TE OGH 2010/4/21 7Ob42/10t

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Veröffentlicht am 21.04.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** F***** A*****, vertreten durch Dr. Gunter Granner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. N***** GmbH und 2. D***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch MMag. Johannes Pfeifer, Rechtsanwalt in Liezen, wegen Rechnungslegung und Zahlung, über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. November 2009, GZ 1 R 191/09d-30, den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

B e g r ü n d u n g :

Der Kläger macht in der Zulassungsbeschwerde vor allem geltend, auf den vorliegenden Rechtsfall wären die Bestimmungen der §§ 7 und 8 HVG 1921 anzuwenden gewesen. Das Berufungsgericht habe aber zu Unrecht § 8 Abs 2 bis 4 des erst am 1. 3. 1993 in Kraft getretenen HVertrG 1993 herangezogen und deshalb den zwischen den Streitteilen am 12. 6. 1989 abgeschlossenen schriftlichen Handelsvertretervertrag unrichtig ausgelegt. Es seien auch wesentliche Teile der erstgerichtlichen Feststellungen unberücksichtigt geblieben. Dies habe eine Aktenwidrigkeit bewirkt und zu einer Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes geführt. Schließlich habe das Berufungsgericht die Parteien mit seiner Rechtsmeinung, dem Kläger sei auch schon im schriftlichen Vertrag vom 12. 6. 1981 kein Kunden- und Gebietsschutz als Alleinvertreter eingeräumt worden, überrascht, was einen Verstoß gegen § 182a ZPO bedeute.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesen Ausführungen vermag der Revisionswerber keinen tauglichen Grund für die Zulassung seines außerordentlichen Rechtsmittels aufzuzeigen:

Es trifft zwar zu, dass auf den Vertrag vom 12. 6. 1989 noch nicht die Bestimmungen des HVertrG 1993 (BGBl Nr 88/1993), sondern noch das HVG 1921 (BGBl Nr 348/1921) in der am 12. 6. 1989 geltenden Fassung anzuwenden war. § 7 HVG entspricht jedoch dem Abs 3 des § 8 HVertrG und die Bestimmung des § 8 HVG ist im Wesentlichen in § 8 Abs 4 HVertrG enthalten (EB 578 BlgNR 18. GP, 11), weshalb die Bezugnahme des Berufungsgerichts auf diese Bestimmungen des HVertrG keinen relevanten Rechtsfehler bedeutet.

Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936). Dies ist hier nicht der Fall: Die Ansicht des Berufungsgerichts, der schriftliche Handelsvertretervertrag habe nur die Bestellung eines anderen Handelsvertreters, nicht aber das Tätigwerden der Beklagten selbst im betreffenden Gebiet ausgeschlossen, ist nach dem Vertragswortlaut und im Zusammenhalt mit den übrigen festgestellten Umständen zumindest vertretbar.

Eine Aktenwidrigkeit nach § 503 Z 3 ZPO ist nur gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, das heißt, wenn der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde, nicht aber schon dann, wenn das aufgrund der Beweisaufnahme gewonnene Sachverhaltsbild bloß vom Parteienvorbringen abweicht. Erwägungen der Tatsacheninstanzen, weshalb ein Sachverhalt als erwiesen angenommen oder bestimmte Feststellungen nicht getroffen werden können, fallen in das Gebiet der Beweiswürdigung und können daher weder eine Aktenwidrigkeit bilden noch gegen den Dispositionsgrundsatz verstoßen (RIS-Justiz RS0043347). In der Übernahme der Feststellungen des Erstgerichts durch das Berufungsgericht kann schon begrifflich eine Aktenwidrigkeit nicht liegen (RIS-Justiz RS0043240). Das Vorliegen einer Aktenwidrigkeit wird vom Revisionswerber daher zu Unrecht behauptet.

Eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht liegt vor, wenn dieses von den Feststellungen des Erstgerichts ohne Beweiswiederholung oder aufgrund einer unvollständigen Wiederholung der mit dem Beweisthema zusammenhängenden Beweise, auf die das Erstgericht entscheidende Feststellungen gestützt hat, abgeht oder wenn es ohne Beweiswiederholung Feststellungen aufgrund der in erster Instanz aufgenommenen Beweise ergänzt. Betreffen die ergänzten Feststellungen einen für die Entscheidung wesentlichen Umstand, stellt die Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes auch eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0043057 [T11]). Da das Berufungsgericht im vorliegenden Fall weder von Feststellungen des Erstgericht abgegangen ist, noch erstgerichtliche Feststellungen ergänzt hat, liegt auch keine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes und auch in diesem Zusammenhang kein tauglicher Zulassungsgrund vor.

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers konnte die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts die Parteien auch nicht überraschen. Überraschend ist eine Rechtsansicht nur dann, wenn sie von keiner der Parteien vor Schluss der mündlichen Verhandlung ins Treffen geführt wurde und der Prozessgegner keine Gelegenheit zur Stellungnahme hatte (1 Ob 356/98d SZ 72/28 uva; Schragel in Fasching/Konecny2 §§ 182, 182a ZPO Rz 10). Hier wurde bereits in der Klagebeantwortung die Frage der Exklusivität und in der Folge auch die Frage, ob dem Kläger als behauptetem Alleinvermittler Provision zustehe, ausführlich erörtert. Der Einwand des Klägers, die Parteien seien von der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts überrascht worden, ist daher unzutreffend, auch wenn das Erstgericht abweichend von der Ansicht des Berufungsgerichts für die Laufzeit des schriftlichen Handelsvertretervertrags Kunden- und Gebietsschutz angenommen hat.

Da der Revisionswerber demnach insgesamt eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht aufzeigen kann, muss sein außerordentliches Rechtsmittel zurückgewiesen werden. Einer weiteren Begründung bedarf dies nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Schlagworte

Gruppe: Handelsrecht,Gesellschaftsrecht,Wertpapierrecht

Textnummer

E93957

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0070OB00042.10T.0421.000

Im RIS seit

20.06.2010

Zuletzt aktualisiert am

23.06.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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