TE OGH 2010/2/11 5Ob3/10t

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Veröffentlicht am 11.02.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter V*****, vertreten durch Dr. Olaf Borodajkewycz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Eigentümergemeinschaft *****, vertreten durch Franz P*****, Immobilienverwalter, *****, dieser vertreten durch Mag. Alexander Paleczek, Rechtsanwalt in Wien, 2. Mag. Gabriele R*****, 3. Dkfm. Mag. Wolf-Dieter R*****, beide vertreten durch Dr. Werner Heissig, Rechtsanwalt in Wien, 4. Dr. Fritz B*****, 5. Christine E*****, 6. Ingeborg S*****, 7. Herta de B*****, 8. C***** B*****, beide vertreten durch Dr. Josef Deimböck, Rechtsanwalt in Wien, 9. Heidrun B*****, 10. Hubert F*****, 11. Eva F*****, Zehntbeklagter vertreten durch die Elftbeklagte als Sachwalterin, 12. Dr. Erich F*****, 13. Dr. Monika F*****, 14. Mag. Flavia C*****, vertreten durch Dr. Ursula Xsell-Skreiner, Rechtsanwältin in Wien, 15. Traute Viktoria H*****, 16. Erwin H*****, wegen Feststellung, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. April 2009, GZ 36 R 288/08g-22, womit über Berufung des Klägers das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 26. Juni 2008, GZ 28 C 445/07m-16, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Erstbeklagten die mit 556,99 EUR (darin enthalten 92,83 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revisionsbeantwortung der Zweitbeklagten und des Drittbeklagten wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger als Mit- und Wohnungseigentümer einer näher bezeichneten Liegenschaft begehrt gegenüber der erstbeklagten Eigentümergemeinschaft des Hauses und gegenüber sämtlichen Mit- und Wohnungseigentümern (zweit- bis sechzehntbeklagte Parteien) die Feststellung, dass die Liftkosten zwischen den einzelnen Miteigentümern der Liegenschaft im Verhältnis von deren Anteilen zur Gesamtsumme der Anteile abzüglich der Anteile der Vierzehntbeklagten aufzuteilen seien. Daraus folge, dass der Anteil des Klägers an den Liftkosten 8,95 % betrage. Diese Feststellung wurde „bis zum Vorliegen einer gegenteiligen rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung“ begehrt.

Der Kläger brachte vor, ihm werde ein Liftkostenschlüssel von 10,49 % vorgeschrieben. Allerdings sei infolge der schriftlich von allen Wohnungseigentümern getroffenen Vereinbarung nur die Vierzehntbeklagte von der Tragung von Liftbetriebskosten auszunehmen. Dennoch werde unrichtigerweise auch der Zweitbeklagten und dem Drittbeklagten kein Liftkostenanteil vorgeschrieben. Es sei ausdrücklich vereinbart worden, dass eine Aufteilung aller liegenschaftsbezogenen Aufwendungen entsprechend dem gesetzlichen Aufteilungsschlüssel nach Nutzwerten zu erfolgen habe. Daraus ergebe sich ein Anteil des Klägers von bloß 8,95 % an den Liftbetriebskosten.

Die erstbeklagte Eigentümergemeinschaft wendete ihre mangelnde Passivlegitimation ein. Zu belangen seien ausschließlich sämtliche Wohnungseigentümer der Liegenschaft. Der Rechtsweg sei für die begehrte Feststellung nicht zulässig. Das auf der Liegenschaft errichtete Haus sei ursprünglich ein Zinshaus mit ausschließlichem Mietwohnbestand gewesen. Erst in der Folge sei Altbauwohnungseigentum begründet worden. Bis heute bestünden Altmietverhältnisse. Es sei daher zwingend der gesetzliche Aufteilungsschlüssel gemäß MRG heranzuziehen. Gemäß den zwingenden Bestimmungen des MRG und der dazu ergangenen Judikatur seien Erdgeschossräumlichkeiten von der Bezahlung der Liftbetriebskosten ausgenommen.

