TE OGH 2010/2/24 3Ob223/09d

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.02.2010
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Prof. Dr. Peter K*****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Gerda P*****, vertreten durch Mag. Anna-Maria Freiberger, Rechtsanwältin in Wien, wegen 5.770 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 21. Juli 2009, GZ 34 R 88/09g-22, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 9. April 2009, GZ 7 C 552/07x-18, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen. Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist niedergelassener Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und betreibt seit 1985 eine Privatordination. Er verrechnet für konservierende Leistungen einen Stundensatz von 600 EUR und für operative Leistungen einen von 700 EUR; dies liegt über den in den Autonomen Honorarrichtlinien [der Österreichischen Zahnärztekammer] enthaltenen Sätzen. Bereits von 1980 bis 1991 war die Beklagte Patientin des Klägers. Sein Stundensatz lag schon damals über jenem, der üblicherweise von anderen Zahnärzten verrechnet wurde. 1991 erklärte die Beklagte, sie könne sich die Behandlungen des Klägers nicht mehr leisten und müsse daher einen anderen Arzt konsultieren.

Im November 2006 kam die Beklagte wieder zum Kläger und erklärte, sie habe die seinerzeitige ärztliche Betreuung sehr gut gefunden, ihre privaten Verhältnisse hätten sich geändert, sie könne die medizinische Betreuung des Klägers wieder in Anspruch nehmen, da ihre finanzielle Absicherung jetzt eine bessere sei. Sie wolle sich ihre Zähne anschauen lassen, sei aber von ihrem bisher behandelnden Zahnarzt darauf hingewiesen worden, dass einige Zähne, nämlich 16, eventuell auch 17 und 34 zu extrahieren seien. Sie wolle klären, ob es durch die Hilfe des Klägers möglich sei, diese Zähne zu erhalten. Sie klagte über Beschwerden am Zahn 34. Der Kläger untersuchte sämtliche Zähne der Beklagten und stellte fest, dass der Zahn 34 beherdet war und die Zähne 16, 17 und 27 Karies aufwiesen.

Er erklärte ihr unter anderem im Einzelnen, dass seiner Meinung nach eine konservative Parodontaltherapie inklusive der Erstellung eines Parodontalstatus samt Fotodokumentation zu machen und eine Ober- und Unterkieferwurzelreinigung durchzuführen sei, eventuell auch eine mikrochirurgische Taschenchirurgie, eine Wurzelbehandlung am Zahn 34 (linker Unterkiefer), Kariesbehandlungen an den Zähnen 17 mesial (rechter Oberkiefer), 27 mesial (linker Oberkiefer) und an einem weiteren Zahn im rechten Unterkiefer (2 distal) durchzuführen seien, all dies im Rahmen der Mikroskopzahnheilkunde. Man müsse zusätzlich wieder den ehemaligen Mundhygienestatus erreichen und den Hygieneindex unter 10 % bringen. In Anwesenheit der Beklagten diktierte der Kläger anschließend die zahnmedizinische Anamnese samt Therapievorschlag mit dem Hinweis an die Beklagte, bei seinen Worten gut aufzupassen und sich zu melden, wenn sie mit irgendetwas nicht einverstanden sei. Er sagte, dass es eine aufwändige Behandlung sei und sie diese im Detail von der Assistentin erfahren werde. Die Beklagte äußerte, der Kläger solle sich diesbezüglich keine Sorgen machen, da sie jetzt in einer anderen finanziellen Situation sei.

