TE OGH 2010/6/30 9Ob76/09f

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Veröffentlicht am 30.06.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** KG, *****, vertreten durch Dr. Susanne Schuh, Rechtsanwältin in Perchtoldsdorf, gegen die beklagte Partei A***** KEG, *****, vertreten durch Mag. Dr. Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wegen 57.302,83 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Mai 2009, GZ 1 R 181/08g-128, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 12. Juni 2008, GZ 42 Cg 136/07a-124, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.018,16 EUR (darin 336,36 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin erzeugt Fahrzeugachsen und betreibt ein Werksmuseum, in dem sowohl die eigene Unternehmensgeschichte als auch die Entwicklungsgeschichte des gezogenen Wagens sowie die Handwerks- und Industrialisierungsgeschichte des Wagenbaus präsentiert und dokumentiert werden.

Die Beklagte betreibt Versteigerungen und den Verkauf von Antiquitäten. Mit mündlichem Kaufvertrag vom November 2002 erwarb die Klägerin von der Beklagten das ca 2.000 Jahre alte Keramikmodell „Großer Wagen mit Pferd“ um den am 2. 12. 2002 vollständig entrichteten Kaufpreis von 55.000 EUR. Das Keramikmodell wurde der Klägerin am 11. 3. 2003 durch Mitarbeiter der Beklagten geliefert.

Mit ihrer Klage vom 18. 5. 2004 begehrt die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises von 55.000 EUR sA Zug um Zug gegen die Rückgabe des Keramikmodells „Pferd mit Wagen“, sowie weitere 2.302,83 EUR an frustrierten Kosten, in eventu die Aufhebung des Kaufvertrags, Rückabwicklung und Zahlung der frustrierten Kosten. Die ursprünglich geltend gemachten Wandlungs- bzw Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit und des Irrtums sind im Rechtsmittelverfahren nicht mehr relevant.

Die Klägerin stützt sich nur mehr auf die Nichtigkeit des Kaufvertrags, weshalb sie zur Rückabwicklung, insbesondere Rückforderung des Kaufpreises berechtigt sei: Die gegenständliche Tonplastik sei entgegen einem ausdrücklichen chinesischen Ausfuhrverbot, welches den Kulturgüterschutz beabsichtige, aus China ausgeführt worden und nach Europa gekommen. Dies widerspreche sowohl einer zwingenden Eingriffsnorm iSd Art 7 EVÜ als auch § 879 ABGB: Im Rahmen der Sittenwidrigkeitsprüfung könnten auch Bestimmungen, die den Schutz nationaler Kulturgüter dienten, zur Nichtigkeit eines Geschäfts wie des vorliegenden führen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt sowohl die Wirksamkeit einer „Eingriffsnorm“ nach Art 7 EVÜ als auch eine Sittenwidrigkeit. Die Keramikplastik sei erlaubterweise aus Hongkong aus- und nach Österreich eingeführt worden. Allfällige Ausfuhrverbote der Volksrepublik China könnten das gegenständliche Rechtsgeschäft nicht nachteilig beeinflussen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Auffassung, dass kein Ausfuhrverbot habe festgestellt werden können, sodass die eingewendete Nichtigkeit nicht vorliege.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Es setzte sich eingehend mit einer Drittwirkung des Art 7 EVÜ auseinander und verneinte eine solche im vorliegenden Fall. Desgleichen verneinte es eine generelle Wirkung von Ausfuhrverboten durch Drittstaaten, sodass eine Sittenwidrigkeit nach § 879 ABGB nicht angenommen werden könne.

Es sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung dazu fehle, ob ein Exportverbot eines Drittstaats eine Eingriffsnorm darstelle, welche zur Nichtigkeit eines Kaufvertrags führen könne, der ein Objekt betreffe, welches unter Verstoß eines Exportverbots nach Österreich gelangt sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Grund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Die - nur vorsichtshalber eingewendete - Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Auch die Rechtsrüge ist nicht berechtigt:

Wie die Klägerin selbst erkennt, besteht keine völkerrechtliche oder nationale Norm, die unmittelbar anwendbar wäre und daher schon aus diesem Grund das gegenständliche Rechtsgeschäft nichtig machen könnte. Grundsätzlich ist unstrittig, dass österreichisches materielles Recht auf den vorliegenden Kaufvertrag Anwendung zu finden hat.

Gemäß Art 7 Abs 1 EVÜ kann bei einer Anwendung des Rechts eines bestimmten Staats aufgrund dieses Übereinkommens den zwingenden Bestimmungen des Rechts eines anderen Staats, mit dem der Sachverhalt eine enge Verbindung aufweist, Wirkung verliehen werden, soweit diese Bestimmungen nach dem Recht des letztgenannten Staats ohne Rücksicht darauf anzuwenden sind, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Bei der Entscheidung, ob diesen zwingenden Bestimmungen Wirkung zu verleihen ist, sind ihre Natur und der Gegenstand sowie die Folgen zu berücksichtigen, die sich aus ihrer Anwendung oder ihrer Nichtanwendung ergeben würden.

Die Klägerin vermag keine Norm aufzuzeigen, die den Export aus Hongkong bzw den Import nach Österreich unerlaubt machen würde. Sie beruft sich lediglich auf ein Ausfuhrverbot der Volksrepublik China selbst, welches den Sonderstatus von Hongkong nicht berührt. Der Klägerin ist grundsätzlich dahin beizupflichten, dass auch dem Kulturgüterschutz dienende Ein- oder Ausfuhrverbote grundsätzlich Eingriffsnormen iSd Art 7 Abs 1 EVÜ darstellen können (Verschraegen in Rummel, ABGB³ Art 7 EVÜ Rz 24 f). Wenngleich die Reichweite des Art 7 Abs 1 EVÜ umstritten ist, so sind sich Lehre und Rechtsprechung doch dahin einig, es sei Voraussetzung für die Anwendung einer Eingriffsnorm eines Drittstaats, dessen Recht nicht das Vertragsstatut ist, dass eine enge Verbindung zwischen dem Staat der Eingriffsnorm und dem des anzuwendenden Rechts gegeben ist (Verschraegen aaO Rz 26; Freitag in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht Rz 496; Heiss in Czernich/Heiss EVÜ Art 7 Rz 36, 38; zur früheren Rechtslage nach dem IPRG: RIS-Justiz RS0076721; RS0016848). Die generelle Erstreckung des Begriffs der Eingriffsnorm auch auf zwingende drittstaatliche Bestimmungen, die primär die Individualinteressen ausgleichen sollen, ist hingegen abzulehnen (SZ 2006/41). Im vorliegenden Fall wurde weder behauptet, noch ist hervorgekommen, dass die Beklagte die Plastik erst unter Umgehung chinesischer Ausfuhrvorschrift beschaffen musste oder aber jemand von ihr angestiftet worden wäre, diese Ausfuhr zu bewerkstelligen. Festgestellt wurde vielmehr nur, dass die Beklagte bzw deren Rechtsvorgängerin die Plastik aus Hongkong nach Österreich eingeführt hat. Wie und wann die Plastik dorthin gelangt ist, steht nicht fest und wurde auch durch ein Vorbringen der Klägerin nicht annähernd konkretisiert.

Damit kann aber auch nicht gesagt werden, dass vom Vertragswillen der Streitteile eine erst vorzunehmende illegale Ausfuhr eines Kulturguts Vertragsbestandteil geworden ist. Die oben genannte „enge Verbindung“ zwischen der chinesischen Eingriffsnorm und Österreich ist daher nicht gegeben. Schon aus diesem Grund scheidet die Anwendung des Art 7 Abs 1 EVÜ auf den vorliegenden Sachverhalt aus.

Zu prüfen bleibt daher der weitere Einwand, dass der Kaufvertrag zwischen den Streitteilen deshalb sittenwidrig iSd § 879 ABGB sei, weil der Kulturgüterschutz ein internationales Anliegen und daher auch für die Beurteilung der im Inland geschützten Rechte und Werte maßgeblich sei. Die Klägerin erkennt in diesem Zusammenhang selbst, dass die Verordnung Nr 3911/92/EWG des Rates über die Ausfuhr von Kulturgüter genauso wenig auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden ist wie die Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern, weil beide Bestimmungen sich jeweils nur unmittelbar auf Mitgliedstaaten, nicht jedoch auf Verbote von Drittstaaten beziehen.

