TE UVS Wien 2011/09/19 FRG/56/7861/2011

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.09.2011
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch Mag. Doninger als Vorsitzenden, Dr. Zeller als Berichterin und Dr. Frank als Beisitzer über den Devolutionsantrag des Herrn Hillary M. vom 08.07.2011 betreffend Antrag auf Aufhebung des mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 3.8.2005 zur Zahl III-1.197.069/FrB/05 erlassenen und mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 16.9.2005 zur Zahl SD 1553/05 rechtskräftig verhängten Aufenthaltsverbotes entschieden:

Gemäß § 73 Abs 1 und 2 AVG in Verbindung mit § 69 Abs 2 FPG idF BGBl. I 38/2011 wird dem Antrag auf Aufhebung Folge gegeben und das mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 3.8.2005 zur Zahl III-1.197.069/FrB/05 erlassene und mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 16.9.2005 zur Zahl SD 1553/05 im Ausmaß von 10 Jahren bestätigte Aufenthaltsverbot gemäß § 69 Abs 2 FPG aufgehoben.

Text

I. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro vom 3.8.2005 zur Zahl III-1197069/FrB/05, wurde über den Antragsteller ein unbefristet geltendes Aufenthaltsverbot verhängt und einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieses Aufenthaltsverbot wurde mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 16.9.2005 zur Zahl SD 1553/05 insofern bestätigt, als die Dauer mit 10 Jahren begrenzt wurde. Das Aufenthaltsverbot erwuchs in Rechtskraft.

II. Aus dem vorliegenden Fremdenakt betreffend den Antragsteller geht weiters folgender, als erwiesen festgestellter Sachverhalt hervor:

Der Antragsteller ist Staatsangehöriger von Nigeria. Er reiste am 21.1.2005 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Einer Berufung gegen einen abweisenden Bescheid wurde vom Asylgerichtshof nicht Folge gegeben und der Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 7 AsylG mit Entscheidung vom 23.6.2008 rechtskräftig negativ entschieden. Es wurde auch eine rechtskräftig negative Beurteilung nach § 8 AsylG über die Zulässigkeit der Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria am 23.6.2008 getroffen. Mit Beschluss zur Zahl B1396/08 vom 11.8.2008 wurde einer dagegen eingebrachten Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuerkannt. In der Folge wurde mit Beschluss vom 22.9.2008 die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.12.2008 zur Zahl AW 2008/20/0547 der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist zumindest seit Mai 2011 negativ beendet.

Der Antragsteller wurde am 12.3.2005 in Untersuchungshaft genommen. Der Antragsteller wurde am 13.6.2005 vom Landesgericht für Strafsachen Wien zur Zahl 42EHv46/05y wegen §§ 27 Abs 1 und 2, Fall 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren verurteilt (wegen gewerbsmäßigen Suchtgifthandels).

Der sachverhaltsbezogene Hintergrund der Tat stellt sich nach den Feststellungen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien derart dar, dass der Antragsteller am 12.3.2005 gegen 20.30 Uhr in Wien an einen näher genannten Konsumenten zwei große Kokainkugeln zu einem Preis von 40.- Euro verkaufte. Die Kontaktaufnahme war dabei unmittelbar auf der Straße durch Blicke erfolgt, wobei der Handel durch Sicherheitswacheorgane im Rahmen einer Schwerpunktaktion beobachtet wurde. Unmittelbar im Anschluss an den Verkauf wurde der Antragsteller festgehalten, wobei bei ihm keine weiteren Drogen sichergestellt wurden.

Der Antragsteller wurde am 12.8.2005 aus der Haft entlassen. In der Folge wurde das obgenannte Aufenthaltsverbot gegen ihn erlassen. Aus der im Akt erliegenden Heiratsurkunde geht hervor, dass der Berufungswerber Frau Monika W., geboren in D., am 12.7.2006 in D. geheiratet hat. Der Antragsteller brachte am 14.6.2006 einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes mit dem Hinweis der Eheschließung mit einer österreichischen Staatsangehörigen am 12.7.2006, Monika M., ein. Das Ehepaar wohne in D. in gemeinsamen Haushalt. Der Antrag wurde in der Folge abgewiesen, sodass In der dagegen erhobenen Berufung insbesondere auch darauf hingewiesen wurde, dass die G. GmbH beim AMS Bregenz die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung beantragt habe. Er habe eine Einstellungszusage von der G. GmbH. Der Berufung wurde mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 12.4.2007 nicht stattgegeben und der Antrag auf Aufhebung abgewiesen.

