TE OGH 2010/2/18 6Ob17/10h

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Veröffentlicht am 18.02.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** H*****, vertreten durch Dr. Johannes Bruck, Rechtsanwalt in Groß-Enzersdorf, gegen die beklagten Parteien 1. M***** L*****, 2. A***** P*****, 3. G***** O*****, 4. C***** H*****, 5. E***** P*****, alle vertreten durch Dr. Werner Hetsch und Dr. Werner Paulinz, Rechtsanwälte in Tulln, wegen Räumung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. September 2009, GZ 40 R 34/09k-13, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 29. Dezember 2008, GZ 2 C 745/08s-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Beklagten haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch mit „der weitreichenden Bedeutung für alle Mietverträge über unbebaute Gärten, die in das bundesgesetzlich [gemeint: Kleingartengesetz 1958] normierte Ausmaß (oder ein landesgesetzlich größeres Ausmaß) fallen und in größeren Gemeinden liegen", begründet.

Die Klägerin führt dazu in ihrer Revision lediglich aus, das Kleingartengesetz sei auf gewidmetes Bauland nicht anwendbar, weil dieses grundsätzlich nicht für Erholungszwecke, sondern zur Bebauung bestimmt sei. Der in § 1 Abs 1 KlGG normierte Rechtsbegriff „dienen" bedinge eine zumindest längerfristig bestehende objektive Beschaffenheit des Grundstücks für die gesetzlichen Zwecke; auf den subjektiven Vertragszweck komme es nicht an.

1. Nach § 1 Abs 1 KlGG sind Kleingärten Grundstücke (Grundstücksteile) im Ausmaße von mehr als 120 m² und höchstens 650 m², die der nicht gewerbsmäßigen Nutzung oder der Erholung dienen. Kleingärten können in oder außerhalb einer Kleingartenanlage liegen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird ein Grundstück dann kleingärtnerisch genutzt, wenn es dazu bestimmt ist, vom Pächter zur Gewinnung von Gartenfrüchten der verschiedensten Art, insbesondere von Gemüse und Obst, mit eigenen Kräften unter Anwendung von kleinerem Werkzeug genutzt zu werden, ohne dass beabsichtigt wäre, die Erträgnisse oder einen Teil hievon durch Verkauf zu verwerten (RIS-Justiz RS0063641; Hinghofer-Szalkay/Ortner, Ausgewählte Probleme im Zusammenhang mit Kleingartenanlagen [I], wobl 2005, 325).

Kleingärtnerische Nutzung bedeutet aber auch, dass der Kleingarten - ohne Fruchtziehung als Zier- oder reiner Erholungsgarten beziehungsweise in Mischform - ausschließlich oder doch auch der Erholung des (Unter-)Pächters dienen soll (gesundheitliche Bedeutung). „Erholung" muss dabei aber nicht unbedingt bloßes Entspannen durch Liegen, Sitzen oder geselliges Beisammensein im Kleingarten bedeuten; je nach Beruf und persönlicher Konstitution des (Unter-)Pächters können vielmehr auch kleinere oder größere Gartenarbeiten im Sinn einer körperlichen Betätigung in frischer Luft (Bewegungsausgleich bei sitzender Beschäftigung udgl) der Erholung dienen (4 Ob 540/90; Hinghofer-Szalkay/Ortner, wobl 2005, 325). Diese Nutzung von Kleingärten steht heute gegenüber der landwirtschaftlichen Nutzung im Vordergrund (Hinghofer-Szalkay/Ortner, wobl 2005, 325).

Auch wenn die Vermietung einer Liegenschaft zu Wohnzwecken nicht unter die Bestimmungen des Kleingartengesetzes fällt (8 Ob 218/63 MietSlg 15.557), ist es doch nicht ausgeschlossen, dass auf dem Kleingartengrundstück ein Gebäude - regelmäßig in Form eines Superädifikats (Hinghofer-Szalkay/Ortner, Ausgewählte Probleme im Zusammenhang mit Kleingartenanlagen [II], wobl 2005, 357) - errichtet wird; dies ist jedenfalls solange unschädlich, als dadurch nicht die Nutzung des Kleingartens iSd § 1 Abs 1 KlGG verhindert wird, also ein ausreichender Garten verbleibt (Hinghofer-Szalkay/Ortner, wobl 2005, 325 mwN), oder die Errichtung von Baulichkeiten den Bestimmungen des (Unter-)Pachtvertrags widerspricht (6 Ob 1511/87 MietSlg 39.602).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen, die sich dabei auf im Akt erliegende Lichtbilder stützten, sind die verfahrensgegenständlichen Parzellen durchaus für Erholungszwecke, auch im Zusammenhang mit Gartenarbeiten, geeignet. Dies bezweifelt die Klägerin in ihrer Revision auch gar nicht.

2. Ebenfalls unstrittig ist zwischen den Parteien, dass die Parzellen den Voraussetzungen des § 1 Abs 1 KlGG in größenmäßiger Hinsicht entsprechen.

3. Weder dem Kleingartengesetz noch der dazu ergangenen Rechtsprechung lässt sich ein Hinweis darauf entnehmen, dass - wie die Klägerin meint - das Kleingartengesetz auf gewidmetes Bauland nicht anwendbar wäre, weil dieses grundsätzlich nicht für Erholungszwecke, sondern zur Bebauung bestimmt ist. Vielmehr hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgeführt, dass die Bestimmungen der Bauordnung einen anderen Zweck verfolgten und daher zur Auslegung des Begriffs „kleingärtnerische Nutzung" nicht herangezogen werden könnten (3 Ob 235/56 MietSlg 8/25). In der Entscheidung 6 Ob 524/86 wiederum wurde betont, es könne keinem Zweifel unterliegen, dass Kleingärten auch in raumordnungs- und baurechtlich neutraler Weise genutzt werden können, wenn sich die Inhaber der Kleingärten auf die reine Bodennutzung beschränken.

Nach Hinghofer-Szalkay/Ortner (wobl 2005, 325) ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich eine „kleingärtnerische Nutzung" vorliegt, ob dort also Gartenbau betrieben oder aber der Erholungszweck in Verbindung mit einer Gartenfläche ausgeübt wird.

Die von der Klägerin vertretene objektivierende Auffassung, es komme rein auf die Beschaffenheit des in Rede stehenden Grundstücks an, nicht aber auf den vereinbarten oder tatsächlichen Verwendungszweck, widerspricht somit bereits bestehender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die offensichtlich auch von der - wenn auch nur spärlich vorhandenen - Literatur nicht in Zweifel gezogen wird.

Die Vorinstanzen sind somit zutreffend von der Anwendbarkeit des Kleingartengesetzes ausgegangen.

4. Warum es für die Beurteilung der vorliegenden Rechtssache maßgeblich sein soll, ob ein bestimmter Zeuge die Umbauarbeiten auf den Grundstücken bemerkte und billigte, legt die Revision nicht dar; es braucht daher darauf auch nicht näher eingegangen zu werden.

5. Damit war die Revision zurückzuweisen.

Die Beklagten haben in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Die Beklagten haben dessen Kosten selbst zu tragen.

Textnummer

E93277

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0060OB00017.10H.0218.000

Im RIS seit

27.04.2010

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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