TE OGH 2010/6/30 3Ob92/10s

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Veröffentlicht am 30.06.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

 Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei T***** AG, *****, vertreten durch Dr. Armin Bammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 934,50 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. März 2010, GZ 60 R 24/09y-20, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 9. Jänner 2009, GZ 9 C 263/08d-14, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Zwei junge Erwachsene buchten einen einwöchigen Griechenlandurlaub am Sandstrand, um „Party zu machen“. Sie wählten ein Strandhotel in unmittelbarer Nähe einer bekannten „Lokalmeile“ mit vielen Abendunterhaltungsmöglichkeiten. Der beklagte Veranstalter brachte sie aber in einem vom belebten Ort 12 km entfernten Hotel unter, das überdies vom Kiesstrand etwas entfernt war und weniger Freizeiteinrichtungen aufwies als das gebuchte Hotel. Die Urlauber mussten mit dem (teilweise unverlässlich verkehrenden) Linienbus oder auch mit dem Taxi zum Ort mit den Abendunterhaltungsmöglichkeiten fahren; die nächtliche Rückfahrt war nur mit dem Taxi möglich. Die Kosten hiefür betrugen 200 EUR. Diesen Betrag sprach das Berufungsgericht als Mangelfolgeschaden ebenso zu wie eine Preisminderung in Höhe von 35 % des Reisepreises.

Beide Vorinstanzen wiesen das Schadenersatz(mehr)begehren wegen entgangener Urlaubsfreude ab. Die „im höheren Bereich angesiedelte“ Preisminderung gelte auch den immateriellen Schaden ab.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, diese Beurteilung des Berufungsgerichts widerspreche der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Trennung des Preisminderungsanspruchs (Gewährleistung) vom Ersatz des immateriellen Schadens infolge Entgangs der Urlaubsfreude. Das Berufungsgericht hätte den (zusätzlich) zustehenden Schadenersatz betraglich ausweisen müssen.

Der vom Kläger ins Treffen geführten Entscheidung 6 Ob 231/08a (= EvBl 2010/29 = ecolex 2009/406) ist zwar die begriffliche Trennung von Preisminderung (Gewährleistung) und Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude und der Rechtssatz zu entnehmen, dass für die „Erheblichkeit“ der Beeinträchtigung nicht auf die (hypothetische) Preisminderung abgestellt werden kann. Der Oberste Gerichtshof lehnte es aber nicht grundsätzlich ab, dass die durch die Mängel hervorgerufenen (immateriellen) Unlustgefühle durch die Preisminderung angemessen mitabgegolten sein können, er verneinte dies nur im dort zu entscheidenden Fall (fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeit und fehlender Sandstrand bei Familienbadeurlaub) wegen Überschreitens der sogenannten Erheblichkeitsschwelle.

In diesem Fall erbrachte der Reiseveranstalter zwar ebenfalls einen erheblichen Teil seiner geschuldeten Leistung nicht (Hotellage und -ausstattung), den Urlaubern war es aber möglich, einen Großteil der von ihnen gewünschten Urlaubsgestaltung („Partymachen“, Lokalbesuche in dem ausgesuchten Ort) umzusetzen. Die ihnen durch die Hoteländerung verursachten Mehrkosten (Taxispesen) muss der Veranstalter ebenso ersetzen wie die subjektive Äquivalenzstörung (Preisminderung). Die darüber hinaus mit der Minderleistung verbundenen Unlustgefühle (fehlender Minigolfplatz, notwendige Anreise zur Lokalmeile) als mit der - großzügig bemessenen - Preisminderung mitabgegolten zu sehen, begründet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung der im Sinn eines beweglichen Systems (10 Ob 20/05x; 4 Ob 130/09k) abzuwägenden Umstände des Einzelfalls (vgl 6 Ob 251/05p). Der Ersatzausspruch nach § 31e Abs 3 KSchG setzt eine über bloße Unlustgefühle hinausgehende Beeinträchtigung der Urlaubsfreude voraus (2 Ob 79/06s; 3 Ob 220/06h). Ob im Einzelfall diese Erheblichkeitsschwelle überschritten wird, begründet keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt nur bei einem Widerspruch innerhalb des Spruchs der Entscheidung vor (RIS-Justiz RS0042171, RS0042133).

Textnummer

E94516

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00092.10S.0630.000

Im RIS seit

19.08.2010

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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