TE OGH 1990/6/26 4Ob540/90

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Veröffentlicht am 26.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Siedlerverein "L***-E***", Wien 13., Schloß Schönbrunn, Hofküchentrakt 97, vertreten durch Dr. Hans Kulka, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gertraud N***, Angestellte, Wien 2., Wehlistraße 366/2/4/13, vertreten durch Dr. Helmut Winkler und Dr. Otto Reich-Rohrwig, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung eines Kleingartens infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. Jänner 1990, GZ 48 R 712/89-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 18. August 1989, GZ 2 C 1664/88a-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 14.12.1988, K 26/88, kündigte der klagende Kleingärtnerverein der Beklagten den Unterpachtvertrag über die Parzelle Nr. 31 des Grundstücks Nr. 52 der EZ 48 KG Weidlingbach für den 31.3.1989 aus dem Kündigungsgrund des § 12 Abs 2 lit d KlGG auf. Die Parzelle werde von der Beklagten ohne zwingenden Grund seit mehreren Jahren nicht widmungsgemäß zur kleingärtnerischen Nutzung verwendet; aus diesem Grund sei auch der per 31.12.1984 abgelaufene Unterpachtvertrag nicht erneuert, sondern seither nur ein jährliches Benützungsentgelt eingehoben worden. In ihren rechtzeitig erhobenen Einwendungen brachte die Beklagte demgegenüber vor, daß sie den Kleingarten regelmäßig benütze. Er diene ihr insbesondere zur Erholung; sie sei während der Saison wöchentlich ca ein- bis zweimal im Garten, doch könne es wegen ihrer Berufstätigkeit zeitweise auch zu einer geringeren Anwesenheit kommen. Der Kleingarten werde ordnungsgemäß gepflegt. Die Beklagte bediene sich hiefür schon seit langer Zeit einer Hilfe, weil sie allein zur Bewältigune dieser Arbeiten nicht in der Lage sei. Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung für rechtswirksam und verurteilte die Beklagte zur Räumung des Kleingartens. Es traf folgende Tatsachenfeststellungen:

Die Beklagte nützte den aufgekündigten Kleingarten die letzten Jahre hindurch kaum; sie fuhr lediglich wenige Male im Jahr hinaus, um dann kurzzeitig auf dem Grundstück anwesend zu sein und etwa Unkraut auszuzupfen. Das Rasenmähen läßt die Beklagte entweder von einem anderen Unterpächter der Kleingartenanlage - der dann allenfalls auch Gerümpel entfernt - oder von ihren beiden Söhnen besorgen, welche sich nur zu diesem Zweck gelegentlich im Kleingarten aufhalten.

Daraus folgerte das Erstgericht noch im Rahmen seiner Tatsachenfeststellungen, daß die Beklagte als Unterpächterin des Kleingartens diesen auch nicht zur Erholung genutzt habe; ebensowenig habe sie ihn im Sinne einer nicht erwerbsmäßigen Nutzung verwendet. Sie sei lediglich sporadisch anwesend gewesen und habe für das Rasenmähen gesorgt. Der geltend gemachte Kündigungsgrund sei daher verwirklicht.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Kläger habe nur den Kündigungsgrund des § 12 Abs 2 lit d, erster Fall, KlGG geltend gemacht. Nach dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 1 Abs 1 KlGG sei aber der Unterpächter verpflichtet, den Kleingarten entweder zur nicht erwerbsmäßigen Nutzung oder zur Erholung zu verwenden. Demgegenüber habe nach den Feststellungen nahezu überhaupt keine Nutzung des Kleingartens durch die Beklagte stattgefunden. Das jährlich drei- bis viermalige Rasenmähen durch einen Bekannten oder die Söhne der Beklagten sei keine Nutzung im Sinne des § 1 Abs 1 KlGG. Die Beklagte habe den Kleingarten auch nicht zum Zweck der Erholung verwendet, wenn sie ihn während eines ganzen Jahres nur einige Male aufgesucht, sich dort nur kurzzeitig zur Nachschau aufgehalten habe und dann wieder weggefahren sei. Mit Recht habe daher das Erstgericht den geltend gemachten Kündigungsgrund bejaht. Das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes bekämpft die Beklagte mit ihrer außerordentlichen Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Aufhebung der Aufkündigung und der Abweisung des Klagebegehrens, hilfsweise die Aufhebung des Berufungsurteils.

In der ihm vom Obersten Gerichtshof gemäß § 508 a Abs 2 ZPO freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, dem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil zu dem hier allein in Rede stehenden Kündigungsgrund des § 12 Abs 2 lit d, erster Fall, KlGG eine Rechtsprechung des Obersten Gerichthofes fehlt und der Gesetzeswortlaut keineswegs so klar ist, daß der hier normierte Kündigungstatbestand auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen unmißverständlich bejaht werden könnte. Im übrigen hat die Beklagte in ihrer Zulassungsbeschwerde zutreffend darauf hingewiesen, daß der Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Wert des Entscheidungsgegenstandes nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO verfehlt war, weil eine Streitigkeit nach § 502 Abs 3 Z 2 ZPO vorliegt, für die § 502 Abs 2 ZPO nicht gilt.

Die Revision ist auch im Sinne des Aufhebungsantrages der Beklagten berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht zutreffend geltend, daß der Kündigungsgrund des § 12 Abs 2 lit d, erster Fall, KlGG ersichtlich in einem Zusammenhang mit dem des zweiten Falles nach dieser Gesetzesstelle steht. Während letzterer "erhebliche Bewirtschaftungsmängel" des Kleingartens zum Gegenstand hat, die vom Unterpächter trotz Mahnung nicht innerhalb einer schriftlich gesetzten angemessenen Frist abgestellt wurden, betrifft der erstgenannte Fall offenbar den mangelnden Kleingartenbedarf des Unterpächters, welcher den Kleingarten ohne zwingenden Grund länger als ein Jahr nicht im Sinne des § 1 Abs 2 KlGG verwendet hat. Nicht eine erheblich mangelhafte kleingärtnerische Bewirtschaftung des Gartens ist hier der Kündigungsgrund, sondern die ohne zwingenden Grund länger als ein Jahr andauernde gänzlich fehlende kleingärtnerische Verwendung durch den Unterpächter. Mit dem Kleingartengesetz BGBl 1959/6 wollte der Gesetzgeber neue österreichische Rechtsvorschriften schaffen und die für den Kleingärtner notwendigen Schutzbestimmungen in einem einzigen Gesetz zusammenfassen; derartige Schutzbestimmungen seien angesichts der ab 1900 in Österreich Fuß fassenden Kleingartenbewegung, die zu einer stetig ansteigenden Zahl der Kleingärten führte, sowie wegen der Bedeutung der Kleingärten in ernährungspolitischer und gesundheitlicher Hinsicht notwendig (ErlBem zur RV des KlGG, 472 BlgNR 8. GP 7). Wenn daher in § 1 Abs 1 KlGG eine Legaldefinition des Begriffes "Kleingarten" gegeben wurde, auf welche der Kündigungsgrund des § 12 Abs 2 lit d, erster Fall, KlGG verweist, so war hiefür der Zweck einer "kleingärtnerischen Nutzung" ausschlaggebend, die dem Gesetzgeber nur bei den festgesetzten Mindest- und Höchstgrenzen des Ausmaßes eines Kleingartens erfüllbar erschien (RV aaO). Die in § 12 Abs 2 lit d, erster Fall, KlGG angesprochene "kleingärtnerische Nutzung" ist also eine solche, die "der nicht erwerbsmäßigen Nutzung oder der Erholung dient". Der Kleingarten muß daher entweder vom Unterpächter zur Gewinnung von Gartenfrüchten der verschiedensten Art, insbesondere von Gemüse und Obst, mit eigenen Kräften unter Anwendung von kleinerem Werkzeug genutz werden, ohne daß beabsichtigt wäre, die Erträgnisse oder einen Teil hievon durch Verkauf zu verwerten (ernährungspolitische und gesundheitliche Bedeutung; so schon zur KSchV: EvBl 1958/119), oder er soll - ohne solche Fruchtziehung als Zier- oder reiner Erholungsgarten bzw in Mischformen - ausschließlich oder doch auch der Erholung des Unterpächters dienen (gesundheitliche Bedeutung). "Erholung" muß dabei aber nicht unbedingt bloßes Entspannen durch Liegen, Sitzen oder geselliges Beisammensein im Kleingarten bedeuten; je nach Beruf und persönlicher Konstitution des Unterpächters können vielmehr auch kleinere oder größere Gartenarbeiten im Sinne einer körperlichen Betätigung in frischer Luft (Bewegungsausgleich bei sitzender Beschäftigung usw.) der Erholung dienen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß die Beklagte ihren Kleingarten im letzten Jahr vor der Aufkündigung zwar nicht zur Fruchtziehung oder als Ziergarten verwendet hat, aber doch insgesamt rund sechs Mal dort "kurzzeitig anwesend war, um etwa Unkraut auszuzupfen". Ob ihr damit der Kleingarten nicht doch zur Erholung gedient hat, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Es bedarf dazu ergänzender Feststellungen über die beruflichen und persönlichen Verhältnisse der Beklagten, aber auch über die Dauer ihrer jeweiligen Anwesenheit im Kleingarten; dies umso mehr, als sie ihre seltene Anwesenheit in den Einwendungen gegen die Aufkündigung ausdrücklich auch auf ihre Berufstätigkeit zurückgeführt hat. Daß diese "kurzzeitigen Anwesenheiten" der Beklagten im Kleingarten nur der "Nachschau" gedient hätten, läßt sich jedenfalls entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes den vorliegenden, unpräzisen Feststellungen noch nicht entnehmen; im Sinne der bisherigen Ausführungen können nämlich durchaus auch kurzfristige Besuche eines beruflich oder privat gestreßten Menschen in einem Kleingarten, verbunden mit geringfügiger körperlicher Arbeit, der Erholung dienen. Eine Rückverweisung der Sache in die erste Instanz zur entsprechenden Ergänzung der Sachverhaltsgrundlage erweist sich daher als unumgänglich. Dabei wird im fortgesetzten Verfahren auch zu berücksichtigen sein, daß das Kündigungsvorbringen des Klägers in sich widersprüchlich ist: Er macht nämlich der Sache nach den Kündigungsgrund des § 12 Abs 2 lit d, erster Fall, KlGG geltend, behauptet aber gleichzeitig, daß der Unterpachtvertrag der Beklagten bereits am 31.12.1984 abgelaufen und nicht mehr erneuert worden sei. Die Kündigung eines Unterpachtvertrages setzt jedoch gemäß § 12 Abs 1 KlGG dessen aufrechtes Bestehen voraus. Die "Feststellung" des Erstgerichtes, wonach die Beklagte bis zur Aufkündigung Unterpächterin des Kleingartens gewesen sei, ist daher eine rechtliche Wertung, für die jegliche Sachgrundlage fehlt. Der Kläger wird im fortgesetzten Verfahren klarzustellen haben, ob er seiner Aufkündigung nicht schon dadurch den Boden entzieht, daß er seine Behauptung, die Beklagte sei seit 1.1.1985 nicht mehr Unterpächterin des Kleingartens, aufrecht erhält.

In Stattgebung der Revision waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben; die Sache war zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E21169

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00540.9.0626.000

Dokumentnummer

JJT_19900626_OGH0002_0040OB00540_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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