TE OGH 2009/12/15 14Os113/09p

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.12.2009
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Annerl als Schriftführer in der Strafsache gegen Klaus S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Erwin F***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 30. Juni 2009, GZ 10 Hv 46/09g-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Erwin F***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Schuldsprüche des Angeklagten Klaus S***** enthaltenden Urteil wurde Erwin F***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 28. Mai 2008 in Gratwein als Polizeibeamter der Polizeiinspektion Gratwein mit dem Vorsatz, die Republik Österreich in ihrem Recht auf eine gesetzmäßige Strafverfolgung zu schädigen, seine Befugnis im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte, nämlich kriminalpolizeiliche Ermittlungen iSd § 99 StPO vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er im gegen Klaus S***** wegen § 127 StGB anhängigen Verfahren ein von Klaus S***** trotz Befangenheit (§ 47 StPO) erstelltes Protokoll über die niederschriftliche Einvernahme des Zeugen Helmut G***** als Vernehmungsorgan unterfertigte (§ 96 Abs 1 Z 1 StPO) und dieses Protokoll im Anschluss daran an die Staatsanwaltschaft Graz weiterleitete, obwohl er an der Einvernahme des Zeugen nicht teilgenommen hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erwin F***** ist nicht berechtigt.

Die relevanten Konstatierungen zum Vorsatz des Angeklagten, die Republik Österreich in ihrem Recht auf gesetzmäßige Strafverfolgung zu schädigen (US 16), haben die Tatrichter unter Hinweis auf das objektive Tatgeschehen und die Ausbildung des Beschwerdeführers zureichend begründet. Dies gilt der Kritik in der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider an sich auch für die - jedoch ohnedies überschießende und damit nicht entscheidungswesentliche - Feststellung betreffend das Wissen des Angeklagten um die unrichtige Verfahrenserledigung zufolge des in der Niederschrift behaupteten Irrtums bzw Missverständnisses.

Abgesehen davon, dass das Erstgericht zur Vermeidung von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend nicht verhalten ist, sich mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde dann konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinanderzusetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428), findet der von den Tatrichtern festgestellte wesentliche Tatverlauf in den von der Rüge als zu Unrecht übergangen reklamierten Aussagen des Angeklagten Klaus S*****, des Beschwerdeführers und des Zeugen Helmut G***** Deckung (vgl US 9 bis 12). Ob aber der Zeuge Helmut G***** bei Verfassen der Niederschrift auf der Polizeiinspektion etwas sagte und ob der Beschwerdeführer bei Unterfertigen der Niederschrift durch den genannten Zeugen im selben Raum anwesend war, ist nicht entscheidungswesentlich. Ein nach Z 5 dritter Fall relevanter Widerspruch von Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen liegt vor, wenn sie nach den Denkgesetzen als unvereinbar zu bewerten sind; jedoch kann eine Gesamtschau der Urteilsausfertigung dem Obersten Gerichtshof die Möglichkeit geben, einen Widerspruch klarstellend aufzulösen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 437, 440). Solcherart besteht zwischen der Urteilsannahme, der Angeklagte S***** habe dem Beschwerdeführer „die ersten drei Zeilen dieser Niederschrift" diktiert (US 11), und der weiteren Konstatierung, Letzterer habe das Protokoll unterschrieben, ohne tatsächlich mit der Einvernahme des Zeugen G***** befasst gewesen zu sein (US 12), kein Widerspruch, weil die entscheidende Nichtmitwirkung des Beschwerdeführers eindeutig das Zustandekommen des Inhalts der mit Helmut G***** aufgenommenen Niederschrift betraf.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen (wie sie die Berufung wegen Schuld einräumt), sind ohne eingehende eigene Erwägungen zu beantworten, um über den Umfang der Eingriffsbefugnisse des Obersten Gerichtshofs keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Die vorliegende Tatsachenrüge, die sich erneut gegen die Feststellungen zum Schädigungsvorsatz des Beschwerdeführers wendet, erweckt mit der Wiederholung von Teilen der Aussage des Zeugen G***** und mit den Hinweisen, dass das Protokoll über die Vernehmung dieses Zeugen im Dienstbericht vom 29. Mai 2008 erwähnt wird und vor dem postalischen Versand dem Inspektionskommandanten zur Unterfertigung vorgelegt wurde, keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen.

Gesetzmäßiges Ausführen einer Subsumtionsrüge hat das Festhalten am gesamten Urteilssachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz und die Behauptung, dass dem Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

Die einen Schuldspruch wegen des Vergehens der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt nach § 311 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) ignoriert mit der Behauptung unzureichender Feststellungen zum nach § 302 Abs 1 StGB verlangten Schädigungsvorsatz (womit der Sache nach ein als „Rechtsirrtum des Erstgerichts" bezeichneter Rechtsfehler mangels Feststellungen [vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 605] geltend gemacht wird) bloß die entsprechenden Konstatierungen (US 16:

„dass ein solches den Bestimmungen der §§ 47 und 96 StPO krass zuwiderlaufendes Verhalten die Republik Österreich an ihrem Recht auf eine gesetzmäßige Strafverfolgung schädigte, war dem Angeklagten Erwin F***** aufgrund seiner Ausbildung bekannt und war er auch gewillt, dem den Tatbild entsprechenden Erfolg, nämlich den Schaden der Republik Österreich an ihrem Recht auf eine gesetzmäßige Strafverfolgung hinzunehmen.") und verfehlt damit den gesetzlichen Bezugspunkt. Welche darüber hinausgehenden Feststellungen zur rechtsrichtigen Subsumtion als Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB erforderlich gewesen sein sollten, erklärt die Rüge nicht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Erwin F***** folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Anmerkung

E9265814Os113.09p

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0140OS00113.09P.1215.000

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten