TE OGH 2010/5/11 4Ob83/10z

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Veröffentlicht am 11.05.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache der D***** K*****, geboren am *****, wegen Zuteilung der Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter V***** K*****, vertreten durch Dr. Brigitta Braunsberger-Lechner, Rechtsanwältin in Steyr, gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 19. März 2010, GZ 1 R 296/09m-S-74, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Auch im Außerstreitverfahren können angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz nicht mehr mit einem Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof geltend gemacht werden, wenn sie vom Gericht zweiter Instanz verneint wurden (RIS-Justiz RS0030748, RS0050037). Anderes gilt zwar dann, wenn das Kindeswohl ein Aufgreifen solcher Mängel erfordert (RIS-Justiz RS0030748 [T2], RS0050037 [T1, T4]). Dafür gibt es aber im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.

Das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen ist nachvollziehbar. Es stellt die Vorzüge und Nachteile der möglichen Obsorgeregelungen ausführlich dar und kommt mit schlüssiger Argumentation zum Ergebnis, dass eine gemeinsame Obsorge mit überwiegendem Aufenthalt beim Vater die beste Lösung für das Kind wäre. Sollte eine solche Regelung - wie hier - mangels Einvernehmen der Eltern nicht getroffen werden können, sei die alleinige Obsorge des Vaters, verbunden mit einem weitreichenden Besuchsrecht der Mutter, die zweitbeste Variante.

Wenn die Vorinstanzen auf dieser Grundlage für die Obsorge des Vaters entschieden haben, ist das nicht zu beanstanden. Es hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab, welchem Elternteil nach einer Trennung die Obsorge zu übertragen ist (RIS-Justiz RS0007101). Im vorliegenden Fall sprechen zwar das Alter des Kindes (RIS-Justiz RS0047911) und die bisherigen Betreuungsverhältnisse (RIS-Justiz RS0047903) für die Obsorge der Mutter. Ein grundsätzliches Vorrecht auf Pflege und Erziehung hat sie aber nicht; maßgebend ist vielmehr, welche Obsorgeregelung am ehesten dem Wohl des Kindes entspricht (RIS-Justiz RS0047830, RS0047911; zuletzt etwa 5 Ob 207/08i und 1 Ob 40/08a). Dabei weisen im konkreten Fall beide (rechtlich) möglichen Lösungen - dh die alleinige Obsorge des Vaters oder der Mutter - wie nicht anders zu erwarten sowohl Vor- als auch Nachteile auf. Die Einschätzung der Vorinstanzen, dass die Obsorge des Vaters wegen der dadurch eher geförderten kognitiven und sozialen Entwicklung des Kindes jener der Mutter vorzuziehen ist, überschreitet den ihnen notwendigerweise zustehenden Ermessensspielraum nicht.

Für diese Entscheidung war allerdings von ausschlaggebender Bedeutung, dass der Vater zu einer umfassenden Kooperation mit der Mutter bereit war. Dadurch ist eine Betreuung des Kindes gewährleistet, die einer gemeinsamen Obsorge zumindest nahe kommt. Das ermöglicht einen weitgehenden Ausgleich der auf beiden Seiten bestehenden Stärken und Schwächen. Sollte sich diese Haltung des Vaters ändern, könnte die damit verbundene Gefährdung des Kindeswohls unter Umständen die Übertragung der Obsorge auf die Mutter erfordern.

Textnummer

E94095

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00083.10Z.0511.000

Im RIS seit

07.07.2010

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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