In der älteren österreichischen Rechtsprechung wurde zwar schon die Verletzung ausländischer zwingender Normen als nichtig und iSd § 879 ABGB beurteilt (SZ 13/76; SZ 19/40); doch ging es in beiden Fällen um die Durchsetzung des unmittelbar gegen ausländische Zoll- bzw Devisenvorschriften verstoßenden Geschäfts selbst. In der deutschen Judikatur wurde ausgesprochen, dass die Umgehung eines amerikanischen Embargo-Verbots wegen der damit verbundenen internationalen Interessen ebenfalls von Nichtigkeit bedroht sein kann (BGH VIII ZR 1/60). Eingehend setzte sich der deutsche BGH im „Nigeria-Masken“-Fall mit dem Problem der Umgehung ausländischer Ausfuhrvorschriften auseinander (BGH vom 22. 6. 1972 II ZR 113/70 = BGHZ 59/14). Dort ging es darum, dass bei der beklagten Versicherung drei Kisten mit Kunstgegenständen (Masken und Figuren) transportversichert wurden, welche von Nigeria nach Hamburg überführt werden sollten. Auf dem Seetransport gingen Teile dieser entgegen einem nigerianischen Ausfuhrverbot weggebrachten Kulturgüter verloren. Die Versicherung weigerte sich, die Versicherungssumme zu zahlen, weil der zu Grunde liegende Vertrag nichtig gewesen sei.

Der BGH sprach aus, dass eine wirksame Versicherung ein erlaubtes versichertes Interesse voraussetze. Wenngleich die Bundesrepublik dem entsprechenden UNESCO-Übereinkommen über Kulturgüterschutz nicht beigetreten sei, bestünden in der Völkergemeinschaft bestimmte grundsätzliche Überlegungen über das Recht jedes Landes auf den Schutz seines kulturellen Erbes und über die Verwerflichkeit von Praktiken, die es beeinträchtigen, und die bekämpft werden müssen. Die Ausfuhr von Kulturgut entgegen einem Verbot des Ursprungslandes verdiene daher im Interesse der Wahrung der Anständigkeit im internationalen Verkehr mit Kulturgegenständen keinen bürgerlich-rechtlichen Schutz, auch nicht durch die Versicherung einer Beförderung, durch die Kulturgut aus dem von der ausländischen Rechtsordnung beherrschten Gebiet dem seiner Sicherung dienenden Ausfuhrverbot zuwider ausgeführt werden solle. Die in früherer Zeit übliche und geduldete Missbilligung des Wunsches anderer Völker, im Besitz ihrer Kunstschätze zu bleiben und sie selbst zu verwerten, könne nicht zum Maßstab des nach heutiger Auffassung mit den guten Sitten Verträglichen gemacht werden.

Diesen Erwägungen ist grundsätzlich beizupflichten. Der hier zu beurteilende Fall unterscheidet sich vom „Nigeria-Masken“-Fall jedoch insoweit, als dort die Abwicklung des verpönten Geschäfts durch den Abschluss einer Transportversicherung selbst gesichert werden sollte. Zutreffend wird daher von der Literatur (Halsdorfer, Privat- und kollisionsrechtliche Folgen der Verletzung von Kulturgüterschutznormen auf der Grundlage des UNESCO-Kulturgutübereinkommens 1970, 110; Kurpiers, De lex originis-Regel im internationalen Sachenrecht - Grenzüberschreitende privatrechtliche Ansprüche auf Herausgabe von abhanden gekommenen und unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern, 126) darauf hingewiesen, dass es auch nach der „Nigeria-Masken“-Entscheidung darauf ankommt, dass der Vertragsschluss der verpönten Ausfuhrhandlung vorangeht und somit der Vertrag als solcher gegen zwingende Ausfuhrbestimmungen verstoßen hat. Dies liegt aber hier nicht vor, weil nicht einmal behauptet wurde, dass eine illegale Ausfuhr die Bedingung dafür war, um dann den Kaufvertrag erfüllen zu können. Entgegen der Auffassung der Klägerin, die sich auf eine Lehrmeinung stützt, die sich auf die oben erwähnten Gemeinschaftsregeln bezieht (Reichelt, „Europäischer Kunstmarkt“ in ÖJZ 1994, 339 ff), kann daher nicht generell gesagt werden, dass Sachen, die irgendwann entgegen eines Ausfuhrverbots in den internationalen Handel gelangt sind, schon deswegen „extra commercium“ sind, das heißt, dem Warenverkehr nicht unterliegen und jedes darüber abgeschlossene Geschäft schon deshalb nichtig ist.

Vielmehr ist daran festzuhalten, dass Erwerbsbeschränkungen iSd § 356 ABGB nur bei besonderer Anordnung anzunehmen sind (RIS-Justiz RS0010357). Somit kann sich die Klägerin weder auf eine wirksame Eingriffsnorm iSd Art 7 Abs 1 EVÜ, noch auf eine allgemeine Sittenwidrigkeit iSd § 879 ABGB berufen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Schlagworte

Gruppe: Internationales Privatrecht und Zivilverfahrensrecht

Textnummer

E94951

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0090OB00076.09F.0630.000

Im RIS seit

26.08.2010

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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