TE OGH 2009/9/18 6Ob231/08a

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Veröffentlicht am 18.09.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Elmar Reinitzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.762,42 EUR sA (Streitwert im Revisionsverfahren 280 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Juni 2008, GZ 60 R 61/08p-14, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 27. Februar 2008, GZ 19 C 506/07m-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird auf „T***** GmbH" berichtigt.

2. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben wie folgt:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 739 EUR samt 4 % Zinsen seit 17. 8. 2007 zu bezahlen sowie die mit 1.520,44 EUR (darin 238,90 EUR USt und 87 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie die mit 679,16 EUR (darin 108,36 EUR USt und 29 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 620,82 EUR (darin 74,30 EUR USt und 175 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei macht als ein Verband im Sinn des § 29 KSchG einen an sie abgetretenen Anspruch geltend. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr das Begehren auf Zahlung von 280 EUR als Schadenersatz für entgangene Urlaubsfreude.

Dipl.-Dolm. Elisabeth S***** buchte für sich, ihren Ehemann Dr. Josef S***** und ihren Enkel Simon über das Reisebüro F***** eine von der beklagten Partei veranstaltete Pauschalreise nach Zypern inklusive Flug und Hotel vom 31. 10. 2006 bis 7. 11. 2006. Die beklagte Partei erhielt einen Reisepreis von 2.556 EUR.

Die Ehegatten S***** wollten mit ihrem damals 5 3/4jährigen Enkelsohn verreisen. Mag. Elisabeth S***** suchte das Reisebüro auf und suchte mit einer Reisebüromitarbeiterin nach einer geeigneten Unterbringung. Die Hotelanlage sollte jedenfalls über Kinderbetreuungsmöglichkeiten sowie über einen Sandstrand verfügen. Im Katalog der Beklagten fanden sie die Hotelanlage Hotel Alexander the Great Beach, welche den Vorgaben der Familie S*****, nämlich Sandstrand und Kinderbetreuungsmöglichkeiten, entsprach. Das Hotel war - auszugsweise - wie folgt beschrieben:

„Strand

schön angelegter Sandstrand (blaue Flagge). Liegen und Schirme gegen Gebühr.

...

Kinder

Separates Kinderbecken, Kindergarten (3 bis 12 Jahre) mit Aufsicht und Freitzeitprogramm. Spielzimmer, Spielplatz, Babysitter auf Anfrage gegen Gebühr, frühzeitiges Abendessen, Hochstühle, Gitterbett inklusive."

Im Katalog war unter anderem ein Bild abgedruckt, welches den Pool und den vor dem Hotel gelegenen Strand inklusive Meer darstellte.

Tatsächlich führte jedoch von der Liegewiese eine steile Stiege direkt ins Meer, wobei es direkt vor dem Hotel keinen Sandstrand gab. Während des gesamten Urlaubsaufenthalts gab es vor dieser Stiege keinen Sandstrandstreifen. Weiter links befand sich ein ca 3 bis 4 m breiter Sandstrandabschnitt, welcher aber völlig mit kaputten Liegen, alten Matten, Autoreifen und sonstigem Unrat übersät war. Dieser Strandabschnitt war wegen der völligen Verschmutzung für die Familie S***** unbenützbar. Offensichtlich hatte es kurz davor ein Unwetter gegeben, bei dem einiges angeschwemmt worden war. Der Sandstrand befand sich aber während der gesamten Urlaubszeit der Familie S***** im gleichen Zustand; er wurde in dieser Zeit nicht gesäubert. Weiter links befand sich in einer Entfernung von ca 500 m ein Strand, der über keinerlei Strandinfrastruktur (Liegen, Duschen usw) verfügte. Die Familie S***** brachte Hotelliegen zu diesem Strand und hielt sich zum Teil dort auf. Sie konnte wegen der Verschmutzung des Wassers nicht im Meer baden. Während des Aufenthalts der Familie S***** herrschte in Zypern schlechtes Wetter; „kurz davor gab es Gewitter mit Murenabgängen, wie es sie vor 100 Jahren das letzte Mal gegeben hat".

Nachdem die Familie S***** am 1. Tag nach ihrer Ankunft einen Eingewöhnungstag mit ihrem Enkel in der Anlage verbrachte, um sich mit der Anlage vertraut zu machen, wollten sie am nächsten Tag, nämlich am Donnerstag, die Kinderbetreuung erstmals in Anspruch nehmen. Da der Kindergarten verschlossen war, fragte Mag. S***** an der Rezeption nach. Dort wurde ihr die Auskunft gegeben, der Kindergarten wäre erst am Nachmittag offen. Aber auch am Nachmittag fand Mag. S***** beim Kindergarten lediglich eine verschlossene Tür vor. Nachdem das Begrüßungsgespräch für den Folgetag (Freitag) angekündigt war, wollte Mag. S***** mit der Betreuerin der Beklagten darüber sprechen. Am Freitag begab sich das Ehepaar S***** zur Betreuerin, Birgit K*****, und sprach sie auf die fehlende Kinderbetreuung an. Birgit K***** nahm das Anliegen der Familie S***** ernst und zog jemanden vom Hotelmanagement dem Gespräch bei. Dieser Hotelmanager meinte, dass die Kinderbetreuung am Nachmittag vorhanden sein würde und Mag. S***** bei der Rezeption nachfragen sollte. Am Freitag-Nachmittag begab sich Mag. S***** zur Rezeption und wurde wieder einmal auf den Kindergarten verwiesen. Beim Kindergarten war aber wiederum niemand anwesend; der Kindergarten war verschlossen. Während des gesamten Urlaubsaufenthalts der Familie S***** war der Kindergarten verschlossen, vor dem Kindergarten befand sich ein ca 50 m2 großer Rasen mit einer kleinen Rutsche und einer ebenso kleinen Burg. Darüberhinaus gab es weder einen Kinderspielplatz noch ein Kinderspielzimmer.