Der Antragsteller brachte am 21.1.2008 neuerlich einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes ein. Begründet wurde dieser im Wesentlichen damit, dass der Antragsteller seit 12.7.2006 mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheirate sei und mit ihr in D. in gemeinsamen Haushalt lebe. Er habe sich seit der Verurteilung nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Er lebe suchtfrei und sei in Österreich sozial integriert. Seine Ehegattin sei in gehobener Position bei der G. GmbH tätig. Die Einstellungszusage sei erneuert worden.

Der Antrag wurde mit Bescheid der BPD Wien vom 7.5.2008 abgewiesen. Nach Einbringung einer Säumnisbeschwerde an den VwGH wurde diese Beschwerde mit Beschluss des VwGH vom 7.7.2009 zur Zahl 2009/18/0034 zurückgewiesen (mangels zuvoriger Einbringung eines Devolutionsantrages an den Bundesminister für Inneres). Mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 3.12.2009 zur Zahl E1/263.114/2008 wurde der Berufung nicht statt gegeben und der Bescheid der BPD Wien vom 7.5.2008 bestätigt.

Dagegen wurde Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, welcher die Behandlung der Beschwerde ablehnte und mit Beschluss vom 12.4.2010 zur Zahl B 55/10 die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Im nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt ist das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nach wie vor anhängig.

Aus der im Akt erliegenden Beschäftigungszusage der Firma G. vom 31.8.2008 geht hervor, dass eine Beschäftigungsbewilligung für ihn beim Arbeitsmarktservice Bregenz von der Firma beantragt wurde, mit beabsichtigtem Beschäftigungsbeginn ab 1.10.2008. Nunmehr brachte der Antragsteller am 1.10.2010 bei der BPD Wien den gegenständlichen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes ein.

Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Vorstrafe getilgt sei. Getilgte Vorstrafen dürften nicht herangezogen werden.

Der herangezogene Sachverständige gehe in seinem ?Gefährlichkeitsgutachten? davon aus, dass der Antragsteller sich weiter wohlverhalten werde und er nicht mehr süchtig sei. Es läge kein Gefährdungspotential mehr vor. Weiters sei der Berufungswerber seit 12.7.2006 mit der österreichischen Staatsangehörigen Monika M. verheiratet. Seit Begehung der Straftat seien nunmehr 5 ½ Jahre vergangen, sohin sei von positiver Zukunftsentwicklung auszugehen. Der Berufungswerber sei in hohem Maß sozial integriert.

Beigelegt wurde ein Strafregisterauszug betreffend den Antragsteller (woraus keine strafrechtliche Vormerkung hervorgeht), sowie Befund und Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie, Dr. Franz R. vom 9.4.2010, woraus ersichtlich ist, dass am 10.3.2010 eine Untersuchung des Antragstellers stattgefunden habe und im Gutachtensauftrag zu erstellende Ausführungen betreffend Persönlichkeitsstruktur, Rückfallsgefahr und Gefährdung enthalten sind. Zusammenfassend geht aus dem ausführlichen Befund und Gutachten hervor, dass keine Anzeichen einer Suchtgiftabhängigkeit von Kokain festgestellt hätten werden können, weder im Harn noch bei der klinischen Untersuchung. Eine aktuelle Rückfallsgefährdung läge nicht vor. Es sei weder eine erkennbare Persönlichkeitsstörung feststellbar noch läge eine affektive oder schizophrene Psychose vor. Es seien auch keine Einschränkungen in intellektueller Hinsicht erkennbar. Suchtgiftdelikte hätten allgemein eine erhöhe Rückfallswahrscheinlichkeit, was wohl durch die Unterbringung im Flüchtlingslager und sozialer Entwurzelung begründet gewesen sei. Durch die Heirat und das gemeinsame Leben in D. sei diese Gefahr nicht mehr gegeben. Ebensowenig lägen jetzt Umstände für eine Beschaffungskriminalität vor. Er sei stabil und zeige eine prosoziale Lebenseinstellung. Er lebe in geregelten sozialen Verhältnissen, es seien keine Gefährdungselemente mehr erkennbar.

