TE OGH 2010/8/11 15Os74/10m

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Veröffentlicht am 11.08.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat am 11. August 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mechtler als Schriftführer in der Strafsache gegen Jürgen S***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, AZ 11 Hv 3/10k des Landesgerichts Leoben, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts (ON 14) auf Widerruf der zu AZ 31 BE 76/09m des Landesgerichts Leoben gewährten bedingten Entlassung erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokurator, Generalanwalt Dr. Seidl zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit - in gekürzter Form ausgefertigtem - Urteil des Landesgerichts Leoben vom 2. März 2009, GZ 14 Hv 26/09p-26, wurde (unter anderem) Jürgen S***** des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und der Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB, der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde der Vollzug eines Teils dieser Freiheitsstrafe im Ausmaß von fünf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Unter einem wurde gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die im Verfahren AZ 11 Hv 159/07x des Landesgerichts Leoben gewährte bedingte Nachsicht einer zweimonatigen Freiheitsstrafe widerrufen. Vom Widerruf einer weiteren, mit Urteil des Landesgerichts Leoben zu AZ 14 Hv 110/08i gewährten bedingten Strafnachsicht (fünf Monate Freiheitsstrafe) wurde unter Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre abgesehen.

Jürgen S***** verbüßte diese Freiheitsstrafen in der Folge unmittelbar nacheinander in der Justizanstalt Leoben. Dabei wurde zuerst der zu AZ 14 Hv 26/09p des Landesgerichts Leoben verhängte zweimonatige unbedingte Strafteil der teilbedingten Freiheitsstrafe vollzogen, wobei dieser mit Vollzugsdatum 26. März 2010 verbüßt wurde (ON 1/S 9 in 31 BE 76/09m des Landesgerichts Leoben), für danach war der Vollzug der zu AZ 11 Hv 159/07x verhängten zweimonatigen unbedingten Freiheitsstrafe angeordnet (voraussichtliches Strafende 26. Mai 2010).

Gemäß § 46 Abs 5 StGB war für die Prüfung der zeitlichen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung nach § 46 StGB daher die Gesamtdauer der Strafzeit (§ 1 Z 5 StVG) maßgebend, weshalb zu diesem Zweck die beiden zu verbüßenden Strafen zusammenzurechnen waren.

Mit Beschluss des Landesgerichts Leoben als Vollzugsgericht vom 23. März 2009, GZ 31 BE 76/09m-3, wurde Jürgen S***** nach Verbüßung von zwei Monaten der insgesamt vier Monate bei einem Strafrest von zwei Monaten mit Wirkung vom 26. März 2009 bedingt entlassen. Die Probezeit wurde mit drei Jahren bestimmt und für deren Dauer Bewährungshilfe angeordnet.

Aufgrund neuerlicher Delinquenz während der Probezeit (Tatzeit 13. November 2009) wurde Jürgen S***** mit - gekürzt ausgefertigtem - Urteil des Landesgerichts Leoben vom 3. März 2010, GZ 11 Hv 3/10k-14, des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Unter einem fasste das Landesgericht Leoben den Beschluss, „die mit Beschluss des Landesgerichts Leoben (als Vollzugsgericht) vom 23. März 2009 zu AZ 31 BE 76/09m des Landesgerichts Leoben gewährte bedingte Entlassung (Strafrest zwei Monate)“ zu widerrufen. Vom Widerruf der im Urteil des Landesgerichts Leoben zu AZ 14 Hv 26/09p gewährten bedingten Strafnachsicht hinsichtlich des Strafteils von fünf Monaten sah das Landesgericht Leoben unter Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre ab.

Nach der von der Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde vertretenen Ansicht verletze der gemeinsam mit dem Urteil des Landesgerichts Leoben vom 3. März 2010, GZ 11 Hv 3/10k-14, ausgesprochene Widerruf der zu GZ 31 BE 76/09m-3 des Landesgerichts Leoben gewährten bedingten Entlassung aus folgenden Gründen das Gesetz zum Nachteil des Verurteilten Jürgen S*****:

Gemäß dem durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2008, BGBl I 2007/109, in den Rechtsbestand eingefügten zweiten Satz des § 53 Abs 1 StGB können die bedingte Nachsicht eines Teils einer Freiheitsstrafe und die bedingte Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil nur gemeinsam widerrufen werden. Ein Widerruf der bedingten Entlassung aus dem gemäß § 43a Abs 3 oder Abs 4 StGB nicht bedingt nachgesehenen Teil einer Freiheitsstrafe ist daher unzulässig, wenn zugleich in Ansehung des bedingt nachgesehenen Teils dieser Strafe vom Widerruf abgesehen wird (RIS-Justiz RS0125448). Dies gilt auch dann, wenn (wie hier) die bedingte Entlassung auch aus dem Vollzug einer weiteren Freiheitsstrafe erfolgt ist.

