TE OGH 2010/3/2 14Os160/09z

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Veröffentlicht am 02.03.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klein als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ionut I***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall und 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. August 2009, GZ 11 Hv 37/09s-151, sowie die Beschwerde gegen den gleichzeitig mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus ihrem Anlass wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II und demzufolge auch im Strafausspruch ebenso wie der gemeinsam mit dem Urteil gefasste Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ionut I***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB (I) und des Vergehens der Kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 (zweiter Fall) StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er

(I) „zwischen Februar und 3. April 2008 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit unbekannten Mittätern mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, gewerbsmäßig folgende Personen durch die Behauptung, zahlungsfähiger und -williger Käufer von den von den Getäuschten über das Internet zum Kauf angebotenen Schmuckstücken zu sein, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Übersendung von Schmuck, mithin zu Handlungen verleitet, die die Genannten an ihrem Vermögen schädigten, wobei Ionut I***** als Mitglied einer Kriminellen Vereinigung für die Entgegennahme der übermittelten Paketsendungen zuständig war, und zwar

a) im Februar 2008 in Kaindorf Dr. Desiree F***** (zur Übersendung) eines Armbands aus Platin/Iridium im Wert von 30.000 Euro

b) im April 2008 in Wien Brigitte U***** (zur Übersendung) eines dreiteiligen Gold-Diamantsets im Wert von 5.000 Euro, wobei es diesbezüglich aufgrund der zuvor erfolgten Festnahme des Angeklagten „beim Versuch blieb";

(II) über einen nicht näher bekannten Zeitraum bis zumindest 3. April 2008 sich an der unter Punkt I genannten Kriminellen Vereinigung gemeinsam mit weiteren unbekannten Mittätern als Mitglied beteiligt, indem er die Pakete mit den betrügerisch herausgelockten Schmuckstücken in Amsterdam im Wissen entgegennahm, hiedurch die von der Vereinigung begangenen gewerbsmäßigen schweren Betrugshandlungen und die Vereinigung selbst zu fördern.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf die Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof - entgegen der Rechtsansicht der Generalprokuratur - von einer nicht gerügten, sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkenden Nichtigkeit iSd § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO (RIS-Justiz RS0092267 [T1]).

Nach dem in § 62 StGB geregelten Territorialitätsprinzip ist österreichische Strafgerichtsbarkeit grundsätzlich für alle im Inland begangenen Taten gegeben, wobei gemäß § 67 Abs 2 StGB der Täter eine mit Strafe bedrohte Handlung unter anderem an jenem Ort begangen hat, an dem er gehandelt hat oder ein dem Tatbild entsprechender Erfolg ganz oder zum Teil eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters hätte eintreten sollen. Dass die Definition des Begehungsorts an die rechtliche Kategorie der mit Strafe bedrohten Handlung (Ratz in WK2 Vor §§ 28-31 Rz 1) anknüpft, ergibt sich schon aus dem auf den Erfolg des Tatbilds abstellenden Gesetzeswortlaut und aus den Gesetzesmaterialien, nach denen die Regelung - anders als § 51 StPO aF (nunmehr §§ 25 und 36 StPO) - eine sinnvolle Abgrenzung des Geltungsbereichs der „Strafdrohungen" (der einzelnen Straftatbestände) aufgrund des Territorialitätsprinzips unter Berücksichtigung der im Inland (strafrechtlich) schützenswerten Rechtsgüter bezweckt (ErläutRV 30 BlgNR 13. GP 180; vgl zum deliktsspezifisch zu prüfenden Schutzbereich inländischer Straftatbestände: Höpfel/Kathrein in WK2 Vor §§ 62-67 Rz 50 und Kienapfel/Höpfel AT13 E 12 Rz 15). Demnach ist die inländische Gerichtsbarkeit auch bei - wie hier vorliegender - Idealkonkurrenz (vgl RIS-Justiz RS0119763) von Betrug und (Beteiligung an) Krimineller Vereinigung für jeden Tatbestand gesondert zu prüfen.

Beim Vergehen der Kriminellen Vereinigung in der hier verwirklichten Begehungsform der Beteiligung als Mitglied (durch Begehung einer strafbaren Handlung im Rahmen ihrer kriminellen Ausrichtung) nach § 278 Abs 1 zweiter Fall (iVm Abs 3 erster Fall) StGB handelt es sich um ein schlichtes Tätigkeitsdelikt, das mit Vornahme der jeweiligen Beteiligungshandlung bereits vollendet wird; im Schutzbereich liegt vorrangig der öffentliche Friede (Plöchl in WK2 § 278 Rz 2 und 44). Ein „dem Tatbild entsprechender Erfolg" im Sinn des § 67 Abs 2 StGB scheidet als Anknüpfungspunkt für die inländische Gerichtsbarkeit - anders als beim vom Schuldspruch I erfassten Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs - in Ansehung des Vergehens der Kriminellen Vereinigung somit aus (vgl jüngst 14 Os 81/09g zur vergleichbaren Konstellation betreffend § 3h VG als schlichtes Tätigkeitsdelikt). Für die Annahme der Generalprokuratur, die Erfolgsanknüpfung beim im Rahmen der Vereinigung verwirklichten Betrug schlage auf die Vereinigung selbst durch, bietet das Gesetz keine Grundlage (vgl RIS-Justiz RS0108960, 11 Os 98/05d; Plöchl in WK2 § 278 Rz 26; Höpfel/Kathrein in WK2 § 67 Rz 9; Kienapfel/Höpfel AT13 E 12 Rz 6).