Aus dem im Akt erliegenden Strafregisterauszug vom 3.2.2011 geht (dies in Entsprechung mit § 3 Tilgungsgesetz) die obgenannte Verurteilung hervor. In der Stellungnahme vom 29.3.2011 wird weiters dargelegt, dass das Asylverfahren noch nicht entschieden sei, da der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22.12.2008, Zl. AW 2008/20/0581 der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt habe. Mit Schriftsatz vom 8.7.2011 langte beim Unabhängigen Verwaltungssenat ein Devolutionsantrag ein.

Aus dem Schreiben der BPD Wien vom 19.7.2011 geht hervor, dass bei der Fremdenpolizei infolge Arbeitsüberlastung und internen Organisationsänderungen eine Entscheidung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist habe ergehen können. Nach schriftlicher Anfrage zum Stand des Asylverfahrens gab ein Vertreter des Asylgerichtshofes fernmündlich bekannt, dass das Verfahren seit 20.5.2011 in der Ablage sei und damit auch das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beendet sei.

In der Sache fand vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat am 16.9.2011 eine öffentliche, mündliche Verhandlung statt, zu der der Vertreter des Antragstellers, der Antragsteller, sowie seine Ehefrau, Frau Monika M., als Zeugin, erschienen.

Der Antragsteller sowie sein Vertreter gaben Folgendes zu Protokoll:

?BWV legt vor Fotos, welche die Integration beweisen. Weiters legt er vor ein Konvolut von Unterlagen zum Beweis der Integration und Dokumentation der Lebensweise (Beilage A).

Ich bin seit 2005 im Bundesgebiet. Ich kam illegal und habe Asyl beantragt. Glaublich 2009 wurde das Verfahren vom VwGH beendet. Ich hatte eine Asylkarte bis 2009, dann wurde mir diese weggenommen.

Ich war und bin nicht drogenabhängig.

Ich lebe seit 2005 permanent in Österreich und bin zwischendurch nie ausgereist.

Ich habe 2006 meine Ehefrau geheiratet.

Wir haben noch keine Kinder. Ich habe sie Oktober 2005 kennengelernt, seit März 2006 haben wir eine Lebensgemeinschaft. Meine Frau ist Österreicherin und hat hier auch immer gearbeitet.

Seit 2007 habe ich einen Werkvertrag mit dem V.'er Medienhaus. Ich trage Montag-Samstag Zeitungen aus. Dies mache ich durchgehend seit 2007. Die Firma ?G.?

würde mich nach wie vor sofort einstellen. Die Firma konnte bisher aufgrund des Aufenthaltsverbotes keine Beschäftigungsbewilligung für mich erlangen. In Nigeria habe ich Möbeltischlerei gelernt. Meine Eltern leben noch in Nigeria, Geschwister habe ich keine mehr. Ich war seit 2005 nicht mehr Daheim. Hier habe ich auch Deutschkurse besucht. Zu weiteren Integration verweise ich auf Beilage A.

Ich verweise bezüglich neue Sachverhaltselemente seit dem Antrag 2008 auf mein diesbezügliches Vorbringen: Insbesondere das Gutachten, die weitere Integration, der Abschluss von A2 Sprachschule und Urteil EuGh Zambrano. Die Einvernahme der heute stellig gemachten Zeugin Monika M. beantrage ich zum Beweis der Integration, der aufrechten Lebensgemeinschaft sowie der Absicht diese fortzuführen.?

Die Zeugin Monika M. gab Folgendes zu Protokoll:

?Ich kenne den BW seit Oktober 2005, seit März 2006 leben wir zusammen und haben am 12.7.2006 geheiratet. Seither leben wir permanent gemeinsam. Ich arbeite seit mittlerweile ca. 15 Jahren bei der Firma G.. Im EU-Ausland als solches habe ich nicht gearbeitet. Ich bin nach wie vor dort in aufrechter Beschäftigung. Ich kann mir nicht vorstellen, nach Nigeria auszuwandern. Ich war einmal auf Geschäftsreise dort. Eine Beschäftigung meines Mannes bei G. wäre jederzeit möglich, sobald eine Beschäftigungsbewilligung erteilt werden würde. Kinder haben wir noch keine.

Mein Mann arbeitet als Zeitungsausträger. Wir leben von unser beider Gehälter. Wir

unterhalten uns in Deutsch, manchmal Englisch.?