Nachdem die Assistentin den vorläufigen Therapie- und Kostenplan ausgefüllt (Beil ./N die einen Bestandteil des Ersturteils bildet) und eine weitere Angestellte die Kostenbeträge eingesetzt hatte, besprach diese im Einzelnen die geplanten Maßnahmen und die damit verbunden Kosten, wobei sie Punkt für Punkt die einzelnen Positionen durchging und insbesondere die Abkürzungen erklärte. Konkret erklärte sie der Beklagten, es sei eine konservative Parodontaltherapie mittleren Ausmaßes beabsichtigt, das bedeute in der Dauer von 8 Stunden samt Anfertigung von Fotos und Erstellen eines neues Parodontosestatus, wofür ein Betrag von 1.700 EUR verrechnet werde. Es werde mit Mikroskop eine Oberkiefer- und Unterkiefer-Wurzelreinigung in der Dauer von ca 6 Stunden durchgeführt, wofür Kosten in Höhe von ca 4.500 EUR inklusive einer halben Stunde für die vorgesehene Nachkontrolle verrechnet würden. Sie erklärte ihr auch, dass dieser Berechnung ein Stundensatz von 700 EUR für chirurgische Leistungen zu Grunde liege. Erst bei Entzündungsfreiheit würden Füllungen und Wurzelbehandlungen durchgeführt werden. Es seien konkret Kariesbehandlungen an den Zähnen 7 mesial im rechten sowie linken Oberkiefer jeweils in der veranschlagten Dauer von zwei Stunden geplant, was unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 600 EUR Kosten von 1.200 EUR ergebe. Geplant sei eine Wurzelbehandlung am Zahn 4 im linken Unterkiefer in der Dauer von ca 2,5 bis 3 Stunden, woraus sich bei einem Stundensatz von 600 EUR ein zu verrechnender Betrag von ca 1.800 EUR ergebe. Die Assistentin ersuchte die Beklagte, die vorerst informative Kenntnisnahme dieses Therapie- und Kostenplans auf der linken Seite zu unterfertigen, was die Beklagte auch tat. Falls die Beklagte mit der Behandlung einverstanden sei und sich auch gleich Termine für die weitere Behandlung ausmachen wolle, solle sie auf der rechten Seite unterschreiben. Auch dies tat die Beklagte mit der Erklärung, sie wolle die Behandlung durchführen und gleich Termine vereinbaren. Anschließend erklärte die Assistentin der Beklagten an Hand einer ihr ausgehändigten Kopie dieses Plans, aus der keine Kostenbeträge ersichtlich waren, dass für den ersten Teil der Behandlung, oberhalb der von ihr in der Kopie eingezeichneten roten Linie ein Betrag von 6.200 EUR auflaufen werde und dass für die unterhalb der roten Linie angeführten Karies- und Wurzelbehandlungen ein Stundensatz von jeweils 600 EUR zur Verrechnung gelange. Die Beklagte selbst vermerkte auf der Kopie mit Rotstift „1/600" bzw mit blauem Stift „6.2".

Der Kläger erklärte der Beklagten jeden Schritt der Behandlung, sie konnte mit einer sogenannten „Fernsehbrille" die gesamte Behandlung selbst mitverfolgen. Er erläuterte bei jeder Behandlung im Vorhinein, was er zu tun beabsichtigte und erkundigte sich, ob sie diese Behandlung wolle. Sie erklärte ihr Einverständnis zu allen durchgeführten Behandlungen. Die Assistentin wies die Beklagte vor jeder Behandlung darauf hin, welche Kosten bislang aufgelaufen seien und übergab ihr am 28. Februar 2007 ein „post it" auf dem der aktuell offene Honorarbetrag von 6.915 EUR vermerkt war.