Die Ehegatten S***** traten ihre Ansprüche an den klagenden Verband ab. Dieser begehrte in der am 7. 8. 2007 eingebrachten Mahnklage Preisminderung in Höhe von 20 % für fehlende Kinderbetreuung, Spielplatz und Spielzimmer sowie weitere 20 % für den fehlenden Sandstrand sowie Schadenersatz für entgangene Urlaubsfreude für zwei Erwachsene in Höhe von 50 EUR pro Tag, insgesamt 700 EUR, sowie für ein Kind in Höhe von 30 EUR pro Tag, insgesamt 210 EUR.

Zur Begründung des Schadenersatzanspruchs wegen entgangener Urlaubsfreude brachte die klagende Partei vor (ON 4), die fehlende Kinderbetreuung habe zu einer erheblichen, nicht vorhersehbaren Belastung für die Ehegatten S***** geführt. Der Erholungswert sei daher nicht gegeben gewesen. Der fehlende Strand habe sich als erschwerend ausgewirkt.

Das Erstgericht sprach für das Fehlen des Sandstrandes eine Preisminderung von 15 % und für die fehlende Kinderbetreuung und das Fehlen weiterer Kinderangebote eine weitere Preisminderung von 10 % zu. Das Mehrbegehren wies es ab.

Zum - im Revisionsverfahren allein strittigen - Schadenersatz für entgangene Urlaubsfreude erwog das Erstgericht in rechtlicher Sicht, durch das Abstellen auf die Nichterbringung eines „erheblichen Teils der vertraglich vereinbarten Leistung" in § 31e Abs 3 KSchG solle zum Ausdruck gebracht werden, dass bloß geringfügige Vertragsverletzungen des Reiseveranstalters nicht durch einen Anspruch auf immateriellen Schadenersatz sanktioniert werden sollen. Ein „erheblicher Teil" solle dann vorliegen, wenn die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Urlaubsart den Urlaub ganz oder teilweise als vertan erscheinen lasse. Im vorliegenden Fall hätten das völlige Fehlen der Kinderbetreuung und der verschmutzte Strand, die insgesamt eine Preisminderung von 25 % rechtfertigten, noch nicht zum Fehlen eines erheblichen Teils der vertraglich vereinbarten Leistung geführt. Diese Mängel überschritten die Erheblichkeitsschwelle nicht, sodass die entgangene Urlaubsfreude mit der Reisepreisminderung abgegolten sei (unter Berufung auf 2 Ob 79/06s).

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Zum Anspruch auf Ersatz für entgangene Urlaubsfreude führte es aus, der österreichische Gesetzgeber habe ausdrücklich davon abgesehen, die Erheblichkeitsschwelle im Gesetz näher zu präzisieren, etwa dem Reisenden einen Anspruch auf Ersatz der entgangenen Urlaubsfreude erst zuzugestehen, wenn er wegen der Mangelhaftigkeit der Leistung zu einer Preisminderung von mehr als 50 % des Reisepreises berechtigt sei (10 Ob 20/05x). Da die Kinderbetreuung im vorliegenden Fall einen wesentlichen Teil des Pauschalreisevertrags betreffe und nicht erbracht worden sei, sei grundsätzlich der Anspruch nach § 31e Abs 3 KSchG gegeben. Dem Reisenden könne der Anspruch auf Ersatz der entgangenen Urlaubsfreude auch im Rahmen der Geltendmachung von Preisminderungsansprüchen abgegolten werden (10 Ob 20/05x). Der Zuspruch eines Preisminderungsbetrags von 15 % für die fehlende Kinderbetreuung sei im oberen Bereich ausgemessen. Damit sei der Schadenersatz gemäß § 31e Abs 3 KSchG bereits durch den Zuspruch eines hohen Preisminderungsbetrags mitabgegolten.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil das Berufungsgericht nicht von der „auszugsweise zitierten" höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen sei.

Die klagende Partei ficht das Berufungsurteil mit außerordentlicher Revision insoweit an, als Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude für die Ehegatten S***** von 20 EUR pro Person und Tag, insgesamt 280 EUR, begehrt wird.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist im Interesse der Rechtssicherheit zulässig; sie ist auch berechtigt.

1.1. Nach § 31e Abs 3 KSchG hat der Reisende, wenn der Reiseveranstalter einen erheblichen Teil der vertraglich vereinbarten Leistungen nicht erbracht hat und dies auf einem dem Reiseveranstalter zurechenbaren Verschulden beruht, auch Anspruch auf angemessenen Ersatz der entgangenen Urlaubsfreude. Bei der Bemessung dieses Ersatzanspruchs ist insbesondere auf die Schwere und Dauer des Mangels, den Grad des Verschuldens, den vereinbarten Zweck der Reise sowie die Höhe des Reisepreises Bedacht zu nehmen.

1.2. Diese Bestimmung wurde durch das Zivilrechtsänderungsgesetz 2004 (BGBl I 2003/91) eingefügt. Durch diese Regelung sollten Unsicherheiten bei der Anwendung der Pauschalreiserichtlinie ausgeschlossen werden (ErläutRV 173 BlgNr 22. GP). Hintergrund der Neuregelung war die über ein Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichts Linz ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 12. 3. 2002, Rs C-168/00, Leitner gegen TUI, wonach gemäß Art 5 der Pauschalreise-Richtlinie dem Verbraucher „grundsätzlich" ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens zusteht, der auf der Nichterfüllung oder einer mangelhaften Erfüllung der eine Pauschalreise ausmachenden Leistungen beruht. In diesem Fall war die 10-jährige Klägerin im Rahmen eines zweiwöchigen Cluburlaubs in der Türkei an einer Salmonellenvergiftung erkrankt, die ihre Ursache in den im Club angebotenen Speisen hatte. Sie musste in der zweiten Urlaubswoche im Krankenbett von ihren Eltern gepflegt werden, sodass sie diese zweite Woche nicht mehr genießen konnte. Auch die Eltern waren in Mitleidenschaft gezogen, weil sie ihre Tochter pflegen mussten. Das Landesgericht Linz hielt einen Betrag von 50 bis 60 EUR pro Tag angemessen (ZVR 2002/69 [Kathrein]).

1.3. Die Erläuterungen zum Zivilrechtsänderungsgesetz 2004 verweisen ausdrücklich auf diese Entscheidung. Außerdem führen die Materialien aus, die Ersatzbeträge sollten in einem angemessenen Verhältnis zu den von der Rechtsprechung festgelegten Schmerzengeldbeträgen stehen (vgl ErläutRV 173 BlgNR 22. GP 1, 23).

2.1. Anspruch auf Schadenersatz besteht nach § 31e Abs 3 KSchG nur, wenn ein erheblicher Teil der vertraglich vereinbarten Leistung nicht erbracht wurde (vgl 2 Ob 79/06s).

2.2. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 173 BlgNR 22. GP 1, 23) sei ein Anspruch wegen entgangener Urlaubsfreude bei bloß geringfügigen Mängeln nicht zielführend, weil die Urlaubsfreude bei bloß geringfügigen Beeinträchtigungen (zB einer geringfügigen Verspätung, dem Ausfall einer Abendveranstaltung oder einem Unterkunftsmangel, der rasch und vollständig behoben wird) im Allgemeinen nicht vergällt sein werde. Auch wäre es unangemessen und sachlich nicht gerechtfertigt, im Bereich des Schadenersatzes für Pauschalreisen auf eine Erheblichkeitsschwelle zu verzichten, in anderen Fällen des ideellen Schadenersatzes (vgl § 1328a ABGB) dagegen auf diesem Erfordernis aus guten Gründen zu bestehen. Daher solle eine Schwelle vorgesehen werden, wie dies auch in anderen Mitgliedstaaten der Fall ist. Die Materialien verweisen hierzu auf § 651f Abs 2 BGB. Der Entwurf sehe aber davon ab, diese Schwelle näher zu präzisieren, etwa indem dem Reisenden Anspruch auf Ersatz der entgangenen Urlaubsfreude erst bei einem Mangel, der ihn zu einer Preisminderung von mehr als 50 % des Reisepreises berechtigt, zustehe.

3.1. In der Rechtsprechung werden zur Präzisierung der Erheblichkeitsschwelle unterschiedliche Standpunkte vertreten (vgl den Überblick bei Mair/Stanke, Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude in der Rsp, ecolex 2008, 708). Nach der Entscheidung 2 Ob 79/06s ist die Ersatzfähigkeit - zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Gefüge des österreichischen Schadenersatzrechts - nur dann gegeben, wenn die immateriellen Nachteile über bloße Unlustgefühle hinausgehen und ihnen nicht nur unerhebliches Gewicht zukommt. Es bedürfe daher auch im Ersatz der entgangenen Urlaubsfreude der Einziehung einer „Erheblichkeitsschwelle". Aus dem Vergleich mit anderen Normen, die den Ersatz ideeller Nachteile regelmäßig von einer intensiven Beeinträchtigung abhängig machen, ergebe sich, dass eine nicht zu niedrig anzusetzende Erheblichkeitsschwelle auch dem österreichischen Schadenersatz immanent sei. Bedenke man für den Bereich des Pauschalreisevertrags, dass Reisemängel in erster Linie durch die Gewährung einer Preisminderung ausgeglichen werden, deren Höhe davon abhängig ist, inwieweit die Gesamtleistung durch das Zurückbleiben des Geleisteten vom Geschuldeten abweicht, so sei zu erkennen, dass damit in weniger gravierenden Fällen auch die mit mangelhaften Reiseleistungen typischerweise verbundenen Unlustgefühle mitabgegolten seien, hätten diese doch in Beurteilung des Grads der Entwertung miteinzufließen. Nur für darüber hinausgehende ideelle Beeinträchtigungen käme ein zusätzlicher Ersatzanspruch in Betracht. Im konkreten Fall verneinte der Oberste Gerichtshof jedoch ein Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle. Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem den Klägern bei ihrer viertägigen Rundreise Unannehmlichkeiten dadurch entstanden, dass das Gepäck nicht zur Verfügung stand. Ein Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle sah der Oberste Gerichtshof darin aber nicht.

3.2. In der Entscheidung 3 Ob 220/06h sprach der Oberste Gerichtshof bei einer Preisminderung von 30 % aus, dass in weniger gravierenden Fällen auch die mit mangelhaften Reiseleistungen typischerweise verbundenen Unlustgefühle mitabgegolten seien. Demgegenüber sah der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 Ob 20/05x den Mangel, einen in zwei getrennten Schlafzimmern gebuchten Familienurlaub in einem 4-Bett-Zimmer verbringen zu müssen, als derart gravierend an, dass die Erheblichkeitsschwelle überschritten sei, obgleich nur eine Reisepreisminderung von 15 % zugestanden wurde.