Befragt vom BWV gab die Zeugin weiters an:

?Wir wohnen in einem eigenen Haus, welches meinem Vater gehört. Innerhalb Europas bin ich öfter beruflich unterwegs. Ich arbeite im Bereich Luftfracht. So zB. Deutschland, Holland, Schweiz, Italien.

Familiär besteht zwischen meinem Mann und meinen Eltern ein sehr gutes Einvernehmen. Meine Eltern wohnen gleich nebenan. Meine sonstige Familie, insbesondere Bruder, lebt auch in V..

Beilage A: Die Fotos der Taufe betreffen das Taufkind des BW. Mein Mann und ich sind beide von röm.-kath. Glauben. Mein Mann ist bestens familiär integriert. Mein Mann war und ist nicht Suchtgift abhängig.?

Aus dem eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister geht hervor, dass der Antragsteller mit seiner Ehegattin, Monika M., seit 30.3.2006 einen gemeinsamen Wohnsitz hat.

III. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Zur Zuständigkeit ist Folgendes anzuführen:

Gemäß § 73 Abs 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Gemäß Abs 2 leg cit geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag), wenn der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen wird. Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Da innerhalb der sechsmonatigen Entscheidungsfrist im vorliegenden Fall keine Sachentscheidung gefällt wurde, liegen die Voraussetzungen für einen Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs 1 und 2 AVG vor. Die Verzögerung der Entscheidung ist dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, wenn diese Verzögerung weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde (VwGH 28.1.1992, 91/04/0125 u. a.).

Im vorliegenden Fall ist nach der Aktenlage - wie aus dem oben angeführten Schreiben der BPD Wien vom 19.7.2011 hervorgeht - die Verzögerung der Entscheidung nicht auf das Verschulden der Partei zurückzuführen. Die von der Behörde dargelegten Umstände, die aus ihrer Sicht eine fristgerechte Entscheidung verhindert haben, stellen auch keine unüberwindlichen Hindernisse dar.

Da somit die Voraussetzungen des § 73 Abs 1 und 2 AVG vorliegen, war dem Antrag spruchgemäß stattzugeben und ist die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag des Einschreiters auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes auf den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien übergegangen.

In der Sache ist Folgendes anzuführen:

Der Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger und Familienangehöriger einer österreichischen Staatsangehörigen gemäß § 2 Abs 4 Z. 12 FPG. Der Antragsteller ist im nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt kein Asylwerber. Gemäß § 65b FPG gelten für Familienangehörige die Bestimmungen für begünstige Drittstaatsangehörige unter anderem nach §§ 67, 67 FPG. Die Zulässigkeit der Verhängung aufenthaltsbeendender Maßnahmen richtet sich daher in diesem Fall nach § 65b FPG wie auch im Fall von EWR-Bürgern nach den Rechtsvorschriften des 4. Abschnitts des FPG (§§ 65 bis 67). Gemäß § 67 Abs 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist. Gemäß § 69 Abs 2 leg. cit. sind eine Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Die Behörde hat bei der Frage, ob ein Aufenthaltsverbot aufzuheben ist, zu beurteilen, ob das Aufenthaltsverbot unter Berücksichtigung der seit dessen Verhängung eingetretenen Änderung von maßgeblichen Umständen noch erlassen werden könnte. Da bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann, ist für den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über den Aufhebungsantrag zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegen einer Änderung der Umstände zu Gunsten des Fremden weggefallen sind (vgl. VwGH Erkenntnis vom 3.4.2009, Zl. 2008/22/0598). Im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes ist auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen. Nicht nur wesentliche Änderungen des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Sachverhaltes, sondern auch wesentliche Änderungen der insoweit maßgeblichen Rechtslage haben zur Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes zu führen (vgl. VwGH zum FrG 1993, Erkenntnis vom 23.3.1999, Zl. 95/21/0374). Es ist zu überprüfen, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 67 FPG dergestalt weiterhin zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 61 FPG zulässig ist (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 23.9.2004, Zl. 2001/21/0170). Eine notwendige Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger ist ein persönliches Verhalten des Fremden, welches eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Wie im rechtskräftigen Verfahren zur Erlassung des gegenständlich zur Aufhebung beantragten Aufenthaltsverbotes festgestellt, war das Aufenthaltsverbot anhand Kriterien des § 67 Abs 1 erster bis vierter Satz FPG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I 38/2011 zu überprüfen.