In der Zeit zwischen dem ersten Behandlungstermin am 16. Jänner 2007 und dem zuletzt durchgeführten Kontrolltermin am 1. August 2007 erbrachte der Kläger die vom Erstgericht (S 23 bis 31) detailliert festgestellten Leistungen (ua konservative Parodontaltherapie; Wurzelbehandlungen; Anfertigen von Gingivoplastiken; Zahnaufbauten; Zahnextraktion) deren Wiedergabe im Einzelnen für die Behandlung der Revision der Beklagten mit Ausnahme der Behandlung vom 22. Jänner 2007 nicht erforderlich ist. An diesem Tag erklärte der Kläger der Beklagten anhand eines Spiegels, dass sich am Zahn 17 eine 8 mm tiefe Tasche distal gebildet habe und sich ca 5 mm unterhalb der Kronengrenze ein riesengroßes Loch in der Wurzel befinde, das nicht behandelbar sei. Da er merkte, dass die Beklagte den Zahn nicht verlieren wollte, erläuterte er als Alternative die Möglichkeit, diese „Höhle" auszukratzen, mit möglichst verträglichem Material zu füllen sowie die Schleimhaut zu verschließen, dies hätte jedoch eine chronische Eiterung zur Folge. Er empfahl ihr die Extraktion des Zahns. Sie solle sich die Möglichkeiten bis zum nächsten Tag überlegen und ihm anlässlich ihres bestehenden Termins mitteilen, für welche Variante sie sich entschieden habe. Am 23. Jänner 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie sich schweren Herzens zur Extraktion entschlossen habe und fragte, ob es nicht doch möglich wäre, den Zahn zu retten. Der Kläger besprach daher mit ihr neuerlich die oben genannten Alternativen. Daraufhin entschied sich die Beklagte endgültig für die Extraktion des Zahns, die der Kläger neben anderen Behandlungen an diesem Tag durchführte.

Die Beklagte leistete Teilzahlungen von insgesamt 4.700 EUR. Am 1. August 2007 forderte der Kläger die Bezahlung eines Rückstands von 5.770 EUR als Voraussetzung der Fortführung der Behandlung. Die Beklagte lehnte auch die vorgeschlagene Bezahlung in Raten ab.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung von 5.770 EUR für zahnmedizinische Behandlung. Die Beklagte habe sich nach Erstellung eines umfassenden vorläufigen Therapieplans und nach ausführlicher Besprechung des Therapie- und Kostenplans mit seiner Assistentin mit der Behandlung zu der veranschlagten Gesamtsumme von 10.400 EUR einverstanden erklärt. Er habe der Bestimmung des § 18 Abs 3 ZahnärzteG (ZÄG) entsprochen, eine Pflicht zur Aushändigung eines Kostenplans an die Patientin bestehe nicht. Er selbst und seine Assistentinnen hätten im Laufe eines halben Jahres bei der Beklagten diverse Zahnbehandlungen durchgeführt. Zur Extraktion von Zahn 17 habe sie am 23. Jänner 2007 nach ausführlicher Aufklärung am Vortag mit einer eingeräumten Überlegungszeit von einem Tag die Einwilligung erklärt.

Ihr sei auch mitgeteilt worden, dass sie eine Kopie des Plans ohne die veranschlagten Preise haben könne, ein entsprechend eingehend diktierter Therapie- und Kostenplan wäre kostenpflichtig, einen solchen habe die Beklagte nicht gewünscht. Sie hätte aber das von ihr unterfertigte Original jederzeit einsehen können.

Die Beklagte wendet im Wesentlichen ein, die Assistentin des Klägers habe ihr bei der Erstuntersuchung einen Kostenbetrag der Gesamtbehandlung von 6.400 EUR genannt. Sie habe daher davon ausgehen können, dass die Behandlung so viel koste. Auf dieses Honorar habe sie bereits eine Akontozahlung von 4.500 EUR geleistet. Der Kläger habe die Behandlung am 23. Juli 2007 abgebrochen, als er von ihr die Unterzeichnung eines Vermerks verlangt habe, wonach sie die Behandlungskosten in Höhe des Klagsbetrags zahlen solle. Der Beklagte habe die vereinbarten Leistungen nicht erbracht. Er habe zunächst versprochen, den Zahn 17 zu sanieren, ihn jedoch in weiterer Folge gegen ihren Willen und daher ohne ihr Einverständnis gezogen. Mit einem Kostenvoranschlag von 10.400 EUR habe sie sich niemals ausdrücklich einverstanden erklärt. Es sei auch unklar, weshalb ihr der volle Betrag in Rechnung gestellt werde, da die Behandlung vom Kläger nicht abgeschlossen worden sei.

Der Arzt sei zur Aufklärung über die Kosten der Behandlung, insbesondere auch zur Information darüber verpflichtet, welche Behandlungskosten von den entsprechenden inländischen Trägern der Sozialversicherung voraussichtlich übernommen würden und welche vom Patienten zu tragen seien. Darüber habe der Kläger sie nicht aufgeklärt. Er hätte auch im Hinblick auf die vorgesehenen wesentlichen Kosten einen schriftlichen Heil- und Kostenplan erstellen müssen. Es reiche nicht, dass der Arzt den schriftlichen Heil- und Kostenplan bloß erstelle und dann ablege. Mit der im Gesetz geregelten Aufklärung sei die Übergabe des schriftlichen Heil- und Kostenplans an den Patienten gemeint. Die vom Kläger vorgelegte Urkunde sei nicht von ihm unterschrieben worden, sondern bloß von ihr selbst. Nach § 5 KSchG sei die Richtigkeit des Kostenvoranschlags gewährleistet, wenn nicht das Gegenteil ausdrücklich erklärt werde. Der Heil- und Kostenplan des Klägers erfülle die Erfordernisse eines Kostenvoranschlags nicht. Er lege weder die kalkulierte Arbeitszeit noch die kalkulierten Preise fest. Vielmehr gebe es eine unverständliche Mischung aus Pauschalpreisen und Zeithonoraren. Der vorliegende Plan sei auch nicht transparent gewesen, weil er mit seinen Abkürzungen für einen Nichtarzt unverständlich sei. Sie sei Konsumentin im Sinn des Konsumentenschutzgesetzes, der Kläger dagegen Unternehmer. Es werde auch die Angemessenheit des verrechneten Honorars bestritten. Es seien noch andere Leistungen erbracht worden, als die im Plan enthaltenen. Der Kläger habe seine Leistungen geändert und hätte dafür einen neuen schriftlichen Heil- und Kostenplan erstellen müssen.

Er habe sie weder rechtzeitig noch ernsthaft über die von ihm geplante Extraktion des Zahnes 17 aufgeklärt. Dadurch habe er ihr eine Körperverletzung verursacht. Mangels wirksamer Einwilligung sei auch der Behandlungsvertrag hinfällig geworden. Es berechtige sie zur Rückforderung des schon bezahlten Honorars. Hilfsweise stützte sie ihren Einwand auch auf Irrtum und Bereicherung. Wegen schuldhafter Verletzung der Verpflichtungen des Zahnarztes habe das Honorar nicht gültig vereinbart werden können.

Das Erstgericht sprach dem Kläger mit Urteil den begehrten Betrag sA zu. Es traf umfangreiche Feststellungen, die eingangs dieser Entscheidung, soweit für das Verständnis derselben erforderlich, wiedergegeben wurden.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zur Auffassung, dass der Kläger der Vorschrift des § 18 Abs 3 ZÄG iVm den §§ 2, 3 und 4 der Autonomen Honorarrichtlinien der Österreichischen Zahnärztekammer entsprochen habe. Der Beklagten sei ein Therapie- und Kostenplan vorgelegt worden, der ihr auch mündlich erläutert worden sei. Sie habe diesen unterschrieben und sich nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich mit der Behandlungsform und den damit verbundenen Kosten bzw Stundensätzen einverstanden erklärt. Zusätzlich habe sie auf ihrer Kopie der Urkunde selbst die entsprechenden Kostenbeträge vermerkt, womit eine hinlängliche Klarstellung der mit der beabsichtigten Zahnbehandlung verbundenen Kosten erfolgt sei.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil mit der Maßgabe, dass es dieses in dreigliedriger Form fasste und unter anderem die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannte. Über Antrag der Beklagten änderte dieses Gericht seinen Zulässigkeitsausspruch letztlich dahin ab, dass es die ordentliche Revision nachträglich doch für zulässig erklärte.

Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts als Ergebnis einer unbedenklichen und schlüssigen Beweiswürdigung.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Berufungsgericht zur Auffassung, der Kläger habe der Vorschrift des § 18 Abs 3 ZÄG iVm §§ 2, 3 und 4 der Autonomen Honorarrichtlinien der Österreichischen Zahnärztekammer nicht entsprochen. Ein Kostenvoranschlag verlange nämlich eine aufgegliederte Berechnung der mutmaßlichen Kosten und der Anführung der einzelnen Ansätze nach Arbeits-, Material- und sonstigen Kosten. Dieser Verstoß sei nach § 51 Abs 3 Z 1 ZÄG eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe zu bestrafen sei. Dies habe jedoch keinen Einfluss auf die Gültigkeit des Vertrags. Ein solcher sei nach den Feststellungen des Erstgerichts hinsichtlich der Aufklärung über die Stundensätze, die Informationen über die geplanten Behandlungen und Änderungen jedenfalls zu den vereinbarten Honoraransätzen zustande gekommen. Die Feststellungen über die Arbeitsleistungen des Klägers und seine Stundensätze seien unbekämpft geblieben. Das Honorar des Klägers entspreche daher den getroffenen Vereinbarungen.

Eine Verpflichtung des Arztes, in irgendeiner Art und Weise über die Kosten der Behandlung aufzuklären, finde sich im ÄrzteG nicht. § 18 Abs 3 ZÄG sei nicht als Schutzgesetz nach § 1311 ABGB zu qualifizieren, da er das gebotene Verhalten nicht hinreichend genau beschreibe und insbesondere nicht die nähere inhaltliche Ausgestaltung des Heil- und Kostenplans determiniere.

Selbst wenn man doch zur gegenteiligen Auffassung käme, sei ein Schadenersatzanspruch der Beklagten mangels Kausalität der Nichtaufklärung in Form eines schriftlichen Heil- und Kostenplans für den behaupteten Schaden, nämlich die eingeklagten Kosten der Zahnbehandlung in Höhe von 5.770 EUR, zu verneinen. Der Kläger habe nämlich die Beklagte über die Kosten der Zahnbehandlung detailliert informiert und sie habe sich in Kenntnis dessen vom Kläger behandeln lassen.

Darüber hinaus träfen den Patienten Substantiierungspflichten, wenn er Ersatzansprüche aus einem Aufklärungsversäumnis herleiten wolle. Er dürfe sich nicht mit der bloßen Behauptung begnügen, er hätte den Eingriff bei richtiger und vollständiger Aufklärung abgelehnt. Vielmehr müsse er in nachvollziehbarer Weise darlegen, dass er bei gehöriger Aufklärung vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden wäre, aus dem heraus eine Ablehnung der Einwilligung in die Behandlung zum damaligen Zeitpunkt verständlich erscheine. Dem habe die Beklagte nicht entsprochen. Auf Irrtum und Bereicherung könne sie sich nach den Feststellungen über ihre Zustimmung zur Extraktion des Zahns nach ausführlicher Aufklärung nicht stützen. Daher bestehe die Gegenforderung nicht zu Recht.

Letztlich verneinte das Berufungsgericht einen von der Beklagten im Unterbleiben der Einholung eines Sachverständigengutachtens erblickten Verfahrensmangel erster Instanz.

Die ordentliche Revision sei nachträglich zuzulassen, weil oberstgerichtliche Judikatur zur Rechtsfrage, ob der Gesetzgeber einen Verstoß gegen § 18 ZÄG auch mit einer Nichtigkeit sanktionieren habe wollen, nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Die Präjudizialität der vom Berufungsgericht angeschnittenen Rechtsfrage kann deshalb noch bejaht werden, weil sich die Beklagte in ihrer Revision sinngemäß auf die Teilnichtigkeit des Behandlungsvertrags mit dem Kläger insoweit beruft, als die Honorarvereinbarung, soweit sie ein Honorar von 1.260 EUR überschreitet, unwirksam sei.

In der Sache ist der Revision Folgendes entgegenzuhalten:

1.) Nach § 18 Abs 1 Z 5 ZÄG haben Angehörige des zahnärztlichen Berufs die in ihre zahnärztliche Beratung und Behandlung übernommenen Personen insbesondere über die Kosten der zahnärztlichen Behandlung aufzuklären. Im Rahmen dieser Aufklärung ist auch darüber zu informieren, welche Behandlungskosten von dem entsprechenden inländischen Träger der Sozialversicherung bzw der Krankenfürsorge voraussichtlich übernommen werden und welche vom/von der Patienten/Patientin zu tragen sind (Abs 2 leg cit). Die Aufklärung über den letzten Punkt hat gemäß Abs 3 in Form eines schriftlichen Heil- und Kostenplans zu erfolgen, wenn eine von drei Voraussetzungen vorliegt, und zwar, wenn 1.) im Hinblick auf die Art und den Umfang der Behandlung wesentliche Kosten (Abs 4) anfallen, 2.) die Kosten die in den Autonomen Honorarrichtlinien der Österreichischen Zahnärztekammer festgelegte Honorarhöhe übersteigen oder 3.) dies der/die Patient/Patientin verlangt. Hier ist unstrittig, dass die veranschlagte Honorarhöhe den nach der Grenzwertverordnung der Österreichischen Zahnärztekammer vom 13. September 2006 festgesetzten Betrag von 1.260 EUR überstieg. Demnach war der Kläger im vorliegenden Fall ohne Rücksicht auf ein verlangtes Honorar über den in den Autonomen Honorarrichtlinien der Kammer festgelegten Sätzen oder ein Verlangen der Beklagten zur Aufklärung „in Form eines schriftlichen Heil- und Kostenplans" verpflichtet. Lediglich auf die Verletzung dieser Verpflichtung stützt sich die Beklagte in ihrer Revision; andere Einwände gegen die Honorarforderung des Klägers hält sie in dritter Instanz nicht mehr aufrecht.

Der von der zweiten Instanz vorgenommenen Beurteilung, die von ihm angenommene Verletzung des § 18 Abs 3 ZÄG iVm §§ 2, 3 und 4 der Autonomen Honorarrichtlinien der Österreichischen Zahnärztekammer habe auf die Gültigkeit des Vertrags keinen Einfluss, es liege nur eine Verwaltungsübertretung nach § 51 Abs 3 Z 1 ZÄG vor, hält die Beklagte entgegen, wegen der vorliegenden Gleichordnung der Rechtssubjekte sei § 18 Abs 3 ZÄG keine „bloße Verwaltungsvorschrift". Eine solche rechtliche Beurteilung kann dem Urteil zweiter Instanz auch keineswegs entnommen werden. Damit wird kein schlüssiger Einwand gegen die Erkenntnis erhoben, es handle sich bei einem Verstoß gegen diese Norm um eine Verwaltungsübertretung (so ausdrücklich § 51 Abs 3 ZÄG). Demnach folgt aus dem ZÄG eindeutig, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Erstellung eines schriftlichen Heil- und Kostenplans mit einer Verwaltungsstrafe bedroht ist. Eine Nichtigkeitssanktion enthält das Gesetz dagegen nicht. Nach ständiger Rechtsprechung ist nun ein gegen ein gesetzliches Verbot verstoßender Vertrag nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig, wenn diese Rechtsfolge entweder ausdrücklich angeordnet oder vom Verbotszweck erfordert wird (RIS-Justiz RS0016840; Bollenberger in KBB2 § 879 Rz 3 mwN). Ganz ungeachtet der Frage, ob eine positive Verhaltensvorschrift wie die des § 18 Abs 3 ZÄG überhaupt als „Verbot" im Sinne des Gesetzes verstanden werden kann, sind nach der Rechtsprechung im Allgemeinen Rechtsgeschäfte gültig, wenn sich das Verbot nur an einen der beiden Vertragspartner richtet. Dies ist hier augenscheinlich der Fall, weil eine Verpflichtung des Patienten oder ein ihm gegenüber ausgesprochenes Verbot hier nicht vorliegt. Die Argumentation der Revision geht nun anscheinend in die Richtung jener Entscheidungen, nach denen die Nichtigkeit eines Vertrags nur in jenem Umfang eintritt, den der Zweck des das Verbot enthaltenden Gesetzes verlangt (RIS-Justiz RS0016417).

