TE OGH 2010/7/8 3Nc17/10w

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Veröffentlicht am 08.07.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Lovrek als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Ernst J*****, geboren am *****, wegen Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 JN, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 19. April 2010, zur GZ ***** verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Klagenfurt wird gemäß § 111 Abs 2 JN genehmigt.

Text

Begründung:

Der bisher in Wien wohnende Minderjährige übersiedelte mit seiner Mutter nach Klagenfurt, wo er seit 27. Jänner 2010 gemeldet ist. Der örtliche Jugendwohlfahrtsträger als gesetzlicher Vertreter in Unterhaltsangelegenheiten hatte am 19. Februar 2010 einen Antrag auf Unterhaltserhöhung eingebracht. Über Aufforderung nach § 17 AußStrG, die ihm durch Hinterlegung zugestellt wurde (Beginn der Abholfrist am 9. April 2010), äußerte sich der Vater mit Telefax vom 23. April 2010 ablehnend.

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 19. April 2010, übertrug das Bezirksgericht Floridsdorf die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Klagenfurt. Der Minderjährige halte sich jetzt ständig in Klagenfurt auf. Es sei daher zweckmäßiger, wenn das bezeichnete Gericht diese Pflegschaftssache führe.

Das Bezirksgericht Floridsdorf übermittelte hierauf den Akt dem Bezirksgericht Klagenfurt. Dieses lehnte die Übernahme der Zuständigkeit mit Beschluss vom 4. Mai 2010 ab. Der Vater habe sich zum offenen Unterhaltserhöhungsantrag trotz Aufforderung nach § 17 AußStrG nicht geäußert. Da nur noch der abschließende Beschluss „gem § 17 AußStrG“ zu fassen sei, wäre es vorteilhafter, den Akt erst danach abzutreten. Das Bezirksgericht Floridsdorf legte daraufhin den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung „betreffend eines Kompetenzkonflikts gemäß § 111 Abs 2 JN“ vor. Eine nähere Stellungnahme zur Ablehnung der Übertragung der Zuständigkeit erfolgte nicht.

Rechtliche Beurteilung

Zwar liegt entgegen der Annahme des Bezirksgerichts Floridsdorf kein (negativer) Kompetenzkonflikt vor (vgl 9 Nc 19/09g mwN), sehr wohl aber der in § 111 Abs 2 JN geregelte Fall. Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Gericht im Interesse eines Minderjährigen seine Zuständigkeit übertragen, wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Nach Abs 2 dieser Bestimmung ist die Übertragung nur dann wirksam, wenn das andere Gericht die Zuständigkeit übernimmt oder im Fall der Weigerung des anderen Gerichts eine Genehmigung durch das den beiden Gerichten zunächst übergeordnete gemeinsame höhere Gericht - hier durch den Obersten Gerichtshof - erfolgt. Ausschlaggebendes Kriterium für die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache für Minderjährige ist immer das Kindeswohl (RIS-Justiz RS0047074 ua). § 111 JN nimmt darauf Bedacht, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Pflegebefohlenen in der Regel zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung ist. Nach ständiger Rechtsprechung wird der pflegschaftsgerichtliche Schutz daher am Besten durch jenes Gericht gewährleistet, in dessen Sprengel sich das Kind aufhält, außer dem übertragenden Gericht käme zur Entscheidung eine besondere Sachkenntnis zu (RIS-Justiz RS0049144 ua). Dass ein noch nicht erledigter Unterhaltserhöhungsantrag in der Regel der Übertragung der Zuständigkeit nicht entgegen steht (RIS-Justiz RS0047032, besonders [T2] ua), erkannte das Bezirksgericht Klagenfurt ohnehin richtig. Das gilt besonders, wenn sich das übertragende Gericht mit dem offenen Antrag wie hier bisher noch nicht eingehend befasste (RIS-Justiz RS0047032 [T7, T8, T12, T14 und T16]). Möglicherweise, weil die dem Bezirksgericht Klagenfurt am 28. April 2010 gesondert zugekommene Äußerung des Vaters noch nicht im Akt war, verkannte es, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit - nach der zu erwartenden Verbesserung der fristgerechten (s § 17 Abs 3 zweiter Satz ZustG) Äußerung - die bisher noch fast ganz fehlenden Grundlagen für die Entscheidung über den offenen Antrag erst geschaffen werden müssen. Daher kann eben gerade nicht gesagt werden, die Belassung beim übertragenden Gericht wegen dessen besonderer Sachkenntnis wäre zweckmäßiger.

Die Übertragung der Zuständigkeit ist daher gemäß § 111 Abs 2 JN zu genehmigen.

Textnummer

E94481

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0030NC00017.10W.0708.000

Im RIS seit

14.08.2010

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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