3.3. Die zweitinstanzliche Rechtsprechung nimmt vielfach eine Untergrenze von 50 % Preisminderung an. So sprach das Handelsgericht Wien (1 R 30/06t) im Fall einer Preisminderung von 50 %, die sich daraus ergab, dass fast während der gesamten Urlaubsdauer täglich für etwa zwei Stunden übelriechende, toxische Rauchwolken aus einer benachbarten Mülldeponie über die Anlage zogen, auch Schadenersatz für entgangene Urlaubsfreude zu. Ebenso wurde vom Handelsgericht Wien in 50 R 61/05k bei einer Preisminderung in der Höhe von 50 % wegen desolater und unsauberer Zustände auf einem Kreuzfahrtschiff ein Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreuden zugestanden.

3.4. Teilweise wird jedoch auch bei geringerer Preisminderung Schadenersatz zugesprochen. So sah das Handelsgericht Wien in 1 R 153/07g auch bei einer Preisminderung von nur 45 % wegen Baulärm, nicht benutzbarem Strand, eingeschränktem Buffet und Schimmel im Badezimmer Schadenersatz für entgangene Urlaubsfreude für gerechtfertigt an. In einer Entscheidung des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien (2 C 944/05w) wurde bei einer Preisminderung von 40 % aufgrund diverser Mängel sowie der Renovierungsbedürftigkeit des Hotels Schadenersatz auch für entgangene Urlaubsfreude zugesprochen.

3.5. Nach einer weiteren Entscheidung des Handelsgerichts Wien (1 R 230/07f) ist die Erheblichkeitsschwelle überschritten, wenn es täglich zwischen 6.00 und 23:00 Uhr zu Lärmbelästigung wegen Flugbewegungen kommt, sodass die Fensterscheiben vibrieren und Gespräche unterbrochen werden. Selbst wenn die Minderung des Reisepreises mit nur 30 % festgesetzt worden sei, müsse eine gesetzeskonforme Interpretation zu einem Anspruch auf Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude führen. Die von der Judikatur geforderte Erheblichkeitsschwelle sei angesichts des massiven Fluglärms jedenfalls überschritten.

3.6. Das Landesgericht Feldkirch sprach in einer Entscheidung (3 R 93/04f) bei einer Reisepreisminderung von 30 % wegen Lärm aus der Küche, der Nähe der Bushaltestelle und der Bühne und von 10 % wegen Häufung der Mängel in der Ausstattung des Appartements eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude zu.

3.7. In einer weiteren Entscheidung sprach das Handelsgericht Wien (1 R 50/04f, wiedergegeben bei Schmidt in Saria, Reise ins Ungewisse [2005] 159) einen Betrag von 600 EUR für entgangene Urlaubsfreude zu. Hier war ein Reisender von einer gebuchten Karibikreise mit einem Preis von 4.300 EUR zu Recht zurückgetreten. Der Zweck der Reise, nämlich einen Teil des Winters in tropischer Wärme zu verbringen, sei für die laufende Saison unwiederbringlich vereitelt worden.

3.8. Hingegen verneinte das Landesgericht Linz (37 R 202/06b) bei einer Flugverspätung von 17 Stunden und Fehlen der Meeressicht für die Dauer von drei Tagen ein Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle.

3.9. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien (4 R 13/06w) sei der entscheidende Maßstab nicht die Höhe der für die Mangelhaftigkeit der Leistung erzielbaren Preisminderung, sondern die Auswirkung der Nicht- bzw. Schlechterfüllung auf die gesamte Pauschalreise. So könne etwa auch das Verabreichen einer einzigen (verdorbenen) Mahlzeit, wie in 15 R 5/00m, den immateriellen Schadenersatz auslösen. Dies gelte auch für den Fall, dass ein einziges defektes Sportgerät zur Verletzung eines Kindes und damit zu einer weitreichenden Beeinträchtigung des gesamten Familienurlaubs führe.