Die Zweitbeklagte und der Drittbeklagte wendeten ein, dass der zur Anwendung gelangende Verteilungsschlüssel 1998 von der Mehrheit beschlossen worden sei. Es liege eine rechtswirksame Vereinbarung hinsichtlich des Aufteilungsschlüssels vor. Der streitige Rechtsweg sei unzulässig.

Die übrigen beklagten Parteien, soweit sie sich am Verfahren überhaupt beteiligten, erstatteten kein ausdrückliches Bestreitungsvorbringen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es traf folgende Feststellung:

Bei der Liegenschaft handelt es sich ursprünglich um ein Zinshaus mit ausschließlichem Hauptmietbestand. Zwischen 9. 3. 1999 und 1. 6. 1999 wurde Wohnungseigentum begründet. Mittlerweile ist die Liegenschaft zur Gänze „parifiziert“, es besteht jedoch nach wie vor ein aus der Zeit vor der Wohnungseigentumbegründung datierender Hauptmietvertrag.

„Eine Vereinbarung des Inhalts, dass die Liftkosten in Abweichung zu § 17 MRG nicht nach dem Verhältnis der Nutzflächen, sondern nach den Verhältnissen der Liegenschaftsanteile zueinander vorgeschrieben wurden, wurde nicht getroffen.“

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass der Kläger ein Feststellungsinteresse an der Feststellung des Aufteilungsschlüssels habe, sodass „der Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs ins Leere gehe“.

Anzuwenden sei § 17 Abs 1 MRG. Der Kläger habe nicht vorgebracht, dass die Wohnungseigentümer eine Vereinbarung getroffen hätten, wonach die Abrechnung abweichend davon nach Anteilen zu erfolgen habe.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und erklärte erst nachträglich über Abänderungsantrag des Klägers die ordentliche Revision für zulässig.

Es vertrat die Auffassung, dass die maßgebliche Passage im Wohnungseigentumsvertrag so auszulegen sei, dass die Parteien vom gesetzlichen Aufteilungsschlüssel (§ 32 Abs 1 Satz 2 WEG) nicht abgehen hätten wollen. Nicht die Nutzwerte, sondern der Verteilungsschlüssel nach § 17 MRG sei daher maßgeblich. Im Übrigen müsse ein von der Vorschrift des § 32 Abs 1 Satz 2 WEG 2002 abweichender Verteilungsschlüssel auch mietrechtlich wirksam vereinbart worden sein. Dies erfordere eine Einbindung der betroffenen Altmieter. Das sei nicht der Fall. Selbst wenn man daher aus dem Wohnungseigentumsvertrag einen abweichenden Vertragswillen der Wohnungseigentümer erschließen wolle, liege jedenfalls eine wirksame, von der gesetzlichen Vorschrift des § 32 Abs 1 Satz 2 WEG abweichende Vereinbarung nicht vor.

Den nachträglichen Zulässigkeitsausspruch begründete das Berufungsgericht damit, dass zur Frage, ob es für die Abänderung des gesetzlichen Verteilungsschlüssels nach § 32 Abs 1 Satz 2 WEG auch der Einbindung der betroffenen Altmieter bedürfe, oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Der Kläger strebt mit seiner dagegen erhobenen Revision eine Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Klagestattgebung an.

Die Erstbeklagte beantragt die Zurückweisung der Revision; hilfsweise wird der Antrag gestellt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsbeantwortung der Zweitbeklagten und des Drittbeklagten ist verspätet: Die Zustellung des Beschlusses, mit dem der Zweitbeklagten und dem Drittbeklagten die Erstattung einer binnen vier Wochen beim Berufungsgericht (§ 507a Abs 3 Z 1 iVm § 508 Abs 5 ZPO) einzubringenden Revisionsbeantwortung freigestellt wurde, erfolgte am 7. 9. 2009. Die fälschlicherweise an das Erstgericht adressierte Revisionsbeantwortung langte erst am 7. 10. 2009, somit außerhalb der vierwöchigen Frist, beim Berufungsgericht ein und ist daher verspätet (E. Kodek in Rechberger ZPO³ Vor § 461 Rz 7; RIS-Justiz RS0041608).

Die übrigen Beklagten beteiligten sich am Revisionsverfahren nicht.

Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig:

1. Auf das Vorliegen des von erst- bis drittbeklagter Partei eingewendeten Prozesshindernisses der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs ist nicht einzugehen: Das Erstgericht verwarf diese Einrede unbekämpft in den Gründen (vgl dazu RIS-Justiz RS0039774; RS0114196) seiner Entscheidung. Es liegt somit eine auch den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung über das Prozesshindernis vor (RIS-Justiz RS0035572).

2. Die vom Kläger als verfahrensentscheidend relevierte Frage, ob, wie es das Berufungsgericht meinte, eine Vereinbarung, die den gesetzlichen Aufteilungsschlüssel des § 32 Abs 1 Satz 2 WEG ändert, auch eine Einbindung der „Altmieter“ erfordere, stellt sich aus folgenden Gründen nicht:

Das Berufungsgericht hat die in den Wohnungseigentumsverträgen enthaltene, vom Erstgericht zwar nicht ausdrücklich festgestellte, aber unstrittige Passage „die Vertragsparteien vereinbaren, vom gesetzlichen Aufteilungsschlüssel ... nicht abzuweichen und sind diese anteilig entsprechend den Nutzwerten zu tragen ...“ dahin ausgelegt, dass eine von § 32 Abs 1 Satz 2 WEG abweichende Vereinbarung nicht getroffen wurde; der Hinweis auf die Nutzwerte beruhe bloß auf einem Irrtum, richte sich doch der gesetzliche Aufteilungsschlüssel, von dem die Parteien erkennbar nicht abweichen wollten, infolge bestehender Altmietverhältnisse nach § 32 Abs 1 Satz 2 WEG.

Diese auf den Umständen des Einzelfalls beruhende Vertragsauslegung (RIS-Justiz RS0042776 uva) stellt sich nicht als korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar: Dass auch die vom Kläger gewünschte Auslegung denkmöglich erscheint, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Dass die Parteien des Wohnungseigentumsvertrags gerade nicht die Absicht hatten, vom gesetzlichen Aufteilungsschlüssel abzugehen (und insoweit die Nutzwerte nur irrtümlich, etwa wegen einer möglichen Unkenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung des Verteilungsschlüssels nach § 32 Abs 1 Satz 2 WEG erwähnten), ist jedenfalls vertretbar.

Damit erübrigt sich aber ein Eingehen auf die vom Berufungsgericht in seinem nachträglichen Zulässigkeitsausspruch als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob ein von § 32 Abs 1 Satz 2 WEG abweichender Verteilungsschlüssel zu seiner Wirksamkeit der Einbindung von Altmietern bedarf.

Aus diesem Grund ist auch nicht erforderlich, auf die Passivlegitimation der Erstbeklagten oder darauf einzugehen, wie das Feststellungsbegehren des Klägers hätte formuliert werden müssen.

Dass auch unter Zugrundelegung des Aufteilungsschlüssels nach § 32 Abs 1 Satz 2 WEG der dem Kläger vorgeschriebene Liftkostenanteil unrichtig sei, wurde nie behauptet.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Erstbeklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Ihr sind daher die Kosten der Revisionsbeantwortung zuzusprechen. Ein Streitgenossenzuschlag gebührt der Erstbeklagten nicht: Ihr stand nur der Kläger gegenüber. Ihr Rechtsvertreter vertrat nur sie (§ 15 RATG).

Textnummer

E93425

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00003.10T.0211.000

Im RIS seit

16.04.2010

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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