Aber auch eine derartige Teilnichtigkeit wird vom Zweck des § 18 Abs 3 ZÄG augenscheinlich nicht verlangt. Wie schon vom Berufungsgericht zutreffend dargelegt wurde und zum Teil auch in die Revisionsausführungen Eingang fand, sollte nach der Absicht des Gesetzgebers § 18 Abs 3 ZÄG die allgemeinen Regelungen des KSchG, insbesondere betreffend Kostenvoranschläge, im Hinblick auf die berufsspezifischen Erfordernisse spezifizieren (1087 BlgNR 22. GP 13 f). Dabei ging der Gesetzgeber zweifellos mit Recht davon aus, dass sich beim Behandlungsvertrag mit einem Zahnarzt ein Unternehmer und ein Konsument gegenüber stehen. Im Zusammenhang mit der Erörterung der Entgeltlichkeit „dieses Kostenvoranschlags" wird auch auf § 5 KSchG verwiesen. Auch aus § 5 KSchG kann direkt eine Nichtigkeitssanktion nicht abgeleitet werden. § 5 Abs 1 KSchG befasst sich eben nur mit der Entgeltlichkeit eines Kostenvoranschlags iSd § 1170a ABGB§ 5 Abs 2 KSchG kehrt die Zweifelsregel dieser Norm über die Gewährleistung der Richtigkeit eines Kostenvoranschlags zu Gunsten des Verbrauchers um (Kathrein in KBB2 § 5 KSchG Rz 3). Erklärt der Unternehmer nicht ausdrücklich, dass er für die Richtigkeit eines Kostenvoranschlags nicht einsteht, so steht ihm kein höheres Entgelt (als in diesem angeführt) zu. Demnach führt zwar der unterlassene Hinweis auf die Unverbindlichkeit des Kostenvoranschlags zu einem Verlust des diesen übersteigenden Entgeltanspruchs des Unternehmers, für den Verlust eines sich in diesem Kostenrahmen bewegenden Honoraranspruchs durch einen Zahnarzt bildet diese Norm aber keine geeignete Grundlage. Insbesondere bleibt unerfindlich, woraus die Beklagte ableiten will, der Zahnarzt dürfe nie mehr als den Betrag nach § 18 Abs 3 Z 1 ZÄG verlangen. Weder das Gesetz noch der vorliegende Heil- und Kostenplan des Klägers bieten irgendeinen Anhaltspunkt dafür, dass dieser Betrag eine Obergrenze bilden würde. Vielmehr knüpft das Gesetz an die Überschreitung eines Honorars in diesem Ausmaß nur die Verpflichtung zur Erstellung eines derartigen Plans an.

Selbst wenn daher im vorliegenden Fall der vom Kläger aufgestellte Heil- und Kostenplan, sei es mangels Einhaltung der Schriftform, sei es mangels entsprechender detaillierter Kalkulation, § 18 Abs 3 ZÄG nicht entsprochen haben soll, gibt es weder im ZÄG noch im KSchG oder im § 879 ABGB eine Grundlage für die Aberkennung eines Teils des Honoraranspruchs des Klägers.