4.1. Im Schrifttum werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. So vergleicht Riedler (Änderungen des KSchG durch das ZRÄG 2004, RZ 2003, 266; ders, Bemessung des Schadenersatzes für entgangene Urlaubsfreude unter Berücksichtigung der Preisminderung für Reisemängel, ZVR 2008, 408 [411]) die Erheblichkeit in § 31e Abs 3 KSchG mit anderen Grenzen. Das Pauschalreiserecht selbst kenne nämlich in mehreren Bestimmungen - § 31c Abs 2, § 31e Abs 1 und 3 KSchG - ebenfalls Erheblichkeitsschwellen. Nach § 31c Abs 2 KSchG könne sich der Reiseveranstalter vertraglich ein Recht zur einseitigen nachträglichen Änderung wesentlicher Bestandteile des Vertrags vorbehalten. Ändere der Reiseveranstalter den vereinbarten Reisepreis oder einen anderen wesentlichen Bestandteil des Vertrags jedoch erheblich, so könne der Reisende vom Vertrag zurücktreten oder die Teilnahme an einer Ersatzreise begehren. Dabei werde in der Lehre vertreten, dass eine erhebliche Änderung jedenfalls bei einer Erhöhung des ursprünglichen Reisepreises um mehr als 10 % vorliege. Diese 10 % Erheblichkeitsschwelle lasse sich jedoch nicht ohne weiteres auf § 31e Abs 3 KSchG übertragen. Hingegen sei zu überlegen, die Erheblichkeitsschwelle des § 31e Abs 3 KSchG mit dem auch im allgemeinen Gewährleistungsrecht bekannten Begriff des unerheblichen Mangels (§ 932 Abs 2 ABGB aF) zu „harmonisieren", bei welchem dem Gewährleistungsberechtigten keinerlei Gewährleistungsrechte oder -ansprüche und damit auch keinerlei Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude zukommen. Diese Ansicht sei systemimmanent und stehe insbesondere im Einklang mit dem allgemeinen Gewährleistungsrecht des ABGB und decke sich auch mit den Materialien. Bei Buchung einer Reise gehe es vorrangig um den Erholungswert; dies sei auch der „erkennbare Hauptzweck" des Vertrags, sodass die Anforderungen an die Erheblichkeitsschwelle des § 31e Abs 3 KSchG auch aus diesem Grunde gering gehalten werden sollten. Daraus ergebe sich, dass ein Anspruch auf Ersatz wegen entgangener Urlaubsfreude nach § 31e Abs 3 KSchG von vornherein nur dann nicht in Betracht komme, wenn ein nur unerheblicher Teil der vertraglich bedungenen Leistungen nicht erbracht worden sei, also nur ein unerheblicher Mangel vorliege, der weder Gewährleistungs- noch Schadenersatzpflichten des Veranstalters auslöse, also zum Beispiel kein Preisminderungsrecht des Reisenden begründe. Funktionierten hingegen nur geringfügige Kleinigkeiten nicht oder nicht ausreichend, so komme wegen dieser bloß geringfügigen (= unerheblichen) Mängel dem Reisenden weder ein Preisminderungsrecht noch ein Anspruch auf Ersatz entgangener Urlaubsfreude zu.

4.2. Nach P. Bydlinski (Geld statt Urlaubsfreuden nun auch in Österreich - zwei Fragen zum neuen § 31e Abs 3 KSchG, JBl 2004, 66) komme es beim Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle nicht auf ein quantitatives Moment an. Vielmehr sei auf die Auswirkungen der Nicht- bzw Schlechterfüllung auf die gesamte Pauschalreise abzustellen. Es komme dabei nicht darauf an, ob die Nichterfüllung eines erheblichen Teils der vertraglich vereinbarten Leistung eine Haupt- oder eine Nebenleistungspflicht betreffe.

4.3. Auch nach Apathy (in Schwimann, ABGB³ V § 31e KSchG Rz 21) kommt es nicht darauf an, ob eine oder mehrere Teilleistungen mangelhaft sind, sondern welche Auswirkung die Schlechterfüllung auf die gesamte Reise habe. Es genüge daher für den Schadenersatzanspruch nach § 31e KSchG bereits, wenn durch eine verdorbene Mahlzeit oder einem Unfall infolge eines mangelhaften Zustands einer Hoteleinrichtung der Urlaub gründlich verdorben sei.

4.4. Mayrhofer (in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 31e KSchG Rz 45) schließt aus den Materialien, dass die Gleichbehandlung von § 31e Abs 3 KSchG mit ähnlichen Regelungen im Inland (etwa § 1328a ABGB) und im Ausland die Einführung einer Erheblichkeitsschwelle erfordere. Mit dem kräftigen Ausdruck „vergällen" sei in den Materialien offenbar gemeint, dass die Störung die Zielsetzung des Urlaubs zunichte mache oder schwer beeinträchtigen müsse.

4.5. Auch nach Michitsch (Immaterieller Schadenersatz für entgangene Urlaubsfreude, ZVR 2004, 226) könne man bei einer nur geringen Beeinträchtigung der Reiseleistung nicht von entgangener Urlaubsfreude sprechen. Es sei durchaus eine bestimmte Schwelle für die Zuerkennung eines Ersatzes für entgangene Urlaubsfreude zu setzen, zumal es ansonsten zu einer zu starken Ausweitung des Anspruchs kommen würde. Allerdings sei die Beschränkung des Ersatzanspruchs auf erhebliche Beeinträchtigungen in § 31e Abs 3 KSchG, ebenso wie in § 651f Abs 2 BGB möglicherweise gemeinschaftswidrig.

5.1. In Deutschland besteht nach § 651f Abs 2 BGB ein Anspruch auf angemessene (Geld-)Entschädigung, wenn die Reise ganz vereitelt oder erheblich beeinträchtigt wird. Dabei wird eine erhebliche Beeinträchtigung dann angenommen, wenn die Reise durch Reisemängel so schwer beeinträchtigt worden ist, dass bei Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Urlaubszwecks der Urlaub ganz oder teilweise vertan erscheint. Das Maß der Beeinträchtigung ist im Einzelfall anhand der Kriterien der Art und des Umfangs der Reisemängel, des Reisecharakters, des Reisezwecks und des Zielgebiets zu ermitteln (Führich, Reiserecht5, § 11 Rz 412).

