TE OGH 2009/11/24 11Os180/09v

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Veröffentlicht am 24.11.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. November 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen H***** H***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2, Abs 3 zweiter Fall StGB idF BGBl 1989/242 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 6. August 2009, GZ 9 Hv 6/09b-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde H***** H***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2, Abs 3 zweiter Fall StGB idF BGBl 1989/242 und der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 (I), der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 60/1974 (II) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er zu jeweils nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten in M***** die am 16. Juni 1981 geborene, sohin zu den Tatzeiten unmündige M***** S*****

I. außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB idF BGBl 1989/242 mit Gewalt sowie durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Vornahme und Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, nämlich

1.) im Jahr 1991, indem er sich mit ihr im Badezimmer einschloss, trotz ihrer Aufforderung die Türe nicht wieder aufsperrte, sie am Kopf sowie an den Haaren festhielt und so zwang, seinen Penis in den Mund zu nehmen, ihn oral zu befriedigen und sein Sperma zu schlucken, sowie ihr - während er sie wie dargestellt festhielt - seinen Finger mehrfach in die Scheide einführte;

2.) zwischen 1991 und 1993, indem er sie an die Wand drückte, dort mit seinem Körper fixierte und ihr seinen Finger in die Scheide einführte;

3.) im Jahr 1993, indem er sie mit einem Seil mit gespreizten Beinen an einen Baum festband, ihr - trotz ihrer mehrfachen Aufforderung damit aufzuhören - zwei Finger in die Scheide einführte und in ihrer Scheide bewegte, während er sich selbst befriedigte;

II. auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht

1.)

durch die unter I. angeführten Taten

2.)

zwischen 1991 und 1993 in zumindest vier Angriffen, indem er mit seiner Hand ihre Hand zu seinem Penis zog und ihre Hand führte, bis er zum Samenerguss kam,

wobei die unter I. und II. angeführten Taten bei Manuela S***** eine andauernde Persönlichkeitsstörung, sohin eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zur Folge hatten; III. durch die unter I. und II. angeführten Taten mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO.

Die Verfahrensrüge greift die Abweisung des folgenden in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrags an: „Einholung eines Gutachtens eines Facharztes für Neurologie zum Beweis der Zeugnisfähigkeit bzw -unfähigkeit der M***** S***** im Hinblick auf das bisherige Beweisverfahren und auch des vorliegenden Gutachtens des Sachverständigen, da aufgrund der Vorfälle, die nach diesen behaupteten Vorfällen waren, nämlich Unfälle, Suizidversuche, Verlust des Freundes, in M***** S***** doch etwas hochgekommen ist und hochgespielt worden ist, da - wie der Angeklagte zugibt - es nur einen Vorfall gab im Badezimmer, jedoch ist im Laufe der Jahre 2007 und 2008 immer dazugekommen. Dieses Gutachten wäre notwendig, um die Unschuld des Angeklagten zu bekräftigen" (ON 30 S 6 f). Dadurch wurden indes Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt. Zeugnisunfähigkeit bedeutet, außer Stande zu sein, die Wahrheit anzugeben. Die Beurteilung dieses Zustands kommt dem vernehmenden Polizeibeamten, Staatsanwalt oder Richter vor einer Vernehmung zu (Kirchbacher, WK-StPO § 155 Rz 30 und 32). Die derartige Prüfung fiel im Gegenstand zweimal (vor der Polizei ON 3 S 61 ff und anlässlich einer gerichtlichen Vernehmung ON 14) zu Gunsten einer gesetzlich zulässigen (§ 155 Abs 1 Z 4 StPO) Vernehmung aus.

Aus welchem Grund diese Bewertung im Nachhinein zusätzlich einer neurologischen Expertise bedürfe (vgl RIS-Justiz RS0097929), legte der Beweisantrag nicht dar.

Die Tatrichter gingen gleichfalls ausdrücklich vom Fehlen von Umständen aus, die eine Zeugnisfähigkeit fraglich erscheinen lassen könnten, und verwiesen überdies auf das (außerbehördliche) Bekunden der inkriminierten Handlungen bereits zeitlich vor den vom Rechtsmittelwerber angeführten Umständen (vgl zur fehlenden Antragsbasis Ratz, WK-StPO § 281 Rz 347, 350).

Da über die Sachverhaltsgrundlage einer prozessualen Verfügung das dafür zuständige richterliche Organ in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) entscheidet und dies nur nach den Kriterien der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO überprüft werden kann (RIS-Justiz RS0118977, insb etwa 12 Os 64/05m mwN), versagen die eigenständig beweiswürdigenden Spekulationen der Nichtigkeitsbeschwerde zur Bedeutsamkeit der Reihenfolge des Aufzählens der Probleme im Leben des Opfers anlässlich dessen Befragung in der Landesnervenklinik am 5. März 2008 (ON 3 S 89).

Nur zur Abrundung sei festgehalten, dass ein Einverständnis der Privatbeteiligten (die in der kontradiktorisch durchgeführten gerichtlichen Vernehmung bekundet hatte, in der Hauptverhandlung nicht aussagen zu wollen - ON 14 S 18) zu der - dem begehrten Gutachten notwendigerweise vorangehenden - Exploration ihrer Person im Beweisantrag nicht einmal behauptet wird (RIS-Justiz RS0108614). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), ebenso die angemeldete (ON 30 S 8) Berufung wegen Schuld, weil ein derartiges Rechtsmittel gegen Urteile von Kollegialgerichten nicht vorgesehen ist. Die Entscheidung über die Berufung wegen der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Anmerkung

E9262411Os180.09v

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0110OS00180.09V.1124.000

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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