Eine Tilgung der Straftat aus dem Jahr 2005 ist ebenso noch nicht eingetreten. Da der hier gegenständliche Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes am 1.10.2010 gestellt wurde, während die zeitlich früheren Anträge auf Aufhebung aus den Jahren 2006 und 2008 stammen, sohin sachverhaltsmäßig durchaus weitere Entwicklungen stattgefunden haben - wie vom Vertreter des Antragstellers insbesondere mit der weitergehenden Integration, dem erliegenden Gutachten, der nunmehr dargelegten beruflichen Tätigkeit sowie dem vom ihm vorgelegten Strafregisterauszug dargelegt - liegt gegenständlich keine Identität der Sache vor, weswegen der Antrag inhaltlich zu beurteilen war (vgl.dazu auch u.a. VwGH Erkenntnis vom 15.10.1999 Zl. 96/21/0097 mwN). Im Falle des Antragstellers ist daher gemäß § 65b in Verbindung mit § 67 Abs 1 FPG die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist (VwGH vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/18/0162). Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Gleiches muss auch für die Beurteilung eines Antrages auf Aufhebung eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes gelten.

Die vom Antragsteller zu verantwortende Straftat blieb unbestritten. Was das persönliche Verhalten anlangt, so geht aus dem Urteil insbesondere hervor, dass es sich dabei um ein einmaliges Fehlverhalten an einem Tattag handelte. Der Antragsteller verkaufte, gemeinsam mit anderen Mittätern, zwei Kugeln Kokain um einen Preis von 40.- Euro. Es wurde im Strafverfahren weiters bei der Vorgangsweise des Antragstellers ein gewerbsmäßiges Handeln festgestellt. Hinweise darauf, dass der Antragsteller selbst suchtgiftabhängig war, sind nicht hervorgekommen. Auch bis zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt sind keine derartigen Hinweise hervorgekommen. Vielmehr hinterließen sowohl der Antragsteller selbst als auch seine einvernommene Ehegattin beim erkennenden Senat einen glaubhaften und durchaus guten Eindruck. Sonstige Hinweise auf weiteres Fehlverhalten sind nicht hervorgekommen. Zum einen ist bei der Beurteilung des persönlichen Verhaltens festzuhalten, dass sowohl die Menge an Suchtgift, mit welcher der Antragsteller gehandelt hatte, gering war, und es sich dabei um eine einmalige Handlung gehandelt hatte. Zum anderen sind jedoch ebenso die vom Strafgericht getroffenen, rechtskräftigen Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit seines Handelns zu würdigen: gemäß § 70 StGB begeht gewerbsmäßig dann eine strafbare Handlung, wer sie in der Absicht vornimmt, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Die gewerbsmäßige Vorgangsweise bei Begehung der strafbaren Handlung ist gegen den Antragsteller ins Treffen zu führen. Die rechtskräftig festgestellte Gewerbsmäßigkeit bei der Vorgangsweise lässt grundsätzlich auf eine große Wiederholungsgefahr schließen (vgl. u.a. VwGH Erkenntnis vom 27.1.2010, Zl. 2009/21/0404). Diesbezüglich wiegt die Gewerbsmäßigkeit schwer gegen den Antragsteller.