Dass Art 54 SDÜ einer Verfolgung idealkonkurrierender strafbarer Handlungen in einem zweiten Mitgliedstaat entgegenstehen kann, selbst wenn im (ersten) Urteilsstaat diesbezüglich eine Verfolgung (etwa mangels Strafbarkeit) unterblieben ist, folgt im Übrigen zwingend aus dem vom Europäischen Gerichtshof zur Anwendung gebrachten, rein prozessualen Tatbegriff und der fehlenden Harmonisierung der nationalen Straftatbestände (vgl insbesondere EuGH 9. 3. 2006, C-436/04, van Esbroeck; Nordmeyer, WK-StPO § 190 Rz 33). Selbst im Anwendungsbereich von Art 54 SDÜ kann es aber (ausnahmsweise) zu nach (idealkonkurrierenden) strafbaren Handlungen unterschiedlicher Beurteilung eines Verfolgungshindernisses kommen, wie sich aus Art 55 Abs 1 lit b und Abs 2 SDÜ und dem dazu erklärten Vorbehalt Österreichs mit dem für nationale Interessen besonders relevanten Deliktskatalog ergibt (vgl Ebensperger ÖJZ 1999, 171 [184]; Jung, Zur „Internationalisierung" des Grundsatzes „ne bis in idem" in FS Schüler-Springorum [1993] 499 f).

Feststellungen dahingehend, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Beteiligung an der Kriminellen Vereinigung - deren nähere organisatorische Struktur, personelle Zusammensetzung und örtliche Basis überhaupt ungeklärt blieben (vgl US 13 ff und 25) - Handlungen im Inland gesetzt hätte, sind den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen. Solcherart fehlt es aber an der sachverhaltsmäßigen Basis für die Annahme inländischer Gerichtsbarkeit in Bezug auf den Vorwurf der Kriminellen Vereinigung, weshalb eine Aufhebung des Schuldspruchs II und - da ein Nachholen dieser Feststellungen in einem zweiten Rechtsgang nicht gänzlich auszuschließen ist (vgl Ratz, WK-StPO § 288 Rz 24) - eine Verweisung an das Erstgericht in diesem Umfang unumgänglich sind.

Ein Eingehen auf das diesen Schuldspruch betreffende Beschwerdevorbringen erübrigt sich daher.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen:

Mit dem im Rahmen der Mängelrüge vorgetragenen Einwand (der Sache nach Z 5 zweiter Fall), der Wert des zum Schuldspruch I/a gegenständlichen Schmuckstücks betrage nicht 30.000 Euro, sondern bloß 13.500 Euro, spricht der Beschwerdeführer - angesichts der rechtlichen Unterstellung unter §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB - keine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache an (RIS-Justiz RS0117499).

Soweit dem Erstgericht zur Frage der Schadenshöhe ganz allgemein der Vorwurf unterlassener amtswegiger Wahrheitsforschung gemacht wird (der Sache nach Z 5a), scheitert die Rüge an der erforderlichen Darlegung, wodurch der Beschwerdeführer an entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung (vgl ON 150 S 11) gehindert war (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Dass der Zeuge Marcel F***** den Angeklagten anlässlich einer Lichtbildvorlage (nicht bei einer Gegenüberstellung wie in der Beschwerde fälschlich behauptet - vgl ON 31a S 1g) nicht identifizierte, wurde von den Tatrichtern ausdrücklich gewürdigt (US 20), weshalb das diesbezügliche Vorbringen (Z 5 zweiter Fall) ins Leere geht. Mit seinen in diesem Zusammenhang geäußerten, spekulativen Überlegungen (etwa auch zu Verständigungsproblemen zwischen dem Paketzusteller und ihm selbst) bewegt sich der Beschwerdeführer auf dem Gebiet im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässiger Schuldberufung (RIS-Justiz RS0098400).

Gleiches gilt für die im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5a) erhobene Forderung, das Erstgericht hätte der - als unglaubwürdig verworfenen (US 16) - leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers „zwingend Glauben schenken müssen" (RIS-Justiz RS0099674).

Mit der Behauptung fehlender Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit und zum Wert der betrügerisch herausgelockten Schmuckstücke (verfehlt auch unter Z 9 lit a) wird die solcherart der Sache nach geltend gemachte Subsumtionsrüge (Z 10) mangels Bezugnahme auf die Urteilskonstatierungen (vgl US 6, 12 f zur Gewerbsmäßigkeit und US 6, 10 und 24 zur Schadenshöhe) nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0099810). Hinzu kommt, dass der Angeklagte nicht darlegt, welche darüber hinausgehenden Feststellungen seiner Ansicht nach konkret erforderlich gewesen wären (RIS-Justiz RS0099620). Was mit der „grundsätzlichen Bereitschaft" gemeint ist, hinsichtlich derer Konstatierungen zu treffen gewesen wären, bleibt gänzlich offen.

Dass die Annahme von Gewerbsmäßigkeit bei in einem Fall vollendeter, in einem Fall „versuchter" (vgl aber im Übrigen zum Vollendungszeitpunkt und zur Frage einer erst danach verwirklichten Beitragstäterschaft beim Versandbetrug: Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 134) Tatbegehung unzulässig wäre, wird im Rahmen der Subsumtionsrüge (Z 10) ohne methodengerechte Ableitung aus dem - auf Wiederholungsabsicht abstellenden - Gesetz (§ 70 StGB) bloß behauptet (vgl demgegenüber RIS-Justiz RS0108366; Jerabek in WK2 § 70 Rz 6).

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde war der Angeklagte auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E93341

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0140OS00160.09Z.0302.000

Im RIS seit

30.04.2010

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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