2.) Einen alternativen Weg zur Vermeidung ihrer Zahlungspflicht sieht die Beklagte in der Qualifikation von § 18 Abs 3 ZÄG als Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB. Der Beurteilung der zweiten Instanz, diese Norm beschreibe das gebotene Verhalten für die Annahme eines Schutzgesetzes nicht hinreichend genau, versucht die Beklagte mit Zitaten aus der Lehre zum Konsumentenschutz- und Werkvertragsrecht zu entgegnen. Daraus kann aber über die erforderliche Detaillierung eines Heil- und Kostenplans nach § 18 Abs 3 ZÄG nichts abgeleitet werden, zumal sich weder aus § 1170a ABGB noch § 5 KSchG eine Verpflichtung zur Erstellung von Kostenvoranschlägen ableiten lässt. Abgesehen davon ergibt sich aus dem vorliegenden, einen Teil des Ersturteils bildenden Heil- und Kostenplans des Klägers eindeutig, dass es sich nicht um einen verbindlichen Kostenvoranschlag, sondern - was die reine Kostenseite angeht - um eine unverbindliche Schätzung handelte, was der Zahnarzt ausdrücklich schon auf dem Vordruck erklärte. Dies nahm die Beklagte mit ihrer Unterschrift auch zur Kenntnis. Entgegen der Meinung der Beklagten ergibt sich weder aus dem ZÄG noch aus dem ABGB, wie ein Kostenvoranschlag eines Zahnarztes exakt auszusehen hätte. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb aus dem vorliegenden Heil- und Kostenplan die Art und Zahl der vorgesehenen Behandlungen sowie deren Preis nicht erkennbar wäre. Dass (bei hier vorliegenden runden Summen) eine Verpflichtung des Zahnarztes bestünde, eine für jedermann einfache Addition vorzunehmen, ergibt sich aus dem Gesetz ebenso wenig wie eine Pflicht, dem Patienten den Heil- und Kostenplan in Schriftform (allenfalls mit Unterschrift des Zahnarztes) auszuhändigen. Selbst wenn man aber den Schutzzweck des § 18 Abs 3 ZÄG darin sähe, dem Patienten ein Schriftstück in die Hand zu geben, an Hand dessen er die zu erwartenden Kosten der Behandlung zu Hause nachkontrollieren könnte, wäre dem im konkreten Fall auch durch Ausfolgung eines aus den genannten Gründen unvollständigen Plans wegen dessen leichter Überprüfbarkeit Genüge getan worden. Damit erübrigen sich weitere Erwägungen dazu, inwieweit die schadenersatzrechtliche Norm des § 1311 ABGB dazu führen könnte, dass der Kläger den aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Behandlungsvertrags resultierenden Honoraranspruch verlieren könnte.

3.) Da sich aus den Feststellungen nicht ergibt, dass der Beklagen aus der Behandlung durch den Kläger irgendein Schaden entstanden wäre, erübrigen sich auch weitere Erörterungen zur allfälligen Substantiierungspflicht eines Patienten, der aus einem Aufklärungsversäumnis Ersatzansprüche herleiten will. Es sei nur darauf hingewiesen, dass sich die Lehre und Rechtsprechung zur mangelnden Einwilligung in eine ärztliche Heilbehandlung bei mangelnder ordnungsgemäßer Aufklärung auf die Risiken der Heilbehandlung bezieht und keineswegs auf Honorarfragen. Mit der Einwilligung in eine Körperverletzung seitens des Arztes haben die in dritter Instanz zu behandelnden Fragen nicht das Geringste zu tun (vgl zur Rechtsprechung im Zusammenhang mit der ärztlichen Aufklärung nur Karner in KBB § 1299 Rz 6 mwN).

Demnach vermag die Beklagte mit ihrer Revision eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die zweite Instanz nicht darzustellen.

Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.

Die Revisionsbeantwortung wurde verspätet mit Web-ERV am 16. Oktober 2009 (letzter Tag der Frist 13. Oktober 2009) eingebracht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 40 ZPO.

Textnummer

E93380

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00223.09D.0224.000

Im RIS seit

04.05.2010

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten