TE OGH 2009/9/8 10ObS137/09h

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Veröffentlicht am 08.09.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Christa Brezna (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. Christiane B*****, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Gruberstraße 77, 4021 Linz, vertreten durch Mag. Hans Teuchtmann, Rechtsanwalt in Linz, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld (4.213,70 EUR), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Juni 2009, GZ 11 Rs 107/08x-15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die beklagte Oberösterreichische Gebietskrankenkasse gewährte der Klägerin anlässlich der Geburt ihres Sohnes Julian am 19. 1. 2002 für den Zeitraum vom 17. 3. 2002 bis 31. 12. 2002 Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 4.213,70 EUR. Mit Bescheid vom 28. 12. 2007 widerrief die beklagte Partei die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für den genannten Zeitraum und verpflichtete die Klägerin zum Rückersatz des Betrags von 4.213,70 EUR binnen vier Wochen.

Das Erstgericht stellte fest, dass der Widerruf der Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes nicht zu Recht erfolgt sei und dass die Verpflichtung zum Rückersatz der empfangenen Leistung nicht zu Recht bestehe. Seiner Entscheidung legte es folgenden für das Revisionsverfahren relevanten Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin war ab dem 17. 3. 2002 mit einem Beschäftigungsausmaß von 18 Wochenstunden unselbständig erwerbstätig. Sie war bereits 2001 bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt gewesen, damals allerdings mit einem Beschäftigungsausmaß von 38,5 Wochenstunden. Der Grund für die Vereinbarung eines Beschäftigungsausmaßes von 18 Wochenstunden lag darin, dass die Klägerin sichergehen wollte, die Zuverdienstgrenze von 14.600 EUR nicht zu überschreiten. Ihr Arbeitgeber teilte der Klägerin allerdings nicht mit, dass sie neben ihrem Gehalt auch eine Haushalts- und Kinderzulage bekommen werde.

Aus ihrem Arbeitsverhältnis erhielt die Klägerin im Zeitraum vom 1. 4. 2002 bis 31. 12. 2002 steuerpflichtige Bezüge von 8.945,41 EUR. Zusätzlich zu ihrem monatlichen Bruttogehalt von 1.102,90 EUR erhielt die Klägerin eine Kinderzulage von 88,12 EUR brutto monatlich und ab Mai 2007 eine Familienzulage von 13,12 EUR brutto monatlich.

In seiner rechtlichen Beurteilung gelangte das Erstgericht zum Ergebnis, dass die Klägerin im Zeitraum vom 1. 4. 2002 bis 31. 12. 2002 die Zuverdienstgrenze des § 2 Abs 1 Z 3 KBGG (14.600 EUR) überschritten habe, weil der nach § 8 KBGG errechnete Gesamtbetrag der Einkünfte 14.861,34 EUR betragen habe. Diese Überschreitung sei aber geringfügig im Sinne des § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung und auch unvorhersehbar gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und erklärte die Revision im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit seiner Entscheidung für nicht zulässig. Abgesehen von der Geringfügigkeit der Überschreitung der Zuverdienstgrenze komme es für den Härtefalltatbestand des § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung darauf an, ob die bloß geringfügige Überschreitung der Zuverdienstgrenze für die Klägerin unvorhersehbar gewesen sei. Dieses Kriterium sei dann erfüllt, wenn die Überschreitung trotz Anlegung eines zumutbaren Sorgfaltsmaßstabs nicht erkannt werden habe können. Unter den gegebenen Umständen sei die Unvorhersehbarkeit zu bejahen: Hätte die Klägerin die unerwarteten Zulagen von insgesamt 940,15 EUR nicht erhalten, dann hätte der gemäß § 8 KBGG maßgebliche Grenzbetrag ihrer Einkünfte im strittigen Zeitraum - überschlagsmäßig berechnet - nur etwa 13.520 EUR betragen.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer außerordentlichen Revision macht die beklagte Partei keine erheblichen Rechtsfragen (§ 502 Abs 1 ZPO) geltend.

Im Bereich des Schadenersatzrechts hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Frage der Vorhersehbarkeit künftiger Schäden nach den Gegebenheiten des Einzelfalls zu lösen ist; ob die Vorhersehbarkeit zu bejahen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der - vom Fall krasser Fehlbeurteilung abgesehen - keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RIS-Justiz RS0111272; ebenso RIS-Justiz RS0107610 [T10] zu unvorhersehbaren Gebrauchsarten nach dem PHG). In gleicher Weise geht die Judikatur davon aus, dass Zumutbarkeitsfragen nur einzelfallbezogen beurteilt werden können (zB RIS-Justiz RS0029874).

Diese Grundsätze sind auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen, in dem es auf die Unvorhersehbarkeit der Überschreitung der Zuverdienstgrenze und auf den zumutbaren Sorgfaltsmaßstab ankommt; diese Fragen können nur einzelfallbezogen gelöst werden.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 10 ObS 63/09a = RIS-Justiz RS0124751 Leitlinien für die Beurteilung dieser Fragen aufgestellt, denen das Berufungsgericht gefolgt ist. Dieses hat in der Entscheidung 12 Rs 106/09h, die den von der Klägerin begehrten Rückersatz von Kinderbetreuungsgeld für das Jahr 2003 betrifft, auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Vorhersehbarkeit des Erhalts von Zulagen für das Jahr 2003 anders zu beurteilen sei als für das Jahr 2002.

Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Textnummer

E91937

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:010OBS00137.09H.0908.000

Im RIS seit

08.10.2009

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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