5.2. In der deutschen Rechtsprechung wird überwiegend eine erhebliche Beeinträchtigung nur angenommen, wenn die Mängel zu einer (fiktiven) Minderung von 50 % führen (LG Frankfurt a. M., NJW 1984, 1762; LG Frankfurt a. M., NJW-RR 1990, 189; LG Frankfurt a. M., RRa 2006, 71; LG Frankfurt a. M., RRa 2008, 121; OLG Frankfurt a. M., RRa 2003, 255; LG Mönchengladbach, NJW-RR 1990, 317; LG Hannover, RRa 2008, 131; LG Hamburg, RRA 1999, 238; LG Hannover, RRa 2008, 131; vgl auch die Nachweise bei Tonner, Der Reisevertrag, Kommentar zu den §§ 651a - 651l BGB5 [2007] § 651f BGB FN 115 sowie bei Führich, Reiserecht5 § 11 Rz 412 FN 209). Das LG Hamburg hat sogar bei einer Preisminderung von 49,52 % Schadenersatzansprüche verneint (LG Hamburg RRA 1999, 238). Im Gegensatz dazu haben das LG Koblenz (RRa 2002, 215) und das LG Duisburg (RRa 2006, 69) Schadenersatz schon bei einer Preisminderung von 33 % bzw 25 % zuerkannt.

5.3. Allerdings reicht es nach deutschem Recht aus, wenn sich die 50 % auf einen Teil der Reise beziehen, auch wenn der Reisepreis insgesamt nicht in der Höhe von 50 % gemindert werden kann (Tonner aaO § 651f BGB Rz 31). Ist demnach etwa bei einem durch eine Überbuchung veranlassten Umzug ein Reisetag völlig vertan, so kann für diesen Tag Schadenersatz gemäß § 651f Abs 2 BGB verlangt werden, auch wenn die zugrundeliegende Minderung nicht 50 % des Gesamtpreises erreicht (LG Hannover, NJW-RR, 1004). Auch kann eine erhebliche Beeinträchtigung nur während eines Teils der Reise vorliegen, wenn etwa der Reiseveranstalter oder die örtliche Reiseleitung die Beeinträchtigung abstellen kann. In diesem Fall ist der Schadenersatzanspruch auch auf Basis des beeinträchtigten Zeitraums zu errechnen (Tonner aaO § 651f BGB Rz 46).

5.4. In der deutschen Lehre wird die starre Grenze von 50 % teilweise aus Gründen der Rechtssicherheit befürwortet (Führich, Reiserecht5 § 11 Rz 412; vgl auch Seiler in Westermann, Erman Bürgerliches Gesetzbuch Handkommentar12 [2008] § 651f BGB Rz 7). Nach anderen Autoren ist auf die Gesamtumstände des Einzelfalls abzustellen (H. W. Eckert in Teichmann, BGB, Bd 4/2 [1999] § 651f BGB Rz 14; J. Eckert in Staudinger, BGB [2003] § 651f BGB Rz 65).

Tonner (in MünchKomm BGB5 [2009], § 651f BGB Rz 51) kritisiert, dass der Begriff der erheblichen Beeinträchtigung bei § 651f Abs 2 BGB anders ausgelegt werde als bei § 651e BGB, wo idR eine Grenze von 20 % angenommen werde. Zudem sei seit dem EuGH Urteil in der Rechtssache Leitner/Tui § 651f Abs 2 BGB auch nicht mehr ein autonomer Begriff des deutschen Rechts, sondern Bestandteil des gemeinschaftsrechtlichen Schadensbegriffs gemäß Art 5 Pauschalreiserichtlinie und müsse daher dessen Voraussetzungen entsprechen. Art 5 Pauschalreiserichtlinie erlaube nicht, einen Schadenersatzanspruch an zusätzliche Voraussetzungen zu knüpfen, lediglich eine Einschränkung der Haftung sei zulässig. Damit seien summenmäßige Beschränkungen, wie sie etwa § 651h Abs 1 BGB kenne, zulässig, nicht jedoch Haftungsausschlüsse. Die Voraussetzung der „erheblichen" Beeinträchtigung sei jedoch ein Haftungsausschluss für geringere, aber durchaus vorhandene Beeinträchtigungen, der in Art 5 Pauschalreiserichtlinie keine Stütze finde.

6.1. Auch sonst wird im österreichischen Recht ideeller Schadenersatz an die Überschreitung einer gewissen Erheblichkeitsschwelle geknüpft (vgl Lukas, Schadenersatz bei Verletzung der Privatsphäre, RZ 2004, 39). Dies beruht auf der Überlegung, dass ein gewisses Maß an Unannehmlichkeiten im Sozialleben unvermeidbar ist und ideelle Beeinträchtigungen besonders schwer zu objektivieren sind (Karner/Koziol, Der Ersatz des ideellen Schadens im österreichischen Recht und seine Reform. Verhandlungen des 15. Österreichischen Juristentags, II/1, 38 ff). Teilweise wird in diesem Zusammenhang auch auf den Grundsatz „minima non curat praetor" verwiesen (Karner/Koziol aaO 39).

So setzt die Zuerkennung von Schmerzengeld nach § 1325 ABGB das Vorliegen einer Gesundheitsschädigung voraus. Eine derartige Gesundheitsschädigung liegt nur vor, wenn die psychische Beeinträchtigung behandlungsbedürftig oder wenigstens ärztlich diagnostizierbar und damit medizinisch erfassbar ist (Harrer in Schwimann, ABGB³ § 1325 Rz 66). Daher sind psychische Beeinträchtigungen, die nur in Unbehagen und/oder Unlustgefühlen bestehen, für sich allein nicht als Körperverletzung zu qualifizieren (Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1325 Rz 1). Auch nach § 1328a Abs 1 Satz 2 ABGB umfasst der Schadenersatz bei erheblicher Verletzung der Privatsphäre, etwa wenn Umstände daraus in einer Weise verwertet werden, die geeignet ist, den Menschen in der Öffentlichkeit bloßzustellen, auch eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.