Hinweise auf besondere, persönliche Umstände, die die Taten hätten relativieren können, sind im Verfahren und aus dem vorliegenden Akteninhalt nicht hervorgekommen, befand sich der Antragsteller im Tatzeitpunkt doch in der Grundversorgung. Insbesondere Suchtgiftdelikte stellen eine große soziale Schädlichkeit dar (vgl. dazu auch u.a. VwGH Erkenntnis vom 14.10.2008, Zl. 2008/22/0548). Gerade diese außerordentlich große soziale Schädlichkeit von Suchtgiftdelikten und das große öffentliche Interesse an der Vermeidung von Suchtgiftkriminalität und ? delikten, nicht zuletzt wegen der dadurch entstehenden Schädigungen, ist bei der Art der Bewertung des vom Antragsteller gesetzten Fehlverhaltens ihm die von ihm zu verantwortenden Delikte entgegenzuhalten und gegen ihn ins Treffen zu führen. Bei Gesamtbetrachtung ist daher davon auszugehen, dass ? obschon nur eine einmalige Tathandlung vorliegt und mit keinen großen Mengen an Suchtgift gehandelt wurde? schon aufgrund der Art des Deliktes sowie Gewerbsmäßigkeit bei der Begehung von einer tatsächlichen und erheblichen Gefahr im Sinne des § 67 Abs 1 FPG auszugehen ist. Zu beurteilen bleibt schließlich noch die Frage der Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des § 67 FPG, welche kumulativ mit der Erheblichkeit und der Tatsächlichkeit vorliegen muss.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt, bei der die Wiederholungsgefahr besonders groß ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2000, Zl. 2000/18/0111, mwN). Der Antragsteller beging die Straftat bereits kurz nach seiner dauerhaften Einreise in das Bundesgebiet, wobei auch hier zu beachten ist, dass weder ein langer Tatzeitraum noch eine große Menge an Suchtgiftverkauf vorlagen. Es gilt hier auch das persönliche Verhalten zu beurteilen. So war der Antragsteller selbst bei der Tatbegehung und auch bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht suchtgiftabhängig. Schon aus diesem Grund sind Erwägungen zur Beschaffungskriminalität hintanzustellen. Der Antragsteller hat sich weiters seit der Tatbegehung im Jahre 2005, also über einen Zeitraum von 6 Jahren hinweg, wohlverhalten. Ebenso ist anzumerken, dass der Antragsteller seit 2007 durchgehend berufstätig ist. Wie aus den Ausführungen des Vertreters und der Beschäftigungszusage des Unternehmens ?G.? hervorgeht, war von diesem Unternehmen für den Antragsteller bereits eine Beschäftigungsbewilligung beantragt worden, welche jedoch abgelehnt worden war. Es wurde ebenso nunmehr ein weiteres Interesse an einer Beschäftigung des Antragstellers seitens der Firma G. für den Zeitraum ab Herbst 2011 ausgesprochen. Er ist darüber hinaus sozial und auch sprachlich bereits sehr gut integriert. Diesbezüglich wurden auch entsprechende Unterlagen vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass der Antragsteller sich offensichtlich auch nicht in einem sozialen Umfeld befindet, aufgrund dessen ein neuerliches Fehlverhalten im Suchtgiftbereich naheliegend sein könnte. Die berufliche Tätigkeit übt der Antragsteller zur vollsten Zufriedenheit des Arbeitgebers aus. Aufgrund seines eigenen Einkommens ist der Antragsteller darüber hinaus auch derart finanziell abgesichert, dass eine Gefahr einer gleichgelagerten Tatbegehung aus diesen Gründen nicht mehr gegeben ist. Schließlich machte der Antragsteller selbst, ebenso wie die einvernommene Zeugin, in der durchgeführten öffentlichen Verhandlung einen durchaus guten Eindruck, wobei ein Vertreter der erstinstanzlichen Behörde unentschuldigt nicht an der Verhandlung teilnahm.

Es ist in diesem Kontext auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach auch ein 4jähriger durchgehend rechtswidriger Aufenthalt nach Eintritt der Rechtskraft und Durchsetzbarkeit eines Aufenthaltsverbotes in weiterer Folge in einem Verfahren zur Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes dem Wohlverhalten keinen Abbruch leisten konnte (vgl. VwGH Erkenntnis vom 29.4.2010, Zl. 2009/21/0321). Gegenständlich hält sich der Antragsteller zwar rechtswidrig im Bundesgebiet auf, dies vermag jedoch eine Gegenwärtigkeit einer Gefährdung angesichts der oben dargelegten Umstände im Sinne des § 67 Abs 1 FPG nicht zu begründen. Unter Bedachtnahme auf diese konkreten und besonderen Umstände liegt daher bei Heranziehung der Kriterien der tatsächlichen, erheblichen und gegenwärtigen Gefährdung des § 67 FPG auf den Antragsteller nach Ansicht des erkennenden Senates im nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt aufgrund der dargelegten Umstände dieses Einzelfalls trotz der Erheblichkeit gerade bei Suchtgiftdelikten keine gegenwärtige Gefährdung mehr vor. Unter diesen Prämissen ist die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zur Sicherung der Gesellschaft nicht mehr geboten.

Auf Grund dessen war dem Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes spruchgemäß Folge zu geben.

Zuletzt aktualisiert am
11.10.2011
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten