TE OGH 2010/2/11 5Ob258/09s

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Veröffentlicht am 11.02.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. Marek W*****, 2. Beata Ewa W*****, ebendort, beide vertreten durch die E***** AG, *****, diese vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang G. Kiechl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ranganmerkung über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtsachen Wien als Rekursgericht vom 17. September 2009, AZ 47 R 335/09a, womit infolge Rekurses der Antragsteller der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 6. Mai 2009, TZ 1715/09, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Rekursgericht hat zwar den ordentlichen Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung für zulässig erklärt, weil noch keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, ob ein Verstoß gegen § 1371 ABGB einer Verkaufsabrede an eine kreditfinanzierende Bank auch dann zu vermuten sei, wenn sich aus den vorgelegten Urkunden nicht eindeutig eine Widerruflichkeit der Vollmacht ergebe bzw die Verwendung der Verkaufsvollmacht nicht ausschließlich zur Tilgung von im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung fälligen Forderungen vereinbart worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts erweist sich der ordentliche Revisionsrekurs als nicht zulässig:

Eingangs ist klar zu stellen, dass eine mit einem Revisionsrekurs vorgelegte weitere Urkunde aufgrund des Neuerungsverbots des § 122 Abs 2 GBG unbeachtlich zu bleiben hat (vgl RIS-Justiz RS0060754; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht § 122 Rz 67).

Das Grundbuchsgericht hat ein Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen und darf eine grundbücherliche Eintragung unter anderem nur dann bewilligen, wenn keine begründeten Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der bei der Eintragung Beteiligten zur Verfügung über den Gegenstand, den die Eintragung betrifft, oder gegen die Befugnis der Antragsteller zum Einschreiten vorhanden sind (§ 94 Abs 1 Z 2 GBG). Dazu wurde bereits mehrfach ausgesprochen, dass bei Erwirkung einer Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung einer Liegenschaft durch den Vertreter des Eigentümers wahrzunehmen ist, dass die dem Einschreiter eingeräumte Vertretungsbefugnis die Vermutung nahe legt, es könne damit ein gesetzliches Verbot verletzt oder umgangen werden. Wird einer für den Liegenschaftseigentümer einschreitenden Bank eine umfassende Vollmacht zur Vorbereitung und Durchführung des privaten Verkaufs einer Liegenschaft erteilt, die der hypothekarischen Sicherung eines gewährten Kredits dient, deutet das bereits auf die Umgehung der Verbotsnorm des § 1371 ABGB hin (5 Ob 295/01w = SZ 2002/2; RIS-Justiz RS0116128).

Maßgeblich hiefür ist, ob der Inhalt einer Verkaufsvollmacht mangels jeder effektiven Möglichkeit des Eigentümers zur Optimierung des Verkaufserlöses dem Zweck der Verbotsnorm des § 1371 ABGB, nämlich den Pfandbesteller davor zu schützen, dass er sich im Vertrauen, jeweils seine Schuld begleichen oder seine Verbindlichkeit klaglos erfüllen zu können (es also zur Pfandverwertung gar nicht kommen werde), zur Aufgabe eines die Forderung des Gläubigers - meist - übersteigenden Vermögenswerts verpflichtet (RIS-Justiz RS0075180; vgl auch Hofmann in Rummel, ABGB³ § 1371 Rz 1; Koch in KBB² § 1371 Rz 3), widerspricht (vgl RIS-Justiz RS0116128; RS0060604 [T12; T13]).

Dieser Rechtsprechung folgend haben die Vorinstanzen auch hier bei Bestand eines hypothekarisch gesicherten Kredits Bedenken gegen die Wirksamkeit einer der kreditgebenden Bank erteilten Verkaufsvollmacht samt Vollmacht zur Bewirkung einer Veräußerungsrangordnung iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG abgeleitet.

Soweit sich der Revisionsrekurs darauf beruft, Vereinbarungen iSd § 1371 ABGB, die nach Fälligkeit getroffen wurden, seien gültig, zumal im vorliegenden Fall in der Vereinbarung die Tatsache der Fälligkeit von Forderungen festgehalten worden sei, ist auf Folgendes hinzuweisen:

Während der erkennende Senat in der Entscheidung 5 Ob 16/08a (NZ 2009/35 = JBl 2009, 317 [mit Zustimmung Holzner]) noch dahingestellt ließ, ob die Verbotsnorm des § 1371 ABGB nicht auch nach Fälligkeit der Pfandforderung ausgestellte Verkaufsvollmachten dann erfasse, wenn sie dem Schutzbedürfnis des Pfandschuldners nicht ausreichend Rechnung tragen, weil sie keine Handhabe gegen willkürliche Pfandverschleuderung bieten, wurde in 5 Ob 139/08i = ÖBA 2009/1531, 155 diesfalls der Nachweis an das Grundbuchsgericht verlangt, dass die behauptete Fälligkeit pfandrechtlich gesicherter Forderungen bereits eingetreten sei. In letzterem Fall reichte die Anmerkung einer Klage der kreditgebenden Bank nicht aus, weil allein die Tatsache der Einbringung einer Klage auch deren Berechtigung, die unter anderem die Fälligkeit der eingeklagten Forderung voraussetze, nicht nachweise. Beide Entscheidungen betrafen dabei - so wie hier - Ansuchen um Rangordnungsanmerkungen der beabsichtigten Veräußerung.

Damit ist auch klargestellt, dass die in der Verkaufsvollmacht enthaltene Erklärung, dass aus der Kreditgeschäftsverbindung bereits fällige Forderungen unberechtigt aushaften und die Vollmacht „in diesem Zusammenhang" erteilt werde, nicht ausreicht, Bedenken im oben aufgezeigten Sinn zu beseitigen.

Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerber ist die Formulierung „in diesem Zusammenhang erteilen wir diese folgende Vollmacht" auch keineswegs dahin eindeutig, dass die Verkaufsvollmacht ausschließlich für fällige Forderungen vereinbart wurde, welche Zweifelsfrage im Grundbuchsverfahren auch nicht abschließend geklärt werden kann (RIS-Justiz RS0060573; RS0060878).

Soweit der Revisionsrekurs schließlich noch mit einer Restgültigkeit der Verkaufsvollmacht argumentiert, weil die Bevollmächtigung zur Erwirkung einer Rangordnungsanmerkung vom Schutzzweck des § 1371 ABGB nicht unmittelbar erfasst sei, wird verkannt, dass gerade der Umfang der der Gläubigerin in der Verkaufsvollmacht eingeräumten Rechte (vgl die in RIS-Justiz RS0116128 dargestellte „umfassende Vollmacht") die Vermutung nahelegt, es könne damit ein gesetzliches Verbot, und zwar jenes des § 1371 ABGB verletzt oder umgangen worden sein (vgl nochmals 5 Ob 139/08i ua).

Bei Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG genügt als Entscheidungskriterium, dass „gegründete Bedenken" im dargestellten Sinn bestehen. Eine endgültige Wirksamkeitsprüfung findet daher in diesem Zusammenhang nicht statt. Ein allenfalls im Streitverfahren möglicher derartiger Einwand ist hier versagt (vgl 5 Ob 139/08i).

Die vom Revisionsrekurs aufgeworfenen Fragen sind daher insgesamt durch höchstgerichtliche Rechtsprechung bereits geklärt. Der Revisionsrekurs war somit zurückzuweisen.

Textnummer

E93270

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00258.09S.0211.000

Im RIS seit

27.04.2010

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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