6.2. In der Diskussion zur Reformierung des Schadenersatzes wurde vorgeschlagen, den Ersatz ideeller Schäden an das Überschreiten einer Erheblichkeitsschwelle zu binden, um zu vermeiden, dass die Gerichte mit geringfügigen Streitigkeiten überlastet werden (Steininger, 15. Österreichischer Juristentag in Innsbruck, ÖJZ 2004, 179). Nach § 1316 Abs 2 des Arbeitsgruppen-Entwurfs ist für einen Ersatz ideeller Schäden prinzipiell die erhebliche Verletzung eines Persönlichkeitsrechts Voraussetzung (vgl Karner in Griss/Kathrein/Koziol, Entwurf eines neuen österreichischen Schadenersatzrechts, 2006, 85; dagegen allerdings Christiandl/Hinghofer-Szalkay, Sinn und Funktion einer gesetzlichen Erheblichkeitsschwelle im Nichtvermögensschadensrecht, JBl 2009, 284).

7.1. Nach neuerlicher Prüfung der Rechtslage erscheint jene Auffassung überzeugender, wonach für die Bestimmung der „Erheblichkeit" der Beeinträchtigung nicht auf die (hypothetische) Preisminderung abgestellt werden kann. Dagegen sprechen schon die unterschiedlichen Zielsetzungen von Gewährleistung und Schadenersatz: Zweck des § 31e Abs 3 KSchG ist es, immaterielle Nachteile, nämlich die Beeinträchtigung des Genusses einer Urlaubsreise, insbesondere die mit der Entäuschung einer (berechtigten) Erwartung verbundenen Unlustgefühle und Missempfindungen, abzugelten, während die Preisminderung lediglich die durch den Mangel gestörte subjektive Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung wiederherstellen und damit ein Vermögensschaden ausgeglichen werden soll.

7.2. Der Gesetzgeber verzichtete nach den Gesetzesmaterialien zum ZivRÄG 2002 (173 BlgNR 22. GP 23) ausdrücklich darauf, Schadenersatz an die Voraussetzung zu knüpfen, dass der Reisende zur Minderung des Reisepreises um mehr als 50 % berechtigt wäre. Vielmehr sollten bloß eine allgemeine Mindestschwelle vorgesehen und Schadenersatz bei nur geringfügigen Beeinträchtigungen ausgeschlossen werden.

7.3. Eine zu restriktive Handhabung des § 31e Abs 3 KSchG würde die Bestimmung weitestgehend ihres Anwendungsbereichs berauben. Damit setzte sich die österreichische Rechtsanwendung in Widerspruch zu den Vorgaben der Pauschalreiserichtlinie und des Europäischen Gerichtshofs. Mit den Vorgaben der Richtlinie ist zwar wohl eine in den meisten Rechtsordnungen im Sinne der gemeinrechtlichen Maxime „minima non curat praetor" anzutreffende Bagatellgrenze vereinbar, nicht jedoch das Abstellen auf eine hypothetische Preisminderung von 50 %, setzt diese doch in aller Regel ganz massive Mängel voraus, sodass die Zuerkennung von Schadenersatz nur in Ausnahmefällen in Betracht käme. In diesem Sinn hat der Vorschlag Riedlers, die Erheblichkeit nach § 31e Abs 3 KSchG in Anlehnung an den Begriff des „unerheblichen Mangels" an § 932 Abs 2 ABGB zu verstehen, viel für sich. Hinzu kommt, dass eine großzügigere Bemessung des immateriellen Schadenersatzanspruchs einen zusätzlichen Anreiz für Reiseveranstalter bieten kann, ihre vertraglichen Zusagen einzuhalten und die von ihnen übernommenen Leistungen ordnungsgemäß zu erbringen.

7.4. Die im Vorigen angesprochene Bagatellgrenze ist im vorliegenden Fall jedenfalls erfüllt, steht doch bei einem Badeurlaub der Aufenthalt am Strand und das Baden erfahrungsgemäß im Vordergrund. Dies war aber wegen der festgestellten massiven Verschmutzung des Strands im vorliegenden Fall nicht in der zugesicherten Form möglich. Dazu kommt, dass - trotz ausdrücklicher Zusicherung - so gut wie keine Kinderbetreuungsmöglichkeiten und andere Angebote für Kinder zur Verfügung standen. Dass es sich dabei gerade bei einem kleinen Kind um massive Beeinträchtigungen handelt, bedarf keiner weiteren Ausführungen.

7.5. Im Hinblick auf Art und Gewicht der festgestellten Mängel kann auch keine Rede davon sein, dass die durch die Mängel hervorgerufenen (immateriellen) Unlustgefühle durch die Preisminderung angemessen mitabgegolten seien. Im Übrigen erweist sich die Überlegung des Berufungsgerichts, das Erstgericht hätte die Preisminderung mit 15 % für die fehlende Kinderbetreuung im höheren Bereich ausgemessen, als unzutreffend, hat das Erstgericht doch für die fehlende Kinderbetreuung nur einen Abschlag von 10 % für angemessen erachtet. Damit entbehrt die Überlegung des Berufungsgerichts, der Schadenersatzanspruch nach § 31e Abs 3 KSchG sei durch den Zuspruch eines hohen Preisminderungsbetrags für die fehlende Kinderbetreuung mitabgegolten, aber jeglicher Grundlage.

8.1. Berücksichtigt man die Bedeutung des Sandstrands für einen Badeurlaub und die Wichtigkeit der Kinderbetreuung und anderer Angebote für Kinder bei einem Familienurlaub, so erweist sich nach den Kriterien des § 31e Abs 3 KSchG der in der Revision geltend gemachte Betrag von 20 EUR pro Person für jeden Großelternteil und Tag, insgesamt sohin 280 EUR, sowohl in Relation zum Gesamtreisepreis von über 2.500 EUR als auch von der absoluten Höhe des Betrags her als jedenfalls angemessen. Dabei handelt es sich um nur etwas mehr als 10 % des Reisepreises.

8.2. Nach § 31e Abs 3 KSchG ist bei der Bemessung des Schadenersatzes unter anderem auch auf die Höhe des Reisepreises Bedacht zu nehmen. In der Literatur wird teilweise vorgeschlagen, zunächst als ersten Schritt einen bestimmten Prozentsatz des Reisepreises als Ausgangsbasis zu ermitteln (Riedler, RZ 2003, 274). Dabei handelt es sich aber schon nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut nur um einen von mehreren Faktoren, der - schon wegen seiner Nennung an letzter Stelle der in § 31e Abs 3 KSchG angeführten Bemessungsfaktoren - nicht allein oder auch nur überwiegend herangezogen werden kann. Insbesondere kann - entgegen Mayrhofer (in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang4 § 31e KSchG Rz 46) - bei der Bemessung des Schadenersatzes nach § 31e Abs 3 KSchG nicht ohne weiteres auf die Frankfurter Tabelle abgestellt werden. Diese betrifft vielmehr lediglich die Preisminderung.

9.1. Soweit die beklagte Partei in der Revisionsbeantwortung behauptet, sie treffe am Zustand des Strands kein Verschulden, entfernt sie sich in unzulässiger und damit unbeachtlicher Weise von ihrem in erster Instanz eingenommenen Prozessstandpunkt. In erster Instanz hatte die beklagte Partei sich darauf beschränkt vorzubringen, dass sich der Strand in einem ordnungsgemäßen und benützbaren Zustand befunden hätte. Die beklagte Partei wäre gerne bereit gewesen, etwaige mangelhafte Leistungen zu verbessern. Damit hat sich die beklagte Partei in erster Instanz nicht darauf berufen, dass eine Reinigung des Strands wegen des katastrophenartigen Charakters der Unwetter nicht möglich gewesen sei. Im Übrigen ist der beklagten Partei entgegenzuhalten, dass nach den Feststellungen des Erstgerichts während des gesamten Urlaubs nicht einmal ein Versuch einer Reinigung unternommen wurde. Hinsichtlich des weiters festgestellten Fehlens adäquater Kinderbetreuungseinrichtungen vermag das Unwetter jedenfalls nicht zu exkulpieren.

9.2. Damit waren die Urteile der Vorinstanzen durch zusätzlichen Zuspruch eines Betrags von 280 EUR abzuändern.

10.1. Aufgrund der Abänderung der Urteile der Vorinstanzen war auch die Kostenentscheidung neu zu fassen. Diese gründet sich hinsichtlich der Vorinstanzen auf §§ 43, 50 ZPO, weil die Ausmittlung des zugesprochenen Betrags von richterlichem Ermessen abhängt. Demnach hat die klagende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer gesamten Verfahrenskosten auf Basis des ersiegten Betrags (§ 43 Abs 2 ZPO). Dabei war allerdings auch zu berücksichtigen, dass der Streitwert im vorliegenden Verfahren nach der gesetzlichen Streitwertbemessung in § 10 Z 6b RATG 4.500 EUR beträgt. Aus § 43 Abs 2 ZPO ergibt sich, dass das bloß auf die Bemessung des Zuspruchs nach richterlichem Ermessen zurückzuführende Unterliegen der klagenden Partei bei der Kostenentscheidung nicht zum Nachteil gereichen darf. Daher hat die klagende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer gesamten Kosten auf Basis des gesetzlichen Streitwerts von 4.500 EUR. Eine offenkundige Überklagung, die nach der Rechtsprechung die Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO ausschlösse, liegt nicht vor.

10.2. Im Berufungsverfahren konnte die klagende Partei ihren in erster Instanz erzielten Prozesserfolg gegen die Berufung der beklagten Partei verteidigen. Daher hat die klagende Partei Anspruch auf Ersatz der gesamten Kosten der Berufungsbeantwortung. Außerdem drang sie letztlich von dem in ihrer Berufung begehrten Betrag von 535,60 EUR mit 280 EUR, sohin etwas mehr als der Hälfte, durch. Im Berufungsverfahren strebte die klagende Partei allerdings auch eine Erhöhung der Preisminderung an; damit blieb sie zur Gänze erfolglos. Insoweit kommt der klagenden Partei § 43 Abs 2 ZPO nicht zugute. Nach § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO hat die Klägerin Anspruch auf Ersatz der Barauslagen im Ausmaß ihres tatsächlichen Obsiegens; im Übrigen waren die Kosten der Berufung der klagenden Partei und der Berufungsbeantwortung der beklagten Partei gegenseitig aufzuheben.

10.3. Der Ausspruch über den Ersatz der Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

11. In Hinblick auf die Verschmelzung der T***** GmbH, FN *****, mit der F***** GmbH, FN *****, und der Übernahme des Vermögens der beklagten Partei durch die T***** GmbH (vormals F***** GmbH) war die Parteienbezeichnung der beklagten Partei spruchgemäß richtig zu stellen.

Textnummer

E91870

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00231.08A.0918.000

Im RIS seit

18.10.2009

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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