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei (Revisionsrekursinteresse: 28.800 EUR) gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26. Mai 2009, GZ 43 R 314/09h-38, mit dem die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 25. März 2009, GZ 2 C 155/08v-23, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Streitteile, die beide Staatsangehörige der Republik Kasachstan sind, ihren gewöhnlichen Aufenthalt seit 2002 in Österreich haben und bis März 2008 gemeinsam in der Ehewohnung lebten, ist aufrecht. Ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner, der Antragstellerin ab 13. 11. 2008 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens einen einstweiligen Unterhalt von 800 EUR monatlich zu zahlen. Es wendete nach Art 18 IPRG iVm Art 205 des kasachischen Ehe- und Familiengesetzes vom 17. 12. 1998 österreichisches Recht an.

Das vom Antragsgegner angerufene Rekursgericht teilte diese Auffassung und bestätigte den angefochtenen Beschluss. Es ließ nachträglich den Revisionsrekurs zu. Würde der Oberste Gerichtshof im Scheidungsverfahren, in dem die außerordentliche Revision zulässig sei, die Auffassung des Antragsgegners zur Anwendung des kasachischen Rechts im Scheidungsverfahren teilen, wäre das Ergebnis eine unterschiedliche Rechtsansicht im Scheidungsverfahren und im Provisorialunterhaltsverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist nicht zulässig. Nach den §§ 402 Abs 4, 78 EO sind auf den Revisionsrekurs im Provisorialverfahren grundsätzlich die Vorschriften der Zivilprozessordnung anzuwenden. Die Ermittlung des Werts des Entscheidungsgegenstands hat nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften der JN zu erfolgen. Nach § 58 JN ist ein Anspruch auf laufenden Unterhalt mit dem Dreifachen der Jahresleistung zu bewerten (1 Ob 73/08d; RIS-Justiz RS0122735). Dies gilt auch für einstweiligen Unterhalt, der für die unabsehbare Dauer bis zur Rechtskraft der Entscheidung über das Scheidungsbegehren gefordert wird (6 Ob 22/02g). Da im Rekursverfahren ein monatlicher Provisorialunterhalt von 800 EUR strittig war, beträgt der Wert des Entscheidungsgegenstands 28.800 EUR. Nach § 528 Abs 3 ZPO in der hier noch anzuwendenden Fassung ist bei Streitigkeiten über Ehegattenunterhalt im Streitwertbereich bis zu 20.000 EUR gegen eine rekursgerichtliche Entscheidung, in welcher der Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt wurde, kein außerordentlicher Revisionsrekurs zulässig. Übersteigt hingegen der Wert des Entscheidungsgegenstands - so wie hier - 20.000 EUR, sind ein Abänderungsantrag nach § 528 Abs 2a ZPO und die nachträgliche Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses nicht nötig. Der Oberste Gerichtshof kann direkt mit einem außerordentlichen Revisionsrekurs angerufen werden. In Fragen der persönlichen Rechtswirkungen einer Ehe, wozu auch der Unterhalt während der Ehe gehört (2 Ob 144/06z), bestimmt sich das anzuwendende Recht nach § 18 IPRG. Danach kommt es in erster Linie auf das gemeinsame Personalstatut der Ehegatten an, weshalb sich die Unterhaltspflicht des Antragsgegners nach dem kasachischen Ehe- und Familiengesetz vom 17. 12. 1998 bestimmt. Nach dessen Art 205 erster Satz werden die persönlichen immateriellen und die materiellen Rechte und Pflichten von Ehepartnern durch die Gesetzgebung des Staates, auf dessen Territorium sie ihren gemeinsamen Wohnsitz haben, und - wenn ein gemeinsamer Wohnsitz fehlt - durch die Gesetzgebung des Staates, in dem sie ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten, festgelegt. Das kasachische Recht verweist damit eindeutig auf österreichisches Recht als das Recht jenes Staates, in dem die Streitteile bis März 2008 ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten. Diesem eindeutigen Rückverweis auf österreichisches Recht, soweit es die materiellen Rechte und Pflichten von Ehepartnern (also auch Unterhaltspflichten) betrifft, setzt der Antragsgegner nur seine Meinung entgegen, dass nach Art 204 des kasachischen Ehe- und Familiengesetzes auf die Ehescheidung kasachisches Recht anzuwenden ist. Damit zeigt er aber keine erhebliche Rechtsfrage auf. Bei der Anwendung ausländischen Rechts kommt es darauf an, ob die Entscheidung einer im fremden Staat in Rechtsprechung und Lehre gefestigten Ansicht entspricht. Es ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, einen Beitrag zur Auslegung ausländischen Rechts zu liefern (1 Ob 74/02t; RIS-Justiz RS0042948). Der Revisionsrekurswerber nennt weder Judikatur noch Lehre Kasachstans, wonach entgegen dem eindeutigen Gesetzestext in derartigen Verfahren über die materiellen Rechte und Pflichten von Ehepartnern unabhängig vom (letzten) gemeinsamen Wohnsitz jedenfalls kasachisches Sachrecht anzuwenden ist.

Anmerkung

E919901Ob171.09t

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inZfRV-LS 2009/64XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00171.09T.0908.000

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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