TE OGH 2010/6/22 11Os62/10t

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Veröffentlicht am 22.06.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juni 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Spreitzer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Isuf B***** und Jahush Be***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Jahush Be***** sowie die Berufung des Angeklagten Isuf B***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 21. Jänner 2010, GZ 35 Hv 209/09v-132, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Jahush Be***** sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Isuf B***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./) sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz zweiter Fall SMG (C./) und Jahush Be***** (richtig:) mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (B./) sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz zweiter Fall SMG (C./) schuldig erkannt.

Danach haben zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten zwischen Sommer 2008 und 13. September 2009 im Großraum Innsbruck und an anderen Orten

A./ Isuf B***** durch den im Zuge einer Vielzahl von Teilhandlungen erfolgenden gewinnbringenden Verkauf von insgesamt ca 780 Gramm Heroin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 25 % an abgesondert verfolgte Personen vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, wobei er die Tat in Bezug auf ein Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge begangen hat;

B./ Jahush Be***** im Sommer 2009 zur Ausführung der unter A./ angeführten Tat beigetragen, indem er für diesen ca 200 Gramm Heroin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 25 % in einer Dose in einem Versteck in der Nähe seiner Wohnung vergrub und im Zuge von drei Teilhandlungen insgesamt ca 150 Gramm Heroin wieder ausgrub und an B***** übergab, welches dieser anschließend Dritten überließ, wobei er die Taten in Bezug auf eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) jedenfalls mehrfach, das 15-fache der Grenzmenge im Zweifel aber nicht übersteigenden Menge beging;

C./ Isuf B***** und Jahush Be***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) am 13. September 2009 durch das Innehaben von ca 50 Gramm Heroin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 25 % anlässlich ihrer Verhaftung vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) jedenfalls übersteigender Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte Jahush Be***** mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Im Ergebnis zutreffend macht der Beschwerdeführer einen Rechtsfehler mangels Feststellungen (der Sache nach Z 10) geltend, weil in Bezug auf die inkriminierten Mengen an Suchtgift die Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht ausreichen.

Das Erstgericht hat den Reinheitsgehalt des in Bruttomengen angegebenen Suchtgifts in objektiver Hinsicht (vgl dazu RIS-Justiz RS0111350) festgestellt. Betreffend den Vorsatz beider Angeklagter ist es aber lediglich davon ausgegangen, dass diese gewusst hätten, „dass Heroin eine verbotene Substanz ist, deren Erwerb, Besitz und Weitergabe verboten ist“. Im Hinblick auf die lebhafte Diskussion der Drogenproblematik in der Öffentlichkeit müsse „ihnen auch das Wissen unterstellt werden, dass Heroinmengen von 12 Gramm und mehr“ - ohne an dieser Stelle zwischen Brutto- und Nettomengen zu unterscheiden - „groß und daher geeignet sind, im Fall der Weitergabe in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen“. Der Angeklagte Isuf B***** habe „auch mit der Möglichkeit gerechnet und sich damit abgefunden, dass die von ihm insgesamt in Verkehr gesetzte Heroinmenge mindestens das 25-fache der sogenannten Grenzmenge“ ausmache (US 6).

Somit fehlt es aber in Ansehung des Beschwerdeführers Jahush Be***** zufolge mangelnder Bezugnahme auf die von ihm tatsächlich verhandelte bzw für den Suchtgifthandel vorbereitete Menge an Heroin in Reinsubstanz (die allein rechtlich entscheidend ist) an dem - unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion unter die Tatbestände der §§ 28a Abs 1 fünfter Fall und 28 Abs 1 erster Satz zweiter Fall SMG - in subjektiver Hinsicht unbedingt erforderlichen Sachverhaltsbezug (vgl RIS-Justiz RS0119090).

Aus Anlass dieser Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass die angefochtene Entscheidung zum Nachteil des Angeklagten Isuf B***** mit dem selben - von Amts wegen wahrzunehmenden (§ 290 Abs 1 StPO) - Nichtigkeitsgrund behaftet ist, weil betreffend seine Person dem an die subjektive Tatseite gestellten Feststellungserfordernis durch die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts ohne Bezugnahme auf die tatsächlich in Reinsubstanz verhandelte bzw dazu vorbereitete Menge an Suchtgift ebenso wenig Genüge getan wurde.

Das Urteil war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur (§ 24 StPO) - in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten (auf deren weiteres Vorbringen sich ein Eingehen erübrigt) sowie aus deren Anlass aufzuheben; die Angeklagten waren mit ihren Berufungen hierauf zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang werden im Fall erneuter Schuldsprüche Feststellungen auch in Bezug auf die subjekte Tatseite, in Betreff des Zweitangeklagten überdies zur Beitragstäterschaft zum Reinheitsgehalt der von der Anklage umfassten Suchtgiftmengen zu treffen und - der Bestimmung des § 270 Abs 2 Z 5 StPO entsprechend - zu begründen sein.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass § 28a Abs 4 Z 3 SMG eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz darstellt, sodass gleichartige strafbare Handlungen nach § 28a Abs 1 SMG, die in dieser Weise qualifiziert sind, stets nur ein einziges Verbrechen nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG begründen (RIS-Justiz RS0117464). Verwirklicht der Täter diesen Qualifikationstatbestand in Ansehung eines Vielfachen des 25-fachen der Grenzmenge, so haftet er dennoch nur für ein solcherart qualifiziertes Verbrechen. Demzufolge kann bei der Strafbemessung zwar nicht die wiederholte Verbrechensbegehung als erschwerend berücksichtigt werden, wie dies fallbezogen betreffend Isuf B***** geschehen ist, sehr wohl aber die Überschreitung der Qualifikationsgrenze um ein Vielfaches.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E94413

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0110OS00062.10T.0622.000

Im RIS seit

05.08.2010

Zuletzt aktualisiert am

05.08.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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