Vorliegend hat das Landesgericht Leoben in seinem Beschluss vom 3. März 2010 die zu AZ 31 BE 76/09m gewährte bedingte Entlassung, die auch aus dem unbedingten Teil der mit Urteil des Landesgerichts Leoben vom 2. März 2009, GZ 14 Hv 26/09p-26, verhängten Freiheitsstrafe erfolgte, widerrufen, jedoch vom Widerruf des bedingt nachgesehenen Teils derselben Freiheitsstrafe im Ausmaß von fünf Monaten unter Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre abgesehen und damit die Bestimmung des § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

§ 46 Abs 5 StGB normiert: „Verbüßt ein Verurteilter mehrere Freiheitsstrafen, Strafteile oder Strafreste, so ist ihre Gesamtdauer maßgebend, sofern sie unmittelbar nacheinander verbüßt oder lediglich durch Zeiten unterbrochen werden, in denen er sonst auf behördliche Anordnung angehalten wird. Nach spätestens fünfzehn Jahren ist jedoch in jedem Fall über die bedingte Entlassung zu entscheiden. Wurde auf eine Zusatzstrafe erkannt (§§ 31, 40), so sind auch bei unterbrochenem Vollzug alle Strafen maßgebend, auf die beim Ausspruch der Zusatzstrafe Bedacht zu nehmen war; wurde der Verurteilte aus einer dieser Strafen bedingt entlassen, so ist bei Berechnung des Stichtages (§ 46 Abs. 1 und 2) sowie der noch zu verbüßenden Strafzeit die tatsächlich in Haft zugebrachte Zeit in Abzug zu bringen. Eine frühere Strafe, zu der eine Zusatzstrafe verhängt wurde, hat jedoch außer Betracht zu bleiben, soweit der Verurteilte daraus vor Verbüßung der Hälfte der Strafzeit entlassen wurde.“

§ 46 Abs 5 StGB normiert somit nach dem klaren Wortlaut bloß eine Zusammenrechnungsregel für den Zeitpunkt der bedingten Entlassung, ohne hingegen zu bewirken, dass durch den nacheinander erfolgenden Vollzug (oder einen anderen im Gesetz angeführten Grund für diese Zusammenrechnung) eine eigene „Gesamtstrafe“ sui generis entsteht. Demgemäß erfolgt eine bedingte Entlassung in den Fällen des § 46 Abs 5 StGB auch nicht aus einer solchen „Gesamtstrafe“, sondern gegebenenfalls aus mehreren Strafen, Strafteilen oder Strafresten (aM noch die - nur mit dem Begriff der „Strafzeit“ und Zuständigkeitsnormen des StVG argumentierende, jedoch vereinzelt gebliebene - Entscheidung 12 Os 48/93).

Von einer bedingten Entlassung aus einer Strafe kann begrifflich nur solange die Rede sein, als diese Strafe nicht bereits zur Gänze verbüßt wurde, ist doch in letztem Fall der Verurteilte ohne Bedingung zu entlassen (§ 148 Abs 1 StVG).

Eine bedingte Entlassung im Fall mehrerer gemäß § 46 Abs 5 StGB zusammenzurechnender Strafen kann daher - ungeachtet der rechnerischen Berücksichtigung auch der zum Entlassungszeitpunkt bereits zeitlich verbüßten Strafen - nur aus denjenigen Strafen erfolgen, die noch „entlassungsfähig“, somit noch nicht (zur Gänze) verbüßt sind.

§ 53 Abs 1 zweiter Satz StGB normiert: „Die bedingte Nachsicht des Teils einer Freiheitsstrafe und die bedingte Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil können nur gemeinsam widerrufen werden.“

Im Fall einer bedingten Entlassung aus mehreren Strafen, Strafteilen oder Strafresten (§ 46 Abs 5 StGB) bezieht sich die Anordnung des § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB ausschließlich auf den Teil der bedingten Entlassung, der den unbedingten Strafteil einer teilbedingten Freiheitsstrafe betrifft, bewirkt aber nicht, dass ein Widerruf der bedingten Entlassung in Bezug auf weitere von ihr umfasste Strafen ebenfalls von der (damit in keinem Zusammenhang stehenden) Frage des Widerrufs des ursprünglich bedingt nachgesehenen Teils der teilbedingten Freiheitsstrafe abhängt.

Im konkreten Fall erfolgte - in Hinblick auf die zum Entlassungszeitpunkt bereits vorliegende Verbüßung des unbedingten Teils der zu AZ 14 Hv 26/09p des Landesgerichts Leoben verhängten Freiheitsstrafe - die bedingte Entlassung zu AZ 31 BE 76/09m des Landesgerichts Leoben somit der Sache nach ausschließlich aus der (noch nicht verbüßten) zweimonatigen Freiheitsstrafe zu AZ 11 Hv 159/07x des Landesgerichts Leoben, sodass sich auch der gegenständlich angefochtene Widerrufsbeschluss auf nichts anderes beziehen konnte.

Der somit einzig in Bezug auf die (noch unverbüßte) zweimonatige Freiheitsstrafe zu AZ 11 Hv 159/07x des Landesgerichts Leoben erfolgte Widerruf war daher nicht von einem gleichzeitigen Widerruf des bedingt nachgesehenen Strafteils zu AZ 14 Hv 26/09p des Landesgerichts Leoben abhängig, weshalb eine Verletzung des § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB nicht vorliegt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher zu verwerfen.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E94932

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0150OS00074.10M.0811.000

Im RIS seit

29.09.2010

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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